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Zu den großen Schikanen, die der Bürger wieder und wieder über sich ergehen lassen muss, gesellen sich gerne auch mal kleine. Die erscheinen allerdings nur dann klein, wenn man sie als Einzelfälle wahrnimmt. Tatsächlich sind sie aber Teil eines großen Ganzen, das die Freiheit beständig bedroht und kontinuierlich einschränkt.

Fasten am Ostermontag

Ostermontag. Eine der beliebtesten Bäckereien und Bistros im Zentrum einer großen deutschen Stadt. Beim Herantreten an die Kuchentheke bekommt man Bescheid: „Wir müssen Ihnen leider sagen, dass wir nichts zum Mitnehmen verkaufen dürfen. Das Ordnungsamt war eben da. An gesetzlichen Feiertagen dürfen wir nur im Café verkaufen.“ Ja, doch: Ist ja auch irgendwie nachvollziehbar. In der Regel kauft man ja auch dienstags vormittags Kuchen und nicht an einem Feiertag. Am Feiertag sitzt der gute Bürger ja bei einem Müsli mit H-Milch zur ausgelassenen Feier mit seiner Familie beisammen, schmaust und schlemmt.

Dem 20jährigen war nur drei Tage vorher, am Karfreitag, verwehrt worden, den Abend in einem Club zu verbringen – natürlich mit Hinweis auf die christlichen Traditionen. Am Ostermontag wird die Familie, die eben noch die Messe besucht hatte, mit einer sehr ähnlichen Begründung daran gehindert, ihre Ostertafel mit frischen Kuchen zu bereichern. Das ist zumindest mal inkonsequent, tatsächlich aber in beiden Fällen unsinnig. Es gibt noch viele andere überflüssige Regelungen, die uns immer wieder aufs Neue Nerven und Lebensqualität kosten. Vom Baumfällverbot über Hundesteuer und Alkoholverkaufsverbote bis zur wuchernden Parkplatzbewirtschaftung von öffentlichem Grund. Gängelung allenthalben!

Freiheitseinschränkungen, nicht Kavaliersdelikte

Angesichts von wesentlich schlimmeren Maßnahmen wie etwa der Vorratsdatenspeicherung, der Mineralölsteuer, des Solidaritätszuschlags oder des andauernden Rentendesasters erscheinen diese Unannehmlichkeiten wie Lappalien. Man erträgt sie verärgert – aber eben auch Schulter zuckend. Viele lassen es sich gefallen, weil sie meinen, dass sich der Aufwand nicht lohnt, dagegen vorzugehen. In der Tat: für sich genommen ist ja auch jede der Maßnahmen zu ertragen. Aber die Menge und vor allem der Zusammenhang macht’s.

Man muss festhalten: Ordnungswidrigkeiten sind kein Kavaliersdelikt. Allerdings nicht im Blick auf den, der sie begeht, sondern im Blick auf den, der sie ersinnt. Viele der Gängelungen, die euphemistisch als Ordnungswidrigkeiten bezeichnet werden, sind nicht notwendig. Notwendig sind ordnende Eingriffe nur dort, wo sie tatsächlich die Freiheit eines anderen einschränken, nicht aber dort, wo sie Geschmacks- oder Wertpräferenzen widerspiegeln. Es gibt keinen vernünftigen Grund, Menschen am Karfreitag am Tanzen zu hindern, oder am Ostermontag am Kuchenverkauf. Genauso wie es keinen vernünftigen Grund gibt, jemandem zu verbieten, einen Baum zu fällen, der im eigenen Garten steht. Diese Eingriffe sind deshalb keine Kavaliersdelikte, sondern unbegründete Eingriffe in die Freiheit des Bürgers.

