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Photo: ILRI from Flickr (CC BY 2.0)

Von Diego Zuluaga, International Research Fellow am Institute of Economic Affairs und Deputy Director von EPICENTER, einem pan-europäischen Think-Tank-Netzwerk.

Ökonomische Debatten werden oft dargestellt als Wettbewerb zwischen zwei entgegengesetzten Interessensgruppen. Der Sozialismus nach Marx brachte Kapital und Arbeit gegeneinander in Stellung. Manch eine Variation zu dieser Auseinandersetzung ist nach wie vor sehr populär unter Linken in Europa und Nordamerika: reich gegen arm, die ein Prozent gegen die 99 Prozent, die entwickelten Staaten gegen die Entwicklungsländer. Die Protektionisten – 19.Jahrhundert-Merkantilisten oder die jüngere Variante Trump – setzen die Trennlinien zwischen Einheimischen und Ausländern, heimische Produkte und Importen, Handelsüberschüsse und Handelsdefizite.

Beide Erzählungen begreifen Wirtschaft zum Teil oder ganz als Nullsummenspiel. Liberale und Libertäre halten dem entgegen, dass eine solche Analyse grundsätzlich falsch ist. Das Pro-Kopf-Einkommen in Westeuropa, den USA und anderen industrialisierten Staaten hat sich seit 1800 um das 20- bis 30fache gesteigert. Auf anderen Kontinenten dauerte die Entwicklung länger. Dafür ging es in den vergangenen Jahren mit sehr eindrucksvollen Sprüngen nach vorne: In Lateinamerika ist das Einkommen heute vier Mal höher als 1930, in Asien acht Mal höher als 1951. Und dabei muss man bedenken, dass der Durchschnitt gesenkt wird durch humanitäre Katastrophen wie in Nordkorea, im Kambodscha der 70er Jahre und zuletzt in Venezuela.

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Die geschichtliche Entwicklung widerlegt die Vorstellung von Wirtschaft als einem Prozess, in dem der Gewinn des einen der Verlust des anderen sein muss – ob innerhalb einzelner Länder oder zwischen den Ländern. Die oft wiederholte Behauptung, dass die letzten drei Jahrzehnte der Globalisierung den ärmeren Ländern zwar genutzt hätten, dass dies aber auf Kosten der arbeitenden Mittelschicht in den entwickelten Ländern geschehen sei, ist sehr fraglich. Ein Bericht der „Resolution Foundation“ hat sich dieser Frage jüngst angenommen. Häufig wird die Behauptung aufgestellt im Zusammenhang mit der „Elephant Curve“, die von den Weltbank-Ökonomen Christoph Lakner und Branko Milanovic konzipiert wurde. Diese Kurve zeigt, dass von 1988 bis 2008 das Einkommen stagniert für die obersten 80 bis 90 Prozent bei der weltweiten Einkommensverteilung. In der Aufarbeitung der Studie von Lakner und Milanovic haben viele diese Schicht als die Verlierer der Globalisierung ausgemacht: Jene untere Mittelschicht in Europa und Nordamerika, die nun dem Freihandel den Rücken zukehren und Populisten wählen.

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Die Wissenschaftler bei der „Resolution Foundation“ haben festgestellt, dass die Elefantenkurve verschwindet, sobald man die Daten anpasst an das Bevölkerungswachstum in ärmeren Ländern und den demographischen Wandel in reicheren, und wenn man Japan, die postkommunistischen Staaten Osteuropas und das boomende China außen vorlässt. Dann haben wir plötzlich eine bemerkenswert gleichmäßige Verteilung der Einkommensgewinne über das gesamte verbliebene Spektrum hinweg.

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Das Argument der Kluft zwischen Arm und Reich – auf der Ebene der einzelnen Länder ebenso wie global – verliert an Schlagkraft. Einige bemerken nun, dass die tatsächliche Trennung nicht horizontal, sondern vertikal verlaufe. Und zwar zwischen denjenigen, die politischen Einfluss haben, und denjenigen, die ihn nicht haben. Es kann sein, dass diese Trennung mit Einkommensunterschieden korreliert – insbesondere auf lange Sicht, weil diejenigen mit mehr politischem Einfluss diesen benutzen, um Ressourcen umzuverteilen. Vielleicht korrelieren sie aber auch nicht. Es ist keine Trennung entlang der Linien Wohlstand, Kaufkraft oder Eigentum, sondern in Bezug auf Zugang zu rechtlichen Privilegien, Steuergeldern und anderen Erträgen politischer Prozesse.

