Beiträge

Photo: Artem Maltsev from Unsplash (CC 0)

Wie von Zauberhand hat sich die Homöopathie eine einzigartige Sonderstellung im deutschen Gesundheitswesen erschaffen. Sie muss nicht wirken und nichts beweisen und ist trotzdem Teil des Systems – ein Fehler.

Hokuspokus Fidibus!

„Hiezu fügt man 100 Tropfen guten Weingeist und giebt dann dem, mit seinem Stöpsel zugepfropften Fläschgen, 100 starke Schüttelstöße mit der Hand gegen einen harten, aber elastischen Körper geführt.“ Hokuspokus Fidibus, drei Mal schwarzer Kater – Fertig ist der Trunk! – mag man da vollenden. Doch anders als man gemeinhin annehmen könnte, handelt es sich bei diesem Rezept nicht um einen Auszug aus dem altenglischen magischen Heilbuch „Lacnunga“. Stattdessen erklärt hier der 1843 verstorbene Vater der Homöopathie, Samuel Hahnemann, ein Grundprinzip zur Herstellung homöopathischer Mittel. Durch das beschriebene „Verschütteln“ sollen sich die guten Eigenschaften eines Giftes auf die Arznei übertragen, während die schlechten durch endloses Verdünnen verschwinden.

Ja, das ist skurril, aber wäre eigentlich nicht weiter von Belang. Würde die Homöopathie nicht eine absurde Sonderstellung im deutschen Gesundheitswesen genießen.

„Regulierung? Ja bitte!“ Die Homöopathie kauft sich den Anstrich „Arzneimittel“

Im vergangenen Jahr gaben die Deutschen 670 Millionen Euro für homöopathische Arzneien aus. Davon wurden 85 % privat bezahlt. Präparate für ca. 100 Millionen Euro wurden hingegen auf Rezept ausgegeben und damit teilweise von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. An sich wäre das in Zeiten, in denen Menschen Unsummen für Dinge wie Ziegen-Yoga ausgeben, nicht weiter problematisch. Wäre da nicht die unheilvolle Verquickung der homöopathischen Industrie mit dem Staat. So besteht für die allermeisten homöopathischen Erzeugnisse eine Registrierungs- und Apothekenpflicht. Allerdings mit einer wichtigen Sonderregel. Während Hersteller konventioneller Arzneimittel umfangreiche Wirksamkeitsnachweise erbringen müssen, entfällt diese Vorgabe für homöopathische Präparate.

Das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte prüft lediglich, ob die jeweiligen Präparate korrekt (also entsprechend der homöopathischen Vorgaben) hergestellt wurden und ob der Hersteller garantieren kann, dass die jeweilige Mischung nicht schädlich ist. Letzteres ist bei den allermeisten Präparaten dann auch nicht sonderlich schwer, schließlich enthalten Präparate schon ab der so genannten D24-Verdünnung in 50 Prozent der Fälle überhaupt kein einziges Molekül mehr des eigentlichen Wirkstoffes. Ein für die Hersteller recht aufwendiges und teures Verfahren zum Inverkehrbringen von kleinen Zuckerkügelchen. Doch trotzdem insistiert die Homöopathen-Lobby, die Registrierungspflichten beizubehalten.

Setzt sich eine ganze Industrie für mehr Bürokratie ein, sollte man auf der Stelle stutzen. Und tatsächlich helfen Apotheken- und Registrierungspflicht den homöopathischen Unternehmen nur. Denn obwohl nichts mehr drin ist, steht Arzneimittel drauf – und welcher Kunde hinterfragt das schon in einem Land, in dem alles und jedes aufs Genauste geprüft und reguliert ist. Und so verfällt neben gutgläubigen Patienten auch so mancher Schulmediziner dem Gedanken, dass da ja schon irgendwas dran sein müsse und verschreibt die kleinen Mittelchen. Man möchte ja auch kein zurückgebliebener Außenseiter sein …

Ein öffentliches Gesundheitswesen braucht allgemeinverbindliche und nachvollziehbare Regeln

Darüber hinaus schleicht sich die Homöopathie immer weiter in das öffentliche Gesundheitswesen. Universitäten bieten ihren Studenten Wahlkurse in Homöopathie an und gesetzliche Krankenkassen übernehmen freiwillig die Kosten homöopathischer Anwendungen auf Kosten der Solidargemeinschaft. Und das alles, obwohl die Studienlage eindeutig zeigt, dass homöopathische Präparate nicht besser wirken als jedes andere x-beliebige Placebo. Sicher, es gibt immer wieder Studien, die das Gegenteil behaupten. Doch sind diese fast ausschließlich tendenziös, von schlechter wissenschaftlicher Qualität und uneindeutig, wie eine große Metastudie aus dem Jahr 2005 belegt.

Ein so umfangreiches öffentliches Gesundheitswesen wie das deutsche ist vor allem eines: teuer. Da ist es umso wichtiger, dass wir dieser Institution allgemeinverbindliche und nachvollziehbare Regeln geben. Es geht dabei letztendlich um nichts anderes als die Gleichheit vor dem Gesetz. Es gibt diese umfangreichen und klar nachvollziehbaren Regeln, und sie stellen hohe Ansprüche an Anbieter medizinischer Leistungen und Präparate.

