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Photo: Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)

Mario Draghis Zinsvernichtungspolitik verhindert derzeit die Insolvenz von Staaten und Banken in Europa. Um diesen Zustand zu konservieren, muss der Italiener immer stärker in das Preissystem der Marktwirtschaft eingreifen. Der Ökonom Ludwig von Mises bezeichnete diese Entwicklung als Interventionsspirale. Je größer der Eingriff ist, desto umfangreicher sind die Kollateralschäden, auf die dann mit neuen, noch größeren Interventionen reagiert wird. Einer dieser Kollateralschäden ist die Enteignung der Sparer, die in Anleihen und Lebensversicherungen investieren. Sie werden kalt enteignet. Ein weiterer ist die Entstehung von Blasen an den Immobilien- und Aktienmärkten, die Mondpreise erzeugen, die bei Lichte betrachtet, nur heiße Luft sind.

Der wachsende Protektionismus ist ein weiterer Kollateralschaden. Wenn Notenbanken den Wert ihrer Währung manipulieren, um für „ihre“ Exportindustrie Wettbewerbsvorteile zu erzielen, ist das letztlich nichts anderes als eine Subvention. Manipulieren Sie den Kapitalmarktzins, dann erleichtern sie die Finanzierungsfähigkeit „ihrer“ Unternehmen. Übernahmen von Wettbewerbern oder Zukäufe sind so leichter möglich.

Die Gegenreaktionen der betroffenen Staaten sind meist Handelsbeschränkungen bis hin zu Investitionsbeschränkungen ausländischer Unternehmen. Auch bei uns droht dies nun. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel bereitet gerade ein Gesetz zur Investitionsprüfung vor, das Übernahmen ausländischer Investoren an deutschen Unternehmen unter Zustimmungsvorbehalt der Regierung stellt. Es wäre einer der größten Eingriffe ins Eigentum und in die Vertragsfreiheit seit langem. Er wird mit der Gegenseitigkeit begründet. Andere Länder machten das schließlich auch. Das stimmt zwar, hilft den Eigentümern hierzulande aber wenig. Sie werden in ihrem Handeln beschränkt.

Gabriel trifft mit seinem Vorschlag eine Grundstimmung, die sich in den Vorstandsetagen der DAX-Konzerne ebenfalls etabliert. Sie fürchten um ihre eigenen Jobs, daher wollen sie das alte Modell der „Deutschland AG“ aus dem letzten Jahrhundert wiederbeleben. Unliebsame Übernahmen aus dem Ausland sollen verhindern werden, indem die großen Unternehmen Überkreuzbeteiligungen eingehen und sich damit gegenseitig gehören. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist vorne mit dabei und koordiniert bereits das Vorgehen.

Aufgeschreckt wurden sie durch die Übernahmen des Roboterherstellers Kuka und jüngst auch durch den Verkauf des Aachener Spezialmaschinenbauers Aixtron an chinesische Investoren. Vom Ausverkauf von deutschem Know-How ist dabei die Rede, als ob dieses Know-how der Bundesregierung, den DAX-Konzernen oder allen Deutschen gehören würde.

Wären beide Unternehmen derart wichtig für die deutsche Industrie oder einzelne Unternehmen in Deutschland, hätten sich wohl auch andere Investoren gemeldet. Beides ist aber nicht geschehen oder die Angebote waren zu schlecht. Es gibt keine zwingende Logik für diese Entwicklung. Daher gilt: wehret den Anfängen, insbesondere dann, wenn plötzlich Argumente angeführt werden, die dem Investitionsstandort Deutschland und seinen Menschen schaden.

Natürlich wollen Investoren das Know-How des zu übernehmenden Unternehmens nutzen. Es ist ein wesentlicher Grund, wieso Übernahmen überhaupt stattfinden. Der deutsche Chemieriese Bayer wird den amerikanischen Agrarkonzern Monsanto nicht nur deshalb übernehmen wollen, weil deren Hauptsitz St. Louis im US-Bundesstaat Missouri so eine schöne Stadt ist und sich daher für eine Dienstreise des Bayer-Vorstandes besonders gut eignet. Der Bayer-Konzern will selbstverständlich auch das Wissen Monsantos nutzen und dadurch Wettbewerbsvorteile generieren. Daran ist nichts Verwerfliches. Problematisch ist jedoch, wenn der deutsche Wirtschaftsminister die Investitionsfreiheit und das Eigentum beschränkt und die führende Industrievertreter sich zum gegenseitigen Kartell verabreden. Ludwig Erhard würde sich in beiden Fällen im Grabe umdrehen. Beides hat Erhard Zeit seines Lebens bekämpft.

