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Photo: Dave Kellam from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Prof. Dr. Thomas Mayer, Kuratoriumsvorsitzender von “Prometheus” und Gründungsdirektor des “Flossbach von Storch Research Institute”.

In seinem Klassiker „Der Wohlstand der Nationen“ verglich Adam Smith die Briten mit einer „Nation von Krämern und Ladenbesitzern“. Daran hatte später Napoleon seinen Spaß. Heute poliert David Cameron das alte Klischee neu auf. Er hofft, eine „Notbremse“ für Sozialleistungen für Immigranten aus den EU-Ländern, eine Ausnahme bei der „immer engeren Integration“, die Einschränkung der Brüsseler Bürokratie und ein Vetorecht der Mehrheit nationaler Parlamente gegen EU-Bestimmungen könnten ein Votum der Briten für den EU-Austritt noch abwenden. Von seinen Gegnern erntet er dafür nur Hohn und Spott. Dabei böten die britischen Ansprüche eine solide Grundlage für eine dringend notwendige Neuorientierung der Union. Statt um Kleingeld zu feilschen, hätte Cameron zum Kampf für eine Reform der EU aufrufen sollen. Hier ist mein Vorschlag:

„Der liberale Rechtsstaat ist eine der größten Errungenschaften unserer Geschichte. Während sich der europäische Kontinent im siebzehnten Jahrhundert auf den Weg in den Absolutismus begab, hielten wir die Herrschaft des Rechts hoch. Für Ludwig IV. galt: „Der Staat bin ich“. Dem hielt unser Parlament damals entgegen, dass es sein Hauptanliegen sei, „die Freiheit des Volkes vor der Willkür der Regierung zu schützen“. John Locke stellte fest, dass auch nicht der Gesetzgeber willkürlich handeln darf. Auch er ist „verpflichtet, nach öffentlich verkündeten, stehenden Gesetzen …für Gerechtigkeit zu sorgen“. Regeln und Gesetze schützen die Mitglieder der Gesellschaft und ihr Eigentum gegen die Willkürherrschaft der Regierung, selbst wenn sich diese auf eine parlamentarische Mehrheit stützen kann. Das britische Konzept des liberalen Rechtsstaats war die Grundlage, auf der die amerikanischen Föderalisten die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten.

Auch die Europäische Union bekennt sich zur liberalen Rechtsstaatlichkeit. Aber sie ist mit den Jahren auf Abwege geraten. Die Übertragung wesentlicher hoheitlicher Rechte ohne effektive parlamentarische Kontrolle hat zur Herrschaft der Bürokratie geführt. Für die Bürokratie heiligt der Zweck die Mittel, auch wenn dadurch das Recht umgangen wird. Wohin das führt, konnten wir in der Währungsunion und im Schengenraum sehen. Zur Rettung des Euro wurden das vertraglich vereinbarte Verbot gegenseitiger finanzieller Haftung und das Verbot monetärer Finanzierung von Staatshaushalten durchlöchert. Im Schengenraum wurden die vertraglichen Vereinbarungen zur Sicherung der gemeinschaftlichen Außengrenzen und Zuwanderung missachtet. Wo war das Europäische Parlament als das Recht gebeugt wurde? Hat es das Volk vor der Willkür der Regierenden geschützt, indem es auf der Herrschaft des Rechts bestanden hätte?

Unsere Vorgänger haben die Gefahren des Euro und des Schengenraums bei Zeiten erkannt. Großbritannien ist weder bei der Währungs- noch der Grenzgemeinschaft Mitglied. Wir lassen uns auch nicht in eine Sozial- oder Fiskalgemeinschaft drängen, in der sich einzelne Staaten aus ihrer finanziellen Verantwortung schleichen können. Wir wollen keinen europäischen Wohlfahrtsstaat und keine „Bankenunion“, in der wir für die Fehlentscheidungen in anderen Staaten haften. Wir wollen, dass diejenigen, die entscheiden, dafür auch die Verantwortung tragen, und wir wollen, dass das Recht über der Herrschaft der Regierungen und der Bürokratie steht.