Doch die deutschen Homöopathen haben es durch geschickte Lobbyarbeit, Scheinwissenschaftlichkeit und Selbstreferenz geschafft, sich so mancher Regel zu entziehen und trotzdem Teil des Systems zu sein. Das grenzt schon fast an Zauberei und trägt wesentlich zur wachsenden Bedeutung der Homöopathie bei. Welch ein Aufschrei würde aber durchs Land gehen, würde sich Volkswagen mittels eines eigenen Paragraphens einfach dem verbindlichen Abgastest entziehen? VW könnte dafür beispielsweise einige Studien renommierter Lungenärzte im hauseigenen VW-Magazin platzieren, die behaupten, dass VW-Abgase sich durch den Kontakt mit der Mundschleimhaut auflösen und deshalb nicht schädlich seien. Weit weg ist dies von der Argumentation der Homöopathen-Lobby jedenfalls nicht.

Besen, Besen! Seids gewesen.

Das Problem ist letztlich nicht, dass viele Menschen trotz fehlender Belege von der Homöopathie überzeugt sind. So kann die Homöopathie ja erwiesenermaßen die gleichen positiven Wirkungen erzielen wie simple Placebo-Präparate. Und in Zeiten, in denen der von der Gesundheitspolitik durchs Arztzimmer gehetzte Hausarzt gerade einmal sieben Minuten pro Patient erübrigen darf, will er seine Praxis irgendwie halten, da ist es auch nicht verwunderlich, dass es wohltuend ist, wenn sich ein Homöopath einmal 90 Minuten für den Patienten nehmen kann. Das alles rechtfertigt aber nicht die Sonderstellung der Homöopathie im deutschen Gesundheitswesen.

Sicherlich sollte niemandem der Zugang zu den kleinen Zauberkügelchen verwehrt werden – so lange im Ernstfall eine richtige Behandlung zugänglich ist. Hinterfragen sollten wir allerdings wie die Homöopathie-Lobby sich ihre Welt zurecht zaubert – und wie wir unser Gesundheitssystem so organisieren können, dass wir am Ende vielleicht ganz ohne Zauberei auskommen.

Photo: Gilles Desjardins from Unsplash (CC 0)

Von Prof. Roland Vaubel, emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre und Politische Ökonomie an der Universität Mannheim.

Bundesfinanzminister Scholz schlägt vor, einen Fonds für die Arbeitslosenversicherungen der Euro-Staaten zu etablieren. Aus ihm sollen Euroländer, deren Arbeitslosenquote auf ein hohes Niveau steigt, subventionierte Kredite erhalten können. Gespeist würde der Fonds aus den Beiträgen aller Versicherten.

Wie begründet Olaf Scholz seinen Vorschlag? Es müsse vermieden werden, dass ein Land, in dem die Arbeitslosigkeit ansteigt, so wie zum Beispiel Deutschland in der Weltwirtschaftskrise, die Arbeitslosenunterstützung kürzt. Das kommt bei seinen Parteifreunden gut an, führt aber in die Irre. Wir befinden uns nicht in den dreißiger Jahren. Seit mindestens achtzig Jahren besteht unter den Ökonomen und Wirtschaftspolitikern Einigkeit, dass es falsch ist, in der Rezession die Arbeitslosenunterstützung zu kürzen. Denn die Arbeitslosenversicherung ist ein automatischer Stabilisator der Güternachfrage. Wenn heute in einem europäischen Land  die Arbeitslosigkeit konjunkturbedingt zunimmt und die Reserven der Arbeitslosenversicherung nicht ausreichen, erhöht der Staat seine Neuverschuldung, d.h., er geht an den Kapitalmarkt. Das hat zur Folge, dass der Realzins am inländischen Kapitalmarkt steigt und Kapital aus dem Ausland zufließt. Der konjunkturelle Schock wird damit vom gesamten Weltkapitalmarkt absorbiert. Das ist eindeutig effizienter als ein Kreditmechanismus, der auf die Arbeitslosenversicherungen der Euro-Staaten beschränkt ist.

Effizient ist auch, dass sich der Staat am Kapitalmarkt nur zu Marktkonditionen verschulden kann. Die Kredite zwischen den Arbeitslosenversicherungen würden dagegen subventioniert, um den Markt zu unterbieten und um “internationale Solidarität” zu beweisen. Damit würde jedoch die effizientere Marktfinanzierung verdrängt und der Anreiz, Arbeitslosigkeit zu vermeiden, geschwächt.

Wenn in einem einzelnen Land der Eurozone die Arbeitslosenquote auf ein hohes Niveau steigt, haben typischerweise die Wirtschaftspolitiker und/oder die Tarifparteien versagt. Sie haben entweder selbst einen negativen asymmetrischen Schock erzeugt oder auf einen symmetrischen, die ganze Eurozone treffenden Schock – wie zum Beispiel die Finanzmarktkrise von 2008 – schlechter als die anderen Euro-Staaten reagiert. In beiden Fällen gilt: Fehlverhalten sollte nicht mit Subventionen belohnt werden. Jeder sollte für seine eigenen Fehler haften.

