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Photo: Donnie Ray Jones from Flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Marco Bonacker, Referent für Erwachsenenbildung im Bistum Fulda.

Das Thema der intergenerationellen Gerechtigkeit hat mehrere Aspekte: Die Verantwortung gegenüber der Kinder- und Enkelgeneration drängt sich gegenwärtig in existentiellen ökologischen Herausforderungen auf, die aber als Zukunftsszenario eher diffus bleiben. Schon klarer werden die Folgen aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen, wenn es ums Geld geht. Gerade im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise wird deutlich, dass ein schuldenbasiertes Wirtschaftssystem gerade für nachfolgende Generationen zum Problem werden wird. Die künstlich niedrigen Zinsen tun ihr Übriges, um die Spareinlagen der Jüngeren zu gefährden. Gleiches gilt für ein Rentensystem, das im Kontext des demographischen Wandels die Vorstellungen eines funktionierenden Generationenvertrages im Grunde ad absurdum führt.

Spätestens wenn die Generation der Babyboomer in etwa 15 Jahren in Rente geht und immer weniger Erwerbstätige für immer mehr Rentenbezieher aufkommen müssen, wird sich die Frage der reinen Finanzierbarkeit aufdrängen. Es ist kaum anzunehmen, dass in diesem Zusammenhang von Seiten der Politik bereits erschöpfende Lösungen präsentiert wurden. Im Gegenteil: Ein demokratisches System neigt natürlicherweise zunächst dazu, den aktuellen Wählerwillen zu berücksichtigen, um nicht abgewählt zu werden. Die Einführung der „Rente mit 63“ ist dabei nur ein deutliches Beispiel für den größer werdenden politischen Interessenkonflikt zwischen den Generationen.

Neben all diesen negativen Entwicklungen für die Jüngeren muss man zugleich festhalten: Es wird eine Generation von Erben sein. Der von den Eltern und Großeltern erwirtschaftete Wohlstand wird genau der Generation zu Gute kommen, die um ihr Rentenniveau und ihre soziale Sicherheit bangt. Ein fairer Deal also, könnte man meinen. Damit aber beginnt erst die Diskussion: Ist Erben eigentlich gerecht? Darf man überhaupt auf ein Vermögen pochen, das man sich nicht selbst erarbeitet hat? Manifestiert das Vererben nicht eine soziale Ungleichheit und zementiert damit soziale Ungerechtigkeit?

Die vielzitierte Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinandergehen zu lassen, ist ein hehres politisches Ziel. Doch erscheint gerade der staatliche Eingriff ins Erben als falscher Weg, egalitaristischen Vorstellungen zu entsprechen. Aktuell stehen gesetzliche Veränderungen an: Im Juli wurde die Kabinettvorlage für die Reform der Erbschaftssteuer vorgelegt. Die Vorlage, der harte Verhandlungen innerhalb der großen Koalition vorausgingen und die nun ein Kompromisspapier darstellt, zielt vor allem darauf ab, dass Erben größerer Betriebsvermögen nun anders veranlagt werden. Genau wie vorher gilt: Führt der Erbe das Unternehmen weiter und hält dabei bestimmte Qualitätsstandards an Lohn und Beschäftigung ein, bleibt es von der Steuer befreit. Anders als vorher wird aber, wenn das Betriebsvermögen 26 Millionen Euro übersteigt, die private Vermögenlage des Erben in die Rechnung einbezogen. Das heißt: Besitzt der Erbe oder Beschenkte ein größeres, nicht betrieblich genutztes Vermögen, wird er mehr Erbschaftssteuern auf das Betriebsvermögen zahlen müssen. Familienunternehmen, die für den deutschen Mittelstand und damit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft typisch sind, erhalten eine höhere Freigrenze für den Schwellenwert der Bedürfnisprüfung.

Die Kabinettsvorlage trägt damit zwei Dingen Rechnung: Erstens honoriert sie die Weiterführung von Unternehmen und besonders von Familienunternehmen, bei der zugleich Arbeitsplätze und Wohlstand gesichert werden. Firmen, auch wenn diese als Erbschaft weitergereicht werden, sind Orte von Innovation und Entwicklung und sind ohnehin von allgemeinem Wert. Zweitens aber verquickt er das private Vermögen des Erben mit dem betrieblichen Erbe – dies aber in einem noch vertretbaren Maß. Das private Risiko und die unternehmerische Leistung sollten schließlich nicht durch Steuern bestraft werden. Von daher ist es zu begrüßen, dass die Kabinettsvorlage in ihrer nun abgeschwächten Form dies zumindest stärker berücksichtigt als in vorherigen Entwürfen.

