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Photo: Giorgio Montersino from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Vor fünf Jahren, am 7. Mai 2010, beschloss der Deutsche Bundestag das erste Griechenland-Paket. Schon damals hieß es, Griechenland habe nicht einmal ein Grundbuch. Fünf Jahre später haben sie immer noch keins. Und auch im Jahr 2020 wird es in Griechenland immer noch kein solches geben. Der Termin sei nicht mehr zu halten, hieß es kürzlich, da eine Finanzierungslücke zur Vollendung von derzeit 220 Mio. Euro bestünde.

Jeder weiß inzwischen: Griechenland hat nicht nur ein Problem mit dem fehlenden Grundbuch, sondern auch die Korruptionsrate ist so hoch wie in einem Entwicklungsland. Deshalb reicht es eben nicht, langwierige Reformen von außen zu oktroyieren und gleichzeitig immer mehr Geld in ein Fass ohne Boden zu werfen.

Das Hauptproblem Griechenlands ist das mangelnde Vertrauen der Investoren. Weder investieren Bürger aus dem eigenen Land in die Wirtschaft des südlichen Euro-Staates, noch investieren ausländische Geldgeber in einem Land, in dem es keine verlässlichen Strukturen in Staat und Gesellschaft gibt.

Dieses Problem hat jedoch nicht nur Griechenland. Viele Staaten auf dieser Welt kennen diesen Teufelskreis aus Entwicklungshilfe, Korruption und Misswirtschaft. Alles hängt letztlich daran, dass Eigentum nicht rechtssicher erworben und übertragen werden kann, das Eigentum in seiner Verfügbarkeit eingeschränkt ist und staatliche Willkür keine Planungssicherheit gewährleistet.

Aus diesem Dilemma kommen viele Länder nicht heraus. Denn es erfordert einen kulturellen Wandel in den Köpfen der Menschen, damit sich dies oftmals erst über Generationen hinweg ändert. Der Einzelne hat es in solch einem Umfeld schwer. Unternehmensgründer, Investoren und Eigentümer haben meist nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Also entweder auf den Sankt-Nimmerleinstag für eine Eintragung ins Handelsregister zu warten oder mit „Fakelaki“ nachzuhelfen.

Die Rettung wird vielleicht die Cyberwährung Bitcoin bringen. Denn das Revolutionäre an Bitcoin ist, dass er ohne Staat auskommt und nicht zentral gesteuert wird und werden kann. In der kommenden Woche kommt dazu ein neues Buch auf den Markt: „Bitcoin – Geld ohne Staat“ von Aaron König. König stellt darin den Nutzen der Cyberwährung für die Vereinfachung des Zahlungsverkehrs dar – aber nicht nur. Er zeigt zusätzlich auf, welche fast schon unbeschränkten Möglichkeiten sich rund um Bitcoins künftig ergeben.

Denn die geniale Idee des Erfinders, der unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto bekannt ist, war die Blockchain-Technologie. Blockchain ist ein öffentliches Protokoll im Internet, das dazu dient, Transaktionen mit Bitcoins für jedermann zu dokumentieren. Ein öffentlicher Schlüssel dient als eine Art Kontonummer, an die jeder der sie kennt, Bitcoins überweisen kann. Um jedoch an die Bitcoins heranzukommen, benötigt der Empfänger einen privaten Schlüssel, der nur ihm bekannt ist. Das öffentliche Protokoll schützt vor Missbrauch. Nicht eine Regulierungsbehörde, der Staat oder eine Zentralbank überwacht die Einhaltung der Regeln, sondern alle Nutzer gleichzeitig.

Diese dezentrale Verteilung der Kontrolle ermöglicht ganz neue Möglichkeiten. Warum braucht man noch ein Grundbuch, wenn die Eigentumsverhältnisse eines Grundstücks in einer Blockchain nachgewiesen werden können? Warum braucht man noch ein Handelsregister, wenn die neuen Eigentümer eines Unternehmens in der Blockchain für alle sichtbar nachgewiesen werden können? Und warum braucht man noch ein Standesamt, wenn der Bund fürs Leben auch in der Blockchain öffentlich dokumentiert werden kann?

