Der Konsum von Cannabis kann die Gesundheit schädigen. Ebenso wie der Konsum von Alkohol, Zucker, Salz und Fett. Gibt es wirklich keine sinnvolleren Einsatzgebiete für Polizisten als die Bekämpfung des Konsums illegaler Genussmittel?
„Drogenpolitik“ ist ein Ergebnis historischer Zufälle
Es gibt die unterschiedlichsten Theorien zu der Gesundheitsgefährdung, die von Cannabis-Konsum ausgeht. Während die Studien und Untersuchungen des Schildower Kreises und des Deutschen Hanfverbandes von eher geringeren Gefahren ausgehen, gibt es natürlich auch Wissenschaftler, die stärkere Bedenken haben. Eine überwiegende Mehrheit geht freilich davon aus, dass Cannabis im Grunde genommen in eine Kategorie mit Alkohol gehört. Während aber tagein, tagaus, landauf, landab Alkohol in rauen Mengen konsumiert wird. werden Cannabis-Konsumenten wie Kriminelle behandelt.
Wie kommt es eigentlich dazu? Im Grunde genommen hat das sehr wenig mit Cannabis selbst zu tun und sehr viel mit historischen Zufällen. Die unterschiedlichen Produkte der Hanfpflanze waren die längste Zeit gängige Mittel in der Medizin und wurden in vielen Teilen der Welt als entspannende Genussmittel gebraucht. Erst im späten 19. Jahrhundert wurden Stimmen laut, die den Verbot von Anbau, Handel und womöglich auch Konsum dieser Produkte verbieten wollten. Aus der gleichen Ecke kam übrigens auch die Idee der Alkoholprohibtion, die die Vereinigten Staaten in den 20er Jahren in die Fänge der Mafia treiben sollte.
Stammtischparolen statt Fakten
Seitdem ist Cannabis in der Wahrnehmung vieler Menschen geradezu dämonisiert. Wer sich heute einen Joint dreht – so das Bild, das in den Köpfen herumgeht –, findet sich spätestens ein halbes Jahr später mit der Nadel im Arm auf der Bahnhofstoilette wieder. Eine solche Vorstellung haben die wenigsten Menschen, wenn sie jemand vor einem Maßkrug im Biergarten sitzen sehen. Ignoranz in Sachfragen kann man immer noch in den höchsten Etagen der Drogenpolitik finden. Die derzeitige Drogenbeauftragte Marlene Mortler begibt sich mit schlafwandlerischer Sicherheit immer wieder auf glattes Eis mit populistischen Aussagen, die durch keinerlei wissenschaftliche Beobachtung zu erhärten sind.
Ignoranz und Stammtischparolen sind die eine Seite des Kriegs gegen das Kiffen. Die andere ist weniger unterhaltsam und viel gefährlicher. Man kann darüber diskutieren, ob es sinnvoll ist, den Handel von tatsächlich hochgefährlichen Rauschmitteln wie Chrystal Meth oder Heroin zu verfolgen. In diesem Bereich gibt es gute Gründe, die dafür, aber auch ebenso gute, die dagegen sprechen. Im Fall von Cannabis ist eine Verfolgung von Besitz und Handel durch die Polizei hingegen nicht nur widersinnig, sondern auch gefährlich.
Aberwitzige Ressourcenverschwendung
Polizei und Justiz werden durch die Verfolgung von Cannabis-Delikten in hohem Maße gebunden. Viele Millionen Steuergelder werden jährlich dafür aufgewandt. Gerichte und Behörden werden über Gebühr beansprucht. Vor allem aber werden Polizeiressourcen gebunden, die anderswo wesentlich besser gebraucht werden könnten. Der Berliner Innensenator Frank Henkel hat kürzlich den Kiffern in Berlin den Kampf angesagt. Das bedeutet, dass in den nächsten Monaten die Polizei verstärkt auf die Jagd gehen wird. Zur Erinnerung: es handelt sich um ein Rauschmittel, das mit Alkohol vergleichbar ist. Im vergangenen Jahr hat es 12.000 Einbrüche in Berlin gegeben. Während also Polizisten damit beschäftigt sind, Menschen aufzuspüren, die sich eben mal einen Joint gönnen, werden sie dort fehlen, wo anderen Menschen Hab und Gut geraubt werden.
Dabei gäbe es durchaus Alternativen: Es ist ja kein Geheimnis, dass die Legalisierung bzw. der Verzicht auf Strafverfolgung von Besitz und Handel von Cannabis in einigen US-Bundesstaaten, in Uruguay, ja selbst in Portugal oder Tschechien nicht zu einem Totalausfall dieser Länder geführt hat. Im Gegenteil: genaugenommen ist eigentlich gar nichts passiert. In Berlin etwa wurde tatsächlich das Kiffen über Jahre hinweg kaum bis gar nicht verfolgt und geahndet. Der Aktionismus des Senators ist ja auch nicht begründet durch die vielen Cannabis-Toten auf den Berliner Straßen, sondern durch das Problem der illegalen Händler, die sich zum Teil kriminell verhalten.
Drogenpolitik: ein großes Konjunkturprogramm für Kriminelle
Dass es überhaupt zu dieser Form von Kriminalität kommt, liegt aber vor allem an der restriktiven Drogenpolitik. Wie in den 20er Jahren, als in den USA die Alkoholprohibition in Kraft war, werden auch heute in Deutschland durch die Drogenkriminalisierung ganz neue Tätigkeitsbereiche für Verbrecher geschaffen, die dann natürlich verfolgt werden müssen. Die restriktive Drogenpolitik wirkt mithin wie ein großes Konjunkturprogramm für Kriminelle. Das Problem der aggressiven Drogenhändler im Görlitzer Park könnte Frank Henkel viel eleganter lösen, indem er auf eine Legalisierung von Cannabis hinwirkt. Vielleicht sollte er sich mal eine Reise nach Colorado gönnen, um dort festzustellen, wie eine Aufhebung des Verbots zivilisierend wirken kann.
Es ist allerhöchste Zeit, die Drogenpolitik fundamental zu überdenken. Das fordern nicht nur irgendwelche langhaarigen Ruhestörer. Das fordern inzwischen lautstark so honorige Personen wie der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan oder der ehemalige EU-Außenbeauftragte Javier Solana. In einem Bericht der UN-Kommission für Drogenpolitik aus dem Jahr 2011 forderten sie ein umfassendes Ende des „Kriegs gegen die Drogen“. Ebenso haben sich über hundert deutsche Strafrechtsprofessoren dahingehend in einer Erklärung geäußert. Und kürzlich haben die Grünen einen Antrag zur Cannabis-Legalisierung im Bundestag eingebracht.
Der Umgang mit Drogen ist zu ernst, um ihn auf Stammtischniveau abzuhandeln. Wir müssen uns den Fakten zuwenden. Wir müssen anerkennen, dass die derzeitige Politik gescheitert ist. Eines dürfte jedem klar sein, der etwas gesunden Menschenverstand hat: Der Kiffer will kein Verbrechen begehen und erst recht nicht jemand anderem schaden. Er will entspannen und genießen. Der Kiffer ist kein Staatsfeind. Hören wir endlich auf, ihn so zu behandeln.