Photo: SPÖ Presse und Kommunikation (CC BY-SA 2.0)

Der Links-Populismus wird in Deutschland verklärt. Von rechts kommend ist er verwerflich und wird stigmatisiert. Von links kommend gilt er als hipp und fortschrittlich. Doch der linke und der rechte Populismus sind siamesische Zwillinge, die beide die Freiheit des Einzelnen bedrohen und deshalb eine Gefahr für unsere offene Gesellschaft sind. Populismus ist eine Spielart des Paternalismus, bei der eine Mehrheit den Staat in eine immer größere Betreuungsrolle bringen will. Beide Populismen eint der Weg dorthin. Sie dramatisieren und überspitzen die Lage, um die Gunst der Massen zu gewinnen. Beide Seiten sind Bewunderer der Vergangenheit und der Gegenwart. Und beiden Seiten ist das Neue suspekt. Für beide Seiten ist das Individuum unfähig, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen.

Der politische Populismus von Links und Rechts führt zu Kollektivismus und zu weniger Individualismus. Zu glauben, der Gegensatz von Populismus sei Paternalismus, ist daher völlig falsch. Der paternalistische Staat greift populistische Strömungen auf und nutzt sie, um die staatlichen Aktivitäten auszuweiten. Das wollen die Populisten von Links und Rechts auch. Beide schreiben dem Einzelnen vor, was gut und richtig im Sinne der Massen ist und dafür braucht es den Eingriff des Staates in das Eigentum und in die Vertragsfreiheit. Der gesetzliche Mindestlohn ist ein Beispiel dafür. Er ist zutiefst populistisch, suggeriert er doch, dass es damit Geringverdienern besser geht. Das Ganze wird dann in eine dicke Suppe gerührt, deren Zutaten „wachsende Ungleichheit“, „Umverteilung“, „Vermögensteuer“ und „Rente mit 63“ lauten. Doch es ist längst klar, dass Mindestlöhne Eintrittshürden in den Arbeitsmarkt sind und die Perspektive von Menschen ohne Arbeit eher verschlechtern. Man muss dazu nur die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa betrachten.

Auch die Ablehnung von Freihandelsabkommen ist zutiefst populistisch, weil sie mit dumpfen Ängsten über Gesundheitsgefahren und Verbraucherschutz arbeiten. Die Ablehnung dient wie der Mindestlohn dazu, dass die Masse, über den Staat, den Einzelnen in seinem Handeln einschränkt und behindert. Nicht mehr der Bürger wird betrachtet, ob dieser oder jene ganz bewusst eine Ware aus dem Ausland kaufen will, sondern die Gefühle der Massen werden als Maßstab für die Grundlage individueller Entscheidungen genommen.

Links- und Rechtspopulisten sind Marktabschottungen lieber als der Freihandel. Dazu muss man nur nach Frankreich schauen. Die französischen Rechtspopulisten des Front National um Marine Le Pen argumentieren gegen CETA und TTIP mit den gleichen Argumenten wie hierzulande ATTAC und Campact. Sie wollen ihre Landwirte, ihren Mittelstand und ihre Verbraucher schützen, als gehörten sie ihnen persönlich. Es ist eine Art Leibeigenschaft, die in diesem dumpfen Nationalismus zum Ausdruck kommt. Beide Populismen sind nicht bereit, neuen Ideen eine Chance zu geben. Sie wollen ihr Ideenmonopol durchsetzen und dadurch einen Wettbewerb der Ideen verhindern. Sie glauben, dass an ihrem Wesen die Welt genesen soll.

Der Widerstand gegen den linken Populismus ist bei uns gering. Das hat auch seine Ursache darin, dass große Konzerne in Deutschland die Linkspopulisten von Campact und Co. sogar anfänglich finanziert haben. Da muss man sich nicht wundern, wenn man jetzt aus den Vorstandsetagen nichts hört. Das Aufkommen des Linkspopulismus gerade in Deutschland ist auch ein Versagen der offenen Gesellschaft und deren Eliten. Sie sind nicht bereit mit offenem Visier gegen diesen Trend anzutreten, sondern sie verkriechen sich in ihre Elfenbeintürme und beklagen anschließend das Ergebnis. Doch eine offene Gesellschaft lebt vom Mitmachen, vom Einmischen und von der Macht der Ideen. Wo sind die Vorbilder, die sich dagegenstellen? Wo sind die Herrhausens oder die Rohwedders der heutigen Zeit? Wo sind die Unternehmenslenker, die mutig, entschlossen und wortmächtig gegen diesen Trend öffentlich sich zu Wort melden? Gibt es Sie noch? Es genügt nicht, wenn große Unternehmen teure „Corporate Social Responsibility“-Abteilungen einrichten, aber diese letztlich nur der Imagepflege und Marketing betreiben. Gesellschaftliche Verantwortung sieht anders aus. Die offene Gesellschaft braucht mehr Bekennermut und weniger Zuschauermentalität.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick am 22. September 2016.

1 Antwort
  1. Andreas Schiebe
    Andreas Schiebe sagte:

    Wenn ich die Proteste gegen TTIP und CETA richtig verstanden habe, geht es dabei nicht um wirtschaftliche Abschottung und gegen Freihandel, sondern darum, unsere demokratische (noch vorhandene?) Freiheit gegen die Macht der immer totalitärer agierenden Großkonzerne zu verteidigen. Meines Erachtens sollten Liberale diesen Protest auch unterstützen!

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