So haben etwa viele entwickelte Länder Subventionsmechanismen für die Landwirtschaft. Diese werden in der Regel aus Steuergeldern bezahlt. Die Grundlage dieser Umverteilung ist nicht ein Einkommensunterschied zwischen Landwirten und der anderen Bevölkerung. Vielmehr ist sie das Ergebnis vom starken und gut organisierten Einfluss der Landwirtschaft, die sich gegen die diffusen Interessen und geringen Anreize zur Gegenwehr auf Seiten der breiten Bevölkerung durchsetzt. Auf einer ähnlichen Grundlage können sich kartellierte Branchen wie die Taxi- und Pharma-Industrie durchsetzen und ganz grundsätzlich strenge Lizenzvergaben und hohe Mindestlöhne in vielen Bereichen.

Ökonomische Theorien und Wirtschaftsgeschichte zeigen, dass der freie Austausch zu Ergebnissen führt, die für alle Beteiligten von Vorteil sind. Im Gegensatz dazu profitieren durch rechtlich gesicherte Privilegien einzelne Gruppen auf Kosten von anderen. Gezielte Subventionen werden von allen Steuerzahlern getragen, die Gewinne von Monopolisten werden von den Verbrauchern bezahlt und die Kosten von Lizenzierung werden von denen getragen, die deshalb keinen Zugang zum Gewerbe bekommen. Wenn staatliche Privilegien im Spiel sind, fließt kein Freibier.

Über die meiste Zeit im 19. und 20. Jahrhundert trieben staatlich geförderte Privilegien einen Keil zwischen die Privilegierten und die Anderen anhand von speziellen Kriterien wie Beruf, Nationalität, Qualifikation oder familiärer Herkunft: gelernte gegen ungelernte Arbeiter, Bauern gegen Industriearbeiter, organisierte Arbeiterschaft gegen unorganisierte, Einheimische gegen Zuwanderer, heimische Firmen gegen Importeure und so weiter. Inzwischen freilich wird im gesamten Westen die Teilung am deutlichsten entlang der Generationen. Insbesondere die Älteren haben sich eine Reihe an staatlichen Privilegien gesichert – auf Kosten der Jüngeren.

Diese Ungleichheit zwischen den Generationen kommt in vielerlei Gewändern daher. So haben zum Beispiel strenge Bauvorschriften in Großbritannien dazu geführt, dass die Median-Hauspreise inzwischen fünf Mal höher sind als die Median-Einkommen (in London sogar neun Mal höher). Das ist erheblich höher als der Standard in den meisten entwickelten Staaten, wo der Median-Hauspreis bei dem zwei- bis dreifachen liegt. Von den Preissteigerungen profitieren vor allem die Über-50järigen, die bereits gut untergekommen sind. Ihr eigener Wohlstand ist rasch gewachsen, aber sie haben die Mieten enorm steigen lassen, so dass für die Unter-40jährigen wohnen immer teurer wird.

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In der gesamten EU gibt es sehr große Unterschiede in der Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zur allgemeinen Arbeitslosigkeit. Die Raten von bis zu 50 Prozent in Spanien und Griechenland schaffen es bisweilen in die Schlagzeilen. Doch auch in Frankreich, Polen, Tschechien und Belgien ist die Arbeitslosenquote der Unter-25jährigen drei Mal höher als die allgemeine Quote, in Schweden, Großbritannien und Italien vier Mal höher. Manche Unterschiede mag man durch das langsame Wachstum nach der Krise erklären können – ein großer Teil hat aber strukturelle Ursachen. Es liegt an einem Arbeitsrecht, das Neueinstellungen teuer macht und Entlassungen sehr schwierig. Und es liegt an Mindestlöhnen, die häufig höher sind als die mögliche Produktivität ungelernter Arbeiter. All diese Eigenschaften des europäischen Arbeitsmarktes sprechen gegen die Jungen.

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Schließlich sind da noch die gigantischen Rentenversprechen, die europäische Regierungen gemacht haben. Und das angesichts schrumpfender Bevölkerungszahlen und steigender Lebenserwartung. Eine Untersuchung, die Jagadeesh Gokhale für das Institute of Economic Affairs durchgeführt hat, hat gezeigt, dass diese Verpflichtungen in einigen EU-Staaten das Drei- bis Vierfache des nationalen Einkommens. Wollte man diese Versprechen erfüllen ohne das Renten- und Krankenversicherungssystem radikal umzustrukturieren, so müsste man das Steueraufkommen in den meisten Ländern mehr als verdoppeln oder die öffentlichen Ausgaben drastisch reduzieren.