Man mag einwenden, dass das Defizit-Limit des Stabilitäts- und Wachstumspakts, wenn es denn eingehalten wird, einer rezessionsbedingten Neuverschuldung enge Grenzen setzt. Das Drei-Prozent-Limit wurde jedoch 1995 anhand von Simulationen für die vorangegangenen Jahrzehnte explizit so bemessen, dass genug Spielraum für das Wirken der automatischen Stabilisatoren bleibt, wenn der konjunkturbereinigte Haushalt  ausgeglichen ist. Wenn die Kredite des Fonds nicht auf die staatliche Neuverschuldung angerechnet werden, was wahrscheinlich ist, entfällt sogar das Ziel eines ausgeglichenen konjunkturbereinigten Haushalts. Denn da der Fonds einspringt, braucht der Staat für den Fall einer Rezession weniger Verschuldungsspielraum am Markt. Die Regierung kann deshalb im konjunkturneutralen Zustand ein Haushaltsdefizit riskieren. Olaf Scholz will dieses Anreizproblem dadurch lösen, dass Länder, die ein konjunkturbereinigtes Haushaltsdefizit haben, von den Krediten des Fonds ausgeschlossen würden. Darüber, ob der Haushalt im konjunkturneutralen Zustand ausgeglichen wäre, gehen die Meinungen jedoch oft weit auseinander. Häufig besteht noch nicht einmal Einigkeit darüber, welcher Zustand konjunkturneutral ist. Es käme zu ständigem Streit, was dem Ziel der Völkerverständigung widerspricht, und im Zweifel würden Kommission und Gerichtshof beide Augen zudrücken und zugunsten großzügiger Euro-Fonds-Kredite entscheiden.

Eine Simulation des Scholz-Plans für den Zeitraum 2000 bis 2016 ergab in beiden untersuchten Varianten, dass Deutschland der Hauptkreditgeber und Spanien und Griechenland die Hauptkreditnehmer gewesen wären.

Zuerst veröffentlicht unter politik.der-privatinvestor.de

Photo: Alvan Nee from Unsplash (CC 0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre. 

Nach zähen Verhandlungen steht nun ein Kompromiss für die Neugestaltung der zukünftigen Bund-Länder-Finanzen. Für eine mögliche höhere Steuerbelastung können die Landespolitiker in Zukunft in einem noch größeren Umfang den Bund verantwortlich machen. So profitieren Politiker in den Ländern von der intransparenten Finanzierung staatlicher Ausgaben. Aus Sicht der Bürger ist diese Entwicklung enttäuschend, da regional relevante Entscheidungen zukünftig häufiger auf Bundesebene gefällt werden.

Nach zähen Verhandlungen steht nun ein Kompromiss für die Neugestaltung der zukünftigen Bund-Länder-Finanzen. Die Ministerpräsidenten haben sich im Wesentlichen mit ihren Forderungen durchgesetzt – kein Bundesland muss mit weniger Geld auskommen. Der derzeit gültige Länderfinanzausgleich sowie der Solidarpakt II laufen Ende 2019 aus. Es bestand also Handlungsbedarf. Der oft kritisierte Länderfinanzausgleich wird zum Jahr 2020 in seiner jetzigen Form abgeschafft. An seine Stelle tritt ein neuer Umverteilungsmechanismus. Zudem begeben sich die Bundesländer in eine noch stärkere Abhängigkeit von Finanzzahlungen des Bundes und treten im Gegenzug Kompetenzen an ihn ab. Föderalistische Elemente werden so weiter zurückgebaut.

Nach dem Umsatzsteuervorausgleich ist vor dem Länderfinanzausgleich

Im bisherigen System findet ein Teil der Umverteilung des Steueraufkommens bereits im sogenannten Umsatzsteuervorausgleich statt – vor dem eigentlichen Länderfinanzausgleich. So wird für jedes Bundesland die Finanzkraft pro Einwohner ermittelt und in Relation zur Finanzkraft des Bundesdurchschnitts gesetzt. Anschließend werden bis zu 25 Prozent des Umsatzsteueraufkommens auf die finanzkraftschwachen Länder verteilt. Im Jahr 2017 waren es 8,4 Milliarden Euro.

Der Länderfinanzausgleich im engeren Sinne findet nach diesem Schritt statt. Die berechnete Finanzkraft wird zu Gunsten der Stadtstaaten und dünnbesiedelter Flächenländer angepasst und dann im Länderfinanzausgleich angeglichen. Im Jahr 2017 wurden so über 11 Milliarden Euro umverteilt.

Aktuell: Progressive Angleichung

Die Umverteilung im Länderfinanzausgleich hat einen progressiven Verlauf. Bei einer Finanzkraft unter 80 Prozent des Bundesdurchschnitts erhalten die Nehmerländer 75 Prozent der Differenz. Der Ausgleich sinkt bis zu einer Finanzkraft von 93 Prozent des Bundesdurchschnitts linear auf 70 Prozent. Der Ausgleich sinkt linear schließlich auf 44 Prozent, bis ab 100 Prozent des Bundesdurchschnitts ein Land nicht mehr Mittel aus dem Ausgleich erhält, sondern Mittel einzahlt.