Aber wir können uns über geografische Gegebenheiten nicht hinwegsetzen. Wir sind ein Teil Europas, das auf uns angewiesen ist, so wie wir auf Europa angewiesen sind. Die Europäische Union ist eine große Errungenschaft der europäischen Völker. Sie hat einem über Jahrhunderte zutiefst zerstrittenen Europa Frieden gebracht und damit Großbritannien Sicherheit und Wohlstand in einem friedlichen Europa ermöglicht. Wir müssen am Gelingen dieser Union interessiert sein, denn ihr Scheitern wäre auch für uns eine Katastrophe. Würden wir jetzt austreten, wo die EU von innerem Streit zerrissen ist und vom Weg der liberalen Rechtsstaatlichkeit abzukommen droht, wären wir für ihr Scheitern mit verantwortlich.

Statt der EU den Rücken zu kehren müssen wir mit all unserer Kraft darauf drängen, dass sie zu ihren Grundprinzipien der Freiheit und Rechtsstaatlichkeit zurückkehrt. Wir wollen freien Handel, freien Kapitalverkehr und die Freizügigkeit der Personen innerhalb eines rechtlichen Rahmens, der Verantwortlichkeiten klar definiert. Wir haben nichts gegen die europäische Währung, aber sie ist kein goldenes Kalb, um das die EU-Mitgliedstaaten tanzen müssen. Wir stehen mit unserer Absicht zu Reformen der EU nicht allein. Wir haben Verbündete und werden mehr dazugewinnen. Wir werden in der EU für eine bessere Union kämpfen und den Kampf gewinnen.“

Photo: Pete Birkinshaw from Flickr (CC BY 2.0)

In dieser Woche haben die Grünen und die Linken im Bundestag Festpreise für Milchbauern gefordert. Das ist nicht neu. Wahrscheinlich gibt es historisch keinen Wirtschaftszweig, der so stark und dauerhaft von den Interventionen des Staates betroffen und abhängig ist, wie der Agrarsektor.
Die Geschichte der Europäischen Gemeinschaft und später der Europäischen Union ist letztlich eine Geschichte der Subventionierung der Landwirtschaft. Der Preis dafür ist, dass dieser Sektor besonders mit Verordnungen, Richtlinien und damit Bürokratie drangsaliert wird. Die Marktwirtschaft hatte viele Jahrzehnte keine Chance gegen die Planungsbehörden in Brüssel. Produktionsquoten und Mindestpreise führten zu Milchseen und Fleischbergen und waren Zeugnisse dieser gescheiterten Planwirtschaft. Landwirte waren nur Planerfüller einer EU-Planungsbehörde, anstatt selbstbewusste Unternehmer zu sein.

Doch einige Bereiche der Landwirtschaft waren schon in den vergangen Jahrzehnten der Marktwirtschaft und damit Angebot und Nachfrage ausgesetzt. Die Schweineproduktion gehört zum Beispiel dazu. Deren Preisschwankungen sind als sogenannter Schweinezyklus bekannt. Steigt der Preis für Schweinefleisch, bauen Landwirte ihre Kapazitäten aus. Das Angebot an Schweinefleisch nimmt in der Folge zu und die Preise fallen bei gleicher Nachfrage. Dieser Prozess vollzieht sich jedoch nicht von heute auf morgen, sondern dauert über Jahre an, weil die Produktionsausweitung mit Investitionen verbunden ist. Die Preiskorrektur nach unten zwingt die Landwirte dann zur Steigerung ihrer Produktivität oder häufig sogar zur Aufgabe ihres Hofes.
Diesen Schweinezyklus verspüren aktuell auch die Milchbauern. 2014 bekam der Landwirt noch über 40 Cent je Liter, seitdem geht es steil bergab. Aktuell erhalten sie weniger als die Hälfte. Allein im vergangenen Jahr hat die Milchwirtschaft in der EU die Produktion um fast fünf Prozent erweitert. Damit steigt das Angebot, und die Preise fallen bei gleicher Nachfrage. Der Anpassungsprozess ist bereits in vollem Gange. Viele Landwirte kämpfen deshalb um ihre Existenz.