Die Entwicklung führt weg von der Marktwirtschaft und führt zu einer immer stärkeren „Verkumpelung“ von Regierung, Großindustrie und Banken. Es fördert eine Kungelwirtschaft, die nicht auf Befehl der Konsumenten wirtschaftet, sondern auf Befehl der Bürokraten. Wer weit weg ist von den Mächtigen, bleibt auf der Strecke oder schließt sich zu größeren Einheiten zusammen, um ebenfalls den Mächtigen nahe zu sein. Abschottung und Diskriminierung von ausländischen Investoren ist daher höchst problematisch.

Man muss dabei nicht nur die hohe Exportorientierung der deutschen Volkswirtschaft anführen, sondern kann generell die Freihandelsidee ins Feld führen. Nichts hat dem Wohlstand in Deutschland, in Europa und in der Welt so sehr gedient wie der Freihandel. Dafür im eigenen Land, in Europa und in der Welt zu kämpfen, wäre der eigentliche Auftrag eines wahren Nachfolgers Ludwig Erhards.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick am 20. Oktober 2016.

Photo: Fraktion DIE LINKE. im Bundestag from Flickr (CC BY 2.0)

Ein Chlorhühnchen nach dem anderen wird wie die sprichwörtliche Sau durchs Dorf gejagt. Neben dem guten Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen, zahlt sich das für die großen Panikmacher auch finanziell aus. Wieviel „Profitgier“ steckt in der Hysterie-Industrie?

Ein blühendes Geschäft

Campact, Attac, Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe – die Bilanzen dieser Unternehmen lesen sich respektabel: Greenpeace nahm im letzten Jahr 57,7 Mio. Euro ein, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) folgt mit 8,3 Mio., Campact mit 7 Mio. und schließlich Attac mit 1,8 Mio. Die DUH, Campact und sogar Attac fallen damit gemäß der Definition des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn in die Kategorie „mittlere Unternehmen“, während Greenpeace sogar als Großunternehmen gilt. Das Geschäft blüht: Campact etwa hat seine Einnahmen von etwa 2 Mio. in den Jahren 2011 und 2012 auf die 7 Mio. heute kontinuierlich und eindrucksvoll gesteigert.

Wie sich die einzelnen Kampagnen-Unternehmen finanzieren, unterscheidet sich durchaus. Am dubiosesten ist sicherlich die DUH unterwegs. Als sie vor einigen Jahren eine Kampagne zur Dieselfilter-Pflicht durchführten, wurde öffentlich, dass sie von Partikelfilterherstellern 100.000 Euro eingesammelt hatten. Neben diesen blanken Lobbyismus tritt dann noch die klassische Abmahn-Abzocke gerade von kleinen mittelständischen Unternehmen, wodurch im letzten Jahr 2,3 Mio. Euro direkt in ihre Kassen flossen. Im Jahresbericht wird diese Masche dann blumig umschrieben mit den Worten „Hinzu kommen Einnahmen des Verbraucherschutzes, die zum größten Teil aus der Kontrolle von Unternehmen stammen, die gegen die Regeln der Energieverbrauchskennzeichnung verstoßen haben.“

Der einfache Bürger öffnet sein Portemonnaie

Greenpeace und Campact nutzen solche Methoden nicht und finanzieren sich fast ausschließlich aus Spenden. Sie nehmen – das hat durchaus Anerkennung verdient – weder Gelder von der Industrie noch von der öffentlichen Hand. Attac schreibt auf seiner Website, dass sie sich „bei größeren Projekten auch durch die Akquise von Drittmitteln (öffentliche, kirchliche oder private Förderorganisationen)“ finanzieren. Ihre Finanzberichte weisen das freilich nicht auf. Prinzipiell könnte man den Impuls, sich durch Kleinspenden die Unabhängigkeit zu bewahren, für sehr lobenswert halten. Man könnte Respekt haben vor der Leistung, Hunderttausende von Spendern zum Einsatz zu motivieren.