Für die Nettozahlerländer verhält es sich spiegelbildlich. Die Grenzabschöpfung steigt linear von 44 auf 70 Prozent, wenn ein Bundesland bis zu 107 Prozent des Bundesdurchschnitts verfügt und steigt linear ab einer Finanzkraft von 120 Prozent auf 75 Prozent.

Schließlich werden Bundesländern, deren Finanzkraft nach dem Länderfinanzausgleich noch unter 99,5 Prozent des Bundesdurchschnitts liegt, durch allgemeine Bundesergänzungszuweisungen seitens des Bundes unterstützt. Die Differenz zu 99,5 Prozent der durchschnittlichen Finanzkraft wird so zu 77,5 Prozent ausgeglichen. Diese Bundeszuschüsse an finanzschwache Bundesländer summierten sich im Jahr 2017 auf 4,5 Milliarden Euro.

Die östlichen Bundesländer erhalten außerdem Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen im Rahmen des Solidarpakts II und als Ausgleich für Sonderlasten aus struktureller Arbeitslosigkeit. Kleine, finanzschwache Bundesländer erhalten Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen, um die relativ höheren Kosten politischer Führung zu bestreiten.

Neue Bund-Länder-Finanzen

Der Umsatzsteuervorausgleich in seiner jetzigen Form und der eigentliche Länderfinanzausgleich werden abgeschafft. Ab 2020 erfolgen keine direkten Zahlungen mehr von einem Bundesland an ein anderes.

Im gefundenen Kompromiss wird den Unterschieden in der Finanzkraft durch die Verteilung der Umsatzsteuereinnahmen und direkte Zuwendungen des Bundes begegnet. Bei der Ermittlung der Finanzkraft werden weiterhin die Stadtstaaten und die dünn besiedelten Flächenländer bevorteilt. Außerdem wird Bundesländern mit finanzkräftigen Gemeinden eine höhere Finanzkraft bescheinigt als bisher.

Etwas bessere Anreize für Geberländer

Während im jetzigen System über den Länderfinanzausgleich die Schließung der Finanzkraftlücke progressiv gestaltet ist, gibt es ab 2020 einen einheitlichen Satz von 63 Prozent für den Ausgleich der Finanzkraft. Es werden also 63 Prozent der Abweichung vom Mittelwert der Finanzkraft der Bundesländer ausgeglichen. Länder, die eine überdurchschnittliche Finanzkraft haben, bekommen dementsprechend weniger Einnahmen aus der Umsatzsteuer.

Die Vereinheitlichung der Grenzbelastung des Finanzausgleichs auf 63 Prozent wirkt sich positiv auf die Anreize der Nettozahlerländer aus, durch geeignete Politikmaßnahmen höhere Einnahmen zu erzielen. Im bisherigen Länderfinanzausgleich führten Einnahmesteigerungen von einem Euro zu einer Zahlung von bis zu 75 Cent an andere Bundesländer. Im zukünftigen Ausgleich über die Umsatzsteuer liegt die Grenzbelastung der Geberländer bei 63 Cent pro Euro Mehreinnahmen. Diese Belastung erscheint allerdings nicht mehr transparent in den Landeshaushalten, sondern erfolgt weniger transparent über die Verteilung der Umsatzsteuereinahmen. Die Tagesschau berichtete im Jahr 2016 treffend, dass der Bund den Vorschlag, den Finanzkraftausgleich über die Verteilung der Umsatzsteuer zu organisieren, noch als intransparent ablehnte.

Schlechtere Anreize für Nehmerländer

Für die Nettoempfängerländer gibt es keinen stärkeren Anreiz, die eigene Finanzkraft zu erhöhen. Zwar entfallen die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen für die Ostdeutschen Bundesländer (Solidarpakt II) ab dem Jahr 2020, dennoch erhöhen sich die direkten Zahlungen des Bundes an finanzschwache Länder insgesamt.

Die allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen bleiben erhalten und erhöhen sich. Ab dem Jahr 2020 wird nicht mehr die Differenz zu 99,5 Prozent der durchschnittlichen Finanzkraft zu 77,5 Prozent ausgeglichen, sondern die Differenz zu 99,75 Prozent der durchschnittlichen Finanzkraft zu 80 Prozent. Dieser höhere Ausgleich stellt sicher, dass durch die Neustrukturierung kein Land weniger Geld erhält, und führt dazu, dass es sich für die Empfängerländer der allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen noch weniger als bisher lohnt, eigene Einnahmen zu erschließen. Andere Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen für den Ausgleich für Sonderlasten aus struktureller Arbeitslosigkeit oder den Ausgleich der Kosten politischer Führung bleiben ebenso erhalten.

Im Ergebnis könnten die stärkeren Anreize zur fiskalischen Solidität für die Geberländer sowie die schwachen Anreize der Nehmerländer dazu führen, dass die Finanzkraftzahlen der Bundesländer weiter auseinanderdriften.

Verantwortung? Nein danke.