Doch es kommt dieses Mal ein Umstand hinzu, der mit der Marktwirtschaft nichts zu tun hat. Es sind die Sanktionen der EU gegen Russland und umgekehrt. Sie haben die Exporte nach Russland gekappt und abgeschnitten. Damit trifft ein wachsendes Angebot nicht auf eine gleichbleibende, sondern auf eine abrupt sinkende Nachfrage. Insgesamt geht es um ein Volumen an Agrarprodukten von zwölf Milliarden Euro, die aus der EU nach Russland exportiert wurden. Diese Sanktionen verzerren den Marktmechanismus und verschärfen jetzt den Anpassungsprozess.

Eigentlich sollten die Sanktion die Russen und ihren Präsidenten für dessen Annexion der Krim treffen, jetzt werden aber die Milchbauern in Deutschland und den anderen EU-Mitgliedstaaten bestraft. Sie haben nichts mit dem Konflikt in der Ukraine zu tun, können nicht ausweichen. Trotzdem sind viele von ihnen in ihrer Existenz gefährdet.

Die Einschränkung des freien Warenverkehrs durch Handelshemmnisse wie Einfuhrbeschränkungen oder durch die Subvention der eigenen Landwirtschaft schadet allen. Das ist die Botschaft der Freihandelsidee, die seit dem 19. Jahrhundert, beginnend in Großbritannien, ihren Siegeszug um die Welt gemacht hat. Ihn zu fördern, hilft auch den Milchbauern in Deutschland. Deshalb sollten die Landwirte eigentlich die größten Befürworter des Freihandelsabkommens mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP) sein. Denn Freihandel ist kein Nullsummenspiel, bei dem der Erfolg des einen zu Lasten des anderen geht. Freihandel macht den Kuchen größer und ermöglicht, dass mehr Menschen am Wohlstand teilhaben können.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 4. Juni 2016.

Photo: Wikimedia

Mit Angst wird Politik gemacht. Nicht erst seit gestern, sondern heute umso mehr. Als die Eisenbahn als Fortbewegungsmittel die Postkutschen ersetzte, empfanden viele dies als Bedrohung. Wohin sollte diese Schnelllebigkeit denn führen? Ist es denn gut und richtig, dass Reisen jetzt für jedermann erschwinglich werden? Können die einfachen Bürger denn mit dieser Freiheit überhaupt umgehen? Als die kabellose Welt des Internets durch WLan und Hotspots aufkam, sahen viele die Gefahr der Strahlenbelastung und des Elektrosmogs aufkommen. Viele meinten damals, diese Entwicklung könne nicht gut sein. Wer weiß, welche gesundheitlichen Schäden dadurch alles verursacht würden? Nicht ohne Grund gibt es in Deutschland bei der Anwendung der Gentechnik eine breite Front der Gegnerschaft. Diese darf so lange nicht breit eingeführt werden, bis deren noch nicht bekannten Nachteile nicht gründlich auf ihre langfristigen Folgen untersucht wurden.

Die Neigung, erst die Risiken zu sehen und die Chancen zu vernachlässigen, ist gerade in unserem Land besonders ausgeprägt. Intelligente Kampagnen setzen auf diese Ängste. Sie sind vorherrschend in der aktuellen Debatte um das Freihandelsabkommen TTIP. Hier werden Antiamerikanismus und vermeintlicher Verbraucherschutz in eine dicke Suppe gerührt. Die jüngsten Pseudoenthüllungen von Greenpeace und einiger Medien sind ein Beispiel dafür. Da werden Verhandlungsziele beider Seiten skandalisiert und dies von zwangsbeitragsfinanzierten Medien publiziert, als wären es Ergebnisse eines umfangreichen Enthüllungsjournalismus. Der Kern dieser Enthüllungen ist, dass die Amerikaner in ihrer Verhandlungsstrategie besonders ihre Nahrungsmittelexporte in die EU erhöhen und die EU die Automobilexporte für den amerikanischen Markt verbessern wollen. Wer hätte das gedacht? Plötzlich werden gefühlt Millionen von Chlorhühnern über Deutschland geschüttet und Abermillionen manipulierte VWs verpesten Arizona. Das kann nicht gut sein, sagen uns die öffentlich-rechtlichen Angestellten vom NDR und WDR im Enthüllerhemd und die Kampagnenprofis von Greenpeace positionieren sich vor dem Brandenburger Tor und zeigen nebenan auf die Politiker im Büßerhemd.