Oder man könnte das ganze einmal durch die Logik-Brille der Agitatoren dieser Organisationen betrachten. Stellen Sie sich einmal vor, es gäbe die Organisation „Marketpeace“, die sich durch hunderttausende von Kleinspenden finanziert. Man kann darauf wetten, dass sofort die Vorwürfe laut würden, dass hier einfache Bürger übers Ohr gehauen werden mit gefälschten Studien, tendenziösen Vereinfachungen und blanken Lügen. Man würde Marketpeace Manipulation und Täuschung vorwerfen mit dem Ziel, die eigenen Taschen zu füllen.

Profit- und Panikmache

Mit Slogans wie „Ceta ist brandgefährlich“ (Greenpeace), „Für ein anderes Europa – ohne Austerität und Rassismus!“ (Attac) und „TISA – Stoppt den Geheimplan der Konzerne“ (Campact) bewegen sich die Organisationen nicht nur auf dem vielgescholtenen „Bild-Zeitungs-Niveau“. Sie arbeiten auch vornehmlich mit Ängsten. Da wird mit einem Begriff wie „brandgefährlich“ an menschliche Fluchtinstinkte appelliert. Da werden „neoliberale Politik und die globalisierte kapitalistische Ökonomie“ in einer bizarren Volte mit Rassismus in Zusammenhang gebracht. Und da wird von „Geheimplänen“ gemunkelt, als hätte sich Campact mit dem Verschwörungstheoretiker-Magazin „Compact“ zusammengetan. Das ist Panikmache. Das ist verantwortungslose Polemik. Das ist Manipulation erster Güte, die mit den Ängsten von Menschen spielt, um sie auf die eigene Seite zu ziehen und so die Kampfkassen zu füllen.

Profitgier kann sehr unterschiedliche Züge annehmen. Derzeit werden wir beispielsweise wieder sehr deutlich daran erinnert, welche Blüten sie im Bankensektor getrieben hat und noch treibt. Profitgier ist übertriebenes Eigeninteresse und uns aus gutem Grund zuwider. Aber Profitgier muss sich nicht notwendigerweise auf Geld beziehen. Der Profit, den jemand gierig verfolgt, kann etwa auch in gesellschaftlicher Anerkennung bestehen, in der Zahl von Anhängern oder in der Durchsetzung der eigenen Vorstellungen. All das sind auch Profite. Man kann sie auf normalem Wege verfolgen und viele tun das auch, ohne dass es uns anstößig vorkommen würde. Man kann Profit aber auch in einer Haltung der Gier verfolgen, wenn man immer mehr davon will und immer weniger Rücksichten zu nehmen bereit ist.

Ängste statt Argumenten

Obwohl manche der Beschäftigten in den angeführten Organisationen nicht schlecht verdienen, häufen sie doch keine Reichtümer an. Viele von ihnen sind wahrscheinlich Idealisten, für die Geld nur eine untergeordnete Rolle spielt. Oberflächlich betrachtet wäre es also eigenartig, ihnen Profitgier vorzuwerfen. Ihre Gier bezieht sich aber auf eben diese nicht-materiellen Werte. Sie haben bereits früher Zehntausende gegen TTIP und CETA auf die Straße gebracht – nun sollen es Hunderttausende sein. Sie haben die eine Partei vor sich hergetrieben – nun soll die nächste an die Reihe kommen.

Von dieser Gier getrieben ist ihnen jedes Mittel recht: Verkürzungen und Verunglimpfungen, Hohn und Hysterie, Parolen und Propaganda. Sie wittern Verschwörungen, schwingen sich zu Fürsprechern der „kleinen Leute“ auf und schüren Ressentiments gegen Unternehmer und Konzerne. Sie arbeiten mit Ängsten statt mit Argumenten und bereiten so den Boden für die Gegner von Marktwirtschaft und offener Gesellschaft auf allen Seiten des politischen Spektrums. Insofern sind sie tatsächlich Gesellschaften mit beschränkter Haftung: denn die Folgen werden vergemeinschaftet. Sehr schade, denn Kritik ist wichtig – bei der Kontrolle von Regierungshandeln wie beim Schutz der Umwelt und vielen anderen Anliegen, die allen Menschen zugutekommen würden.

