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Von Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre und Praktikant bei Prometheus.
Wir leben in einer Welt, die sich immer stärker globalisiert: Japanische Autos, chinesische Smartphones und amerikanische Burger gehören ebenso zu unserem Alltag wie die Möglichkeit, innerhalb von Sekunden Nachrichten über das Internet in die letzte Ecke der Welt zu senden. Neue politische und ökonomisch Schwergewichte wie China, Indien und Brasilien haben in den letzten Jahrzenten die Weltbühne betreten. Weitere werden folgen. Dahinter stehen eigentlich großartige Neuigkeiten. Die aufstrebenden Länder haben sich zunehmend einer marktwirtschaftlichen Ordnung zugewendet und ernten die ersten Erfolge dieser Bemühungen. Sie haben von der freien westlichen Welt gelernt wie Wirtschaftssysteme mehr Wohlstand schaffen. Der Weg für viele Staaten hin zu einer offenen Gesellschaft ist noch weit, aber schon die ersten Schritte zeigen ermutigende Ergebnisse.
In Europa macht sich allerdings ein Gefühl der Angst breit. Die Veränderungen stellen alte Strukturen und Privilegien in Frage. Die neue Macht der Anderen ist unheimlich. Der Präsident des europäischen Parlaments, Martin Schulz, schreibt „Nur wenn wir zusammenhalten und uns als 500 Millionen Einwohner starken Kontinent sehen, werden wir auch noch in 20 Jahren mit den USA, mit China und den aufstrebenden Mächten auf Augenhöhe stehen können. Scheitert die europäische Integration, werden wir in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.“ Wo die alten Nationalstaaten an ihre (Macht-)Grenzen stoßen, soll ein größeres Gebilde, ein Super-Nationalstaat, einspringen. Es ist nur ein kurzer Weg von der Angst vor der Bedeutungslosigkeit hin zu Großmachtsfantasien à la 19. Jahrhundert. Die politischen Implikationen sind unteranderem eine europäische Armee und eine gemeinsame Außenpolitik, aber ebenso die gemeinsame Währung und eine gemeinsame Fiskalpolitik.
Die Welt wird ein Dorf und unsere Antwort soll der europäische Zentralstaat seien?
Es stellt sich zwei grundsätzliche Fragen: Ist im Zeitalter der Globalisierung Europa als Großmacht überhaupt realisierbar? Und: Ist es überhaupt ein erstrebenswertes Ziel, weltweite Bedeutung zu haben?
Die erste Frage kann wohl mit einem Nein beantwortet werden. Und das liegt an der Globalisierung: Je stärker ein Land mit dem Rest der Welt verbunden ist, desto stärker wird der Gestaltungsspielraum der Politik eingeschränkt. Wirtschaftspolitisches Harakiri wird durch den Abzug des weltweit hochmobilen Kapitals bestraft. Brasilien, Venezuela und Argentinien sind nur einige aktuelle Beispiele. Aber auch Menschen werden immer mobiler. Wenn die Steuerlast zu groß werden sollte, ist der „Exit“ einfacher denn je. Tausende Deutsche beweisen dies jedes Jahr, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt verlegen. Jenseits des Rheins, in der Schweiz, finden sie ihre neue Heimat. Die Globalisierung schränkt die Effektivität staatlicher Interventionen zunehmend ein.
Auch militärische Überlegenheit kann nicht die gewünschte Machtfülle bringen. Kernwaffen halten andere Regierungen im Schach und garantieren die Sicherheit Europas vor Angriffen andere Staaten. Mehr als ein Gleichgewicht des Schreckens können sie aber nicht erreichen. Sie sorgen für unsere Sicherheit, aber als Drohmittel in der Außenpolitik sind sie völlig ungeeignet. Auch eine Bündelung der konventionellen Streitkräfte verspricht kaum, ein ernstzunehmendes Ass im Ärmel der europäischen Politik zu sein. Viele Konflikte sind mit Hilfe von militärischer Überlegenheit nicht mehr zu gewinnen. Die Vereinigten Staaten haben diese schmerzliche Erfahrung in den letzten Jahren machen müssen.
Kooperation und Dialog ist die Stärke der Kleinen
Zur zweiten Frage: Es gibt gute Gründe dafür, dass das Wohlergehen der Europäer nicht von einer größeren Machtfülle, Augenhöhe und Bedeutung abhängt. Ein auf Weltgeltung ausgelegtes Europa ersetzt die Probleme der Nationalstaaten durch ein europäisches Problem. Mises fürchtet sogar: „An Stelle des französischen, des deutschen, des magyarischen Chauvinismus soll der europäische treten; seine Spitze soll sich gegen die „Ausländer“ kehren, gegen Briten, Amerikaner, Russen, Chinesen, Japaner; nach innen aber soll es ein alle europäischen Völker einigendes Gebilde sein.“.
Europa braucht den Wettbewerb der Systeme innerhalb Europas, um aus Fehlern lernen zu können. Nicht Einheit und Zentralismus machen Europa zu einem lebenswerten Ort, sondern seine eigentlichen Stärken, die diesem Prinzip geradezu entgegengesetzt sind: Vielfalt, Marktwirtschaft, Demokratie und Subsidiarität.