Freilich geht diese Reform anderen politischen Kräften nicht weit genug. Die Grundkritik: Die ungleiche Vermögensverteilung wird durch die Erbschaftssteuer zementiert und Vermögensakkumulation ohne eigene Leistung gefördert. Ohne Zweifel: Eine funktionierende Marktwirtschaft, die noch dazu sozialen Anspruch hat, ist auf gesellschaftlichen Ausgleich angelegt. Dennoch erscheint es zweifelhaft, dies gerade beim Vererben konfiskatorisch umzusetzen. Vermögen und Besitz wurden bereits versteuert, wenn es, wovon in der Regel ausgegangen werden kann, rechtmäßig erworben wurde. Der Erblasser aber muss darauf vertrauen können, dass mit seinem erarbeiteten und klug verwalteten Privatvermögen nach seinem Willen verfahren wird. Dies stärkt zwar nicht die egalitaristische Position. Das Gegenteil aber wäre weit mehr dem Vorwurf der Ungerechtigkeit ausgesetzt.

Erstmals veröffentlicht in: Die Tagespost, 22.08.2015, Nr. 100

Photo: GH Cheng from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Durchschnittlich verabschiedet der Bundestag jeden Monat über zehn Gesetze. Wo ein Problem auftaucht, wird sofort der Ruf nach einem Gesetz laut. Dabei sind Gesetze, Verordnungen und Steuern oft selbst Quelle des Problems.

Terror-Komplize Raucher

„Wir rauchen für das organisierte Verbrechen“. Mit dem Bild eines freundlichen älteren Ehepaares und unter diesem charmanten Motto wirbt Philip Morris gerade dafür, keine geschmuggelten oder gefälschten Zigaretten zu kaufen. Klar, die preiswertere Schmuggelware verdirbt massiv das Geschäft. Insofern ist es verständlich, dass Philip Morris diesen Schwarzmarkt unterbinden möchte. Auch die Begründungen sind zum Teil sehr plausibel: Die Zigaretten sind oft minderwertig. Vom Erlös profitieren kriminelle Vereinigungen, Mafia, Terroristen. Nicht ganz so plausibel, aber im Notfall noch vertretbar, ist ihre Argumentation: „Dadurch entgehen dem deutschen Staat jedes Jahr etwa 1,5 Milliarden Euro an Einnahmen für öffentliche Sicherheit und Gesundheit.“

Aber haben sich die Damen und Herren von Philip Morris wirklich den richtigen Gegner ausgewählt? Ist das Problem tatsächlich der Konsument, der einen geringeren Preis zahlen möchte? Vielleicht sollte man den Blick einmal in die andere Richtung lenken: 2 Euro, so die Website zu der Kampagne, würde eine Schachtel „illegaler“ Zigaretten kosten. Zwischen 1,35 € und 1,50 € Umsatz einer „legalen“ Schachtel gehen laut der Website statista.com an die Zigarettenhersteller. Qualitativ hochwertige Markenzigaretten könnten also offenbar günstiger als Schmuggelware verkauft werden, ohne dass Philip Morris irgendwelche Einbußen hinnehmen müsste.

Wenn Steuern wie Gesetze wirken

Könnten günstiger verkauft werden … Der hohe Preis, der Mafia, Terroristen und andere finstere Gestalten dazu motiviert, ihre billigen Zigaretten auf den Schwarzmarkt zu werfen, entsteht nämlich vor allem durch den hohen Steueranteil von derzeit ungefähr 72 % des Preises pro Schachtel. Ohne Tabaksteuer, nur mit Mehrwertsteuer, würde die Packung momentan 1,78 € kosten. Mit einer Abschaffung der Tabaksteuer wäre der Schwarzmarkt wohl binnen kürzester Zeit verschwunden. Ein Preis von 5,40 € pro Schachtel hingegen ist wie ein Konjunkturprogramm für Kriminelle. Anstatt „Wir rauchen für das organisierte Verbrechen“ sollte es heißen: „Wir besteuern für das organisierte Verbrechen“.