Der Obrigkeitsstaat lebt – gerade auch im Kleinen

Insbesondere sind sie deshalb keine Kavaliersdelikte, weil sie einer bestimmten Haltung entspringen. Diese Haltung ist ein Relikt obrigkeitsstaatlichen Denkens. Ein Denken, das leider in letzter Zeit wieder eine heftige Renaissance erlebt in einer neuen Verbotskultur, die die Bürger zu besseren Menschen erziehen möchte. Der Staat und seine Diener haben in diesem Denken eine Stellung, die sie aus anderen heraushebt. Sie haben nicht nur besseres Wissen, sondern entscheiden auch kompetent über moralische Fragen. Vor einigen Jahrzehnten gehörte dazu die Entscheidung, dass es nicht recht sein könne, am Karfreitag zu tanzen. Und heute droht uns von der Arbeitsministerin die verbindliche Feststellung, dass eine Toilette ohne Tageslicht uns in unserer Würde verletzt.

Es handelt sich bei all diesen Kleinigkeiten nicht um eine Lappalie, weil jede einzelne der Verordnungen, Gesetze, Abgaben ein sehr anschaulicher Hinweis auf die dahinter liegende Mentalität vieler Politiker und Bürokraten ist. Wie die Philosophenkönige, die sich Platon einst herbeisehnte, sind sie mit tieferer Einsicht und höherer moralischer Integrität ausgestattet. Das legitimiert sie dazu, andere Menschen zu führen und zu leiten. Notfalls mithilfe von Bußgeldern … Wir haben es hier mit institutionalisierter Arroganz und Anmaßung zu tun, die uns in vielen kleinen Schritten großer Stücke unserer persönlichen Freiheit beraubt.

Kreative Formen des zivilen Ungehorsams

Gerade weil es sich um so kleine Schritte handelt, ist es oft sehr schwierig, dagegen vorzugehen. Während sich schon Menschen finden, die mal eine Klage anstreben gegen die Euro-Rettung oder die Rundfunkbeiträge, wird kaum einer sich die Mühe machen, das im Falle der vielen kleinen Ordnungswidrigkeiten zu tun. Zumal viele Gerichte die Klagen wohl entweder sofort abweisen oder ihnen nicht stattgeben würden. Was vielleicht eigentlich gefragt wäre, wären kreative Formen des zivilen Ungehorsams. Das klingt pathetisch – ist aber angemessen. Denn es geht nicht um die vielen Einzelregelungen. Es geht vielmehr darum, gegen das Konzept Obrigkeitsstaat vorzugehen.

Mit Tupperware bewaffnet in das Bistro einfallen, den Kuchen mit an den Platz nehmen und ihn dort einpacken. Eine Tanzveranstaltung am Karfreitag, die von Ort zu Ort zieht. Die Hundesteuer in Kleinstbeträgen überweisen. Die Parkplatztickets, die noch länger gültig sind, an den Parkautomaten kleben zur Wiederverwendung. All das können Methoden sein, um es den Ordnungshütern wenigstens schwerer zu machen, die Gängelungen durchzusetzen. Mittelfristig aber brauchen wir dringend eine echte Bürokratiebremse. Über viele dieser Verordnungen könnte in kleinen Einheiten basisdemokratisch (und möglichst auch immer mal wieder) abgestimmt werden. Lasst wenigstens die Menschen vor Ort entscheiden, ob sie sich wirklich so beschränken lassen wollen!

Photo: Nicholas Boos from Flickr

Am 24. Oktober 2014 erschien das “Ergänzte BMF-Schreiben zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts” und hat das bisher bekannte Reisekostenrecht grundlegend geändert. Mit der neuen Verordnung zum Geldwerten Vorteil der privaten Nutzung von dienstlichen Toiletten (Anlage T) führt nun das Bundesministerium der Finanzen, Gleichheit und sozialen Gerechtigkeit einen weiteren Großbuchstaben ein.