Photo: Tauno Tohk from Flickr (CC BY 2.0)

Alle großen Tageszeitungen haben gerade breit darüber berichtet: Der „Club of Rome“ hat einen neuen Bericht veröffentlicht: „Ein Prozent ist genug. Mit weniger Wachstum soziale Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und Klimawandel bekämpfen“. Sie wollen mit einem Maßnahmenkatalog das weltweite Wachstum auf ein Prozent pro Jahr begrenzen. Zwar hat sich schon ihr Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ von 1972 als völlig falsch herausgestellt, dennoch liest man in Die Welt, der neue Bericht sei von berühmten Ökonomen verfasst worden. Die Zeit spricht gar von einflussreichen Zukunftsforschern. Die FAZ zitiert einen der Autoren, den Norweger Jorgen Randers, mit den Worten „Meine Tochter ist das gefährlichste Tier der Welt“. Da kann man nur sagen: Bei diesem Vater – kein Wunder! Es ist erschreckend, dass so viel geistiger Dünnpfiff die Headlines erreicht.

Da schlagen die Autoren eine Ein-Kind-Politik vor, wie sie das kommunistische China in der dunkelsten Zeit der sogenannten „Kulturrevolution“ einführte, sie wollen den Außenhandel einschränken wie im tiefsten Mittelalter und die Notenpresse noch mehr missbrauchen, wie es einem Blender wie John Law zu Beginn des 18. Jahrhunderts zur Ehre gereicht hätte. Absurder geht es kaum.

Alles wird aus der Mottenkiste herausgeholt. Angefangen bei der These von Thomas Piketty, dass die Ungleichheit zugenommen habe. Gott sei Dank, kann man da nur sagen. Piketty glorifiziert die geringere Ungleichheit in den 1950er Jahren. Seine Begründung sind die hohen Grenzsteuersätze in den USA und Europa zur damaligen Zeit. Diese betrugen je nach Land 80 bis 90 Prozent. Diese Zahlen verglich er mit den heutigen Steuersätzen und kam zum Schluss, dass die niedrigen Steuern heute schuld daran seien. Das ist, gelinde gesagt, völliger Blödsinn. In den 1950er Jahren war die Ungleichheit deshalb geringer, weil viele Länder durch den bis dahin verheerendsten Krieg aller Zeiten zerstört und ausgelaugt waren. Allen ging es gleich schlecht und Brot gab es vielfach nur mit Lebensmittelmarken. Natürlich kann Ungleichheit beseitigt werden, wenn die Steuern prohibitiv sind. Doch ist das sinnvoll? Wollen wir den Weg Chinas der 1960er und 1970er Jahre gehen oder den Weg Nordkoreas heute?

Der Vorschlag, den Außenhandel einzuschränken, ist so absurd, dass er eigentlich gar nicht widerlegt werden muss. Niemand leidet mehr unter der Beschränkung des Außenhandels als die Geringverdiener. Nicht die Millionärsgattin kauft bei Aldi oder C&A, sondern die alleinerziehende Mutter oder der Hartz IV-Empfänger. Der Freihandel macht Güter und Dienstleistungen besser und günstiger. Das kommt besonders den Geringverdienern zugute.

Mit dem Drucken von Geld durch die Notenbanken soll ein großes Konjunkturpaket für den ökologischen Umbau der Wirtschaft finanziert werden. Wahrscheinlich würde dann die Welt in die Zeit der 1920er und 1930er Jahre zurückkatapultiert und wenige Jahre später wäre durch Inflation und Arbeitslosigkeit der „Wohlstand für alle“ genauso in Gefahr wie der Zusammenhalt in der Gesellschaft.