Drei Dinge sollten uns allen Sorge machen:

Erstens: Freihandel hat keine Lobby. Die Gegner des weltweiten ungebremsten Austauschs von Waren und Dienstleistungen sind auf dem Vormarsch. Sie alle glauben, dass sie althergebrachte Privilegien verlieren. Sie sind gesellschaftspolitisch nicht einer bestimmten Schicht oder politischen Richtung zuzuordnen, sondern überall vertreten.

Zweitens: die Medien unterstützen in einer großen Mehrheit diesen Skeptizismus. Insbesondere die öffentlich-rechtlichen Medien von ARD und ZDF spielen eine unrühmliche Rolle. Aber nicht nur, auch die Tageszeitungen schreiben ungeprüft und unreflektiert ab. Sie müssen sich nicht über pauschale Urteile wundern.

Drittens: der Ton macht die Musik. Die Tonalität wird schärfer, verletzender und erbitterter. Eine Verstumpfung und Verflachung macht sich breit im Land eines Goethe und Schillers.

Wohin das führt, ist nicht absehbar. Doch für eine freie Gesellschaft sind das Entwicklungen, die uns herausfordern sollten. Was hilft gegen mediale Panikmache? Was hilft gegen Verlustängste von gesellschaftlichen Gruppen? Was hilft gegen die Verrohung der Sitten? Gesetze, staatliche Ordnungsmacht oder Zwang werden es sicherlich nicht sein. Wahrscheinlich hilft nur Aufklärung. Das ist die schwierigste, aber zugleich wirkungsvollste Herangehensweise. Doch die Geschichte sollte uns Mut machen.

Die Hexenverbrennung hörte in der frühen Neuzeit nicht deshalb auf, weil die Gesellschaft der Auffassung war, man habe nunmehr alle Hexen verbrannt oder ersäuft. Es lag wahrscheinlich daran, dass irgendwann die Erkenntnisse der Menschen so weit entwickelt waren, dass der Irrtum als solcher erkannt wurde, willkürlich einzelne Menschen für Katastrophen oder Naturereignisse verantwortlich zu machen. Daraus folgt: Alles wird gut! Wahrscheinlich hilft nur Aufklärung. Das ist die schwierigste, aber zugleich wirkungsvollste Herangehensweise. Doch die Geschichte sollte uns Mut machen.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Yale Law Library from Flickr (CC BY 2.0)

Die ökonomischen Probleme in weiten Teilen Europas sind hausgemacht. Da beißt keine Maus einen Faden ab. Überbordende Bürokratie, mangelnde Rechtssicherheit, nicht vorhandener Schutz des Eigentums, prohibitive Steuern und falsche Anreize in den Sozialsystemen sind nur einige der Ursachen. Die derzeitige Politik in Europa versucht, dies durch Druck zu ändern. „Zuckerbrot und Peitsche“ sollen die am Tropf der Gemeinschaft hängenden Krisenstaaten gefügig machen.

Und das läuft dann so: Veränderungen, die sich Bürokraten im fernen Brüssel ausgedacht haben, müssen zunächst umgesetzt werden, damit man dann weitere finanzielle Hilfen durch die Staatengemeinschaft erhält. So zumindest die Theorie. Doch das funktioniert nicht – und zwar aus zwei Gründen: Erstens sind Risiko und Verantwortung entkoppelt. Wer nicht selbst für sein Handeln haftet, sondern die Haftung auf eine größere Gemeinschaft abwälzen kann, geht meist den vermeintlich einfacheren Weg. Zweitens: die Möglichkeiten einer Insolvenz innerhalb des oder eines Ausscheiden aus dem Euro-Club werden gar nicht erst in Erwägung gezogen. Dadurch kommen die Retter in eine Erpressungssituation gegenüber den Geretteten. Je länger sie anhält, desto schlimmer wird sie. In den vergangenen 6 Jahren der vermeintlichen Rettung war das so.