Demnach müssen Arbeitnehmer ab dem 01.04.2015 dienstliche Toilettengänge zu privaten Zwecken an ihrer ersten Tätigkeitsstätte mit dem neuen Sachbezugswert T bewerten. Die neue Verordnung unterscheidet hierbei zwischen dem kleinen Sachbezug (kleines t) und dem großen Sachbezug (großes T), wofür jeweils unterschiedliche Sachbezugswerte versteuert werden müssen. Anlage T muss dann am Ende des Jahres innerhalb der elektronischen Lohnsteueranmeldung (ELSTER) unter den Ziffern 28 und 29 ausgewiesen werden.

Der Redaktion der Seite Reisekosten.de liegt der finale Entwurf für die Anlage T exklusiv vor. Das noch streng vertrauliche Dokument können Sie unter http://www.reisekosten.de/wp-content/uploads/2015/03/BMF-Schreiben_01.04.2015-Anlage_T.pdf als PDF-Dokument downloaden.

Quelle: Reisekosten.de

Der heutige Sozialstaat, der gerne wohlmeinend als Wohlfahrtsstaat bezeichnet wird, ist eine preußische Erfindung. Mangels eines zusammenhängenden Staatsgebietes suchten die preußischen Herrscher die Identität ihrer Untertanen durch die Fürsorge der Landesherren für ihre Landeskinder zu fördern. Von der Erziehung der Kinder bis zur Feuerversicherung wurde alles vom Vater Staat organisiert und geregelt. Es war der „geistige Hegemonieanspruch des Staates“ wie es Gerd Habermann in seinem Buch „Der Wohlfahrtsstaat – Ende einer Illusion“ ausdrückt. Der ging so weit, dass in Preußen der Kaffeegenuss durch ein Monopol beschränkt wurde und Friedrich der Große seinen Untertanen empfahl, statt Kaffee Warmbier zu trinken. Aus diesem preußischen Modell ist die Kultur des „Vater Staat“ in Deutschland entstanden. Der „alte Fritz“ kümmerte sich um seine Schäfchen in dem Glauben, dass sie des eigenständigen Denkens nur eingeschränkt mächtig seien. Dies alles folgte einem großen Ziel: die Macht des Königs zu erweitern – militärisch, räumlich, vor allem aber in den Köpfen und Herzen.

Wenn jeder Untertan, der arbeitslos ist, an einer Krankheit leidet oder nicht ausreichend für das Alter vorgesorgt hat, vom Vater Staat von seinen Sorgen befreit werden soll, erfordert dies zwangsläufig einen umfangreichen Planungsprozess der Regierenden.

Zentrale Pläne lassen die Vielfalt der Möglichkeiten einer dezentralen Problemlösung nicht zu. Die Regierung ist Monopolist der Problembeseitigung. Diese Monopolstellung ist fatal: Wenn sich herausstellt, dass die Maßnahme falsch, unzureichend oder ineffizient war, interveniert die Regierung erneut, schafft mehr Bürokratie und greift in die Vertragsfreiheit Einzelner noch stärker ein. Es finden kein Wettbewerb und kein Entdeckungsverfahren um die beste Problemlösung statt, die in einem auf der individuellen Freiheit beruhenden Konzept möglich wäre.

Bismarck führte den preußischen „Vater Staat“ konsequent weiter und schuf mit den Sozialgesetzen die Grundlage für die heutige umfassende staatliche Fürsorge. Dieses Wachstum des Wohlfahrtsstaats wurde nur durch die beiden Weltkriege unterbrochen, um danach umso heftiger zu wüten. Betrug die Sozialleistungsquote (alle Sozialleistungen eines Staates im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt) 1950 in Deutschland noch 14,8 Prozent, so hat sich dieser Anteil inzwischen verdoppelt (29,7 % in 2013). Doch das Besondere daran ist, dass diese Quote bis 1999 steil anstieg und seitdem konstant verläuft. Interessant ist daran, dass dies mit der Einführung des Euro zusammenfällt.