Bund und Länder haben sich auf einen fragwürdigen Kuhhandel geeinigt. Bisherige Geber- und Nehmerländer können über zusätzliche Mittel verfügen. Der Bund kommt für die notwendigen Transfers im Tausch für eine Ausweitung seiner Kompetenzen auf. Er erhält neue Eingriffsrechte in den Bereichen Fernstraßen, Steuerverwaltung, Bildungsinvestitionen und Online-Angebote der Verwaltungen. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln verzichtet der Bund zugunsten der Länder ab dem Jahr 2020 jährlich auf insgesamt 3 Prozent seiner Steuereinnahmen.

Der von den Ministerpräsidenten eingeschlagene Weg ist nachvollziehbar. Politiker können ein Interesse daran haben, Entscheidungsgewalt zu delegieren, um Verantwortung abzutreten. Für die Ministerpräsidenten ist es attraktiv, potentiellen Wählern zusätzliche Leistungen in Aussicht zu stellen, ohne ihnen zugleich die Rechnung dafür vorlegen zu müssen. Für eine mögliche höhere Steuerbelastung können die Landespolitiker in Zukunft in einem noch größeren Umfang den Bund verantwortlich machen. So profitieren Politiker in den Ländern von der intransparenten Finanzierung staatlicher Ausgaben.

Die Vorzüge dezentraler Entscheidungen

Aus Sicht der Bürger ist diese Entwicklung enttäuschend, da regional relevante Entscheidungen zukünftig häufiger auf Bundesebene gefällt werden.

Werden Entscheidungen dezentral gefällt, können unterschiedliche lokale Gegebenheiten und Präferenzen besser eingeschätzt und berücksichtigt werden. Schon innerhalb von Bundesländern gibt es erhebliche Unterschiede, auch innerhalb der Verwaltung. So werden in Schwaben Verwaltungsakten mit Hilfe von Ordnern archiviert, während in Baden die sogenannte „Badische Aktenheftung“ angewandt wird.

Bundesstaatliche Vereinheitlichungen lassen nicht nur regionale Besonderheiten unberücksichtigt, sondern verhindern auch Experimente, die behilflich sein können, die beste Lösung für ein Problem zu finden. So mag die Gestaltung eines Online-Verwaltungsportals in manchen Bundesländern besser glücken als in anderen. Werden dezentral unterschiedliche Entscheidungen getroffen, können die Bundesländer voneinander lernen. Bei zentralen Bundesentscheidungen hingegen nicht.

Schließlich ist es für die Bürger schwerer, politische Verantwortlichkeit zuzuordnen und demokratische Kontrolle über staatliche Aktivitäten auszuüben, wenn die Verantwortung für die Finanzierung und Durchführung staatlicher Aktivitäten nicht zusammenfallen.

Aus diesen Gründen wäre es begrüßenswert, wenn mehr Entscheidungen über staatliche Ausgaben und Einnahmen dezentral auf Ebene der Länder oder ihnen nachgeordneten Gebietskörperschaften getroffen würden. Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen ist leider ein Schritt in die entgegengesetzte Richtung.

Erstmal erschienen bei IREF.

Photo: Wynand van Poortvliet from Unsplash (CC 0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre.

Als „CSR“ oder auch Corporate Social Responsibility wird die unterstellte unternehmerische Verantwortung gegenüber der sie umgebenden Gesellschaft bezeichnet. Die Entscheidung eine solche Unternehmenspolitik einzuführen, sollte in den Händen der Unternehmensführung liegen, und nicht über staatlichen Zwang forciert werden.

„Tue Gutes und sprich darüber“ ist seit dem letzten Jahr mit der Umsetzung der europäischen CSR-Richtlinie für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern verpflichtend. Das Stichwort ist Corporate Social Responsibility. Die Unternehmen sind verpflichtet, jährlich über ihr freiwilliges Engagement zu berichten. CSR-Regeln sollen dafür sorgen, dass sich Unternehmen freiwillig über gesetzliche Bestimmungen hinaus für Sozial- und Umweltbelange einsetzen. Der Staat sollte sich jedoch auf seine Hauptaufgabe beschränken, Regeln zu definieren und durchzusetzen, die ein friedliches Zusammenleben ermöglichen. Eine Rechenschaftspflicht über „freiwillige“ wohltätige Verhaltensweisen gehört nicht dazu.

Was ist CSR?

Als Corporate Social Responsibility (CSR) wird die Verantwortung von Unternehmen für die Auswirkungen ihrer Handlungen auf die Gesellschaft bezeichnet. Darunter werden sowohl soziale als auch ökologische und ökonomische Aspekte des unternehmerischen Handelns verstanden. Viele Unternehmen verwenden den Begriff CSR und Nachhaltigkeit synonym. Das Engagement der Unternehmen geht dabei über die gesetzlichen Vorschriften hinaus. Die Aktivitäten sind vielfältig und reichen von Mitarbeiterzufriedenheit, Energieeffizienz oder Mindeststandards in der Lieferkette bis hin zu Spendenaktionen für Bedürftige.

Doch um eine ausschließlich freiwillige Übernahme von Verantwortung handelt es sich nicht mehr. Unternehmen müssen nicht mehr nur über ihre freiwilligen nicht-finanziellen Tätigkeiten berichten. Seit der letzten Reform des Vergaberechts im Jahr 2016 können CSR-Kriterien zudem in Vergabeanforderungen öffentlicher Ausschreibungen aufgenommen werden.

