Apropos Freihandel. Hier empfehle ich den 1846 erschienenen Essay „Schutz der Sonne“ von Frédéric Bastiat (1801-1850). Darin ironisiert Bastiat eine fiktive Petition der Lampen- und Leuchten-Produzenten an das französische Parlament. Sie fordern ein Gesetz zur Schließung aller Fenster, Läden und Luken, durch die das Sonnenlicht in die Häuser eindringen kann. Dies soll die Industriezweige der Lampen- und Leuchten-Produzenten vor billiger Konkurrenz durch das Sonnenlicht schützen und gleichzeitig Arbeitsplätze in der Lampen- und Leuchtenindustrie fördern. „Wir leiden durch die unerträgliche Konkurrenz eines Rivalen, dessen Produktion offenbar so begünstigt ist, dass er unsere Märkte mit einem Licht von fabelhafter Billigkeit überschwemmt …“ Trump müsste Bastiat lesen. Es ist einfach geschrieben. Er könnte es verstehen.

Es war die große Leistung des französischen Ökonomen und Publizisten, dass er die Einsichten der gerade entstehenden Wirtschaftswissenschaften in Narrative übersetzen konnte, die in der breiten Masse verfingen. Gerade in einer Epoche der breiten Alphabetisierung und gleichzeitig Demokratisierung war es bedeutsam, die öffentlichen Diskurse zu prägen. Bastiat saß folglich auch nicht nur hinterm Schreibtisch, sondern begab sich in die großen Debatten seiner Zeit als Mitglied des französischen Parlaments ab 1848. Er hatte erst 1844 mit seiner publizistischen Tätigkeit begonnen, was eine gewisse Tragik birgt, weil er schon 1850 einem Tuberkulose-Leiden erlag.

Meine Buchempfehlung (vielleicht auch zu Weihnachten) ist ein Werk von Hubert Wolf, Professor für Kirchengeschichte in Münster: „Die geheimen Archive des Vatikan und was sie über die Kirche verraten“. Darin gibt er uns einen spannenden Einblick in die Vatikanischen Archive und untersucht die Rolle Papst Pius‘ XII (1939-1958) in der Zeit des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung – ein streckenweise dunkles Kapitel der katholischen Hierarchie. Interessant ist auch die Auseinandersetzung der Kirche mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften. An der Katholischen Kirche ist faszinierend, dass sie in ihrem langen Wirken über 2.000 Jahre zahlreiche Wendungen und Anpassungen vorgenommen hat, die im Zeitraffer kurz erscheinen, die aber oft über Hunderte von Jahren vollzogen wurden und immer noch nicht abgeschlossen sind.

Der Umgang mit Erkenntnissen der Naturwissenschaften, mit Gelehrten wie Galileo Galilei und Charles Darwin, zeigt, dass die Offiziellen der Kirche oft geirrt haben, dass sich die Institution Kirche über einen langen Zeitraum einem Lernprozess aussetze musste, der oftmals sehr pragmatisch war. So war die Zensur von Büchern ein beliebtes Instrument der Kontrolle über Inhalt und Lehre der Kirche und des übrigen Gesellschaftslebens. Die Kirche hatte durch die Klöster, in denen Bücher abgeschrieben und vervielfältigt wurden, eine Art Monopol über deren Inhalte. Das Verbot von Büchern war daher ein Verbot von Informationen. Erst mit der Erfindung des Buchdrucks und der kirchenunabhängigen Vervielfältigung von Büchern war die Zensur und der Index verbotener Bücher „nur noch“ ein Instrument der innerkirchlichen Disziplinierung. So machte es die Katholische Kirche dann auch. Außerhalb war dies nicht mehr möglich. Kurz gesagt: Wettbewerb schafft Freiheit – auch die Meinungsfreiheit.

Photo: Kenny Kuo from Unsplash (CC 0)

Von Felix Grabenhofer, Research Fellow bei Prometheus im Juli 2024. Felix hat an der Wirtschaftsuniversität Wien Wirtschaftswissenschaften studiert und sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit mit der wirtschaftlichen Entwicklung Australiens und den Auswirkungen des Ressourcenreichtums auseinandergesetzt.