Die Ursache der prozentualen Konstanz im Vergleich zur absoluten Zahl liegt ausschließlich im Wachstum Deutschlands. Das Credo der Befürworter einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung lautet daher allenthalben: Es muss erst erarbeitet werden, was später verteilt werden kann.

Doch dieser Prozess des Erarbeitens kann länger oder kürzer dauern. Und auch der Vermögensaufbau kann schneller oder langsamer gehen. In unserer heutigen Geldordnung hängt es vom Geldangebot ab, ob dieser zügiger möglich ist oder nicht. Und dieses Geldangebot war seit Einführung der Gemeinschaftswährung reichlich vorhanden. Die Politik der EZB führte zu einer Verdoppelung der Geldmenge (M3) seit Euroeinführung 1999 bis Ende 2013. Insgesamt erreichte die EZB durch ihre Geldpolitik ein reales Wachstum im Euro-Club von fast 50 Prozent in 15 Jahren. Kurz: mit immer mehr Geld aus dem Nichts wurde versucht, Wirtschaftswachstum zu generieren.

Die Dimension der Intervention verschiebt sich aktuell jedoch nochmals erheblich. War in Zeiten des echten Goldstandards, der in vielen Ländern bis zum Ersten Weltkrieg reichte, die Umverteilung innerhalb einer Gesellschaft auf das Steuersystem durch dessen Progression in der Einkommensteuer (in Deutschland gab es einen Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer von 4 Prozent!) oder Steuern auf Vermögen begrenzt und generationsübergreifend durch die Refinanzierungsfähigkeit des staatlichen Schuldenberges gedeckelt, wurde seit dem einseitigen Aufkündigen des Bretton Woods-Abkommens durch die USA 1971 die Grundlage für eine ungebremste expansive Geldpolitik gelegt.

Ein neues Scheunentor für weitere Umverteilung war geöffnet. Dieses Scheunentor hat Mario Draghi jetzt mit seinem Schuldenaufkaufprogramm über derzeit noch 1,1 Billionen Euro endgültig weggesprengt. Für viele ist daher das Ende des Euro in Sichtweite. Der slowakische Politiker Richard Sulik sagte einmal: „Als die UdSSR 1968 mit Panzern in Prag einmarschiert ist, haben auch alle in der damaligen Tschechoslowakei geglaubt, der Sozialismus sei zu Ende und dann hat es noch über 20 Jahre gedauert.“ Die Beharrungskräfte sind wohl viel dominanter als vielfach geglaubt wird.

Insgesamt gilt in diesem Kontext: Wenn derjenige der investieren will, leichter oder günstiger an einen Kredit kommt, kann er Investitionen zeitlich vorziehen, größer angehen oder mit einer geringeren monatlichen Belastung stemmen. Dann werden Investitionen getätigt, die gar nicht oder in dieser Form nie getätigt worden wären. Und Unternehmen, die sonst längst vom Markt verschwunden wären, gibt es immer noch, da ihre laufenden Belastungen durch die billigen Zinsen niedrig sind. Das ist die Situation in vielen Ländern Europas. Es waren Investitionen in Immobilien und Unternehmen, die sich erst aufgeschoben als falsch erwiesen haben. Sie kumulierten zu einem Klumpenrisiko einer ganzen Branche oder Volkswirtschaft.

Und das was für die Wirtschaft gilt, gilt für den Staat im Besonderen. Knappheiten, die es beim Staat ohnehin selten genug gibt, werden erst recht außer Kraft gesetzt: Steuereinnahmen sprudeln durch die geldmengengetriebene Scheinkonjunktur, Ausgaben für Arbeitslose sinken durch den höheren Beschäftigungsstand. Die Begehrlichkeiten der Fiskalisten sind dennoch einfach zu befriedigen, da sie mit geringeren Kreditzinsen einhergehen. Alle sind zufrieden. Und wenn die Blase platzt, Insolvenzen drohen, Wirtschaftszahlen einbrechen, dann erlaubt dies der Regierung, erneut zu intervenieren. Es ist das Paradebeispiel einer Interventionsspirale wie sie Ludwig von Mises Anfang des letzten Jahrhunderts bereits beschrieben hat – eben auch beim Ausbau des Sozialstaates.

