Der heutige Sozialstaat, der gerne wohlmeinend als Wohlfahrtsstaat bezeichnet wird, ist eine preußische Erfindung. Mangels eines zusammenhängenden Staatsgebietes suchten die preußischen Herrscher die Identität ihrer Untertanen durch die Fürsorge der Landesherren für ihre Landeskinder zu fördern. Von der Erziehung der Kinder bis zur Feuerversicherung wurde alles vom Vater Staat organisiert und geregelt. Es war der „geistige Hegemonieanspruch des Staates“ wie es Gerd Habermann in seinem Buch „Der Wohlfahrtsstaat – Ende einer Illusion“ ausdrückt. Der ging so weit, dass in Preußen der Kaffeegenuss durch ein Monopol beschränkt wurde und Friedrich der Große seinen Untertanen empfahl, statt Kaffee Warmbier zu trinken. Aus diesem preußischen Modell ist die Kultur des „Vater Staat“ in Deutschland entstanden. Der „alte Fritz“ kümmerte sich um seine Schäfchen in dem Glauben, dass sie des eigenständigen Denkens nur eingeschränkt mächtig seien. Dies alles folgte einem großen Ziel: die Macht des Königs zu erweitern – militärisch, räumlich, vor allem aber in den Köpfen und Herzen.
Wenn jeder Untertan, der arbeitslos ist, an einer Krankheit leidet oder nicht ausreichend für das Alter vorgesorgt hat, vom Vater Staat von seinen Sorgen befreit werden soll, erfordert dies zwangsläufig einen umfangreichen Planungsprozess der Regierenden.
Zentrale Pläne lassen die Vielfalt der Möglichkeiten einer dezentralen Problemlösung nicht zu. Die Regierung ist Monopolist der Problembeseitigung. Diese Monopolstellung ist fatal: Wenn sich herausstellt, dass die Maßnahme falsch, unzureichend oder ineffizient war, interveniert die Regierung erneut, schafft mehr Bürokratie und greift in die Vertragsfreiheit Einzelner noch stärker ein. Es finden kein Wettbewerb und kein Entdeckungsverfahren um die beste Problemlösung statt, die in einem auf der individuellen Freiheit beruhenden Konzept möglich wäre.
Bismarck führte den preußischen „Vater Staat“ konsequent weiter und schuf mit den Sozialgesetzen die Grundlage für die heutige umfassende staatliche Fürsorge. Dieses Wachstum des Wohlfahrtsstaats wurde nur durch die beiden Weltkriege unterbrochen, um danach umso heftiger zu wüten. Betrug die Sozialleistungsquote (alle Sozialleistungen eines Staates im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt) 1950 in Deutschland noch 14,8 Prozent, so hat sich dieser Anteil inzwischen verdoppelt (29,7 % in 2013). Doch das Besondere daran ist, dass diese Quote bis 1999 steil anstieg und seitdem konstant verläuft. Interessant ist daran, dass dies mit der Einführung des Euro zusammenfällt.
Die Ursache der prozentualen Konstanz im Vergleich zur absoluten Zahl liegt ausschließlich im Wachstum Deutschlands. Das Credo der Befürworter einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung lautet daher allenthalben: Es muss erst erarbeitet werden, was später verteilt werden kann.
Doch dieser Prozess des Erarbeitens kann länger oder kürzer dauern. Und auch der Vermögensaufbau kann schneller oder langsamer gehen. In unserer heutigen Geldordnung hängt es vom Geldangebot ab, ob dieser zügiger möglich ist oder nicht. Und dieses Geldangebot war seit Einführung der Gemeinschaftswährung reichlich vorhanden. Die Politik der EZB führte zu einer Verdoppelung der Geldmenge (M3) seit Euroeinführung 1999 bis Ende 2013. Insgesamt erreichte die EZB durch ihre Geldpolitik ein reales Wachstum im Euro-Club von fast 50 Prozent in 15 Jahren. Kurz: mit immer mehr Geld aus dem Nichts wurde versucht, Wirtschaftswachstum zu generieren.
Die Dimension der Intervention verschiebt sich aktuell jedoch nochmals erheblich. War in Zeiten des echten Goldstandards, der in vielen Ländern bis zum Ersten Weltkrieg reichte, die Umverteilung innerhalb einer Gesellschaft auf das Steuersystem durch dessen Progression in der Einkommensteuer (in Deutschland gab es einen Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer von 4 Prozent!) oder Steuern auf Vermögen begrenzt und generationsübergreifend durch die Refinanzierungsfähigkeit des staatlichen Schuldenberges gedeckelt, wurde seit dem einseitigen Aufkündigen des Bretton Woods-Abkommens durch die USA 1971 die Grundlage für eine ungebremste expansive Geldpolitik gelegt.