CSR: Billige und motivierte Mitarbeiter

Mit CSR-Aktvitäten verfolgen Unternehmen andere Ziele als zusätzliche Gewinne – so die Idee. Allerdings können CRS-Aktivitäten Nebenwirkungen haben, die nicht im Sinne der CSR-Idee sind.

So haben drei amerikanische Ökonomen den Effekt von CSR auf das Verhalten von Angestellten untersucht. Zunächst gründeten sie eine Firma und schalteten auf einem Internetportal verschiedene Jobangebote mit unterschiedlichen Lohnangaben. Zudem versahen die Wissenschaftler manche Jobbeschreibungen mit dem Zusatz, dass die Einnahmen der Firma dafür verwendet werden, unterprivilegierten Kindern den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Dieses Statement führte zu gut 33 Prozent mehr Bewerbungen im Vergleich zu normalen Jobanzeigen. Die gleiche Anzahl an Bewerbern konnte mit einem 27 Prozent geringeren Lohn gefunden werden.

Außerdem waren Bewerber auf Stellen mit CSR-Beschreibung anschließend 10 bis 25 Prozent produktiver. Möglicherweise signalisieren CSR-Regeln, dass ein Unternehmen ein angenehmer Arbeitgeber ist und sie veranlassen motivierte Bewerber dazu, einen geringeren Lohn zu akzeptieren. Es ist jedoch fraglich, ob geringere Löhne für besonders engagierte Personen von den politischen Unterstützern der CSR-Regeln beabsichtigt sind.

CSR: Lizenz für unmoralisches Verhalten?

Lassen sich durch CSR die Lohnkosten senken, spricht aus Unternehmenssicht einiges für CSR-Regeln. Doch ein Experiment von zwei amerikanischen Wissenschaftlern zeigt anschaulich, dass die Einführung von CSR-Regeln in einem Unternehmen unerwünschte Effekte auf die Qualität der Arbeit von Mitarbeitern haben kann.

Die Wissenschaftler gründeten ebenfalls eigens für das Experiment ein Unternehmen und warben auf einer Onlineplattform 3.000 Arbeitnehmer an, die eine relativ einfache Aufgabe erledigen sollten. Die amerikanischen Forscher fotografierten Seiten aus deutschen Büchern, die die amerikanischen Angestellten abtippen sollten. Dabei bestand die Möglichkeit, den Arbeitgeber zu betrügen. Wenn die Mitarbeiter den Text für unleserlich hielten, konnten sie das betreffende Foto überspringen und wurden trotzdem bezahlt. Die Texte waren alle leserlich. Wenn die Angestellten also ein Bild nicht abtippen, betrogen sie ihren Arbeitgeber.

Der Anteil der Betrugsfälle lag um 20 Prozent höher in der Gruppe der Mitarbeiter, die dachte, sie würde für einen sozial verantwortlichen Arbeitgeber arbeiten.

Dieses Phänomen wird auch als „moral-licensing“ bezeichnet. Menschen die überzeugt sind, in einem Bereich etwas Gutes getan zu haben, fühlen sich bei anderen Aktivitäten weniger zu moralischem Verhalten verpflichtet.

Verdeckter Lobbyismus

Zudem ist zweifelhaft, ob Unternehmen mit ihren CSR-Aktivitäten tatsächlich wohltätige Ziele verfolgen. Einige Firmen scheinen unter dem Deckmantel sozialer Aktivitäten Lobbyismus zu betreiben. Dies zeigen vier amerikanische Ökonomen in einem aktuellen Papier. Unternehmen spenden vor allem an gemeinnützige Organisationen in Kongressbezirken in den USA, deren Vertreter in einem für das Unternehmen wichtigen Ausschuss sitzen.

Aufgabe von Unternehmen und Aufgaben des Staates

In einer Marktwirtschaft hält der Wettbewerb unter Anbietern sie dazu an, ihren Kunden ein möglichst attraktives Produkt zu einem niedrigen Preis anzubieten und Ressourcen möglichst effizient einzusetzen – also nicht zu verschwenden. Das ist ihre primäre Aufgabe.

Wie die Unternehmen, sollte sich auch der Staat auf Aufgaben konzentrieren, die er relativ gut wahrnehmen kann. Zu seinen Kernaufgaben gehört, einen Regelrahmen zu setzen und durchzusetzen, der ein friedliches Zusammenleben ermöglicht. Schadhaftes Verhalten einzelner soll er unterbinden. Es gehört nicht zu den Staatsaufgaben, erwünschtes Verhalten beispielsweise in Form von CSR-Aktivitäten einzufordern.

Verantwortliches Handeln: Viele Gesichter

Für manche Unternehmen gilt die alte Weisheit, dass sie Gutes tun und darüber sprechen sollten – etwa, wenn Kunden diese Aktivitäten honorieren. Andere Unternehmen können zu der Überzeugung kommen, dass „Tue Gutes und schweig“ die richtige Strategie ist. Schließlich mögen einige Unternehmen gänzlich auf CSR verzichten, da für sie die Nachteile die Vorteile überwiegen.