In Deutschland wird uns eingeredet, dass vermehrter Konsum wichtig sei für Wirtschaft und Arbeitsplätze. Es herrsche Verunsicherung bei den Konsumenten und deshalb würden sie nicht ausreichend kaufen. Deshalb fordern Gewerkschaften Lohnerhöhungen oberhalb der Produktivitätssteigerung und steigende Sozialleistungen, um die Lücke zum größeren Angebot endlich zu schließen. Doch diese Lücke ist kein natürlicher Zustand, sondern Ergebnis der Kapazitätsausweitungen, die mit Hilfe des billigen Geldes erzeugt wurden und die nicht durch einen Nachfrageschub geschlossen werden kann. Sie müssen sich zum Normalen korrigieren. Die Überkapazitäten sind Ausdruck der Preisentwicklung der Güter höherer Ordnung, wie es Carl Menger bezeichnete. Die Inflation des Geldes macht sich eben nicht zuerst in den Konsumgütern, sondern in den Preisen für Produktionsgüter bemerkbar.

Eigentlich müssten jetzt alle Freiheitsfreunde resignieren. Seit über 130 Jahren wütet der Wohlfahrtstaat unentwegt. Und er zeigt längst Wirkung in den Köpfen der Menschen. Das Meinungsforschungsinstitut Allensbach fragte kürzlich die Bürger: „Geht es Ihnen in einem stärker vom Staat kontrollierten Wirtschaftssystem besser?“ Darauf antworteten 42 % in Ostdeutschland und 36 % in Westdeutschland mit „genauso“ oder „besser“. Lediglich 34 % in Westdeutschland und 18 % Prozent in Ostdeutschland meinten, es ginge ihnen schlechter. Und auf die Frage: „Ich fände es gut, wenn der Staat Obergrenzen für die Preise für Miete festlegen würden“, antworteten 71 % (!) sie stimmten dieser Aussage zu. Die Frucht des „Kathedersozialismus“ wie ihn Ludwig von Mises nannte, zeigt bis zum heutigen Tag Wirkung und führt zu einer schleichenden Monopolisierung des Denkens.

Deshalb ist es Aufgabe von Freiheitsfreunden, Alternativen zum nimmersatten Wohlfahrtsstaat, zum schleichenden Zentralismus und zur fortschreitenden Entmündigung jedes Einzelnen aufzuzeigen. Doch dies allein reicht nicht. Sondern es muss Beispiele, Vorbilder und Freiheitsinseln geben, die zeigen, dass ein freies und selbstbestimmtes Leben möglich ist.

Photo: Jose Manuel mazintosh from Flickr

Von Sascha Tamm, Mitarbeiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Kritische Anmerkungen aus einer freihändlerischen Perspektive

Die Verhandlungen zu TTIP werden in der Öffentlichkeit mit viel Kritik und Protesten begleitet. Vieles davon beruht auf nicht zu rechtfertigenden Ängsten und grundsätzlicher Skepsis gegen über wirtschaftlicher Freiheit im Allgemeinen und Freihandel im Speziellen. Die unsägliche Debatte über Chlorhühnchen ist nur ein Beispiel dafür. Protektionismus ist eine Idee, die Linke und Rechte zuverlässig vereinigt. Deshalb ist es richtig, immer wieder die grundsätzlichen Argumente für freien Handel in die öffentliche Debatte einzubringen und viele der Mythen der Freihandelsgegner zu entlarven. Das geschieht an vielen Stellen und soll hier nicht wiederholt werden. Zudem sollten sich die Befürworter von TTIP mit ihren Argumenten nicht auf das Niveau vieler Gegner herabbegeben. Sicher wird es neue Chancen für Unternehmen geben, und damit Wachstumsimpulse. Doch es wird auch Verlierer geben, Unternehmen, die im intensiveren Wettbewerb nicht bestehen. Das ist übrigens auch gut so.