Ein neues Scheunentor für weitere Umverteilung war geöffnet. Dieses Scheunentor hat Mario Draghi jetzt mit seinem Schuldenaufkaufprogramm über derzeit noch 1,1 Billionen Euro endgültig weggesprengt. Für viele ist daher das Ende des Euro in Sichtweite. Der slowakische Politiker Richard Sulik sagte einmal: „Als die UdSSR 1968 mit Panzern in Prag einmarschiert ist, haben auch alle in der damaligen Tschechoslowakei geglaubt, der Sozialismus sei zu Ende und dann hat es noch über 20 Jahre gedauert.“ Die Beharrungskräfte sind wohl viel dominanter als vielfach geglaubt wird.
Insgesamt gilt in diesem Kontext: Wenn derjenige der investieren will, leichter oder günstiger an einen Kredit kommt, kann er Investitionen zeitlich vorziehen, größer angehen oder mit einer geringeren monatlichen Belastung stemmen. Dann werden Investitionen getätigt, die gar nicht oder in dieser Form nie getätigt worden wären. Und Unternehmen, die sonst längst vom Markt verschwunden wären, gibt es immer noch, da ihre laufenden Belastungen durch die billigen Zinsen niedrig sind. Das ist die Situation in vielen Ländern Europas. Es waren Investitionen in Immobilien und Unternehmen, die sich erst aufgeschoben als falsch erwiesen haben. Sie kumulierten zu einem Klumpenrisiko einer ganzen Branche oder Volkswirtschaft.
Und das was für die Wirtschaft gilt, gilt für den Staat im Besonderen. Knappheiten, die es beim Staat ohnehin selten genug gibt, werden erst recht außer Kraft gesetzt: Steuereinnahmen sprudeln durch die geldmengengetriebene Scheinkonjunktur, Ausgaben für Arbeitslose sinken durch den höheren Beschäftigungsstand. Die Begehrlichkeiten der Fiskalisten sind dennoch einfach zu befriedigen, da sie mit geringeren Kreditzinsen einhergehen. Alle sind zufrieden. Und wenn die Blase platzt, Insolvenzen drohen, Wirtschaftszahlen einbrechen, dann erlaubt dies der Regierung, erneut zu intervenieren. Es ist das Paradebeispiel einer Interventionsspirale wie sie Ludwig von Mises Anfang des letzten Jahrhunderts bereits beschrieben hat – eben auch beim Ausbau des Sozialstaates.
In Deutschland wird uns eingeredet, dass vermehrter Konsum wichtig sei für Wirtschaft und Arbeitsplätze. Es herrsche Verunsicherung bei den Konsumenten und deshalb würden sie nicht ausreichend kaufen. Deshalb fordern Gewerkschaften Lohnerhöhungen oberhalb der Produktivitätssteigerung und steigende Sozialleistungen, um die Lücke zum größeren Angebot endlich zu schließen. Doch diese Lücke ist kein natürlicher Zustand, sondern Ergebnis der Kapazitätsausweitungen, die mit Hilfe des billigen Geldes erzeugt wurden und die nicht durch einen Nachfrageschub geschlossen werden kann. Sie müssen sich zum Normalen korrigieren. Die Überkapazitäten sind Ausdruck der Preisentwicklung der Güter höherer Ordnung, wie es Carl Menger bezeichnete. Die Inflation des Geldes macht sich eben nicht zuerst in den Konsumgütern, sondern in den Preisen für Produktionsgüter bemerkbar.
Eigentlich müssten jetzt alle Freiheitsfreunde resignieren. Seit über 130 Jahren wütet der Wohlfahrtstaat unentwegt. Und er zeigt längst Wirkung in den Köpfen der Menschen. Das Meinungsforschungsinstitut Allensbach fragte kürzlich die Bürger: „Geht es Ihnen in einem stärker vom Staat kontrollierten Wirtschaftssystem besser?“ Darauf antworteten 42 % in Ostdeutschland und 36 % in Westdeutschland mit „genauso“ oder „besser“. Lediglich 34 % in Westdeutschland und 18 % Prozent in Ostdeutschland meinten, es ginge ihnen schlechter. Und auf die Frage: „Ich fände es gut, wenn der Staat Obergrenzen für die Preise für Miete festlegen würden“, antworteten 71 % (!) sie stimmten dieser Aussage zu. Die Frucht des „Kathedersozialismus“ wie ihn Ludwig von Mises nannte, zeigt bis zum heutigen Tag Wirkung und führt zu einer schleichenden Monopolisierung des Denkens.
Deshalb ist es Aufgabe von Freiheitsfreunden, Alternativen zum nimmersatten Wohlfahrtsstaat, zum schleichenden Zentralismus und zur fortschreitenden Entmündigung jedes Einzelnen aufzuzeigen. Doch dies allein reicht nicht. Sondern es muss Beispiele, Vorbilder und Freiheitsinseln geben, die zeigen, dass ein freies und selbstbestimmtes Leben möglich ist.
Auch wenn mir nicht jeder den kompletten Inhalt glauben wird, hier trotzdem meine Pflegegeschichte:
In dieser taucht jedenfalls die Zahl 666 auf.
http://pflegegeschichten.wirpflegen.de/pflegegeschichten/ralf-becker/