Die große Chance dieser Technologie ist, dass in korrupten Staaten keine Beamten mehr bestochen werden müssen, um eine Genehmigung zu bekommen. Auch die notarielle Beurkundung entfiele, wenn Eigentümeränderungen in einer Blockchain veröffentlich würden. Der öffentliche Glaube, der durch die Eintragung im Grundbuch oder Handelsregister derzeit erreicht werden soll, ist durch eine Blockchain ebenso, aber viel unbürokratischer und preiswerter möglich. Staatliche und notarielle Gebühren entfielen, Behördengänge und Wartezeiten wären überflüssig und staatlicher Willkür würde ins Leere laufen.

Für viele Entwicklungs- und Schwellenländern würde so die Grundlage für Fortschritt und Wohlstand geschaffen. Es wäre vergleichbar mit der Entwicklung und Verbreitung des Mobiltelefons. Bürger und Unternehmen mussten nicht mehr darauf drängen, dass das Festnetz ausgebaut und funktionsfähig vom Staat oder seinen beauftragten Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, sondern die Verbreitung der Mobiltelefone hat in diesen Ländern die Festnetztechnologie schlicht übersprungen.

Für viele scheint dies alles utopisch und unrealistisch zu sein. Doch was ist schon realistisch? Als Adam Smith 1776 in seinem Buch „Wohlstand der Nationen“ für den Freihandel warb, war dieser fern jeder Realität. Er glaubte selbst nicht daran. 90 Jahre später war dieser fast weltweit erreicht. Sicherlich konnte sich eine übergroße Mehrheit der kriegsgebeutelten Bürger in Deutschland am 8. Mai 1945 nicht vorstellen, dass Ludwig Erhard drei Jahre später mit der Freigabe der Preise und dem Ende der Zwangsbewirtschaftung die Grundlage für die marktwirtschaftliche Ordnung in Deutschland schuf. Das Richtige setzt sich über kurz oder lang durch, weil die Idee der Freiheit stärker ist als jeder Zwangsapparat, jedes Verbot und jede Knechtschaft. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick am 8. Mai 2015.

G9, G8, Zentralabitur, Inklusion, Gesamtschulen … Reformen, Pläne, Konzepte – mit Vorliebe basteln Politiker und Bürokraten an Schulen herum. Besser geworden sind sie dadurch meist nicht. Vielleicht sollte man die Zuständigkeit denen zurückgeben, die sich damit auskennen: den Lehrern vor Ort. Es gibt eindrucksvolle Beispiele, dass das funktionieren kann.

Privatschulen sind keine Elitensache

Privatschulen haben oft einen anrüchigen Ruf. Das liegt zwar bisweilen auch am Verhalten von deren Publikum. Oft aber liegt das an dem Misstrauen, das immer noch privaten Initiativen entgegengebracht wird. Nur was der Staat anpackt – so die Vorstellung –, kann auch tatsächlich gerecht sein, denn Private wollen ja den eigenen Nutzen maximieren, während der Staat für das Gemeinwohl zuständig sein muss. Man könnte das freilich auch genau andersrum sehen: Während private Schulen tatsächlich Ergebnisse liefern müssen, damit sie ihr Geld verdienen können, haben staatliche Bildungseinrichtungen eine implizite Bestandsgarantie unabhängig von ihrem Erfolg.

Privatschulen müssen aber nicht nur für Anne-Sophie und Casimir da sein, sie können auch für Mandy und Hassan zur Verfügung stehen. Privatschulen müssen auch nicht allein für Kinder da sein, die hochbegabt sind – oder zumindest von ihren Eltern dafür gehalten werden. Privatschulen müssen nicht nur in Starnberg oder im Hochtaunuskreis stehen, es gibt sie auch in Mannheim und Berlin-Wedding. Dort kümmern sie sich um diejenigen, deren Startchancen weniger rosig aussehen als die von künftigen Firmenerben und Professorenkindern.