Wer schützt uns vor solchen Gesellschaftsklempnern, die die Welt retten wollen, sie aber durch ihre Vorschläge eher zerstören? Es ist doch eine Horrorvorstellung, wenn dieses Programm sich durchsetzen würde. Und wer sollte über die Maßnahmen abstimmen? Ein neuer Mao, ein Zentralkomitee, der Club of Rome höchstselbst?

Es geht keine Regierung, kein Parlament und keine Mehrheit in der Gesellschaft etwas an, wieviel Kinder jemand zur Welt bringt. Es geht keine Regierung, kein Parlament und keine Mehrheit in einer Gesellschaft etwas an, mit wem ein Einzelner Handel treibt. Es ist grundsätzlich völlig egal, ob der Kunde in München, London oder Buenos Aires wohnt, sofern er das Produkt kaufen will. Und es ist Betrug an jedem Einzelnen, wenn der Staat die Notenpresse anschmeißt. Weniges wirkt zerstörerischer für eine freiheitliche Gesellschaft als dies. Es gibt wahrlich seit vielen Jahrhunderten zahllose Beispiel, wie durch die Manipulation des Geldwertes Elend erzeugt wurde.

Ende der 1980er Jahre habe ich ein Thermofaxgerät gekauft. Es war der Quantensprung zur damaligen Zeit, der die Kommunikation wesentlich billiger und schneller gemacht hat. Das Thermofaxpapier gilt heute wegen seiner Beschichtung als gesundheitsschädlich. Wenige Jahre später führte der technologische Fortschritt dazu, dass die Thermofaxgeräte durch Normalpapierfaxgeräte ersetzt wurden. Es brauchte kein beschichtetes Papier mehr, sondern es konnte Recyclingpapier verwendet werden. Heute gibt es in vielen Büros nicht einmal mehr ein Faxgerät, sondern alles wird per Email versandt. Was lernen wir daraus? Die These, dass Wachstum immer mehr Ressourcen und die Umwelt belastet, ist falsch. Das Gegenteil ist der Fall: erst durch Wachstum und technologischen Fortschritt finden wir immer neue Wege zur Ressourcenschonung. Dagegen belasten Länder, die frühzeitig das Modell des Club of Rome vorweggenommen haben, die Umwelt. Länder, denen es durch ihr zentral gelenktes Wirtschaftssystem nicht gelang, ausreichend Wachstum zu erzeugen, sind entweder wie die DDR oder die Sowjetunion untergegangen oder mussten sich wie China radikal wandeln. Wer meint, er habe zwischen Marktwirtschaft und Sozialismus einen dritten Weg gefunden, landet am Ende doch wieder bei den Despoten des Sozialismus.

Erstmals veröffentlicht auf Tichys Einblick.

Photo: holding graz from Flickr (CC BY 2.0)

Bundesumweltministerin Barbara Hendriks hat in dieser Woche ihr „Integriertes Umweltprogramm 2030“ vorgestellt. Wortmächtig sagte sie: „Unser Lebensstil, unser Konsum, unsere global vernetzte Volkswirtschaft nehmen die natürlichen Ressourcen des Planeten in einem Ausmaß in Anspruch, das Lebens- und Entwicklungschancen in anderen Teilen der Welt gefährdet. Würden alle Menschen auf der Welt so leben wie wir, dann bräuchten wir drei Planeten“. Letzteres wird wahrscheinlich nur notwendig sein, wenn die die SPD-Frau ihre Vorstellungen durchsetzt. Denn nicht die Belastbarkeit des Planeten sollte uns Sorgen machen, sondern die Vorschläge der Ministerin und ihre Fortschrittsskepsis.

Dahinter steckt eine uralte These, die der englische Ökonom Thomas Malthus bereits Ende des 18. Jahrhunderts aufgestellt hat. Er meinte, es sei ein natürliches Gesetz, dass die Bevölkerung schneller wachse, als die Produktion der Lebensmittel und daher der Hunger auf der Welt zunehmen müsse. Er irrte sich, das glatte Gegenteil trat ein. Damals betrug die Weltbevölkerung eine Milliarde Menschen, heute sind es sieben Milliarden. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wächst der globale Wohlstand, die Menge an Lebensmitteln nimmt weltweit zu und der Anteil der absoluten Armut nimmt ab. Der Zustand der Umwelt wird ebenfalls von Jahr zu Jahr besser. Im 19. Jahrhundert war die Kindersterblichkeit in Deutschland 65 Mal höher als heute. Häufigste Todesursache war Durchfall wegen verunreinigtem Wasser. Heute kann jeder gefahrlos Leitungswasser trinken.