Dass viele Gegner von TTIP prinzipielle Gegner des Freihandels sind und oft unsinnige Argumente vertreten, sollte jedoch nicht dazu führen, dass die Befürworter freien Handels, oder besser: der Freiheit zu handeln, die derzeit geplante Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union einfach kritiklos verteidigen und begleiten. Es gibt Punkte, die aus einer dezidiert pro-marktwirtschaftlichen Perspektive zu kritisieren sind. Bestimmte Weichenstellungen im geplanten Abkommen können zu mehr oder weniger wirtschaftlicher Freiheit führen – vor allem in langfristiger Perspektive. Das betrifft sowohl den handelspolitischen Teil als auch die Investitionspartnerschaft.

Hier sollen beispielhaft zwei Problemfelder kurz diskutiert werden: die Harmonisierung der Regulierungen und der Investitionsschutz durch nichtstaatliche Gerichte. Eine Bemerkung vorab: Natürlich wäre für viele Regulierungen auf beiden Seiten des Atlantik die gebotene Lösung die Abschaffung. Die folgenden Argumente sollen jedoch Denkanstöße geben, wie in der gegebenen Welt Fortschritte in Richtung von offeneren Märkten und damit mehr Freiheit erreicht werden können, wie also TTIP freiheitlicher gemacht werden kann.

Harmonisierung

Schaut man auf den gigantischen Umfang, den die Regulierung aller Bereiche der Wirtschaft heute angenommen hat, wird schnell klar: Ein „ideales“ Freihandelsabkommen, das vielleicht auf einer Seite Platz hätte und einfach allen Produkten und Dienstleistungen aus dem einen Land freien Zutritt zum Markt des anderen geben würde, ist heute kaum noch denkbar. Zu komplex und zu verschieden sind die Regulierungen, zu groß und wirkungsmächtig die organisierten Interessen, die von den jeweiligen Regulierungen profitieren. Gegenseitige Anerkennung wäre unter den gegebenen Umständen die aus freihändlerischer Sicht gebotene Lösung, eine Kennzeichnungspflicht als Ergänzung wäre weitgehend unproblematisch. Stattdessen zielt das geplante Abkommen in vielen Bereichen auf eine Harmonisierung – und diese ist gefährlich, gerade weil sie so gut klingt.

Das naive Argument, das vielen sofort einleuchtet und auch von vielen Vertretern der Wirtschaft pro Harmonisierung vorgebracht wird, geht ungefähr so: Wenn es nur noch eine einheitliche Regulierung für bestimmte Güter bzw. Gütergruppen gibt, sinkt der Verwaltungsaufwand der Unternehmen. Das spart Kosten. Das ist in kurzfristiger Perspektive vielleicht richtig, allerdings werden gern die Umstellungskosten auf neue Standards und Regeln ignoriert.

Langfristig sprechen zwei Gründe gegen Harmonierung vieler Regulierungen – die sich natürlich auch gegen viele Harmonisierungen in der EU vorbringen lassen. Erstens wird der Raum für institutionellen Wettbewerb eingeengt. Auf vielen Feldern ist es überhaupt nicht klar, welche Regulierung (wenn überhaupt eine) sinnvoll ist. Der einzige Weg, hier etwas zu lernen, ist das Ausprobieren, und damit der offene Wettbewerb der Regulierungen. Harmonisierung bedeutet Erstarrung und weniger Chancen für Deregulierung.

