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Mit Angst wird Politik gemacht. Nicht erst seit gestern, sondern heute umso mehr. Als die Eisenbahn als Fortbewegungsmittel die Postkutschen ersetzte, empfanden viele dies als Bedrohung. Wohin sollte diese Schnelllebigkeit denn führen? Ist es denn gut und richtig, dass Reisen jetzt für jedermann erschwinglich werden? Können die einfachen Bürger denn mit dieser Freiheit überhaupt umgehen? Als die kabellose Welt des Internets durch WLan und Hotspots aufkam, sahen viele die Gefahr der Strahlenbelastung und des Elektrosmogs aufkommen. Viele meinten damals, diese Entwicklung könne nicht gut sein. Wer weiß, welche gesundheitlichen Schäden dadurch alles verursacht würden? Nicht ohne Grund gibt es in Deutschland bei der Anwendung der Gentechnik eine breite Front der Gegnerschaft. Diese darf so lange nicht breit eingeführt werden, bis deren noch nicht bekannten Nachteile nicht gründlich auf ihre langfristigen Folgen untersucht wurden.

Die Neigung, erst die Risiken zu sehen und die Chancen zu vernachlässigen, ist gerade in unserem Land besonders ausgeprägt. Intelligente Kampagnen setzen auf diese Ängste. Sie sind vorherrschend in der aktuellen Debatte um das Freihandelsabkommen TTIP. Hier werden Antiamerikanismus und vermeintlicher Verbraucherschutz in eine dicke Suppe gerührt. Die jüngsten Pseudoenthüllungen von Greenpeace und einiger Medien sind ein Beispiel dafür. Da werden Verhandlungsziele beider Seiten skandalisiert und dies von zwangsbeitragsfinanzierten Medien publiziert, als wären es Ergebnisse eines umfangreichen Enthüllungsjournalismus. Der Kern dieser Enthüllungen ist, dass die Amerikaner in ihrer Verhandlungsstrategie besonders ihre Nahrungsmittelexporte in die EU erhöhen und die EU die Automobilexporte für den amerikanischen Markt verbessern wollen. Wer hätte das gedacht? Plötzlich werden gefühlt Millionen von Chlorhühnern über Deutschland geschüttet und Abermillionen manipulierte VWs verpesten Arizona. Das kann nicht gut sein, sagen uns die öffentlich-rechtlichen Angestellten vom NDR und WDR im Enthüllerhemd und die Kampagnenprofis von Greenpeace positionieren sich vor dem Brandenburger Tor und zeigen nebenan auf die Politiker im Büßerhemd.

Drei Dinge sollten uns allen Sorge machen:

Erstens: Freihandel hat keine Lobby. Die Gegner des weltweiten ungebremsten Austauschs von Waren und Dienstleistungen sind auf dem Vormarsch. Sie alle glauben, dass sie althergebrachte Privilegien verlieren. Sie sind gesellschaftspolitisch nicht einer bestimmten Schicht oder politischen Richtung zuzuordnen, sondern überall vertreten.

Zweitens: die Medien unterstützen in einer großen Mehrheit diesen Skeptizismus. Insbesondere die öffentlich-rechtlichen Medien von ARD und ZDF spielen eine unrühmliche Rolle. Aber nicht nur, auch die Tageszeitungen schreiben ungeprüft und unreflektiert ab. Sie müssen sich nicht über pauschale Urteile wundern.

Drittens: der Ton macht die Musik. Die Tonalität wird schärfer, verletzender und erbitterter. Eine Verstumpfung und Verflachung macht sich breit im Land eines Goethe und Schillers.

Wohin das führt, ist nicht absehbar. Doch für eine freie Gesellschaft sind das Entwicklungen, die uns herausfordern sollten. Was hilft gegen mediale Panikmache? Was hilft gegen Verlustängste von gesellschaftlichen Gruppen? Was hilft gegen die Verrohung der Sitten? Gesetze, staatliche Ordnungsmacht oder Zwang werden es sicherlich nicht sein. Wahrscheinlich hilft nur Aufklärung. Das ist die schwierigste, aber zugleich wirkungsvollste Herangehensweise. Doch die Geschichte sollte uns Mut machen.