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Diejenigen von uns, die im Internet-Zeitalter aufwuchsen, müssen für vieles dankbar sein. Der durchschnittliche junge Mensch heute ist wohlhabender, sicherer, gesünder und besser ausgebildet als je zuvor in der Geschichte. Sowohl in den entwickelten Ländern als auch in den meisten Entwicklungsländern. Doch ein Fluch des wachsenden Wohlstands ist das gleichzeitige Wachstum von staatlich gewährten Privilegien, wobei die Bürger mittleren und höheren Alters die größten Nutznießer sind, während die Jüngeren – bisweilen sogar die noch gar nicht Geborenen – die Rechnung präsentiert bekommen. Dieser Trend ist nicht nachhaltig – selbst unter den optimistischsten Prognosen im Blick auf Wirtschaftswachstum und demographische Entwicklung.

Der scheidende US-Präsident Barack Obama hat Ungleichheit als „die entscheidende Herausforderung unserer Zeit“ bezeichnet. Es kann gut sein, dass sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin das Ende der Globalisierung zum entscheidenden Merkmal seiner oder ihrer Politik machen wird. Dennoch – oder gerade deswegen: während Behauptungen über wachsende Ungleichheit und den Freihandel widerlegt werden, täten Politiker gut daran, ihre Aufmerksamkeit der wachsenden Kluft zwischen Alt und Jung zuzuwenden. Darin liegt wohl die grundlegende unbeantwortete Herausforderung unserer Zeit.

Erstmals veröffentlicht auf dem Blog von Epicenter.

Photo: SPÖ Presse und Kommunikation (CC BY-SA 2.0)

Der Links-Populismus wird in Deutschland verklärt. Von rechts kommend ist er verwerflich und wird stigmatisiert. Von links kommend gilt er als hipp und fortschrittlich. Doch der linke und der rechte Populismus sind siamesische Zwillinge, die beide die Freiheit des Einzelnen bedrohen und deshalb eine Gefahr für unsere offene Gesellschaft sind. Populismus ist eine Spielart des Paternalismus, bei der eine Mehrheit den Staat in eine immer größere Betreuungsrolle bringen will. Beide Populismen eint der Weg dorthin. Sie dramatisieren und überspitzen die Lage, um die Gunst der Massen zu gewinnen. Beide Seiten sind Bewunderer der Vergangenheit und der Gegenwart. Und beiden Seiten ist das Neue suspekt. Für beide Seiten ist das Individuum unfähig, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen.

Der politische Populismus von Links und Rechts führt zu Kollektivismus und zu weniger Individualismus. Zu glauben, der Gegensatz von Populismus sei Paternalismus, ist daher völlig falsch. Der paternalistische Staat greift populistische Strömungen auf und nutzt sie, um die staatlichen Aktivitäten auszuweiten. Das wollen die Populisten von Links und Rechts auch. Beide schreiben dem Einzelnen vor, was gut und richtig im Sinne der Massen ist und dafür braucht es den Eingriff des Staates in das Eigentum und in die Vertragsfreiheit. Der gesetzliche Mindestlohn ist ein Beispiel dafür. Er ist zutiefst populistisch, suggeriert er doch, dass es damit Geringverdienern besser geht. Das Ganze wird dann in eine dicke Suppe gerührt, deren Zutaten „wachsende Ungleichheit“, „Umverteilung“, „Vermögensteuer“ und „Rente mit 63“ lauten. Doch es ist längst klar, dass Mindestlöhne Eintrittshürden in den Arbeitsmarkt sind und die Perspektive von Menschen ohne Arbeit eher verschlechtern. Man muss dazu nur die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa betrachten.

Auch die Ablehnung von Freihandelsabkommen ist zutiefst populistisch, weil sie mit dumpfen Ängsten über Gesundheitsgefahren und Verbraucherschutz arbeiten. Die Ablehnung dient wie der Mindestlohn dazu, dass die Masse, über den Staat, den Einzelnen in seinem Handeln einschränkt und behindert. Nicht mehr der Bürger wird betrachtet, ob dieser oder jene ganz bewusst eine Ware aus dem Ausland kaufen will, sondern die Gefühle der Massen werden als Maßstab für die Grundlage individueller Entscheidungen genommen.

Links- und Rechtspopulisten sind Marktabschottungen lieber als der Freihandel. Dazu muss man nur nach Frankreich schauen. Die französischen Rechtspopulisten des Front National um Marine Le Pen argumentieren gegen CETA und TTIP mit den gleichen Argumenten wie hierzulande ATTAC und Campact. Sie wollen ihre Landwirte, ihren Mittelstand und ihre Verbraucher schützen, als gehörten sie ihnen persönlich. Es ist eine Art Leibeigenschaft, die in diesem dumpfen Nationalismus zum Ausdruck kommt. Beide Populismen sind nicht bereit, neuen Ideen eine Chance zu geben. Sie wollen ihr Ideenmonopol durchsetzen und dadurch einen Wettbewerb der Ideen verhindern. Sie glauben, dass an ihrem Wesen die Welt genesen soll.