Den Weltmachtsanspruch aufzugeben, bedeutet aber nicht, die Sicherheit Europas zu vernachlässigen. Die Sicherheit vor Angriffen von außen hängt nicht von dem Status als Weltmacht ab. Eine starke gemeinsame Verteidigung im Rahmen der NATO ist Garant für die territoriale Integrität Europas. Die schrecklichen Anschläge in Paris und zuvor in London sowie Madrid haben gezeigt, dass mit konventioneller Verteidigung allein die Sicherheit Europas nicht zu gewährleisten ist. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Der Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden kann sicherlich verbessert werden, aber nicht nur innerhalb Europas, denn Terror organisiert sich international.
Eine gemeinsame europäische Armee würde weder zu mehr Sicherheit beitragen, noch ist es realistisch, dass sie jemals kommen wird. Kein Land Europas würde eigene Soldaten einer Armee zur Verfügung stellen, die im Zweifel auch gegen den Willen der eigenen Bevölkerung eingesetzt werden kann. Diese Hürde könnte nur durch das Prinzip der Einstimmigkeit bei Auslandeinsätzen überwunden werden. Die Folge wäre vermutlich eine völlige Handlungsunfähigkeit. Das Zaudern Berlins in Bezug auf die angeforderte militärische Hilfe Frankreichs nach den Terroranschlägen von Paris zeigt die hohe Hemmschwelle, eigene Soldaten für Partner zu mobilisieren. Als sich 2011 die Frage stellte, ob ein Eingreifen in Libyen nötig sei, unternahmen Großbritannien und Frankreich letztendliche einen Alleingang – gegen den Widerstand der deutschen Regierung. Selbst wenn Regierungen von der Notwenigkeit eines Einsatzes überzeugt sind, kann dies an Bevölkerung und Parlament scheitern. So erging es kürzlich David Cameron. Er zog den Antrag auf eine militärische Intervention in Syrien zurück, da der Widerstand im Parlament zu groß war. Dagegen sind sinnvolle Kooperationen in den Bereichen Ausbildung und Beschaffung sehr hilfreich und umsetzbar.
Wenn wir gegen die vielbeschworene „Bedeutungslosigkeit“ mit einem zentralistischen Europa zu Felde ziehen würden, würden wir die eigenen Stärken zunichtemachen. Vielleicht ist es sogar eine Chance, nicht im Weltmächte-Poker mitspielen zu müssen. Kleine, geradezu marginale Staaten gehören zu den wohlhabendsten der Welt. Das militärische (Droh-)Potenzial eines Landes wie der Schweiz, wo die Luftwaffe nur in den Bürozeiten zwischen 8 und 17 Uhr Dienst tut, scheint sehr bescheiden. Das Bruttoinlandsprodukt der Eidgenossenschaft hat das Gewicht eines Reissacks auf dem Containerschiff der Weltwirtschaft. Doch die Schweizer scheinen sich recht wohl zu fühlen mit ihrer „Bedeutungslosigkeit“. Was den Schweizern bleibt, ist ihre Diplomatie. Viele Konflikte wurden bereits auf dem „neutralen Boden“ der Schweiz verhandelt. Kooperation und Dialog ist die Stärke der Kleinen.
Ein imperial auftretendes Europa wäre mit Sicherheit kein liberales Europa
Ein konföderales Europa sollte sich unermüdlich für Freihandel einsetzen. In einem solchen Fall ist ein gemeinsames Auftreten durchaus sinnvoll. Weniger, um Stärke zu demonstrieren, als vielmehr, um Komplexität zu reduzieren. Ein gemeinsamer Markt macht gemeinsame Regeln für den Außenhandel unabdingbar. Auch bei den Verhandlungen über TTIP muss sich Europa nicht den USA gegenüber wie eine Weltmacht gebärden, um ein ordentliches Ergebnis zu erzielen. Europa muss den Wettbewerb mit anderen Regionen der Welt nicht scheuen. Handel ist kein Null-Summenspiel, bei dem der Stärkere gewinnt und der Schwächere verliert. Mit den Bemühungen für Freihandel kann Europa einen großen Beitrag zur Völkerverständigung und zur Überwindung der Armut in der Welt leisten.
Welche Rolle in der Welt sollte ein konföderales Europa einnehmen? Otto Lambsdorff schrieb über den Weltmachtanspruch Europas: „Ein solches Gehabe braucht Europa nicht. Ein imperial auftretendes Europa wäre mit Sicherheit kein liberales Europa.“. Europas Rolle in der Welt sollte es seien, seine Werte Marktwirtschaft, Demokratie und Subsidiarität glaubhaft zu leben und zu verteidigen. Weltmachtsfantasien gehören nicht zu einem konföderalen Europa. Wenn das Modell eines konföderalen Europas erfolgreich sein wird, werden andere Europa folgen. Wenn das kein Erfolg für den alten Kontinent wäre!
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