Photo: Donnie Ray Jones from Flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Marco Bonacker, Referent für Erwachsenenbildung im Bistum Fulda.

Das Thema der intergenerationellen Gerechtigkeit hat mehrere Aspekte: Die Verantwortung gegenüber der Kinder- und Enkelgeneration drängt sich gegenwärtig in existentiellen ökologischen Herausforderungen auf, die aber als Zukunftsszenario eher diffus bleiben. Schon klarer werden die Folgen aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen, wenn es ums Geld geht. Gerade im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise wird deutlich, dass ein schuldenbasiertes Wirtschaftssystem gerade für nachfolgende Generationen zum Problem werden wird. Die künstlich niedrigen Zinsen tun ihr Übriges, um die Spareinlagen der Jüngeren zu gefährden. Gleiches gilt für ein Rentensystem, das im Kontext des demographischen Wandels die Vorstellungen eines funktionierenden Generationenvertrages im Grunde ad absurdum führt.

Spätestens wenn die Generation der Babyboomer in etwa 15 Jahren in Rente geht und immer weniger Erwerbstätige für immer mehr Rentenbezieher aufkommen müssen, wird sich die Frage der reinen Finanzierbarkeit aufdrängen. Es ist kaum anzunehmen, dass in diesem Zusammenhang von Seiten der Politik bereits erschöpfende Lösungen präsentiert wurden. Im Gegenteil: Ein demokratisches System neigt natürlicherweise zunächst dazu, den aktuellen Wählerwillen zu berücksichtigen, um nicht abgewählt zu werden. Die Einführung der „Rente mit 63“ ist dabei nur ein deutliches Beispiel für den größer werdenden politischen Interessenkonflikt zwischen den Generationen.

Neben all diesen negativen Entwicklungen für die Jüngeren muss man zugleich festhalten: Es wird eine Generation von Erben sein. Der von den Eltern und Großeltern erwirtschaftete Wohlstand wird genau der Generation zu Gute kommen, die um ihr Rentenniveau und ihre soziale Sicherheit bangt. Ein fairer Deal also, könnte man meinen. Damit aber beginnt erst die Diskussion: Ist Erben eigentlich gerecht? Darf man überhaupt auf ein Vermögen pochen, das man sich nicht selbst erarbeitet hat? Manifestiert das Vererben nicht eine soziale Ungleichheit und zementiert damit soziale Ungerechtigkeit?

Die vielzitierte Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinandergehen zu lassen, ist ein hehres politisches Ziel. Doch erscheint gerade der staatliche Eingriff ins Erben als falscher Weg, egalitaristischen Vorstellungen zu entsprechen. Aktuell stehen gesetzliche Veränderungen an: Im Juli wurde die Kabinettvorlage für die Reform der Erbschaftssteuer vorgelegt. Die Vorlage, der harte Verhandlungen innerhalb der großen Koalition vorausgingen und die nun ein Kompromisspapier darstellt, zielt vor allem darauf ab, dass Erben größerer Betriebsvermögen nun anders veranlagt werden. Genau wie vorher gilt: Führt der Erbe das Unternehmen weiter und hält dabei bestimmte Qualitätsstandards an Lohn und Beschäftigung ein, bleibt es von der Steuer befreit. Anders als vorher wird aber, wenn das Betriebsvermögen 26 Millionen Euro übersteigt, die private Vermögenlage des Erben in die Rechnung einbezogen. Das heißt: Besitzt der Erbe oder Beschenkte ein größeres, nicht betrieblich genutztes Vermögen, wird er mehr Erbschaftssteuern auf das Betriebsvermögen zahlen müssen. Familienunternehmen, die für den deutschen Mittelstand und damit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft typisch sind, erhalten eine höhere Freigrenze für den Schwellenwert der Bedürfnisprüfung.