Pauschallösungen sind immer ungerecht

Es gibt sie zum Glück, diese Schulen, die aus privater Initiative, mit Hilfe von Spenden gegründet werden. So wendet sich zum Beispiel die Schule „Quinoa Bildung“ im Wedding gezielt an „sozial benachteiligte“ Kinder und Jugendliche. Hier werden nicht in Studierstübchen Konzepte ersonnen, die dann verbindlich für ein ganzes Bundesland festgelegt werden – zumindest bis zum nächsten Regierungswechsel. Hier wird vor Ort gearbeitet. Hier können die Pädagogen direkt auf die Schüler eingehen, sich auf konkrete Situationen einstellen anstatt Einheitslösungen für alle vorzuhalten.

Es ist eigentlich eine Binsenweisheit, dass die Lehrer, die Tag für Tag mit den Schülern in intensivem Austausch stehen, natürlich besser deren Fähigkeiten und Bedürfnisse kennen und deshalb besser einschätzen können, welche Art Unterricht angemessen ist. Dennoch hält sich hartnäckig die Vorstellung, Bürokraten könnten kompetenter darüber entscheiden. Das liegt nicht zuletzt an den Allmachtsgefühlen derjenigen, die politische Entscheidungen durchsetzen wollen. Sie halten ihre Lösung und ihren Weg für ideal und wollen sie deshalb mit Hilfe der Bürokratie durchsetzen. Sie halten sich und ihre Überzeugungen für das Maß aller Dinge. Das ist das Gegenteil von gerecht. Pauschallösungen sind in der Regel sehr ungerecht. Sie behandeln Menschen gleich. Aber Menschen sind eben nicht gleich. Gerecht sind Lösungen nicht, wenn sie Menschen gleich behandeln, sondern wenn sie Menschen richtig oder zumindest so richtig wie möglich behandeln.

Private Initiativen machen politische „Lösungen“ überflüssig

Je mehr Kompetenzen man einem Pädagogen vor Ort zugesteht, umso mehr Gestaltungsspielraum müssen Politiker und Bürokraten abgeben. Kein Wunder, dass letztere Privatschulen in düsteren Farben malen, um so die öffentliche Wahrnehmung zu prägen. Wenn diese Privatschulen dann auch noch erfolgreich arbeiten, werden sie natürlich erst recht zur Bedrohung. Da kann es rasch mal passieren, dass ein stellvertretender Referatsleiter im Kultusministerium die eine oder andere Genehmigung immer wieder unter den Stapel schiebt. Ein kleiner Handgriff für ihn – ein großes Problem für die Schulen.

Während Politiker sich „elitären“ Privatschulen nur von Zeit zu Zeit widmen, um die Ungerechtigkeiskeule zu schwingen und sie ansonsten eher in Ruhe lässt, sind Schulen und Bildungsprojekte, die sich an die Kinder von Migranten oder Hartz-IV-Empfängern richten, eine echte Bedrohung. Politiker wollen nämlich immer gerne retten. Die Tochter des Notars muss nicht gerettet werden – der Sohn der Kriegswitwe aus dem Kosovo unter Umständen schon. Wenn jetzt plötzlich private Initiativen zeigen, dass sie das erfolgreicher können als staatliche Programme, nehmen sie dem Politiker nicht nur die Arbeit weg – das wäre ja noch zu verschmerzen. Sie nehmen ihm aber vor allem die Möglichkeit weg, politische Lösungen zu versprechen.