Die Tabaksteuer ist ein klassisches Beispiel für eine Lenkungssteuer oder auch Strafsteuer. Sie wird nicht erhoben, um allgemein Staatsaufgaben zu finanzieren, sondern um die Bürger zu einem bestimmten wünschenswerten Verhalten zu motivieren bzw. sie für vermeintlich schädliches Verhalten zu bestrafen. Damit ist diese Steuer mithin ein in Abgabenleistungen ausgedrücktes Gesetz. Die Tabaksteuer ist nun leider nur eines von hunderten von Beispielen, bei denen staatliche Stellen durch Gesetze und Steuern Probleme eher verschärfen als sie in den Griff zu bekommen. Der französische Ökonom Frédéric Bastiat machte bereits vor über 150 Jahren die scharfsichtige Beobachtung:

„Im Bereich der Ökonomie ruft eine Handlung, eine Gewohnheit, eine Einrichtung, ein Gesetz nicht nur eine einzige Wirkung hervor sondern eine Reihe von Wirkungen. Von diesen Wirkungen ist nur die erste direkt, sie zeigt sich gleichzeitig mit ihrer Ursache, man sieht sie. Die anderen entwickeln sich erst nach und nach, man sieht sie nicht… Dies ist der ganze Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Ökonomen: Der eine klebt an der sichtbaren Wirkung, der andere berücksichtigt sowohl die Wirkung, die man sieht, als auch diejenige, die man vorhersehen muss. Aber dieser Unterschied ist enorm, denn es ist fast immer so, dass die unmittelbare Folge günstig ist und die letztendlichen Folgen unheilvoll und umgekehrt.“

Strafsteuern abschaffen!

Philip Morris hat Recht mit seinem Anliegen: Konsumenten sollten nicht minderwertige Produkte kaufen. Ganz besonders nicht, wenn sich dadurch Verbrecher finanzieren. Aber solange Steuern den eigentlichen Preis so in die Höhe treiben, ist die Versuchung für den Konsumenten doch sehr hoch, moralische und gesundheitliche Bedenken beiseite zu schieben. Wenn Philip Morris sowohl Verluste durch „illegale“ Zigaretten vermeiden will als auch noch den Sumpf dieses Schwarzmarktes trockenlegen möchte, sollten sie sich lieber für die Abschaffung der Tabaksteuer einsetzen.

Das Problem: mit einer Kampagne gegen die Tabaksteuer macht man sich wohl eher weniger Freunde. Und genau das ist die Wurzel des Übels. Teure Zigaretten, so die weitverbreitete Vorstellung, bedeuten weniger Raucher. Würde mit der Abschaffung der Tabaksteuer der Schachtelpreis von 5,40 € um zwei Drittel auf 1,80 € sinken, so die Horrorvorstellung, dürfte auch der Anteil der Raucher proportional steigen. Unabhängig davon, ob das eintrifft, muss in einem Rechtsstaat aber doch eigentlich ein anderes Prinzip gelten: das der Selbstverantwortung. Menschen sollten sich genau überlegen, ob sie rauchen – nicht, weil es teuer ist, sondern weil es ungesund sein kann. Strafsteuern sind nie ein angemessenes Mittel: Zum einen bewirken sie selten das Ziel, unter dem sie erlassen werden. Vor allem aber sind sie unzulässige Eingriffe in die Autonomie der Individuen.

Photo: Wikimedia Commons

Heute jährt sich zum 800. Mal die Unterzeichnung der Magna Carta. Sie kann uns immer noch in unserem Verständnis von Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie inspirieren. Vielleicht auch im Blick auf die von Großbritannien angestoßene Debatte über EU-Reformen.

Robin Hood lässt grüßen

Die Invasion Englands durch den Normannenherrscher Wilhelm im Jahr 1066 hatte die dortige Staatsorganisation grundlegend verändert. Vor allem König Heinrich II., der von 1154 bis 1189 regierte, baute in seiner für damalige Verhältnisse sehr langen Regierungszeit den Zentralstaat aus und führte eine Bürokratie ein, die die Kontrolle des Königs über die örtlichen Herrscher, die Barone, sichern sollte. Der berühmte Sheriff von Nottingham war ein solcher Bürokrat, der lokale Adlige und Bauern gleichermaßen drangsalierte. Aus der Geschichte um Robin Hood kennt man auch den Sohn Heinrichs II., König Johann Ohneland. Er war es, der vor 800 Jahren gezwungen wurde, seine Unterschrift unter die Magna Carta zu setzen.