Diese vielfältigen Entscheidungen sollte der Gesetzgeber im Falle unternehmerischer Entscheidungen ebenso respektieren wie im Falle individueller privater Entscheidungen. Unterschiedliche Entscheidungen bedeuten nicht, dass die einen verantwortlich handeln und die anderen nicht.

Für und Wider CSR gibt es gute Gründe. Eine staatlich verordnete Hochglanzbroschüre ist für verantwortliches unternehmerisches Handeln gewiss nicht nötig.

 

Zuerst erschienen bei IREF.

Photo by davide ragusa on Unsplash

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus. 

Die sogenannte Bürgerversicherung ist seit der Bundestagswahl 2017 wieder ein großes Thema in der Sozialpolitik. Doch anstatt zu versuchen, mehr Umverteilung in das Versicheurngssystem einzubauen, sollte man auf risikobasiertes Pricing setzen. Dadurch können Wettbewerb und Effizienz der Krankenkassen gesteigert werden. Sozial schwachen Haushalten könnte mit steuerlicher Umverteilung der Beitrag bezuschusst werden.

Die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD Anfang des Jahres haben das Thema Krankenkassen wieder auf die Agenda gebracht. Befürworter einer Bürgerversicherung wünschen sich unter anderen mehr Umverteilung im Rahmen der dann für alle verpflichtenden gesetzlichen Krankenversicherungen. Doch als Umverteilungsinstrumente sind die gesetzlichen Krankenkassen nicht attraktiv. Das Steuer- und Sozialsystem ist für diese Aufgabe deutlich besser geeignet. Deshalb sollten die Prämien der gesetzlichen Krankenkassen – wie im Fall der privaten Krankenkassen – auf individuellen Krankheitsrisiken basieren und nicht auf der Höhe der Arbeitseinkommen ihrer Versicherten.

Krankenkassen: Unattraktiv als Umverteilungsvehikel

Derzeit steigen die Beiträge von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherungen bis zur Beitragsbemessungsgrenze proportional mit dem Lohneinkommen. Dadurch wird auf Grundlage der Arbeitseinkommen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen umverteilt – schon heute. Eine Bürgerversicherung, die für alle verpflichtend wäre und möglicherweise keine Beitragsbemessungsgrenze aufwiese, würde zu mehr Umverteilung dieser Art durch die gesetzlichen Krankenversicherungen führen.

 

Die durch die gesetzlichen Krankenversicherungen herbeigeführte Umverteilung hat jedoch einen entscheidenden Nachteil. Die vom Arbeitseinkommen abhängige Berechnung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bemisst die finanzielle Leistungsfähigkeit der Versicherten nicht treffsicher. So wird zum Beispiel Einkommen aus Vermögen nicht erfasst.

Das Gesamteinkommen zur Beitragsbemessungsgrundlage zu machen, wie es in manchen Bürgerversicherungsmodellen vorgeschlagen wird, ist keine attraktive Alternative. Denn die innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen herbeigeführte Umverteilung könnte im besten Fall die durch das Steuer- und Sozialsystem mögliche Umverteilung replizieren. Dies wäre der Fall, wenn die Krankenkassen die gleichen Informationen über die finanzielle Situation der Versicherten hätten wie die Finanz- und Sozialämter. Allerdings entstünden erhebliche Verwaltungskosten, wenn die gesetzlichen Krankenkassen neben ihrem Haupttätigkeitsfeld Aufgaben der Finanz- und Sozialämter übernehmen würden.

Krankenkassen sollten sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren: Versicherung von Gesundheitsrisiken. Dafür sind Krankenkassen Experten, nicht für Umverteilung.

Fragwürdiger Einsatz von Beitragsmitteln

Die lohnabhängigen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bringen weitere unerwünschte Effekte mit sich. Die Versicherungen wenden Ressourcen auf, um möglichst junge, gutverdienende Versicherte zu gewinnen. Sie verursachen nur wenig Kosten und sorgen durch die lohnabhängigen Beiträge für sprudelnde Einnahmen. Krankenkassen werben um die junge gesunde Klientel, indem sie beispielsweise für gesunde Versicherte besonders attraktive Zusatzleistungen wie kostenlose Bonus- oder Fitnessprogramme anbieten.

Dagegen versuchen gesetzliche Krankenkassen, obwohl sie keine Versicherten ablehnen dürfen, Menschen mit hohen Krankheitsrisiken abzuschrecken. So berichtete das Bundesversicherungsamt im Jahre 2012, dass einige Krankenkassen ihren Vertriebsmitarbeitern keine Prämien für die Werbung einkommensschwacher oder kranker Versicherten zahlten.

Krankenkassen haben nicht nur ein Interesse, die Aufnahme teurer Versicherter zu verhindern. Das Bundesversicherungsamt berichtete weiter, dass einige Krankenkassen versucht haben sollen, behinderte und chronisch kranke Versicherte per Telefon zur Kündigung zu bewegen.