Doch wie wäre es, wenn man von einem zentralistischen Reformansatz zu einem non-zentralistischen übergehen würde? Vorbilder gibt es einige. Die ökonomischen Erfolge Singapurs und Hongkongs sind Beispiel dafür, wie sich kleine und flexible Staaten im unmittelbaren Umfeld von zentralistischen Ländern wesentlich besser entwickeln können als die großen Platzhirsche in der Nachbarschaft. Auch in Europa tun sich Länder wie Luxemburg, die Schweiz oder die baltischen Staaten wesentlich leichter als Russland, Frankreich oder Italien. Die Entwicklung Hongkongs oder Singapurs ist jedoch besonders anschaulich. Denn sie hatte nicht nur ökonomische Vorteile für die dortige Bevölkerung, sondern für die ganze Region. Ohne den ökonomischen Druck Hongkongs hätte es wahrscheinlich kein Wirtschaftswunder in China gegeben. Es war der tagtägliche Anschauungsunterricht, der der chinesischen Nomenklatura das Scheitern der staatlichen Planwirtschaft vor Augen führte und sie offen für die Marktwirtschaft machte.

Die Vorteile der Kleinstaatlichkeit enden jedoch nicht an den Außengrenzen des jeweiligen Landes. Die Idee, eine marktwirtschaftliche Ordnung zu schaffen, kann auch innerhalb eines Staates oder in Teilgebieten eines Staates verwirklicht werden. Die Antwort Chinas auf den ökonomischen Erfolg Hongkongs war zum Beispiel die Schaffung von Freihandelszonen, wie zum Beispiel in Shanghai. Dort werden wirtschaftliche Reformen in einem abgesteckten Areal realisiert, ohne sie sofort auf das ganze Land zu übertragen. So werden diese Zonen nicht nur Versuchslabor, sondern sehr oft eben auch Avantgarde.

Warum sollen solche Freihandelszonen nicht auch in Europa entstehen? Wieso nicht in Teilen Griechenlands, Portugals oder auch Deutschlands? Und die Idee der Freihandelszonen muss nicht nur auf Investitionserleichterungen konzentriert werden. Warum kann in solchen Regionen nicht viel mehr ausprobiert werden? Der US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Paul Romer schlug vor einigen Jahren ein Konzept vor, das er „Charter City“ nannte. Der Grundgedanke dieser Idee besteht darin, in einer bestimmten Region eines ökonomisch angeschlagenen Landes ein fremdes Rechtssystem zu implementieren, um damit Vertrauen bei Investoren zu schaffen und diese zu Investitionen zu animieren. In Teilen Griechenlands würde man dann entscheiden, dass dort zum Beispiel englisches Recht gilt. Das englische Recht ist in Griechenland nicht gänzlich fremd. Ein Teil der griechischen Staatsschulden wurden nach englischem Recht emittiert. Im Vergleich zu Anleihen, die nach griechischem Recht herausgegeben wurden, genießen diese ein wesentlich höheres Vertrauen. Als 2012 die privaten Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten mußten, galt dies nur für die Gläubiger, die Anleihen nach griechischem Recht gekauft hatten. Das griechische Parlament enteignete die Gläubiger einfach durch die Einführung einer nachträglichen Umschuldungsklausel bei bestehenden Anleihen. Wer sich nicht „freiwillig“ auf eine Forderungsverzicht von 53,5 Prozent einlassen wollte, konnte unter bestimmten Bedingungen dazu gezwungen werden. Bei den Anleihen nach englischem Recht gelang eine rückwirkende Änderung des Rechts nicht. Diese wurde ordnungsgemäß bedient und zurückgezahlt.