Bildung lebt von Persönlichkeiten, nicht von Lehrplänen

Bildung lebt nicht primär von ausgefeilten Programmen oder raffinierten Lehrplänen. Bildung lebt vor allem von Persönlichkeiten. Gerade die guten Lehrer, an die man sich auch nach Jahrzehnten noch gerne und dankbar zurückerinnert, sind oft abgewichen von den Vorgaben, haben nicht durch Planerfüllung begeistert, sondern durch ihre Fachkenntnis und vor allem durch ihren Willen, die ihnen anvertrauten Schüler zu motivieren und weiterzubringen. Bildung lebt von Idealisten. Projekte, die aus diesem Idealismus entspringen, sollten nicht bürokratischen Hürden zum Opfer fallen.

Was dieses Land braucht ist Bildungsfreiheit. Was unsere Schüler brauchen – die privilegierten genauso wie die benachteiligten – sind Lehrer und Schulleiter, die selber entscheiden, was für ihre Schüler gut ist. Die derzeitige zentralistische Politik ist auch ein Misstrauensvotum gegenüber den Pädagogen, denen man damit die Kompetenz und Einsichtsfähigkeit, den guten Willen und die Einsatzbereitschaft abspricht. „Faule Säcke“, wie Gerhard Schröder sie einst bezeichnete, werden Lehrer gerade dann, wenn man ihnen all das nicht mehr zutraut. Mehr Vertrauen in den Einzelnen vor Ort, weniger Vertrauen in wirklichkeitsferne „Entscheider“ – das wäre mal ein guter Anfang.

Photo: Utz Schmidtko from Flickr

Die Vorratsdatenspeicherung (VDS) beherrscht mal wieder die Schlagzeilen. In den meisten Kommentaren geht es – zurecht – vor allem um die Frage der Legitimität solcher Eingriffe in die Privatsphäre. Ebenso interessant ist aber die Frage der Effizienz.

Aktionismus statt Lösungen

Es gehört leider mittlerweile zum täglichen Ritual: Irgendein Problem taucht auf und schon beginnt der Überbietungswettbewerb für Lösungen in der politischen Arena. In der Regel gibt es zwei mögliche Stoßrichtungen für die Lösungen, die Politiker präsentieren: Entweder solche, die an die Gefühle des Wählers appellieren (z. B. Mindestlohn, Mütterrente, Ausstieg aus der Atomenergie). Oder solche, die Politik und Bürokratie mit mehr Kompetenzen ausstatten (Euro-Rettungsschirme, Arbeitsplatzverordnungen oder – eben – VDS). Ausschlaggebend für den Lösungsvorschlag ist nicht, dass das Problem tatsächlich verbessert oder gar behoben wird. Entscheidend ist, dass eines dieser beiden Kriterien erfüllt wird.

Es handelt sich dabei leider tatsächlich um einen Überbietungswettbewerb. Denn kein Politiker will erst der dritte sein, der einen Lösungsvorschlag präsentiert. Und der Satz „darüber müssen wir erstmal in Ruhe nachdenken“ gehört definitiv nicht zum Standardvokabular in einer Welt, in der die Bedeutung von Politikern an den zitierten Sätzen in Medien hängt. Die Folge ist ein ruheloser Aktionismus, der sich mit allem beschäftigt außer dem tatsächlichen Problem.

Die VDS führt nur zur Professionalisierung von Verbrechern

Es gibt genug anschauliche Beispiele dafür, wie dieser Aktionismus komplett ins Leere läuft. Wenn wieder irgendwelche Banken sich verzocken oder Schrottpapiere unter das Volk bringen, kann man fest mit einem Ruf nach mehr Regulierung rechnen. Während dann Ministerien und internationale Gremien jahrelang über neue Regulierungen verhandeln, können sich die Banken in aller Seelenruhe darauf einstellen und überlegen, wie sie die neuen Regeln umgehen. Das gleiche gilt für die Bekämpfung des Drogenhandels. Das einzige Ergebnis, das hier durch die Reaktionen von Politik und Polizei gezeitigt wird, ist eine zunehmende Kriminalisierung, nicht aber der Rückgang von Drogenmissbrauch. Selbst so unverdächtige Institutionen wie das Max-Planck-Institut für Strafrecht, der wissenschaftliche Dienst des Bundestages und – ja! – das Bundeskriminalamt kommen zu dem Schluss, dass die VDS einen statistisch kaum oder gar nicht erfassbaren Einfluss auf Verbrechensaufklärung hat, geschweige denn auf deren Verhinderung.