Der Widerstand gegen den linken Populismus ist bei uns gering. Das hat auch seine Ursache darin, dass große Konzerne in Deutschland die Linkspopulisten von Campact und Co. sogar anfänglich finanziert haben. Da muss man sich nicht wundern, wenn man jetzt aus den Vorstandsetagen nichts hört. Das Aufkommen des Linkspopulismus gerade in Deutschland ist auch ein Versagen der offenen Gesellschaft und deren Eliten. Sie sind nicht bereit mit offenem Visier gegen diesen Trend anzutreten, sondern sie verkriechen sich in ihre Elfenbeintürme und beklagen anschließend das Ergebnis. Doch eine offene Gesellschaft lebt vom Mitmachen, vom Einmischen und von der Macht der Ideen. Wo sind die Vorbilder, die sich dagegenstellen? Wo sind die Herrhausens oder die Rohwedders der heutigen Zeit? Wo sind die Unternehmenslenker, die mutig, entschlossen und wortmächtig gegen diesen Trend öffentlich sich zu Wort melden? Gibt es Sie noch? Es genügt nicht, wenn große Unternehmen teure „Corporate Social Responsibility“-Abteilungen einrichten, aber diese letztlich nur der Imagepflege und Marketing betreiben. Gesellschaftliche Verantwortung sieht anders aus. Die offene Gesellschaft braucht mehr Bekennermut und weniger Zuschauermentalität.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick am 22. September 2016.

Photo: Kennisland from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Diego Zuluaga ist International Research Fellow am Institute of Economic Affairs und Deputy Director von EPICENTER, einem pan-europäischen Think-Tank-Netzwerk.

Gerade ist ein Gesetz in Kraft getreten, das die kurzfristige Vermietung von Wohnungen in Berlin verbietet. Es geht bei dieser, bereits 2014 verabschiedeten und seit dem 1. Mai geltenden, Regelung darum, den Wohnungsmarkt zugunsten der Berliner zu entlasten. Laut Andreas Geisel, dem Senator für Stadtentwicklung, ist das Gesetz „ein notwendiges und sinnvolles Instrument …, um der zunehmenden Wohnungsknappheit in Berlin entgegenzuwirken.“

Tatsächlich wird das Verbot jedoch sehr wenig dazu beitragen, das Wohnungsangebot für Einheimische auszuweiten oder günstiger zu machen. Das einzige, was dadurch erreicht wird, ist, dass Wohnungsbesitzer nicht mehr daran verdienen können, dass sie an Leute vermieten, die für eine kurze Zeit günstig wohnen möchten. Kurzum: ein paar Menschen werden durch das Gesetz schlechter gestellt und dennoch hat keiner einen Nutzen davon.

Um zu begreifen, warum das so ist, muss man verstehen, wie und warum Geschäftsmodelle wie Airbnb entstanden sind, und welchem Zweck sie dienen in der zunehmenden Vielfalt des Marktes für Kurzzeitvermietungen.

Seine Wohnung zu teilen, home-sharing, ist ein Beispiel dafür, wie die Sharing Economy funktioniert. Ein Bericht des Europäischen Parlaments hat Sharing Economy folgendermaßen definiert: „das Nutzen von digitalen Plattformen oder Portalen, um Miet- oder Dienstleistungs-Transaktionen zu vereinfachen und damit Unterauslastung zu reduzieren“. Mit anderen Worten: das Phänomen umfasst das Nutzen von neuen Technologien und Marktinnovationen, um Transaktionskosten zu reduzieren.  Dadurch wird eine größere Anzahl an Transaktionen ermöglicht – zum Nutzen sowohl des Besitzers als auch des Nutzers.

Um das zu veranschaulichen, wenden wir uns noch einmal dem konkreten Fall zu. Früher war es üblicherweise so, dass Wohnungsbesitzer, die einen ungenutzten Raum hatten oder eine längere Reise planten, weder günstige noch verlässliche Möglichkeiten zur Untervermietung hatten. Die Besitzer sahen sich mit drei Hürden konfrontiert:

  1. die Kosten, die verfügbaren Optionen zu durchsuchen und zu sortieren;
  2. fehlendes Vertrauen zwischen Besitzern und möglichen Nutzern, die sich in der Regel nicht kennen;
  3. keine einfachen und verlässlichen Zahlungsmöglichkeiten.