Was in bestimmten Regionen möglich ist, könnten auch auf einzelne Bürger, Unternehmen oder Vertragspartner heruntergebrochen werden. Warum sollten Vertragspartner sich nicht ihren Gerichtsstand frei wählen können? Im Handelsrecht ist dies bei uns heute schon möglich. Aber wieso soll die Wahl des Rechtssystems nicht auch im Steuerrecht, im Mietrecht oder im Arbeitsrecht möglich sein? Am Ende entstünde ein Wettbewerb des Rechts. Es wäre stabiler und weniger missbrauchsanfällig als viele derzeitige Rechtssysteme in Europa. Derzeit wird in Griechenland unter anderem nicht investiert, weil es keine ausreichende Eigentumsgarantie gibt, weil die Behörden korrupt sind und das Arbeitsrecht kompliziert ist. Diese Mängel könnten durch eine freie Wahl des Rechts durch die jeweiligen Vertragsparteien auf einen Schlag überwunden werden.

Wird Schindluder mit einem Rechtssystem getrieben, dann wird es bei neuen Verträgen nicht mehr angewandt und verschwindet. Ist der Gerichtsstand mit korrupten Richtern bestückt, dann wird er von den Vertragsparteien gemieden. Werden Baugenehmigungen verschleppt, verzögert und nur mit hohen Auflagen möglich, dann suchen sich Vertragspartner künftig die Bauordnung ihrer Wahl. Und dauert der Handelsregistereintrag beim örtlichen Amtsgericht zu lange, wird künftig ein anderes gewählt. Der Druck des Marktes und des Wettbewerbs erzeugt ein besseres Rechtssystem für alle. Es wäre ein atmender Rechtsrahmen, der schlechtes Recht verschwinden ließe und gutem Recht zum Durchbruch verhelfen würde. Ludwig von Mises hat dies sehr gut auf den Punkt gebracht: „Aller Fortschritt der Menschheit vollzog sich stets in der Weise, dass eine kleine Minderheit von den Ideen und Gebräuchen der Mehrheit abzuweichen begann, bis schließlich ihr Beispiel die anderen zur Übernahme der Neuerung bewog.“

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

 

Photo: Wikicommons

Von Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre und Praktikant bei Prometheus.

Wir leben in einer Welt, die sich immer stärker globalisiert: Japanische Autos, chinesische Smartphones und amerikanische Burger gehören ebenso zu unserem Alltag wie die Möglichkeit, innerhalb von Sekunden Nachrichten über das Internet in die letzte Ecke der Welt zu senden. Neue politische und ökonomisch Schwergewichte wie China, Indien und Brasilien haben in den letzten Jahrzenten die Weltbühne betreten. Weitere werden folgen. Dahinter stehen eigentlich großartige Neuigkeiten. Die aufstrebenden Länder haben sich zunehmend einer marktwirtschaftlichen Ordnung zugewendet und ernten die ersten Erfolge dieser Bemühungen. Sie haben von der freien westlichen Welt gelernt wie Wirtschaftssysteme mehr Wohlstand schaffen. Der Weg für viele Staaten hin zu einer offenen Gesellschaft ist noch weit, aber schon die ersten Schritte zeigen ermutigende Ergebnisse.

In Europa macht sich allerdings ein Gefühl der Angst breit. Die Veränderungen stellen alte Strukturen und Privilegien in Frage. Die neue Macht der Anderen ist unheimlich. Der Präsident des europäischen Parlaments, Martin Schulz, schreibt „Nur wenn wir zusammenhalten und uns als 500 Millionen Einwohner starken Kontinent sehen, werden wir auch noch in 20 Jahren mit den USA, mit China und den aufstrebenden Mächten auf Augenhöhe stehen können. Scheitert die europäische Integration, werden wir in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.“  Wo die alten Nationalstaaten an ihre (Macht-)Grenzen stoßen, soll ein größeres Gebilde, ein Super-Nationalstaat, einspringen. Es ist nur ein kurzer Weg von der Angst vor der Bedeutungslosigkeit hin zu Großmachtsfantasien à la 19. Jahrhundert. Die politischen Implikationen sind unteranderem eine europäische Armee und eine gemeinsame Außenpolitik, aber ebenso die gemeinsame Währung und eine gemeinsame Fiskalpolitik.