Man darf jedoch erwarten, dass andere, unbeabsichtigte Folgen eintreten werden. Allen voran eine Professionalisierung von Terroristen und Kriminellen. So wie Banken immer raffiniertere (und unverständlichere) Finanzprodukte ersinnen werden, je mehr Regulierungen eingeführt werden, so werden auch Verbrecher ihre Methoden unter dem Druck der VDS verbessern. Nachdem mit dem „Krieg gegen die Drogen“ ein erfolgreiches Dauer-Konjunkturprogramm für Kriminelle aufgelegt wurde, werden ihnen nun mit der VDS auch noch Möglichkeiten geboten, sich zu professionalisieren. Wer sich einmal vor Augen führen möchte, wie das genau aussieht, dem sei dringend empfohlen, die US-amerikanische Serie „The Wire“ anzugucken. In dieser überragenden Produktion wird höchst anschaulich und sehr realistisch dargestellt, welche Formen der Verbrechensbekämpfung scheitern und welche funktionieren könnten, wenn man die Bereitschaft zum Umdenken aufbringen würde.

Ursachen bekämpfen, nicht Symptome

Die ersten beiden Staffeln von „The Wire“ widmen sich den Versuchen einer Polizeieinheit, Kriminalität durch Überwachung in den Griff zu bekommen. In beiden Staffeln können die Ermittler und Fahnder am Ende so gut wie keine Erfolge vorweisen. Die dritte und vierte Staffel widmen sich hingegen alternativen Lösungsansätzen. In der dritten Staffel versucht ein Polizeioffizier eigenmächtig, den Drogenhandel zu legalisieren. Und in der vierten Staffel verstärkt die Polizei ihr Engagement im Bereich der Schulen, um die jungen Menschen vor dem Abrutschen in die Kriminalität zu bewahren. Beide vielversprechenden Versuche scheitern. Anders als die Überwachung scheitern sie aber nicht daran, dass die Methode falsch ist. Sie scheitern vielmehr an dem Widerstand, der sich von Seiten der Politik und der Bürokratie dagegen regt.

Die VDS wird die Verbrechensbekämpfung nicht verbessern. Sie wird nur dazu beitragen, dass Kriminelle ihre Fähigkeiten ausbauen, der Hand des Gesetzes zu entkommen. Wirksame Kriminalitätsbekämpfung muss bei den Ursachen anfangen statt an den Symptomen herumzufummeln. Dorthin zu kommen, ist freilich ein weiter Weg. Denn sowenig der Metzger sich zum Vorkämpfer des Vegetarismus machen wird, so wenig werden Innenpolitiker für Lösungen plädieren, die das Budget oder die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden beschränken würden. Umso stärker muss der Druck aus der Bevölkerung kommen. Nicht nur, weil unsere Privatsphäre in Gefahr ist. Sondern auch, weil mit der VDS die Gefahren von Kriminalität und Terrorismus unter Umständen nur noch größer werden.

In ganz Griechenland wurden im Januar 852 Baugenehmigungen erteilt. In der Hochphase 2005 waren es noch 16 522. Ein Rückgang um fast 95 Prozent. Die Bauwirtschaft liegt buchstäblich am Boden. Auch die Exporte sind auf niedrigstem Niveau. Im Februar exportierten griechische Unternehmen insgesamt lediglich Güter im Wert von zwei Milliarden Euro. Es gibt nicht einmal den Hauch eines zarten Konjunkturpflänzchens im Südosten Europas. Die Wirtschaft ist in den letzten zwei Quartalen erneut um wahrscheinlich ein Prozentpunkt geschrumpft.