Einige Wohnungsbesitzer haben Agenturen genutzt, um diese Hürden zu überwinden, aber hohe Provisionen und Verwaltungsgebühren machten diese Option unattraktiv für diejenigen, die nur sporadisch vermieten wollen oder zu geringen Preisen. Das Ergebnis war, dass bestehende Räumlichkeiten ungenutzt blieben. Und Transaktionen zum gegenseitigen Nutzen wurden unterlassen wegen der hohen Kosten, die anfielen.

Dann traten home-sharing-Plattformen wie Airbnb auf den Plan. Indem sie einen Anlaufpunkt zur Verfügung stellten, bei dem sich Besitzer und mögliche Nutzer treffen können, haben die Plattformen die Kosten der Suche massiv reduziert. Vertrauen wird gesteigert durch umfassende Mechanismen der gegenseitigen Bewertung der Transaktionsteilnehmer. Dazu kommt eine Versicherung, die von der Plattform selbst getragen wird. Die Bezahlung wird über die Plattform abgewickelt, die sich auch um Betrug und andere Missstände kümmert. All das wird erreicht zu relativ geringen Kosten, so dass sich Untervermietung für viele Wohnungsbesitzer erstmals lohnt.

Durch home-sharing wird mithin die Menge der Wohnungen, die vermietet werden können, vergrößert. Diejenigen, die home-sharing-Plattformen nutzen, haben nun Vorteile, weil sie effizienter als vorher Geschäfte tätigen können. Gleichzeitig hat keiner Nachteile, weil sich die Plattformen zunächst an Besitzer gering ausgelasteter Wohnung wendet und nicht etwa die üblichen Mietwohnungen im Blick hat, die bereits vor dem Aufkommen der Sharing Economy auf dem Markt waren.

Befürworter des Berliner Gesetzes könnten einwenden, dass home-sharing-Plattformen dazu führen, dass Wohnungen, die bislang auf dem normalen Mietmarkt waren, nun der Plattform zur Verfügung stehen. Aber es ist nicht zu sehen, warum Wohnungseigentümer sehr kurzfristige Mietverhältnisse langfristigen vorziehen würden, sind doch die administrativen Kosten bei ersteren erheblich höher. Möglicherweise erzielt man mit kurzfristigen Vermietungen an Touristen höhere Renditen als mit langfristigen. Eventuell schätzen Eigentümer auch die Flexibilität, die mit kurzfristigen Vermietungen einhergeht. Wie auch immer: Es ist keineswegs ausgemacht, dass das Verbot dazu führen wird, dass der derzeit für kurzfristige Vermietung zur Verfügung stehende Bestand dann für langfristige bereitstünde.

Wahrscheinlicher ist ein Rückgang des Gesamtbestands an zu vermietenden Wohnungen. Am Ende sind wir wieder bei dem Punkt, als es keine Online-Plattformen gab, um freiwillige Geschäfte zu ermöglichen. Das wäre eine bedauerliche Entwicklung für Städte wie Berlin, das sich doch gerne als ein ideales Zentrum für Technologie und Startups in Europa sieht.

Ein Verbot von kurzfristigen Vermietungen ist keine Lösung für Wohnungsknappheit in Städten. Die Hauptstädte Europas sollten stolz und glücklich sein, dass sie eine wachsende Zahl an Menschen anziehen, und sollten die Entstehung von neuem Wohnraum ermöglichen um der steigenden Nachfrage zu begegnen. Vor allem sollten sie sich aber von fehlgeleiteten Politikentscheidungen fernhalten wie zum Beispiel Mietpreisbremsen. Es hat sich hinlänglich gezeigt, dass diese die Bedingungen der Mieter verschlimmern und dazu führen, dass die Entwicklung des Mietmarktes langfristig gebremst wird.

Gerade Berlin sollte erheblich einfacher als andere europäische Hauptstädte eine wachsende Bevölkerung aufnehmen können, hatte die Stadt, die heute 3,5 Millionen Menschen beherbergt, doch vor dem Zweiten Weltkrieg 4,3 Millionen Einwohner. Zudem hat die vierzig Jahre lange Teilung der Stadt zur Folge, dass Teile der Infrastruktur und des öffentlichen Nahverkehrs oft in doppelter Ausfertigung zur Verfügung. Zusammenfassend kann man feststellen: Das Verbot kurzfristiger Vermietungen ist ein Ablenkungsmanöver und wird die Situation vermutlich eher verschlechtern als verbessern – für die Berliner wie für die Besucher.

Photo: dedljiv from Flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Hubertus Porschen, Vorsitzender des Verbandes „Die Jungen Unternehmer„, CEO von iConsultants.