Das führt zum zweiten Punkt, der gegen Harmonisierung spricht. Er ist sozusagen politökonomisch: Lobbying und politischer Einflussnahme werden immer lohnender, je größer der regulierte Raum wird. Hier zeigt sich auch wieder einmal, dass Unternehmen und insbesondere ihre Verbände nicht die besten Verteidiger freier Märkte sind – sie sind viel eher bereit, Geld dafür auszugeben, dass Regeln günstig für die selbst und ungünstig für ihre Konkurrenten und insbesondere für potentielle neue Konkurrenten sind, als dafür, dass Regulierungen wegfallen.

Man kann sicher noch darüber diskutieren, in welchen Bereichen Regulierungen mehr oder weniger schädlich für die Offenheit von Märkten sind. Die Grundrichtung sollte für die Verteidiger einer freien Wirtschaft jedoch klar sein: Abschaffung von Regulierungen. Wenn das nicht durchsetzbar ist: gegenseitige Anerkennung von Regeln anstatt Harmonisierung.

Investitionsschutz

Die wesentliche Kritik am geplanten Investitionsschutzabkommen ist, dass hier zu wenig Demokratie und Transparenz herrschen würde. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn auch aus meiner Sicht nicht der wesentliche Punkt, an dem es anzusetzen gilt. Demokratie und Transparenz führen nicht automatisch zu mehr Marktwirtschaft, gerade wenn es um sehr detaillierte Regulierungen geht.

Die Verteidiger des Investitionsschutzes führen im Wesentlichen zwei Gründe an: Erstens sollen Unternehmen vor schlecht funktionierenden Rechtssystemen in einzelnen Ländern geschützt werden, zweitens gibt es ohnehin schon viele Investitionsschutzabkommen, die Deutschland mit anderen Ländern geschlossen, sie sind also nichts Besonderes. Dazu kommt noch, dass nichtstaatliche Gesetze für Marktwirtschaftler einen nicht geringen Charme haben. Sie sollten sich allerdings auf Fälle beschränken, bei denen sich Unternehmen vertraglich auf diese einigen. Das ist hier nicht der Fall.

Doch wichtiger ist die Frage: Sollen ausländische Unternehmen besser gestellt werden als einheimische, und warum? Sollen sie durch staatliche Verträge vor den Folgen staatlichen Handelns geschützt werden, wie es im ersten Argument gefordert wird? Staaten können sich von einem Teil der Kosten befreien, die ihre unvollkommenen Rechtssysteme der eigenen Wirtschaft auferlegen und ausländische Investoren bevorzugen. Das ist ungerecht und fördert weitere Ungerechtigkeit.

Beim vorgeblichen Kampf gegen die Diskriminierung von ausländischen Investoren handelt es sich (wenigstens auch) um eine Diskriminierung von inländischen Unternehmen, die nicht zu rechtfertigen ist. Zudem gehen so Anreize für institutionelle Reformen im jeweiligen Land verloren. Die Förderung von Investitionen im Ausland ist kein besonders freiheitliches Ziel. Solche Investitionen sollten ohne Einschränkungen von Seiten des Herkunftslandes möglich sein. Die Risiken in den Ländern, in denen sie investieren, sollten jedoch Unternehmen selber tragen und sich dagegen absichern. Wenn es denn ein Investitionsschutzabkommen gibt, und damit ist zu rechnen, sollten Anhänger der Marktwirtschaft deshalb auf zwei Punkte drängen: Die Regelungen sollten sich ausschließlich mit Diskriminierungen von Investoren beschäftigen, und sie sollten auch für die jeweiligen Inländer gelten.

Das zweite Argument hilft nur begrenzt weiter – es gibt viele Dinge, insbesondere viele Gesetze und Regelungen, die schon lange gelten und (angeblich) wenig Schaden anrichten. Eine Bewertung muss andere, unabhängige Kriterien heranziehen. Deshalb hilft auch die Feststellung wenig, dass sich europäische Unternehmen selbst oft an derartige Gerichte wenden, öfter als amerikanische, deren Klagewut ja als Schreckgespenst an die Wand gemalt wird.