Das hat mit der neuen linksextremen und nationalistischen Regierung zu tun – aber nicht nur. Es sind die typischen Symptome einer Konkursverschleppung. Es muss immer hektischer die Liquidität gesichert und beschafft werden. Es ist ein Teufelskreis in dem sich die Regierung in Athen befindet. Sie müsste eigentlich fundamentale Strukturfragen anpacken, doch die kurzfristigen Probleme überlagern den langfristigen Blick.

Bis zum nächsten „Rettungspaket“, das erst im Sommer kommen wird, verschafft die EZB der griechischen Regierung und dem dortigen Banksystem die notwendige Überbrückung. Das Banksystem wird über Kredite der griechischen Notenbank weiter mit Geld versorgt, da die Kapitalflucht der Griechen anhält und viele ihr Geld ins Ausland bringen oder unter das Kopfkissen legen. Daher haben auch die Banken zunehmend ein Liquiditätsproblem. Inzwischen liegen diese Ela-Kredite bei über 70 Milliarden Euro. In der Hochphase der Krise lagen sie einmal bei 120 Milliarden. Daher lässt sich die Regierung Tsipras Zeit. Die EZB genehmigt die entsprechende Erhöhung des Volumens zwar in immer kleineren Zeitabständen und Dosen. Die Kredite kommen jedoch dennoch im Wesentlichen der Regierung zugute. Eigentlich gibt ihr keiner mehr frisches Geld, das Vertrauen ist restlos zerstört. Daher werden die eigenen Banken genötigt, kurzlaufende Staatsanleihen, sogenannte T-Bills, von der Regierung zu kaufen. Am vergangen Mittwoch konnte die Regierung 1,14 Milliarden Euro Anleihen mit einer Laufzeit von 6 Monaten für 2,97 Prozent bei ihren Banken einsammeln.

Es ist ein Schneeballsystem aus ungedeckten Forderungen der Notenbank gegenüber der eigenen Regierung. Die Notenbank geht – bildlich gesprochen – in den Keller, druckt Geld, stellt es den heimischen Banken zur Verfügung und diese kaufen die Schulden der eigenen Regierung auf. Ein verführerisches Prinzip. Es trägt die Illusion eines perpetuum mobile in sich.

Doch wenn es alle so machen würden, wäre schnell zappenduster. Schon deshalb ist die Staatsfinanzierung über die Notenpresse den Zentralbanken verboten. Die Europäischen Verträge untersagen das eindeutig. Doch die Europäische Union ist keine Rechtsgemeinschaft und ihre Währung längst kein Stabilitätsanker und Ausdruck des Wohlstandes mehr. Wer das erfahren will, muss nur einmal in die Schweiz in den Urlaub fahren. Der Euro hat seit seiner Einführung über 30 Prozent seines Wertes gegenüber dem Schweizer Franken verloren. Schön, meinen die einen. Dann können wir mehr Waren in die Schweiz exportieren, das sichert und schafft Arbeitsplätze. Doch nicht der Euroraum hat Vollbeschäftigung, Wachstum und Wohlstand, sondern die kleine Schweiz. Für weite Teile des Euroraums ist dies nur Wunschdenken.

Nicht eine möglichst billige Währung schafft daher Wohlstand für alle, sondern eine möglichst teure Währung. Wenn man den Geldillusionisten in ihrer Logik folgt, dann wäre es noch besser, wenn der Euro nicht um 30 Prozent abgewertet hätte, sondern um 80 oder 90 Prozent. Dann könnten Unternehmen im Euro-Raum noch mehr exportieren. Die Logik dieses Handelns wäre, dass diese Unternehmen für die gleiche Leistung immer weniger Gegenwert erhalten und damit Waren und Dienstleistungen, die bei uns nicht vorhanden sind, relativ gesehen teuer bezahlen müssten.