Die Welt wird ein Dorf und unsere Antwort soll der europäische Zentralstaat seien?

Es stellt sich zwei grundsätzliche Fragen: Ist im Zeitalter der Globalisierung Europa als Großmacht überhaupt realisierbar? Und: Ist es überhaupt ein erstrebenswertes Ziel, weltweite Bedeutung zu haben?

Die erste Frage kann wohl mit einem Nein beantwortet werden. Und das liegt an der Globalisierung: Je stärker ein Land mit dem Rest der Welt verbunden ist, desto stärker wird der Gestaltungsspielraum der Politik eingeschränkt. Wirtschaftspolitisches Harakiri wird durch den Abzug des weltweit hochmobilen Kapitals bestraft. Brasilien, Venezuela und Argentinien sind nur einige aktuelle Beispiele. Aber auch Menschen werden immer mobiler. Wenn die Steuerlast zu groß werden sollte, ist der „Exit“ einfacher denn je. Tausende Deutsche beweisen dies jedes Jahr, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt verlegen. Jenseits des Rheins, in der Schweiz, finden sie ihre neue Heimat. Die Globalisierung schränkt die Effektivität staatlicher Interventionen zunehmend ein.

Auch militärische Überlegenheit kann nicht die gewünschte Machtfülle bringen. Kernwaffen halten andere Regierungen im Schach und garantieren die Sicherheit Europas vor Angriffen andere Staaten. Mehr als ein Gleichgewicht des Schreckens können sie aber nicht erreichen. Sie sorgen für unsere Sicherheit, aber als Drohmittel in der Außenpolitik sind sie völlig ungeeignet. Auch eine Bündelung der konventionellen Streitkräfte verspricht kaum, ein ernstzunehmendes Ass im Ärmel der europäischen Politik zu sein. Viele Konflikte sind mit Hilfe von militärischer Überlegenheit nicht mehr zu gewinnen. Die Vereinigten Staaten haben diese schmerzliche Erfahrung in den letzten Jahren machen müssen.

Kooperation und Dialog ist die Stärke der Kleinen

Zur zweiten Frage: Es gibt gute Gründe dafür, dass das Wohlergehen der Europäer nicht von einer größeren Machtfülle, Augenhöhe und Bedeutung abhängt. Ein auf Weltgeltung ausgelegtes Europa ersetzt die Probleme der Nationalstaaten durch ein europäisches Problem. Mises fürchtet sogar: „An Stelle des französischen, des deutschen, des magyarischen Chauvinismus soll der europäische treten; seine Spitze soll sich gegen die „Ausländer“ kehren, gegen Briten, Amerikaner, Russen, Chinesen, Japaner; nach innen aber soll es ein alle europäischen Völker einigendes Gebilde sein.“.

Europa braucht den Wettbewerb der Systeme innerhalb Europas, um aus Fehlern lernen zu können. Nicht Einheit und Zentralismus machen Europa zu einem lebenswerten Ort, sondern seine eigentlichen Stärken, die diesem Prinzip geradezu entgegengesetzt sind: Vielfalt, Marktwirtschaft, Demokratie und Subsidiarität.

Den Weltmachtsanspruch aufzugeben, bedeutet aber nicht, die Sicherheit Europas zu vernachlässigen. Die Sicherheit vor Angriffen von außen hängt nicht von dem Status als Weltmacht ab. Eine starke gemeinsame Verteidigung im Rahmen der NATO ist Garant für die territoriale Integrität Europas. Die schrecklichen Anschläge in Paris und zuvor in London sowie Madrid haben gezeigt, dass mit konventioneller Verteidigung allein die Sicherheit Europas nicht zu gewährleisten ist. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Der Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden kann sicherlich verbessert werden, aber nicht nur innerhalb Europas, denn Terror organisiert sich international.