Deutschland steht vor einer großen gesellschaftlichen Herausforderung. 2015 sind mehr als eine Million Menschen in unser Land gekommen. Und auch in diesem Jahr sind weiterhin viele auf der Flucht. Wie können wir Unternehmer dazu beitragen, damit aus dieser Herausforderung neue Chancen entstehen? Fest steht: Integration gelingt nur, wenn Flüchtlinge nicht abseits unserer Gesellschaft leben. Statt in Flüchtlingsunterkünften zum Nichtstun verdammt zu sein, müssen wir ihnen ermöglichen, in Arbeit zu kommen – Mitarbeiter und Kollegen zu werden. Eine geregelte Beschäftigung und Unabhängigkeit sind wichtige Bestandteile der menschlichen Würde. Und: Wenn Flüchtlinge ihr eigenes Geld verdienen, entlastet das auch unsere Sozialsysteme.

Eine Agenda „Arbeit für Flüchtlinge“

Deshalb müssen wir uns die Frage stellen: Wie schaffen wir in kurzer Zeit bis zu 1 Million zusätzliche Arbeitsplätze für Menschen, die zumeist weder die deutsche Sprache beherrschen noch hier gängige Berufsqualifikationen mitbringen? Das erfordert ein Reformpaket, das weit über die Agenda 2010 hinausgeht. Über sie sind ca. 800.000 Arbeitslose in Beschäftigung gekommen – allerdings bei weitem nicht in nur einem Jahr. Bei Anhalten des jetzigen Flüchtlingszustroms müsste unsere Volkswirtschaft jedes Jahr etwa so viele Menschen zusätzlich in Lohn und Brot bringen. Es wird also um den richtigen Mix aus Marktwirtschaft und intelligenten staatlichen Anreizen gehen, die dabei helfen, Chancengleichheit zu ermöglichen. Dazu müssen die Regierungsparteien endlich umschalten: Statt „Erste-Hilfe-Maßnahmen“ benötigen wir zügig eine strategisch und dauerhaft angelegte Agenda „Arbeit für Flüchtlinge“.

Die Rahmenbedingungen müssen stimmen

Diese muss Bildung und Arbeit in den Mittelpunkt stellen und zudem vieles gleichzeitig ermöglichen: Flüchtlingen starke Anreize zur eigenen Qualifizierung bieten. Arbeitgeber motivieren, Flüchtlinge zu beschäftigen, aus- und weiterzubilden. Und zugleich Investitionen und Wachstum in Deutschland zu beschleunigen. Vorab: Die Bemühungen zur Integration dürfen möglichst wenig „Sonderregelungen“ schaffen. Durch ihre Incentivierung darf die Politik inländische Arbeitnehmer nicht benachteiligen. Bei allen Maßnahmen muss es darum gehen, Chancengleichheit zu ermöglichen. Zu der schwierigen Frage, wie wir Flüchtlinge also bestmöglich in den Arbeitsmarkt integrieren, stellen wir jungen Unternehmer und Familienunternehmer folgende erste Ideen zur Diskussion:

Spracherwerb und Ausbildung

Flüchtlinge haben in unserer hochentwickelten Volkswirtschaft nur Chancen, wenn sie unsere Sprache beherrschen und sich aus eigenem Antrieb qualifizieren. Wir haben die Idee, vor die Aufnahme einer Ausbildung oder Berufstätigkeit eine staatliche „Vorausbildung“ vorzuschalten, die an zwei Tagen/Woche Sprach- bzw. Staatskundeunterricht und an drei Tagen/Woche ein Praktikum im Betrieb vorsieht. Daran kann eine „triale“ Ausbildung anschließen, bestehend aus praktischer Ausbildung, Berufsschule und Spracherwerb. Die dritte Säule kann zu einer Verlängerung der Ausbildungszeit auf vier Jahre führen. Die Leistung des Ausbildungsbetriebs liegt darin, dem Azubi an sämtlichen Tagen, die er im Betrieb tätig ist, einen vollwertigen Rahmen für seinen praktischen Spracherwerb zu bieten von der Fachsprache bis zur Umgangssprache, den er sonst so in keiner Sprachschule vorfinden würde. Diese Leistung wird über einen Dienstleistungsvertrag vom Staat mit 1.000 Euro pro Monat pro Flüchtling für die ersten beiden Ausbildungsjahre honoriert. Von diesem Zuschuss finanziert der ausbildende Betrieb zusätzliche Sprachlehrer und den Wettbewerbsnachteil, wenn sich erfahrene Facharbeiter mehr um diese Azubis kümmern müssen, als um Kunden und Produkte.