Die Zunahme des Wohlstandes und die Bekämpfung der Armut trotz steigendender Weltbevölkerung hat ursächlich mit dem Freihandel zu tun. Der Brite Richard Cobden gilt als einer der Wegbereiter der Freihandelsidee. Er kämpfte erfolgreich Mitte des 19. Jahrhunderts gegen Getreidezölle in England. Dort verhungerten die Menschen, weil die Preise künstlich hochgehalten wurden. Von England aus beflügelte die Freihandelsidee Menschen in ganz Europa und Amerika.

Eine wesentliche Ursache für Umweltschäden und Hunger sind nicht die Marktwirtschaft und der Freihandel, sondern Staatswirtschaft und Abschottung. Heute verhungern Menschen in Afrika und anderen Teilen der Welt, weil zum Beispiel die Europäische Union sich durch Zölle abschottet. Heute leidet die Umwelt in vielen Teilen der Welt, weil unsere Regierungen sich immer wieder in das Handeln von Menschen einmischt. Die Subvention der Windräder in Deutschland tötet Fledermäuse und Greifvögel. Die Subvention von Pelletheizungen und Biokraftstoff in Deutschland vernichtet die Regenwälder in Südostasien und Südamerika. Die Budgethilfen deutscher Entwicklungshilfe für Staaten in Afrika stützt korrupte Systeme und macht diese Länder abhängig von Transferzahlungen aus Deutschland.

Das Rezept der Umweltministerin, um die globalen Probleme zu lösen, ist eine deutliche Stärkung der naturnahen und ökologischen Landwirtschaft. Konkret schlägt sie dazu eine Beschränkung für Intensivhaltungsanlagen, die Erarbeitung einer Stickstoffstrategie und eine Absenkung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln vor. Nein, sie spricht sich nicht für die Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft aus, damit Pflanzen zur Anwendung kommen, die weniger Pestizide benötigen und dennoch einen hohen Ertrag aufweisen. Sie will, dass der Ertrag in der Landwirtschaft sinkt. Da fragt man sich, wo die in der Umweltpolitik sonst so apostrophierte Vorbildfunktion Deutschlands für die Welt geblieben ist, wenn die Regierung Landwirte dazu zwingt weniger zu produzieren. Wollten wir dieses Modell auf die Dritte Welt ausrollen, bräuchten wir nicht drei sondern zehn Planeten.

Erstmals erschienen am 10.September 2016 in der Fuldaer Zeitung.

Photo: Marcus Holland-Moritz from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Prof. Dr. Justus Haucap, Gründungsdirektor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Mitglied im Kuratorium von Prometheus.

Mit knapper Mehrheit haben die Briten am 23. Juni 2016 dafür gestimmt, die Europäische Union zu verlassen. Viele Beobachter waren sehr überrascht. Bisher war es noch immer gut gegangen. Selbst als die Franzosen und Niederländer 2005 gegen die Europäische Verfassung stimmten, tat das der Integration keinen Abbruch. „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“, so das bisher gültige Motto der EU. Nun aber will zum ersten Mal ein Land die EU wieder verlassen. Es scheint doch nicht alles alternativlos zu sein.