Es klingt zunächst wie ein Paradoxon: Länder, die über reichhaltige Bodenschätze verfügen, sollten doch eigentlich wirtschaftlich florieren, oder? Schließlich scheint es naheliegend, dass der Verkauf von Öl, Gas, Mineralien oder anderen Rohstoffen Wohlstand bringt. Doch genau hier liegt die Ironie, die in der Wirtschaftswissenschaft als „Ressourcenfluch“ bekannt ist. Statt wirtschaftlichem Aufschwung erleben viele rohstoffreiche Länder das Gegenteil: langsameres Wachstum, politische Instabilität und soziale Ungleichheit. Beispiele dafür finden sich in Regionen wie Afrika und Südamerika. Insbesondere Nigeria, Venezuela und Angola sind häufige Beispiele, bei welchen die Abhängigkeit von Rohstoffen mit wirtschaftlichen und politischen Krisen einhergeht.

Australien gehört zu den wenigen Ausnahmen, die es geschafft haben, eine beeindruckende wirtschaftliche Erfolgsgeschichte zu schreiben. Mit dem drittgrößten kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt pro Kopf unter den G20-Staaten (destatis.de, 2020) und Platz 10 im globalen Human Development Index (HDI) im Jahr 2024 (UNDP, 2024) zählt es heute zu den wohlhabendsten Ländern der Welt. Bemerkenswert ist dabei, dass Australien – anders als etwa Norwegen – nicht auf die Verstaatlichung seiner Ressourcen setzte. Stattdessen verfolgte das Land auf der anderen Seite der Erde einen liberalen Ansatz und vertraute auf Marktmechanismen – und das mit großem Erfolg. Trotz der enormen Einnahmen aus Bergbau und anderen Rohstoffsektoren, trotzte Australien den negativen Einflüssen des Ressourcenfluchs, blieb wirtschaftlich stabil und verzeichnete stetiges Wachstum. Aber wie genau gelang das?

Ein Blick auf die Institutionen des Landes liefert erste Erklärungen. Transparenz und Rechenschaftspflicht sind fest in der australischen Regierung verankert. Diese stabilen Strukturen haben dafür gesorgt, dass die Gewinne aus dem Rohstoffsektor nicht in die falschen Hände geraten. Laut dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International zählt Australien seit Jahrzehnten zu den 10% der am wenigsten korrupten Länder weltweit (Transparancy.org, 2023). Dies ist einer der entscheidenden und wirkungsvollsten Ansätze, um den negativen Konsequenzen von Ressourcenreichtum zu entgehen.

Doch die Basis für den heutigen Erfolg wurde in den 1980er Jahren gelegt, als Australien eine Phase der wirtschaftlichen Liberalisierung einleitete. Der Wechsel zu einem flexiblen Wechselkursregime, die Deregulierung der Finanzmärkte und umfassende Steuerreformen haben das Land für Investoren attraktiv gemacht und das Wirtschaftswachstum angekurbelt. Die Einführung der Goods and Services Tax (GST) im Jahr 2000 beispielsweise vereinfachte das Steuersystem und stärkte die Wettbewerbsfähigkeit des Landes.

Besonders relevant für den Erfolg des Landes ist außerdem die Förderung von Innovation und Bildung. Australien erkannte früh, dass Rohstoffe allein nicht ausreichen, um langfristigen Wohlstand zu sichern. Das Land investierte beispielsweise 2021 5,6 % seines Bruttoinlandsprodukts in Bildung (World Bank, 2024), um sicherzustellen, dass es nicht nur von seinen natürlichen Ressourcen, sondern auch von seinem Humankapital und technologischen Fortschritten profitiert. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Universitäten und der Industrie sind australische Unternehmen wie Rio Tinto und BHP nicht nur im Abbau von Ressourcen führend, sondern auch in der Entwicklung und dem Export innovativer Technologien für den Bergbau.

Allerdings läuft natürlich auch “Down Under” nicht alles perfekt. Die starke Abhängigkeit von China als Hauptabnehmer australischer Rohstoffe birgt besipielsweise erhebliche Risiken. Etwa 40% der australischen Rohstoffexporte gehen nach China (Reserve Bank of Australia, 2023), und die jüngsten Spannungen im Handelskrieg zwischen den USA und China zeigten, wie verwundbar Länder sein können, die stark von einem einzigen Markt abhängig sind.Australien muss daher seine Handelsbeziehungen weiter diversifizieren, um auch in Zukunft resilient zu bleiben.