Die Hexenverbrennung hörte in der frühen Neuzeit nicht deshalb auf, weil die Gesellschaft der Auffassung war, man habe nunmehr alle Hexen verbrannt oder ersäuft. Es lag wahrscheinlich daran, dass irgendwann die Erkenntnisse der Menschen so weit entwickelt waren, dass der Irrtum als solcher erkannt wurde, willkürlich einzelne Menschen für Katastrophen oder Naturereignisse verantwortlich zu machen. Daraus folgt: Alles wird gut! Wahrscheinlich hilft nur Aufklärung. Das ist die schwierigste, aber zugleich wirkungsvollste Herangehensweise. Doch die Geschichte sollte uns Mut machen.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

2 Kommentare
  1. Christian Caire
    Christian Caire sagte:

    Verehrter Herr Schäffler,
    ist es möglich, dass die ca. 15.000 Lobbyisten alle aus Brüssel verschwunden sind? Oder die ca. 3.000 aus Berlin?
    Oder liegt bei ihnen eine Verwechslung vor? Keine Lobby heißt dann keine Demonstranten auf der Straße?
    Der sogenannte Freihandel hat die stärkste, finanzkräftigste, am besten mit der politischen Elite vernetzte Lobby auf diesem Planeten!
    „Die Medien“ haben nach gut 2 Jahren fast ausschließlich positiver Berichterstattung bemerkt, dass trotz dieser positiven Berichterstattung die Zielgruppe von Abkommen wie CETA + TTIP, nämlich die gemeinen Steuerzahler und Konsumenten stärker ihrem Bauchgefühl trauen, dass Abkommen, die derart unter Geheimhaltung verhandelt werden, dass nicht einmal die sog. politische Elite Inhalte erfuhr, nicht im allgemeinen Interesse liegen können.

    Daher der Schwenk.
    Und nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass schon zwei fundamentale Unterschiede in den Pos. von VSA und EU genügen, um die Sinnhaftigkeit der Abkommen in Frage zu stellen:
    1. Die Unvereinbarkeit einer Vorsorgehaltung wie in der EU gegenüber der „Nachprüfhaltung“ in den VSA,
    2. Die Festlegung von Produktstandards, verbindlich für alle EU-Produzenten europaweit und zugleich die föderalistische Situation in den VSA, wo jeder Bundesstaat eigene Rechte zur Setzung von Standards und Bedingungen hat und Weisungen aus Washington nicht unterliegt. Somit völlige Waffenungleichheit für europäische Exporteure.

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  2. Andreas Schiebe
    Andreas Schiebe sagte:

    Sehr geehrter Herr Schäffler,

    ich schätze Ihre kritischen Ansichten zur Politik der EZB oder der Euro-Rettungspolitik sowie Ihre liberale Einstellung zur subsidiaren Rolle des Staates sehr. Wer aber, wenn nicht der Staat, kann für ein Land einen rechtlichen Rahmen herstellen, der von der Mehrheit der dort Lebenden mit ihren Traditionen und ihrem Lebensgefühl verbindlich und orientierend ist? Das gilt ja auch zum Beispiel für Griechenland, das durch die Aufnahme in den nicht passenden wirtschaftlichen Rahmen der Eurostaaten in eine schwere Krise geraten ist. Im TTIP-Abkommen sollen wir unsere gesetzgeberische und judikative Souveränität, von der ja doch noch gewisse Reste vorhanden sind, aufs Spiel setzen, damit Weltkonzerne noch ungehinderter global agieren können (Recht des Stärkeren) mit vielleicht dem einen oder anderen wirtschaftlichen oder Konsum-Benifit für den gemeinen Verbraucher, aber andererseits immer geringerer Einflussnahme darauf, wie in unserem Land das rechtliche Zusammenleben gestaltet wird. Wir dürfen dann u.U. nichts mehr beschließen, was uns aus Umweltschutzgründen wichtig wäre, da es gegen ein internationales Handelsabkommen verstoßen würde. Nicht nur die Europroblematik lässt es immer mehr Menschen dämmern, dass sie von „denen da oben verschaukelt“ werden, was sich allmählich zu einer „Europadämmerung“ auswachsen könnte. TTIP und CETA sind weitere Prozesse in diese Richtung. Von daher verstehe ich nicht die Ihre Logik in diesem Beitrag.

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