Besonders die wirtschaftlichen Konsequenzen werden für die Briten furchtbar sein, meinen durchaus nicht wenige meiner Kollegen (etwa hier). Die EU hingegen werde den Austritt schon verkraften, aber für die Briten sei ein Brexit desaströs, so die wohl mehrheitliche Meinung. In einer teils doch hysterisch anmutenden Berichterstattung und Kommentierung in den Tagen direkt nach dem Referendum wurden immer wieder zwei Vermutungen geäußert: Zum einen, dass viele Leute (besonders die Engländer und Waliser) wohl einfach zu dumm und zu wenig aufgeklärt seien, um die Vorteile der EU zu verstehen, und zum anderen, dass die alten Bürger zu störrisch sind und den jungen Briten in einem Akt der Misanthropie die Zukunft verbauen wollten. Dabei haben sich sehr viele junge Wähler der Stimme enthalten, weil es ihnen wohl doch nicht so wichtig zu sein schien, ob Großbritannien nun zur EU gehört oder nicht. Von den 18- bis 24-jährigen haben anscheinend nur 36 Prozent ihre Stimme abgegeben. Und auch die These, dass es primär Dummheit, Nationalismus oder gar Rassismus sei, die zu einer Skepsis gegenüber Brüssel führe, zeugt von Hochmut und mangelnder Fähigkeit zu differenzieren. Die Brexiteers sind keine homogene Masse, sondern ein recht heterogener Haufen. Ja, zum einen sind dies britische Nationalisten, aber es sind auch libertäre Ökonomen dabei und Bürger, denen die EU zu zentralistisch, zu bevormundend und zu wenig subsidiär ist.

Ob nun die wirtschaftlichen Konsequenzen für Großbritannien wirklich so dramatisch sein werden, wie manchmal skizziert, ist gar nicht klar. Interessanterweise gab der FTSE100, der Aktienindex der 100 wichtigsten britischen Unternehmen am Tag nach dem Referendum bis zum Börsenende nur um 3,15 Prozent nach. Der DAX hingegen verlor 6,8 Prozent, der französische Index CAC40 8 Prozent und die EuroStoxx 50, die 50 wichtigsten europäischen Aktien, sogar 8,6 Prozent. Mit der Interpretation sollte man vorsichtig sein, aber sicher suggerieren die Zahlen nicht, dass Großbritannien schwer getroffen wird, während es für den Rest der EU kaum etwas ausmacht. Natürlich herrscht nun große Unsicherheit, wie es genau weitergehen wird. Kurzfristig wird es negative Folgen für die britische und europäische Wirtschaft geben. Aber mittelfristig kann der Brexit auch eine Chance sein, sowohl für Großbritannien als auch für die EU.

Vieles wird, sowohl für Großbritannien als auch die EU, letztlich davon abhängen, wie sich die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien ausgestalten werden. Dass es etwa zu einem Handelsembargo kommen wird, ist schwer vorstellbar. Der Freihandel und der Binnenmarkt werden sehr wahrscheinlich bestehen bleiben und damit auch ein Großteil der wirtschaftlichen Vorteile. Dass Großbritannien sich nun möglicherweise nicht an das Verbot von Glühbirnen, Plastiktüten und leistungsstarken Staubsaugern wird halten müssen, dürfte hingegen kaum wirtschaftlich spürbar sein. Auch die Schweiz und Norwegen darben trotz fehlender EU-Mitgliedschaft nicht im Elend, obgleich auch die Freizügigkeit etwa zwischen der Schweiz und den EU-Staaten im Vergleich zur Freizügigkeit innerhalb der EU drastisch eingeschränkt ist (zum Beispiel weil tendenziell nur EU-Bürger mit einem festen Arbeitsplatz oder einem anderweitig ausreichendem Einkommen ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegen können). Der Thinktank Open Europe hat dementsprechend im März letzten Jahres prognostiziert, dass die Auswirkungen des Brexits positiv oder negativ sein können – je nachdem, welche Politik ergriffen wird. Denkbar wäre etwa auch, dass die Briten beim transatlantischen Freihandel voranpreschen, während große Teile der verbleibenden EU hier wesentlich zögerlicher sind. Der Austritt der Briten wird in der EU die protektionistischen und fortschrittsfeindlichen Kräfte weiter stärken.

Es mag provokant sein, aber: Die jungen Briten mögen mit ihrer impliziten Einschätzung durchaus recht gehabt haben, dass es letztlich zumindest ökonomisch nicht so einen großen Unterschied macht, ob Großbritannien nun in der EU ist oder nicht. Der Verweis, dass Großbritannien in den vergangenen 40 Jahren seit dem Zutritt zur EU einen starken wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hat, stimmt natürlich. Allerdings gilt das auch für die Schweiz und Norwegen und sogar für Australien und Südkorea. Wie viel von diesem Aufschwung etwa auf eine EU-Mitgliedschaft im Vergleich zu einer hypothetischen Beschränkung auf die Mitgliedschaft in der europäischen Freihandelszone (EFTA) zurückzuführen ist, ist völlig unklar.