Auf Dauer ist das kein besonders attraktives Geschäftsmodell. So würde niemand persönlich handeln. Stellen Sie sich einmal einen Unternehmer vor, der seine Waren immer billiger verkauft, damit er möglichst viel verkaufen kann. Sein Vormaterial, das er einsetzt, bleibt im Preis aber gleich oder wird sogar teurer. Dieser Unternehmer würde von seiner Substanz leben. Sein Kapitalstock würde aufgebraucht, und irgendwann wäre er am Ende. In dieser Situation ist die griechische Regierung heute und –wenn die Regierungen so weitermachen – morgen der gesamte Euroraum.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 11. April 2015.

Photo: Duncan Hull from flickr

In enorm hoher Frequenz werden derzeit unterschiedliche Katastrophen-Säue durchs Dorf gejagt. Aufregung ist das Gebot der Stunde. Ausgerechnet jener Teil des politischen Spektrums, dessen Ahnen einst in der Springer-Presse den Hauptfeind ausgemacht hatten, bringen ihre Anliegen derzeit fast nur noch in der Diktion der Bild-Zeitung vor. Die Aktivisten von Campact zum Beispiel befinden sich derzeit in mehreren Entscheidungsschlachten: „Gentechnik-Verbot bundesweit!“ – „Herr Gabriel, Kohlekraft abschalten!“ – „Fracking stoppen: Rettet unser Trinkwasser!“ Mit anderen Worten: Keine Optimierung von Lebensmitteln! – Strom viel teurer machen! – Öl und Gas dann aber bitte auch teurer!

Die wenigsten Menschen wollen vorsätzlich der Umwelt schaden. Sauberes Wasser, saubere Luft und Tierschutz sind ja nun wirklich Umstände, die fast jedem ein Anliegen sind. Solche Ziele absolut zu setzen, ist jedoch auch äußerst weltfremd. Wie so oft im Leben, sind auch diese Dinge nicht umsonst zu haben. Bei aller Sorge um unsere Umwelt darf man nicht die Menschen aus dem Blick verlieren. Besserverdiener können sich vielleicht höhere Strompreise oder teurere Lebensmittel leisten. Für Studenten, Geringverdiener, Rentner und Arbeitslose sind die Zusatzkosten kaum zu stemmen, die sich durch den gedankenlosen Aktionismus und Alarmismus von Organisationen wie Campact ergeben.

Es ist richtig und wichtig, Fragen des Umweltschutzes anzugehen und ernst zu nehmen. Wir wollen unseren Kindern nicht eine weniger lebenswerte Welt hinterlassen. Das darf aber nicht durch hysterische Rufe nach Verboten geschehen. Sonst schaden wir gerade den weniger Wohlhabenden in unserer Gesellschaft nachhaltig. Stattdessen müssen wir nach intelligenten Lösungen für die Probleme suchen. Kein Lebewesen auf dieser Erde ist so anpassungsfähig wie der Mensch. Wesensmerkmal dieser Anpassungsfähigkeit ist aber gerade das Vertrauen auf den Fortschritt. Menschen wollen ein besseres Leben führen, darum suchen sie nach Lösungen. Nichts anderes ist Fortschritt.

Die Männer und Frauen, die Katalysatoren, Kanalisationssysteme und Solarmodule erfunden haben, haben nach Lösungen gesucht anstatt auf Verbote zu bauen. Das ist die menschliche Variante. Die Dagegen-Grundhaltung der Hysterie-Industrie ist die unmenschliche Variante. Lassen wir die Träumereien von der guten alten Steinzeit. Bauen wir lieber auf eine Zukunft, in der Menschen sauberes Wasser und genug Nahrung haben; in der es den Hühnern besser geht und der Rentner noch genug Geld zum Leben hat; in denen wir die Ressourcen unseres Planeten nutzen und weltweit mehr Wohlstand herrscht. Strengen wir unsere Gehirne an – dazu sind sie da!

Photo: Richard Baer from Flickr