Öffnung des Arbeitsmarktes

Der aktuelle Aufwind des Front National in Frankreich sowie die Situation in den Banlieues zeigt, welche Abwärtsspirale mangelnde Integration in Gang setzen kann. Statt den Arbeitsmarkt für Flüchtlinge zu öffnen, hat ihn die sozialistische Regierung unter François Hollande lange Zeit noch stärker zugeschnürt. Gesellschaftliche Integration funktioniert jedoch nur über eine Integration in den Arbeitsmarkt. Und: Gesellschaftliche Integration ist die Basis für soziale Stabilität. Sie ist für uns Unternehmer der wichtigste Standortfaktor.

Wichtige Reformanstrengungen müssen deshalb in der Öffnung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes bestehen. Hierzu einige erste Ansätze:

  • Ein Praktikum sollte 12 Monate ohne Mindestlohn möglich sein. So können Flüchtlinge erste Berufserfahrung sammeln und Unternehmer deren Fähigkeiten in der Praxis bewerten
  • Asylberechtigte sollten sofort in Zeitarbeitsfirmen arbeiten dürfen. Die aktuell geplante Verschärfung der Regulierung der Zeitarbeit und der Werkverträge wirkt kontraproduktiv, da auf diesem Weg viele Migranten Arbeit finden.
  • Damit die Unternehmen, trotz der geringen Qualifikationen vieler Flüchtlinge risikobereiter bei den Einstellungen werden, muss der Kündigungsschutz reformiert und schrittweise in ein Abfindungsmodell umgewandelt werden.
  • Bei der „trialen Ausbildung“ sollte der Kündigungsschutz gelockert oder ganz ausgesetzt werden, damit die Einstellungsbereitschaft der Unternehmer steigt.
  • Darüber hinaus fordern wir, dass die Sozialversicherungsbeiträge halbiert werden für alle zusätzlichen Stellen, die in Deutschland zunächst bis 2020 geschaffen werden – egal ob für Migranten oder für hiesige Arbeitslose. Um die zusätzlichen Stellen ohne zu viel Bürokratie zu erfassen, könnte die Jahreslohnsumme eines Stichjahres herangezogen werden.

Investitionen und Wachstum

1,6 Prozent Wirtschaftswachstum unserer Volkswirtschaft reichen bei weitem nicht aus, damit eine große Zahl zusätzlicher Arbeitsplätze innerhalb weniger Jahre entstehen kann. Deshalb müssen wir rasch Innovationen und Wachstum ankurbeln. Ein zügiges Inkrafttreten des Freihandelsabkommens TTIP kann beispielsweise neue Wachstumsimpulse freisetzen. Zudem brauchen wir mehr innovative Start-Ups. Dafür benötigen wir einen besseren Zugang zu Wachstumskapital. Damit Gründer schnell wachsen und Arbeitsplätze anbieten können, sollten wir sie in den ersten drei Jahren durch eine umfassende Bürokratie-Schutzglocke vor steuerrechtlichen und arbeitsrechtlichen Regulierungen schützen. Und nicht zuletzt: Ein schneller Aufbau von Personalkosten muss auch über ausreichend Eigenkapital gegen Konjunktureinbrüche abgesichert werden. Zugleich ist Eigenkapital wichtig zur Finanzierung von Investitionen, mit denen dann weitere Arbeitsplätze geschaffen werden. Daher muss Eigenkapital steuerlich mit Fremdkapital gleichgestellt werden.

Wir jungen Unternehmer und Familienunternehmer sind bereit, Flüchtlinge mit unseren oft hochtechnisierten Arbeiten vertraut zu machen und bei dieser gesamtgesellschaftlichen Verantwortung mitzuwirken. Jetzt kommt es auf die Politik an, die Weichen zu stellen, damit ein neues Wirtschaftswunder möglich werden kann.

Die Familienunternehmer und die Jungen Unternehmer haben im Dezember 2015 ein Diskussionspapier „1 Million Arbeitsplätze – wie schaffen wir das?“ veröffentlicht, das Sie hier finden.

Photo: Dave from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Charles Dickens‘ weltberühmte Erzählung „A Christmas Carol“ von 1843 ist eine fundamentale und zu Herzen gehende Kritik des beginnenden Kapitalismus. Manche Probleme hat der sozialkritische Schriftsteller richtig erkannt. Leider schießt er am Ende aber auf Pappkameraden.

Die Macht der Bilder

Wir Menschen, auch die mehr vergeistigten unter uns, reagieren stark auf Bilder und Erzählungen. Die Botschaften, die sie vermitteln, sind in der Sprache von Akademikern und Intellektuellen oft sperrig und kompliziert. Wenn sie aber mithilfe einer anschaulichen Erzählung transportiert werden, bekommen sie existentielle Plausibilität. Abstrakte Theorien werden dann anschaulich und nachvollziehbar, appellieren an unsere Emotionen, die immer noch einen Großteil unserer Entscheidungen bestimmen. Vielleicht haben Charles Dickens‘ Romane mehr zum Erfolg sozialistischer Ideen beigetragen als die Schriften von Karl Marx.