Nach dem strengen Regiment seines Vaters und der eklatanten Misswirtschaft seines großen Bruders Richard Löwenherz sah sich Johann bei Herrschaftsantritt mit einem harschen Krieg in Frankreich konfrontiert. Dieser Krieg verschlang Unsummen und so erhöhte sich die Steuerlast von Jahr zu Jahr. Gleichzeitig kam es zu einer starken Inflation. Es kam der Punkt, an dem die Barone sich nicht mehr in der Lage sahen, diese Bürde zu schultern. Zumal sie von ihren eigenen Untertanen, an die viele der Lasten natürlich durchgereicht wurden, auch immer mehr Druck bekam. Robin Hood lässt grüßen.

Ein dauerhafter Garant gegen Willkür

Zentralstaat, Bürokratismus, hohe Steuern, Inflation – kommt einem irgendwie bekannt vor. Genau. Und vielleicht ist es auch keine ganz große Überraschung, dass in dem Land, dessen Bürger sich schon vor 800 Jahren dagegen gewehrt haben, auch heute der Widerstand relativ groß ist gegen solche Entwicklungen. Der Zufall will es, dass der derzeitige EU-Kommissionspräsident auch Johann (Jean-Claude) heißt – und in der Tat ja auch ein Ohneland ist. Doch abseits dieser anekdotischen Petitessen können wir tatsächlich an das Jahr 1215 anknüpfen, wenn wir darüber nachdenken, wie die Freiheit des Bürgers am besten gesichert werden kann.

Bereits im ersten Artikel des Dokuments wird der langfristige Gültigkeitscharakter festgeschrieben. König Johann unterschreibt es nicht als Person, sondern in seiner Funktion als Souverän. Er vererbt die Verpflichtung an seine Nachfahren. Es handelte sich also bei der Magna Carta nicht nur um einen Deal mit dem König. Vielmehr stand die Idee dahinter, eine schriftliche Verfassung zu etablieren, um einen dauerhaften Garanten gegen die Willkür der Herrschenden zu haben. Auch wenn in den folgenden Jahrhunderten die Magna Carta viel häufiger ignoriert als befolgt wurde, hielt sich die Idee eines auf Dauer angelegten Vertrags und inspirierte mehr als 400 Jahre später die britischen Vertragstheoretiker wie John Locke, die unser modernes Demokratieverständnis geprägt haben.

Die Wurzel der Bürgerrechte

Mehrere Artikel widmen sich der Frage der Besteuerung. Fortan sollte der König nicht mehr nach eigenem Gutdünken Steuern erheben dürfen. Das Schildgeld, eine Art Kopfsteuer, die wichtigste Finanzierungsquelle des Königs bei seinen Kriegen, durfte nur noch nach Zustimmung des „common counsel“ erhoben werden. Damit war der Grundstein gelegt für das Entstehen eines Parlaments im modernen Sinne. Fünfzig Jahre später, im Januar 1265, tritt dann auch zum ersten Mal ein englisches Parlament in Westminster zusammen. Fortan sollte der König sich genauer überlegen, ob eine Investition – in der Regel ein Krieg – wirklich nötig ist, und sollte gleichzeitig gezwungen sein, sich vor dem Parlament dafür zu rechtfertigen. Jahrhunderte später hallte der Ruf „No taxation withour representation“ aus den amerikanischen Kolonien wie ein Echo dieser Bestimmungen über den Atlantik.

Indem man dem königlichen Etat Fesseln anlegte, sollte dessen Willkür eingeschränkt werden. Der Willkür seiner Beamten setzte man klare rechtstaatliche Bestimmungen gegenüber. Es ging um die Herrschaft des Rechts, den Rule of Law. Um einen Prozess anzustrengen, sollte die Anklage allein nicht mehr ausreichen – „zuverlässige“ Zeugen waren zwingend nötig. Auch bestimmte das Dokument: „Kein freier Mann soll verhaftet, ins Gefängnis geworfen, enteignet, geächtet oder verbannt werden … außer aufgrund des rechtmäßigen Urteils seiner Standesgenossen oder aufgrund der Gesetze dieses Landes.“ Diese Bestimmungen waren wegweisend für die Geschichte der Bürgerrechte vom Habeas Corpus Act von 1679 über die Bill of Rights in der US-Verfassung bis hin zu all den Kämpfern gegen Tyrannen in unserer Zeit, in Syrien und China, in Venezuela und Russland.