Europäische und auch deutsche Politiker, die jetzt fordern, die Briten ob ihres demokratischen Ungehorsams besonders deutlich zu bestrafen, werden vor allem auch der deutschen und europäischen Wirtschaft selbst schaden. Vergeltung ist eine ziemlich schlechte Antwort auf eine demokratische Entscheidung. Die EU ist keine Sekte, aus welcher man nicht wieder ohne Androhung von Vergeltungsmaßnahmen austreten darf.

Überhaupt reflektieren die Granden der EU erstaunlich wenig, welcher Reformbedarf denn wohl in Brüssel bestehen könnte. Es ist sicher eine menschlich verständliche Reaktion, die Schuld für das empfundene Desaster bei anderen zu suchen. Daher überrascht es auch nicht wirklich, dass besonders europäische Politiker vor allem über die Briten schimpfen, bei der Europäischen Union und ihren Institutionen jedoch offenbar kein Versagen erkennen können. Dabei ist das Vertrauen vieler Bürger in die Brüsseler Entscheidungsprozesse schon lange erschüttert. Das wiederholte Brechen von Recht (etwa der sogenannten Maastricht-Kriterien oder der Dublin-Verordnung zur Aufnahme von Flüchtlingen) und Versprechen („Kein weiteres Hilfe-Paket/Bail-out für Griechenland“) trägt nicht zur Vertrauensbildung bei. Die Haltung der Brüsseler Eliten, den (etwa dummen) Bürgern einmal zu erklären, was gut für sie ist, stößt auf Skepsis bei vielen. Viele Bürger empfinden etwa die Flüchtlinge nicht als „ein Geschenk wertvoller als Gold“, wie Martin Schulz es im Juni in seiner Heidelberger Hochschulrede ausgedrückt hat. Vielmehr sehen viele die mit der Flüchtlingskrise verbundenen Kosten und Risiken. Die mangelnde Handlungsfähigkeit und -willigkeit der EU führt hier sicher nicht zu einem positiven Bild von der EU. Und es nimmt den Menschen auch nicht die Ängste, sie im Gegenzug als unverbesserliche Rassisten zu beschimpfen. Auch Behauptungen wie die, dass es nie einen Bail-out Griechenlands geben werde oder dass die Energiewende die Bürger nicht mehr als eine Tasse Cappuccino kosten werden, führen zu einer fundamentalen Erosion des Vertrauens in die Politik. Mit Hochmut und Beschimpfungen der Wählerschaft wird man das verloren gegangene Vertrauen nicht zurückgewinnen.

Wie weit die Brüsseler Führung inzwischen von den Bürgern entfernt ist, zeigt die Reaktion Jean-Claude Junckers, der nun nicht innehalten und reflektieren möchte, sondern mit noch mehr Tempo mehr Staaten zur Übernahme des Euro drängen will. Das erinnert an Erich Honeckers Realitätsverlust im August 1989 als er glaubte, den Sozialismus in seinem Lauf hielten weder Ochs noch Esel auf.

Nicht nur die Briten sind nun gefordert. Auch die Europäische Union muss sich grundlegende Gedanken machen, wie es weitergehen soll. Weniger Harmonisierung und weniger Zentralismus sind nicht das Ende der Europäischen Union, vielmehr läge in einer Rückkehr zu einem echten Subsidiaritätsprinzip eine echte Chance, einen europäischen Staatenverbund doch zu einem Erfolg werden zu lassen. Der Brexit kann ein Weckruf zur richtigen Zeit sein, wir benötigen nun eine sachliche und gesellschaftliche Debatte über die Zukunft der EU. Panikmache, Hysterie und Durchhalteparolen sind dagegen fehl am Platz.

Erstmals veröffentlicht auf Merton Magazin.