Eine gemeinsame europäische Armee würde weder zu mehr Sicherheit beitragen, noch ist es realistisch, dass sie jemals kommen wird. Kein Land Europas würde eigene Soldaten einer Armee zur Verfügung stellen, die im Zweifel auch gegen den Willen der eigenen Bevölkerung eingesetzt werden kann. Diese Hürde könnte nur durch das Prinzip der Einstimmigkeit bei Auslandeinsätzen überwunden werden. Die Folge wäre vermutlich eine völlige Handlungsunfähigkeit. Das Zaudern Berlins in Bezug auf die angeforderte militärische Hilfe Frankreichs nach den Terroranschlägen von Paris zeigt die hohe Hemmschwelle, eigene Soldaten für Partner zu mobilisieren. Als sich 2011 die Frage stellte, ob ein Eingreifen in Libyen nötig sei, unternahmen Großbritannien und Frankreich letztendliche einen Alleingang – gegen den Widerstand der deutschen Regierung. Selbst wenn Regierungen von der Notwenigkeit eines Einsatzes überzeugt sind, kann dies an Bevölkerung und Parlament scheitern. So erging es kürzlich David Cameron. Er zog den Antrag auf eine militärische Intervention in Syrien zurück, da der Widerstand im Parlament zu groß war. Dagegen sind sinnvolle Kooperationen in den Bereichen Ausbildung und Beschaffung sehr hilfreich und umsetzbar.

Wenn wir gegen die vielbeschworene „Bedeutungslosigkeit“ mit einem zentralistischen Europa zu Felde ziehen würden, würden wir die eigenen Stärken zunichtemachen. Vielleicht ist es sogar eine Chance, nicht im Weltmächte-Poker mitspielen zu müssen. Kleine, geradezu marginale Staaten gehören zu den wohlhabendsten der Welt. Das militärische (Droh-)Potenzial eines Landes wie der Schweiz, wo die Luftwaffe nur in den Bürozeiten zwischen 8 und 17 Uhr Dienst tut, scheint sehr bescheiden. Das Bruttoinlandsprodukt der Eidgenossenschaft hat das Gewicht eines Reissacks auf dem Containerschiff der Weltwirtschaft. Doch die Schweizer scheinen sich recht wohl zu fühlen mit ihrer „Bedeutungslosigkeit“. Was den Schweizern bleibt, ist ihre Diplomatie. Viele Konflikte wurden bereits auf dem „neutralen Boden“ der Schweiz verhandelt. Kooperation und Dialog ist die Stärke der Kleinen.

Ein imperial auftretendes Europa wäre mit Sicherheit kein liberales Europa

Ein konföderales Europa sollte sich unermüdlich für Freihandel einsetzen. In einem solchen Fall ist ein gemeinsames Auftreten durchaus sinnvoll. Weniger, um Stärke zu demonstrieren, als vielmehr, um Komplexität zu reduzieren. Ein gemeinsamer Markt macht gemeinsame Regeln für den Außenhandel unabdingbar. Auch bei den Verhandlungen über TTIP muss sich Europa nicht den USA gegenüber wie eine Weltmacht gebärden, um ein ordentliches Ergebnis zu erzielen. Europa muss den Wettbewerb mit anderen Regionen der Welt nicht scheuen. Handel ist kein Null-Summenspiel, bei dem der Stärkere gewinnt und der Schwächere verliert. Mit den Bemühungen für Freihandel kann Europa einen großen Beitrag zur Völkerverständigung und zur Überwindung der Armut in der Welt leisten.

Welche Rolle in der Welt sollte ein konföderales Europa einnehmen? Otto Lambsdorff schrieb über den Weltmachtanspruch Europas: „Ein solches Gehabe braucht Europa nicht. Ein imperial auftretendes Europa wäre mit Sicherheit kein liberales Europa.“. Europas Rolle in der Welt sollte es seien, seine Werte Marktwirtschaft, Demokratie und Subsidiarität glaubhaft zu leben und zu verteidigen. Weltmachtsfantasien gehören nicht zu einem konföderalen Europa. Wenn das Modell eines konföderalen Europas erfolgreich sein wird, werden andere Europa folgen. Wenn das kein Erfolg für den alten Kontinent wäre!