Sogar die Personenfreizügigkeit und die Zollfreiheit, die wohl wichtigsten Errungenschaften der Europäischen Union wurden in der Magna Carta bereits für das Königreich England garantiert: „Alle Kaufleute sollen sicheres Geleite haben, nach England zu können und es zu verlassen, dort zu bleiben und durchzureisen, sowohl zu Land als zu Wasser; … zu kaufen und zu verkaufen, ohne alle bösen Zölle.“ [sic! „evil tolls“]

Aus der Geschichte Robin Hoods lernen

Die Magna Carta Libertatum, wie sie vollständig heißt, also die „Große Urkunde der Freiheiten“, sollte nicht lange überdauern. Viele der Adligen, die zur Zeit Johann Ohnelands die Opposition gebildet hatten, wurden bald wieder zu Komplizen des Königs. Ihre Nachfahren machten es nicht besser. Es bedurfte noch vieler hundert Jahre voller Unterdrückung und Krieg bis sich die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Selbstbestimmung stärker durchsetzen konnten. Das schmälert allerdings nicht die Bedeutung des Dokuments. Denn auch wenn England 1215 nicht sofort von einer Despotie zu einer modernen Republik wurde, war der Same gelegt, die Idee in die Welt gekommen.

Diese Idee kann uns heute noch als Leitstern dienen. Kehren wir dafür noch einmal zurück zu Robin Hood. Und zwar unabhängig davon, ob man in ihm einen verklärten Kriminellen, einen Retter der Entrechteten oder einen Vorläufer von Che Guevara sieht. Robin Hood und seine Mitmenschen hätten alle mehr davon gehabt, wenn er eine Töpferei betrieben hätte und sein Sohn eine Schule in Nottingham aufgemacht hätte. Das war aber nicht möglich, weil sie in einem Land lebten, das gebeugt wurde von zu hoher Steuerlast und in dem fast alle Bewohner der Willkür von Beamten ausgesetzt waren.

Nun ist die Situation heute vielleicht nicht mehr ganz so dramatisch wie damals im Sherwood Forrest. Und trotzdem gilt auch heute noch: Hohe Steuern, immer mehr und immer willkürlichere Gesetze und ein aufgeblähter Staatsapparat führen nicht in die Freiheit und den Wohlstand. Sie sind vielmehr der Weg in den Sherwood Forrest. Das sollten die Verantwortlichen in der EU bedenken, wenn sie mit den Reformvorschlägen aus dem Land der Magna Carta konfrontiert werden. Möge die EU ein Ort sein, an dem Robin Hood ungehindert seinen Geschäften nachgehen kann – zum Nutzen aller!

Photo: Armin Kübelbeck from Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0)

Der Sparer wird derzeit an mehreren Fronten angegriffen: Zum einen trägt Draghis Zinsvernichtung zur Enteignung der Mittelschicht in diesem Land bei. Denn diese spart im Wesentlichen in Schuldpapieren, die eigentlich Zinsen abwerfen sollten. Drückt die Notenbank durch ihre Aufkäufe die Rendite und den Zins dieser Anleihen, dann können diejenigen, die in diese Zinspapiere investieren, natürlich auch keine Erträge erwarten. Das betrifft nicht die ganz Armen, aber auch nicht die ganz Reichen in diesem Land. Es betrifft in erster Linie die Normalsparer, also die Mitte der Gesellschaft. Wer konservativ spart, in Lebensversicherungen, Festgeldern und Bausparverträgen sein Geld anlegt, der verliert.

Gleichzeitig steigen die Preise der Vermögensgüter stark an, denn dort fließt das billige Geld der Notenbanken hin. Die konsumfernen Wirtschaftszweige profitieren zuerst davon. Deren Vermögenswerte steigen durch die erhöhte Nachfrage. Sie führen so lange zu Investitionen bis Überkapazitäten geschaffen werden, die, sobald sie als solche erkannt werden, sich wieder korrigieren. Das ist dann ein Börsencrash. Er ist das äußere Zeichen dieser Übertreibung und gleichzeitig der Beginn einer Normalisierung der Verhältnisse.

So ist es auch jetzt wieder. Auch jetzt werden wieder Überkapazitäten aufgebaut. Jedoch erkennen die Investoren sie noch nicht als solche. Der Deutsche Aktienindex steigt deshalb weiter. Seit seinem Tiefpunkt 2009, als die EZB den Leitzins in mehreren Schritten auf unter 1 Prozent senkte, ist er um mehr als das Dreifache gestiegen. Das weckt jetzt Begehrlichkeiten des Finanzministers. Schäuble nutzt die Gunst der Stunde. Denn es wird vielfach als ungerecht empfunden, dass der Normalsparer mit seinen konservativen Sparformen real Geld verliert und der „gutverdienende“ Aktiensparer sich in der Aktienhausse eine goldene Nase verdient, während der Finanzminister lediglich mit 25 Prozent Kapitalertragssteuer daran partizipiert. Historisch wurde die geringe Besteuerung mit der Flüchtigkeit des Geldes begründet. Doch mit dem gerade beschlossenen Informationsaustausch der Steuerdaten aller OECD-Staaten sieht Schäuble jetzt wohl die Gelegenheit, diese „Gerechtigkeitslücke“ zu schließen. „Big brother ist wachting you“ gilt faktisch weltweit. Also kann nun auch die niedrigere Kapitalertragsbesteuerung dem Einkommensteuertarif mit seiner Besteuerung von 45 Prozent in der Spitze angepasst werden. Das ist wäre doch sozial gerecht! Oder?