In seiner Erzählung beschreibt Dickens, wie der Geizhals und Ausbeuter Ebenezer Scrooge mit Hilfe von Geisterbegegnungen in der Weihnacht seinen Lebenswandel radikal ändert. Der erste Geist, der seines verstorbenen Geschäftspartners, führt ihm vor Augen, dass er sein jenseitiges Leben nunmehr in Ketten führen muss, die er sich selbst durch seine Geldgier auf Erden angelegt hat, und warnt seinen alten Kollegen, dass ihm dasselbe Schicksal drohe. Der Geist der vergangenen Weihnacht bringt Scrooge in Erinnerung, welche Chancen auf ein frohes und gutes Leben er durch seine Lieblosigkeit bereits verpasst hat.

Der Geist der gegenwärtigen Weihnacht zeigt dem misanthropischen Geschäftsmann Menschen aus seiner Umgebung – seinen Angestellten, seinen Neffen, seine Nachbarn –, die er allesamt schlecht behandelt hat und die, obwohl zum Teil in elenden Situationen, doch ein frohes Fest im Kreis ihrer Lieben feiern. Der Geist der künftigen Weihnacht schließlich offenbart Scrooge wie sich nach seinem Tod nicht ein Mensch findet, der sein Hinscheiden bedauert. Nach diesen Geisterbegegnungen entschließt sich der alte Mann dann, sein Leben von Grund auf zu ändern. Die Geschichte schließt damit, dass er seinem Angestellten eine kräftige Gehaltserhöhung verpasst.

Das Zerrbild des bösen Unternehmers

Viel Wahres steckt in dieser Geschichte. Geld macht nicht glücklich. So banal diese Aussage klingt: durch unser eigenes Verhalten widersprechen wir dem oft genug. Übrigens machen sich keineswegs nur geldgierige, geizige, böse alte Säcke bisweilen etwas zu viel Gedanken um Geld … Tatsächlich sind Familie, Freundschaften und ein freundliches, zugängliches Wesen oft viel wichtiger, um glücklich zu werden als prall gefüllte Kassen. Leider vergaloppiert sich Dickens allerdings am Ende seiner Reichenschelte.

Ebenezer Scrooge ist nämlich im Rahmen der Erzählung – und erst recht im Kontext von Dickens‘ Gesamtwerk – mehr als nur ein fehlerhaftes Individuum. Er ist vielmehr ein menschgewordenes Klischee. Und auch das nicht etwa ganz allgemein für jeden Geizhals, sondern speziell ein Klischee, ja ein Zerrbild, des Unternehmers. Und das ist der Punkt, wo die Geschichte kippt. Denn mit seiner bildgewaltigen Erzählung bewirkt Dickens auch, dass die Leser subtil den Eindruck vermittelt bekommen: Arme und einfache Leute seien reichen Menschen moralisch überlegen. Nicht aufgrund ihrer persönlichen Qualitäten, sondern weil sie arm und benachteiligt sind.

Nur Individuen sind gut oder böse

Kein Mensch ist gut oder böse wegen seiner Umstände, seines Berufs, seiner Klassen-, Rassen- oder Geschlechtszugehörigkeit: Weder der Flüchtling noch die Managerin, weder die Rollstuhlfahrerin noch der Millionenerbe. Menschen tun Gutes oder Böses. Ihr Handeln definiert sie moralisch und nicht ihre Gruppenzugehörigkeit. Einer der großen Irrtümer des Sozialismus war immer dessen Denken in Klassen. Sobald Menschen pauschal zugeordnet werden, besteht immer die Gefahr, dass man den Angehörigen der einen Gruppe die Rolle der Guten und den der anderen die der Bösewichte zuweist.

Lesen wir Dickens‘ Weihnachtsgeschichte mit leicht korrigierten Augen! Dann können wir tatsächlich etwas lernen darüber, was das Leben schön und wertvoll macht. Behalten wir nur beim Lesen im Hinterkopf, dass auch ein Armer, dass jeder von uns, hartherzig sein kann. Und vor allem auch, dass es viele privilegierte Menschen gibt, die sich ihres Privilegs wohl bewusst sind und es als Verantwortung begreifen. Eine Generation nach Charles Dickens schrieb der reichste Mann seiner Zeit, Andrew Carnegie, den Satz: „Der Mann, der reich stirbt, stirbt in Schande.“ Diese Überzeugung ließ ihn zu einem der bedeutendsten Philanthropen in der Geschichte werden. Schade, dass Dickens nicht mehr erleben konnte, wie seine Erzählungen von der Realität widerlegt wurden.