Ausblick

Die beiden gerade diskutierten Punkte sind nur ein kleiner Teil der Problemfelder, auf denen Verteidiger der Marktwirtschaft TTIP etwas tun sollten. Eine andere notwendige Stoßrichtung ist etwa die Ausdehnung von TTIP auf möglichst viele Bereiche, die derzeit noch stark protektionistischen Zwängen unterliegen wie Luftfahrt, Finanzsektor etc.

Auch die Idee, dass TTIP ein Vorbild für die ganze Welt werden soll, die oft vorgebracht wird, ist wenigstens zweifelhaft. Viele sogenannte Sozialstandards beispielsweise sind ein Instrument des Protektionismus zugunsten der wohlhabenden Länder, Unternehmen und Menschen gegenüber denjenigen, die sich Wohlstand erst erarbeiten wollen.

TTIP ist aus meiner Sicht immer noch ein unterstützenswertes Projekt. Es wird mehr Möglichkeiten für freien Handel und damit freies Handeln schaffen. Die Alternativen der Gegner sind freiheitsfeindlich, etatistisch und protektionistisch. Doch sollte von denjenigen, denen die Freiheit wichtig ist, alles getan werden, damit TTIP so weit wie möglich zu einem freiheitlichen Projekt wird. Die Diskussion hat gerade erst begonnen.

Photo: Stewart Black from Flickr

Schon im Frühjahr 2010 sprach jeder über das fehlende Grundbuch in Griechenland. Jeder, der etwas Sachverstand ausstrahlen wollte, sagte damals: „Griechenland hat noch nicht einmal ein Grundbuch, das kann nichts werden!“ Dabei kennen die wenigsten Staaten auf dieser Welt ein Grundbuch, das auf den Grundsatz des öffentlichen Glaubens setzt. Nicht einmal in den USA, wo im Zweifel das unbefugte Betreten des Grundstücks mit Waffengewalt unterbunden wird, gibt es ein Grundbuch. Doch Griechenland sollte es endlich bekommen.

Kürzlich schrieb die griechische Wirtschaftszeitung „Imerisia“, dass der Fertigstellungstermin im Jahr 2020 (!) nun doch nicht zu halten sei. Das Hauptproblem: wieder einmal mangelndes Geld. Die Finanzierungslücke wird auf 220 Millionen Euro beziffert. Ein Teil aus dem „Nationalen Strategischen Finanzierungsplan“ (NSRP) in Höhe von 130 Millionen Euro sei durch die EU-Kommission gestoppt worden, weil es keine zuverlässige Planung und Programmierung gebe. 22 der 28 Ausschreibungen für das Projekt mussten wegen Beschwerden und Skandalen annulliert werden. Allein dafür war ein Etat von 527 Millionen Euro veranschlagt worden. Beklagt wird der „beunruhigende“ Mangel der Mitwirkung von seiten der Bürger. So beteiligten sich lediglich 20 Prozent an den laufenden Projekten. Das hat seinen Grund: Wer nicht nachweisen kann, dass sein Grundstück tatsächlich ihm gehört, hat ein Problem. Dann fällt das Grundstück dem Fiskus zu. In 340 Regionen Griechenlands, die zwischen 1997 und 1999 erfasst wurden, droht dieser Fall inzwischen 200.000 Immobilieneigentümern. Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man laut auflachen.

Diese Politik der mangelnden inneren Einsicht und der oktroyierten Fremdbestimmung scheitert in Griechenland jeden Tag aufs Neue. Als am 7. Mai 2010 das erste Griechenland-Paket im Deutschen Bundestag zur Abstimmung stand, hieß es noch, Griechenland müsse seine Reformen bis 2014 umsetzen, anschließend könnte es wieder an den Kapitalmarkt zurückkehren. An der mangelnden Erkenntnis hat es sicher nicht gelegen. Aber wie sagte schon EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der aktuelle Ausgabe des Magazins „eigentümlich frei“, Ausgabe 151.

Photo: Nomen Obscurum from Flickr