Nein, gerecht ist dieses Steuersystem überhaupt nicht. Gerecht wäre es, wenn es Einkünfte jeglicher Art zu jedem Zeitpunkt gleich besteuern würde. Es wäre auch gerecht, wenn die Regierung nicht die Bürger in bestimmte Anlageformen lenken oder zwingen würde. Letzteres schlägt gerade Arbeitsministerin Nahles vor. Sie will nicht nur den Paternoster-Führerschein einführen, um das unfallfreie Benutzen eines Fahrstuhles zu üben, sondern auch eine verpflichtende Altersvorsorge für Selbständige verordnen. Das wäre fatal. Es würde die Zahl der Existenzgründer in Deutschland weiter reduzieren. Wer schon von Beginn seiner Selbständigkeit 300, 400 oder 500 Euro pro Monat in einer Lebensversicherung sparen muss, fängt erst gar nicht an, seine unternehmerische Idee hier umzusetzen, sondern wandert gleich aus.

Ein gerechtes Steuersystem, das Sparen nicht diskriminiert, sähe anders aus: Es würde Einkünfte jeglicher Art nur dann besteuern, wenn sie für den Konsum verwandt werden. Denn in unserem aktuellen Steuersystem führt die jährliche Zins- oder Dividendenbesteuerung von 25 Prozent bei langen Sparprozessen zu einer Kumulation der Besteuerung. Ein Beispiel: Wer heute ein zu versteuerndes Einkommen von 40.000 Euro im Jahr hat und einmalig 1000 Euro zur Seite legt, hat diesen Betrag bereits mit seiner Lohnsteuer versteuert. Angenommen, dieser Sparer hat ein durchschnittlichen Einkommensteuersatz von insgesamt 25 Prozent. Hätte er es nicht versteuern müssen, weil er nicht heute, sondern erst zu Beginn seines Ruhestandes in 40 Jahren konsumieren will, hätte er 1333 Euro anlegen können. Wir unterstellen, er legt diese 1333 Euro in Zinspapiere an und erzielt eine optimistische Verzinsung von 3 Prozent pro Jahr.

In einer Welt ohne Steuern könnt er zu Beginn seines Lebensabends 4349 Euro erwarten. Investiert er aus versteuertem Einkommen 1000 Euro (1333 – 25 Prozent) und seine jährlichen Zinserträge von 3 Prozent werden mit der Kapitalertragsteuer von 25 Prozent pro Jahr (3 – 25 Prozent = 2,25 Prozent) besteuert, dann hat er in 40 Jahren lediglich 2435 Euro angespart. Die Differenz von 1914 Euro sind seine gezahlten Steuern. Das entspricht, obwohl es eine Kapitalertragsteuer von 25 Prozent gibt, einer steuerlichen Belastung von 44 Prozent. Hätte er heute konsumiert und nicht in 40 Jahren, wäre er steuerlich besser gefahren.

Die Antwort auf diese Diskriminierung muss sein, Sparvorgänge nachgelagert und nicht fortlaufend zu besteuern. Das gibt es zwar in Ansätzen bei der betrieblichen Altersvorsorge und beim Riester- und Rürup-Sparen schon, nur dort drängt die Regierung die Sparer in die Kapitalvernichtung, da diese Anlageformen überwiegend in Anleihen investieren müssen, deren Verzinsung durch die EZB vernichtet wird.