Die Kabinettsvorlage trägt damit zwei Dingen Rechnung: Erstens honoriert sie die Weiterführung von Unternehmen und besonders von Familienunternehmen, bei der zugleich Arbeitsplätze und Wohlstand gesichert werden. Firmen, auch wenn diese als Erbschaft weitergereicht werden, sind Orte von Innovation und Entwicklung und sind ohnehin von allgemeinem Wert. Zweitens aber verquickt er das private Vermögen des Erben mit dem betrieblichen Erbe – dies aber in einem noch vertretbaren Maß. Das private Risiko und die unternehmerische Leistung sollten schließlich nicht durch Steuern bestraft werden. Von daher ist es zu begrüßen, dass die Kabinettsvorlage in ihrer nun abgeschwächten Form dies zumindest stärker berücksichtigt als in vorherigen Entwürfen.

Freilich geht diese Reform anderen politischen Kräften nicht weit genug. Die Grundkritik: Die ungleiche Vermögensverteilung wird durch die Erbschaftssteuer zementiert und Vermögensakkumulation ohne eigene Leistung gefördert. Ohne Zweifel: Eine funktionierende Marktwirtschaft, die noch dazu sozialen Anspruch hat, ist auf gesellschaftlichen Ausgleich angelegt. Dennoch erscheint es zweifelhaft, dies gerade beim Vererben konfiskatorisch umzusetzen. Vermögen und Besitz wurden bereits versteuert, wenn es, wovon in der Regel ausgegangen werden kann, rechtmäßig erworben wurde. Der Erblasser aber muss darauf vertrauen können, dass mit seinem erarbeiteten und klug verwalteten Privatvermögen nach seinem Willen verfahren wird. Dies stärkt zwar nicht die egalitaristische Position. Das Gegenteil aber wäre weit mehr dem Vorwurf der Ungerechtigkeit ausgesetzt.

Erstmals veröffentlicht in: Die Tagespost, 22.08.2015, Nr. 100

3 Kommentare
  1. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Bei den von mir besuchten VWL-Vorlesungen wurde eindeutig von der steuerlichen Bevorzugung der Betrieblichkeit abgeraten. Dadurch hat Deutschland zwar zunächst wirtschaftliche Vorteile, aber es entsteht auch gleichzeitig eine Schieflage sowohl im Inland als auch in Europa.
    Und solange die Politik ohnehin nichts ändert, brauche ich mich eigentlich auch nicht mehr hier im Blog mit Kommentaren beteiligen. Das ist sinnlos.

    Und das SPD-Blatt Neue Westfälische hat gestern bei facebook für Herrn Steinmeier als mögliche Alternative für Gabriel geworben. Aber wenn Steinmeier wirklich so gut wäre, warum hat sich dann eigentlich noch nichts in der Politik geändert?

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  2. Thomas Kirchner
    Thomas Kirchner sagte:

    Eine hohe Erbschaftssteuer bevorzugt Betriebe, die eben gerade nicht innovativ sind, sondern viel Cash Flow abwerfen. Wer langfristig investiert und erst in vielen Jahren einen Gewinn aus seinen Investitutionen erwartet, noch dazu hohes Risiko trägt, daß der Gewinn nie eintritt, kann die Erbschaftssteuer nur aus der Substanz bezahlen und reduziert damit die Wahrscheinlichkeit, in der Zukunft jemals Gewinne zu erzielen. Kurz: echte Innovatiion wird es auch weiterhin nur im Silicon Valley geben, in Deutschland wird man bei schrittweisen Produktverbesserungen bleiben müssen, die dann als großartige „Innovation“ dargestellt werden.

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    • Ralf Becker
      Ralf Becker sagte:

      Das gesamte Finanzsystem ist fehlerhaft.

      Wir haben außerdem ein Problem mit der zunehmenden Konzentration im Einzelhandel.

      Ein (zweiter) Onkel von mir ist Gründer einer größeren Einzelhandelskette.
      Er fand es selbst schon nicht mehr in Ordnung, dass der Gesetzgeber ihm dermaßen viel Geld zuspielt.

      Der Gesetzgeber fördert steuerlich mit Abschreibungen und Betriebsausgaben die Expansion von Unternehmen (hier: Einzelhandel).
      Wenn die Expansionsphase vorbei ist, kann es dann auch schnell zu einer Unternehmenspleite kommen.
      (Beispiele: Schlecker, Praktiker)

      Wir haben jedenfalls eine zu stark expandierende Wirtschaft und immer weniger Deutsche.

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