Sisyphusarbeit Gesundheitsfonds

Diese Probleme hat die Politik erkannt und versucht solchen Anreizen zu begegnen, indem der 2009 eingeführte und vom Bund finanziell bezuschusste Gesundheitsfonds für kränkere Versicherte mehr an die Krankenkassen zahlt als für gesunde. Leider führte dies zu unerwünschten Reaktionen seitens der Versicherer. Sie neigen dazu, ihre relativ gesunden Versicherten auf dem Papier möglichst krank erscheinen zu lassen. Einige Krankenkassen trafen Vereinbarungen mit der Ärzteschaft, die dazu führten, dass Ärzte finanziell davon profitierten, wenn sie ihre Patienten kränker aussehen ließen als sie waren.

Die Idee des Gesundheitsfonds, Krankenkassen einen finanziellen Anreiz zu geben, auch überdurchschnittlich Kranke aufzunehmen, ist nicht per se schlecht. Permanent werden der Gesundheitsfonds und die Auszahlungsregeln nachgebessert. Dies ist löblich, doch es ist schwierig, das notwenige Wissen zu erlangen, wie die unterschiedlichen Risiken am besten erfasst und vergütet werden. Allerdings gibt es eine Alternative, die das leisten kann: Risikoäquivalente Versicherungsprämien.

Dezentrales Wissen der Versicherten und Versicherungen nutzen

Risikoäquivalente Versicherungsprämien ergeben sich aus dem Wettbewerb verschiedener Anbieter für Versicherungsleistungen. Sie sind nicht darauf angewiesen, dass Politiker und Regulierer in den Ministerien sowie Verbänden die optimale Struktur des Gesundheitsfonds auf dem Reisbrett ersinnen, sondern nutzen das dezentrale Wissen der Versicherten und der verschiedenen Versicherungsanbieter.

Wir kennen risikoäquivalente Prämien von KFZ-Versicherungen und den privaten Krankenkassen. Vor Versicherungsbeginn werden auf Grundlage des Gesundheitszustandes die zu erwartenden Gesundheitsausgaben und damit der individuelle monatliche Beitrag berechnet. Die Versicherungen haben dabei einen Anreiz, diese möglichst akkurat zu berechnen, da sie im Wettbewerb mit anderen Versicherungen um Kunden stehen. Veranschlagen sie zu hohe Prämien, werden sie von einer anderen Versicherung unterboten. Unterschätzen sie systematisch das Risiko ihrer Versicherten, können sie nicht dauerhaft bestehen.

Die risikoäquivalenten Prämien sind daher Marktpreise mit entsprechenden Signalwirkungen für Versicherte und Versicherer. Risikoäquivalente Prämien führen dazu, dass es für Krankenversicherungen auch attraktiv ist, kranke Menschen zu versichern und ihnen attraktive Leistungen zu bieten.

Risikoäquivalente Prämien in der gesetzlichen Krankenversicherung

Die gesetzliche Krankenversicherung sollte auf risikoäquivalente Beiträge umgestellt werden. Menschen, die auf Grund ihrer finanziellen Situation mit der Zahlung ihres Beitrags überfordert wären, sollte durch höhere Sozialtransfers beziehungsweise niedrigere Steuern geholfen werden.

Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger könnten bei der Zahlung der risikoäquivalenten Prämien durch anteilige Beihilfe durch den Staat unterstützt werden. Dies würde dazu führen, dass auch Hilfsbedürftige mit hohen Prämien entsprechend höhere Krankenkassenbeihilfen erhielten. Dennoch sollten die Kosten für die Prämie nicht zu 100 % übernommen werden, da sonst die Versicherten kein Interesse hätten, in eine günstigere Versicherung zu wechseln.

Ein höheres Maß an Umverteilung als heute würde durch die anteilige Übernahme der risikoäquivalenten Prämien nicht etabliert. Heute werden die Kosten für Menschen mit einem höheren Gesundheitsrisiko in der gesetzlichen Krankenversicherung lediglich verschleiert. Die risikoäquivalenten Prämien würden verhindern, dass es zu einer für kranke Menschen ungünstigen Risikoselektion kommt. Bisher von den Kassen geschmähte Versicherte mit ungünstigen Gesundheitsrisiken würden zu gefragten Kunden und könnten sich über attraktivere Leistungen freuen.

Zweiklassenmedizin abschaffen: Upgrades statt Vereinheitlichung

Der Weg aus der Zweiklassenmedizin sollte zu Upgrades des Versicherungsschutzes für die gesetzlich Versicherten führen, nicht zu der im Rahmen einer Bürgerversicherung angestrebten Vereinheitlichung. Risikoäquivalente Beiträge zu den gesetzlichen Krankenversicherungen würden den Versicherern Anreize geben, um Junge und Alte sowie Gesunde und Kranke gleichermaßen zu konkurrieren – zum Vorteil aller Versicherten. Zudem käme es nicht länger zu einer Einkommensumverteilung im Rahmen der gesetzlichen Krankenkassen. Diese Aufgabe würde stärker und transparenter als heute durch Steuern und Transfers erfolgen.

Von den Umverteilungszielen befreit, spricht ferner nichts dagegen, aus den gesetzlichen Krankenkassen private Versicherer zu machen – ob mit Gewinnerzielungsabsicht oder ohne. Denn private Versicherer müssen sich stärker als staatliche Unternehmen auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einstellen.

 

 

Zuerst erschienen bei IREF.