Der Liberale John Stuart Mill hat bereits im 19. Jahrhundert kritisiert: „Denn was gespart und fest angelegt wird, zahlt künftig Einkommensteuer von den Zinsen oder Gewinnen, die es bringt, trotzdem dass es bereits als Kapital besteuert worden ist. Wenn daher Ersparnisse von der Einkommensteuer nicht ausgenommen werden, werden die Steuerzahler von dem, was sie sparen doppelt, und dagegen nur einmal von dem was sie ausgeben, besteuert. Der so zum Nachteile der Vorsorglichkeit und der Wirtschaftlichkeit geschaffene Unterschied ist nicht nur unpolitisch, sondern auch ungerecht.“

Kein Land und keine Gesellschaft sind jemals dauerhaft zu Wohlstand gekommen, indem sie möglichst hohen Steuern, möglichst billigem Geld und möglichst vielem Konsum frönten. Nein, das Gegenteil ist richtig. Fangen wir endlich damit an. Echte Steuergerechtigkeit ist die Voraussetzung für eine Sparkultur in Deutschland. Sparen ist die Grundlage für Investitionen, Arbeitsplätze und Wohlstand einer Gesellschaft. Und gutes Geld ist die Basis dafür.

Photo: Wikimedia

Von Kalle Kappner, ehemaliger Mitarbeiter von Frank Schäffler im Bundestag, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin und Research Fellow bei IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues.

Die Schweiz als Vorbild für die Organisation der Bundesländer

Alle Jahre wieder regen Experten aus der Wissenschaft, den Verbänden und der Politik die Fusion deutscher Länder an: Thüringen und Sachsen-Anhalt sollen zusammengelegt werden, die Länder Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg zu einem „Nord-Staat“ fusionieren, die anderen Stadtstaaten mit den sie umgebenden Flächenstaaten verschmelzen. Die Fusionsbefürworter versprechen sich davon Einsparungen in der Verwaltung, schnellere Gesetzgebungsverfahren und einheitlichere Standards etwa in der Bildungspolitik. Als Positivbeispiel wird die 1952 erfolgte Fusion dreier Länder zum heute finanziell gut aufgestellten Baden-Württemberg bemüht. Augenscheinlichen Vorteilen stehen jedoch erhebliche Nachteile gegenüber. Der Wettbewerb um Einwohner und Unternehmen regt zu lokalen Experimenten an, fördert die regionale Vielfalt staatlicher Leistungen und erlaubt den Bürgern eine bessere Kontrolle des Staates.

In der Bevölkerung, die Länderfusionen per Volksentscheid abzusegnen hat, fällt das Urteil gemischt aus. So scheiterte 1996 der Versuch, Berlin und Brandenburg zusammen zu legen, da das notwendige Quorum von 25% der abstimmungsberechtigten Bevölkerung nicht erreicht wurde. Unter den Abstimmenden sprachen sich damals 63% gegen die Fusion aus. Andererseits setzen sich zivilgesellschaftliche Initiativen für verschiedene Fusionsmodelle ein. 2007 kam eine Bertelsmann-Studie zu dem Ergebnis, dass 40% der Bevölkerung Länderfusionen grundsätzlich befürworten – in der Hälfte der Länder waren die Fusionsbefürworter sogar in der Mehrheit. Eine aktuelle Umfrage findet dagegen, dass nur 28% der Bürger Fusionen befürworten, während 69% diese ablehnen.

Kaum Kostenersparnis durch Fusionen

Ein Argument der Fusionsbefürworter sind die Kosteneinsparungen, die sie sich aus dem Wegfall paralleler Verwaltungsstrukturen erhoffen. Landesparlamente, Ministerien und andere Verwaltungseinheiten auf Landesebene würden zusammengelegt und könnten ihr Personal verringern. Viel zitiert wird eine Berechnung des Bundes der Steuerzahler, die Einsparungen von bis zu 500 Millionen Euro pro Jahr verspricht.

Im Verhältnis zu den Staatsausgaben erscheint dieser Betrag jedoch verschwindend gering. 2014 gaben die Länder 341 Milliarden Euro aus. Die prognostizierten Einsparungen entsprechen damit etwas mehr als 1 Promille der Länderausgaben. Dem müssen die anfallenden Einmalkosten für die Verwaltungsumstrukturierung gegengerechnet werden.

Wenn zwei Länder fusionieren ohne dabei ihr Leistungsangebot einzuschränken, verringern sich dadurch die meisten Kosten nicht – das Polizeipersonal, die Anzahl der Kindergärtner und der Lehrer bleibt konstant. Einspareffekte durch Skaleneffekte bei der Bereitstellung von öffentlichen Gütern können auch ohne Fusionen durch Staatsverträge und eine Erleichterung der grenzüberschreitenden Kooperation erreicht werden. Bei den Ländern besteht zwar tatsächlich erhebliches Sparpotenzial: Einige traditionelle Tätigkeitsbereiche der Länder wie zum Beispiel der Betrieb von Lotterien und landeseigener Banken sind verzichtbar, Subventionen für die regionale Wirtschaft ebenfalls. Doch hier sind Einsparungen nicht durch Länderfusionen, sondern durch eine Neudefinition der Aufgaben der Länder zu erreichen.