Das Beispiel Australiens zeigt eindrucksvoll, dass der Ressourcenfluch kein unausweichliches Schicksal ist. Mit den richtigen politischen Weichenstellungen und einem Vertrauen in Marktmechanismen kann der Rohstoffreichtum zu einer Quelle des Wohlstands werden – ganz ohne übermäßige staatliche Eingriffe und umfassende Umverteilungsmaßnahmen. Australien demonstriert auch für andere ressourcenreiche Länder, dass Rohstoffe nicht zwangsläufig zum Abstieg führen müssen. Stattdessen kommt es darauf an, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, die Marktkräfte zu nutzen und so den wirtschaftlichen Erfolg langfristig zu sichern – fernab von Verstaatlichung und sozialistischen Ideen.

Vor etwas mehr als 100 Jahren, kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs, fuhren schon 100.000 Autos durch Deutschland, Berlin hatte vier U-Bahn-Linien, die insgesamt 37 Kilometer lang waren, Hamburg hatte 25.000 Telefonanschlüsse und in rund 14 Stunden war man von München aus mit dem Zug in Paris. Aber keine einzige Frau in Deutschland (und Europa mit Ausnahme von Finnland und Norwegen) konnte wählen. Und erst 1908 war Mädchen erlaubt worden, das Abitur abzulegen und regulär eine Hochschule zu besuchen. Dass so etwas wie Wahlrecht oder Bildung in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts verhältnismäßig schnell zugänglich wurden, ist dem leidenschaftlichen Einsatz einer Reihe von Frauen (und ein paar weniger Männer). Frauen wie Anita Augspurg (1857-1943) und Lida Gustava Heymann (1868-1943).

Augspurg hatte sich zur Lehrerin und danach als Schauspielerin ausbilden lassen, spielte an verschiedenen deutschsprachigen Theatern und eröffnete 1887 eines der ersten Fotoateliers Deutschlands. In der Zeit begann sie auch, sich immer stärker für Frauenrechte zu interessieren und begann mit 35 Jahren ein Jura-Studium in Zürich, wo Frauen bereits zugelassen waren. Sie wurde die erste deutsche Staatsbürgerin mit einer juristischen Promotion.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es zu Zwist in der Frauenbewegung und Augspurg wurde eine der führenden Personen im radikalen Flügel. Diese Frauen machten das Prinzip der Selbsthilfe stark, waren antiautoritär und staatskritisch, und brachen bewusst Konventionen. Außerdem waren sie eine bedeutsame Stimme des Pazifismus, der sich gegen den Militarismus und die Großmannssucht ihrer Zeit richteten.

An ihrer Seite – sowohl als Mitstreiterin als auch als Lebensgefährtin – fand sich seit dieser Zeit auch Heymann, die Tochter eines Hamburger Kaufmanns. Nach dem Tod ihres Vaters verwaltete sie ihr Erbe und setzte das Vermögen ein, um berufstätigen Frauen einen Mittagstisch zu ermöglichen, Kinderhorte zu betreiben und auch das erste Frauenhaus zu eröffnen.

Gemeinsam wirkten die beiden auch nach den Reformen mit Beginn der Weimarer Republik daran, die die Situation für Frauen zu verbessern: rechtlich, sozial und kulturell. Es war ein Zufall, dass sie – wie ja auch der Schriftsteller Thomas Mann – zum Zeitpunkt der Machtergreifung der Nazis gerade außer Landes waren. Sie sollten nie wieder zurückkehren, sondern schlugen ihre Zelte in Zürich auf, wo beide 1943 im Abstand von wenigen Monaten starben.

Am 7. November lud der Bundespräsident ein zu einem Festakt zum 35. Jahrestag des Mauerfalls. Als einer der Festredner wurde der Schriftsteller Marko Martin eingeladen. In den 16 Minuten, die seine Ansprache dauerte, wurde der Gastgeber und Hausherr sichtlich immer ungehaltener und erboster. Denn in guter dissidentischer Tradition – Martin stammt aus einer Dissidentenfamilie hat sich der Autor nicht geschmeidig angepasst, sondern den Mächtigen in ihrem eigenen Schloss schonungslos seinen Blick auf die Dinge ins Gesicht gesagt. Nicht hinterm Rücken, nicht nur als Kommentar im Netz, nicht inmitten lauter Gleichgesinnter. Sondern direkt, anständig, aber knallhart ins Gesicht. (Der Bundespräsident zeigte sich deutlich weniger souverän in seiner Reaktion …) Die Rede ist es wirklich wert, gelesen (oder gehört) zu werden und sollte eigentlich von der Bundeszentrale für politische Bildung an alle Schulen geschickt werden. So geht republikanischer Geist.

Wir sind übrigens sehr stolz, dass Marko Martin erst vor wenigen Monaten als Gastredner bei unserer Taverne war …