Fusionen schwächen Länderwettbewerb

Den geringen Kosteneinsparungen durch Länderfusionen steht eine Reduzierung der aus einem föderalen Staatsaufbau entspringenden Vorteile gegenüber. Die institutionelle Vielfalt der verschiedenen Gebietskörperschaften auf denselben Verwaltungsebenen hat für die Bürger viele Vorteile: Sie können zwischen unterschiedlichen Kombinationen aus Steuersätzen, Regulierungen und staatlichen Leistungen wählen. Zugleich sorgt der Wettbewerb zwischen den Gebietskörperschaften für eine höhere Qualität des Leistungsangebots bei niedrigeren Steuern, als dies in einem vollständig zentralisierten Staat der Fall wäre. Darüber hinaus schafft der Föderalismus Raum für lokale Experimente, die im Erfolgsfall von anderen Gebietskörperschaften nachgeahmt werden können, deren Auswirkungen beim Scheitern des Experiments jedoch regional begrenzt bleiben.

Durch Länderfusionen würde der in Deutschland ohnehin schon schwach ausgeprägte innerstaatliche Wettbewerb weiter abgeschwächt. Den verbliebenen Ländern fiele es noch leichter, stabile Kartelle zur Durchsetzung hoher Steuersätze bei mäßiger Qualität des Leistungsangebots zu bilden. Werden diese Effekte mit einkalkuliert, so erscheint es unwahrscheinlich, dass Länderzusammenlegungen langfristig zu Einsparungen führen – das Gegenteil ist zu erwarten. Statt den innerstaatlichen Föderalismus weiter abzuschwächen, sollte Deutschland über eine Aufwertung der Rolle der Gemeinden und Länder nachdenken. Statt mit dem französischen Modell zu liebäugeln, lohnt sich ein Blick auf die Schweiz.

Vorbild Schweiz: Mehr Subsidiarität

In der Schweiz bilden die Kantone die zwischen Zentralstaat und Gemeinden angesiedelte Verwaltungsebene. Auf jeden der 26 Kantone kommen durchschnittlich 300.000 Einwohner, während auf ein deutsches Land durchschnittlich etwa 5 Millionen Einwohner entfallen. In Bezug auf den Umfang der Verwaltungseinheit entsprechen die Schweizer Kantone damit eher den 402 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten.

Einwohner pro Kanton - BL

 

Zugleich sind die schweizerischen Kantone finanziell weitaus autonomer als die deutschen Länder. Zwar fällt in beiden Staaten jeweils etwa die Hälfte des Steueraufkommens den mittleren und unteren Verwaltungsebenen zu. Doch in Deutschland wurden 2014 nur 11,7% des Steueraufkommens mittels Landes- und Gemeindesteuern erhoben, also über Steuerarten, deren Setzungskompetenz nicht in den Händen des Bundes liegt. Ein Großteil der Steuereinnahmen der Länder speist sich aus vom Bund administrierten Gemeinschaftsteuern, deren Höhe und Steuerbasis die Länder nicht beeinflussen können. Die Schweizer Kantone und Gemeinden dagegen beziehen über 90% ihrer Steuereinahmen aus Steuerarten, über deren Setzungskompetenz sie selbst verfügen.

Die Schweizer Kantone können die Präferenzen der Bevölkerung durch ihre geringere Größe besser abbilden als ihre deutschen Pendants. Zugleich reagieren sie aufgrund ihrer steuerpolitischen und gesetzgeberischen Kompetenzen schneller auf sich wandelnde Ansprüche der Bürger. Geschadet hat dies den Schweizern nicht: Das Schweizer Pro-Kopf-Einkommen betrug 2014 etwa das 1,3fache des deutschen. Im Better Life Index der OECD, der die Zufriedenheit der Bürger misst, schneidet die Schweiz in allen Kategorien besser ab als Deutschland. Das Beispiel Schweiz liefert empirische Unterstützung für die theoretischen Argumente für mehr Länderautonomie. Anstatt Bundesländer zusammenzulegen und den Trend zu einem Einheitsstaat zu verstärken, sollte die Autonomie der Länder gestärkt und die Aufgliederung von Bundesländern in Betracht gezogen werden.

Erstmals erschienen bei IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues.