Photo: Screenshot des Monitor-Beitrags vom 04.04.2024 mit Bildmaterial von Prometheus

Am 4. April 2024 veröffentlichte das ARD-Magazin „Monitor“ einen Beitrag über das Atlas Network und die Beteiligung von Prometheus. Die aufgestellten Behauptungen sind substantiell unbegründet und nehmen Prometheus in Mithaftung für Handlungen von Akteuren, mit denen wir nur über mehrere Ecken in Verbindung gebracht werden.

Darüberhinaus weisen wir den im Beitrag propagierten Eindruck, das Atlas-Netzwerk wäre ein Instrument zur globalen Verbreitung des Trumpismus, in aller Schärfe zurück. Weder liefern die beteiligten Journalisten Belege für die Äußerungen noch deckt sich diese Anschuldigung auch nur im Ansatz mit den Idealen, die uns mit Atlas und den vielen Partnern und Freunden überall auf der Welt verbinden.

Leider stellen die beteiligten Journalisten unsere tiefsten Überzeugungen trotz eindeutiger Erwiderungen auf vorhergegangene Anfragen in Frage. Unsere vollständige Position hierzu kann nachfolgendem Email-Verlauf von Clemens Schneider, Mit-Gründer, Direktor und Geschäftsführer von Prometheus, an die Redaktion von Monitor entnommen werden, die im Vorfeld der Sendung versandt wurde:

Antwort von Clemens Schneider auf die Anfrage des Journalisten Achim Pollmeier vom 06.03.2024

Sehr geehrte Damen und Herren,
Prometheus – Das Freiheitsinstitut verfolgt nach § 51 ff. AO gemeinnützige Zwecke. Wir fördern die Wissenschaft und Forschung. Darüber hinaus dient der Zweck des Unternehmens der Förderung des demokratischen Staatswesens.
Vielerlei weitere Informationen zu unserer Arbeit und unseren Partnern können Sie unserer Website entnehmen.
Wir verwahren uns ausdrücklich gegen die Unterstellung, dass wir in Deutschland oder international mit Kolleg:innen zusammenarbeiten, die eine „rechtskonservative bis autoritäre Weltanschauung“ haben. Seit Bestehen haben wir uns bei Prometheus immer scharf und vehement gegen solche Ideen und die sie Verbreitenden gewandt. Unsere Freund:innen und Partner:innen im internationalen Bereich umfassen Organisationen, die gegen die autoritären Regierungen und Regime in Ungarn oder der Türkei kämpfen; die sich für Frauen Empowerment in Ghana und Bangladesh einsetzen; und die Menschen in brasilianischen Favelas dabei helfen, ihre Rechte durchzusetzen. Mit unserer Arbeit wollen wir beitragen zu einer Welt, in der Menschen ungehindert ihren Talenten und Leidenschaften nachgehen können zum Nutzen aller. Das schließt ausdrücklich jede Form von Diskriminierung oder Gewaltausübung aus.
Mit freundlichen Grüßen,
Clemens Schneider
Noch ein ganz persönliches P. S.: Ich bin seit vielen Jahren im Vorstand der „Initiative Queer Nations“ (http://queernations.de/de/wir/), habe eine Zeit lang das Blogprojekt Open Borders maßgeblich verantwortet, habe zu dem Thema ein Buch herausgegeben (https://www.amazon.de/Offene-Grenzen-Herausforderungen-Migration-Argumente/dp/3942928140) und häufig öffentlich gesprochen (https://youtu.be/U8F8sPv1rFA?si=7zMyrTXosq0-kC_0). Ich finde die Unterstellung, dass ich etwas mit der menschenverachtenden Ideologie des Trumpismus oder anderen Rechtspopulisten zu tun hätte oder mich damit gemein machen würde, zutiefst ehrabschneidend und verletzend.

Antwort von Clemens Schneider auf die Anfrage des Journalisten Andreas Maus vom 17.03.2024

Sehr geehrter Herr Maus,
Vielen Dank für Ihre Nachricht.
Wir konnten ja bereits die Vorankündigung Ihres Beitrags im Netz lesen und haben außerdem Ihre vorherigen Fragen wahrgenommen. Angesichts der Schwerpunkte, die in dieser Sendung offensichtlich gesetzt werden, sehen wir uns nicht als die geeigneten Ansprechpartner an.
Sehr gerne können Sie aber Tom G. Palmer kontaktieren, Vice President von Atlas (https://www.atlasnetwork.org/our-people/dr-tom-g-palmer), der die Arbeit dort seit Jahrzehnten mitgestaltet. Er steht gerne für ein Interview zur Verfügung. Herr Palmer wird sehr viel informierter und tiefgehender über die Fragen sprechen können, die Sie interessieren als wir. Sie erreichen ihn unter tom.palmer@atlasnetwork.org
Mit freundlichen Grüßen,
Clemens Schneider

Antwort von Clemens Schneider auf die Anfrage des Journalisten Andreas Maus vom 02.04.2024

Sehr geehrter Herr Maus,
Wie bereits in der vorhergehenden Korrespondenz beschrieben, haben wir großen Respekt für die Arbeit vieler Organisationen im Atlas Network, mit denen wir bekannt sind. Besonders vertraut sind wir natürlich mit den europäischen Kolleg:innen, von denen viele bewundernswerte Arbeit bei der Verteidigung der Offenen Gesellschaft leisten, zum Beispiel in der Türkei, Ungarn, Georgien und Belarus. Auch die Mitarbeiter von Atlas, mit denen mir zusammenarbeiten, haben sich uns bisher immer als Idealisten offenbart, die unsere Werte einer offenen, vielfältigen und toleranten Gesellschaft teilen.
Inhaltliche Vorgaben von außen verbitten wir uns grundsätzlich. Wir haben starke Überzeugung und Werte, die wir nicht kompromittieren werden – am allerwenigsten für Geld.
So wie es auch bei den verschiedenen Sendeanstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherlich Kolleg:innen gibt, mit deren Haltungen Sie nicht übereinstimmen oder die Sie abstoßend finden, gibt es auch in den vielfältigen und breit aufgestellten Netzwerken, mit denen wir in Kontakt stehen, immer mal wieder Partner:innen, denen wir uns fern fühlen oder deren Werte wir womöglich auch ablehnen. Mit den Aufgaben, die wir uns bei unserer Arbeit gestellt haben, nämlich die Offene Gesellschaft zu stützen und zu fördern, sind wir bereits erheblich ausgelastet. Sicherlich werden Sie Verständnis dafür haben, dass wir nicht signifikante Zeit darauf verwenden, uns mit den politischen Positionen der mehreren hundert Atlas-Partner detailliert auseinanderzusetzen, geschweige denn zu überprüfen, welche Politiker:innen sich derzeit auf Atlas-Partner beziehen oder mit ihnen in Kontakt stehen.
Im Übrigen empfinden wir Ihre jetzigen und vorherigen Fragen so, als ob sie uns in Mithaftung nehmen wollten für die Überzeugungen und Entscheidungen von Personen, mit denen wir nur über mehrere Ecken in Verbindung gebracht werden. Für gewöhnlich kennt man solche Vorgehensweisen eher aus einem Milieu, das ein Großteil der Journalist:innen zu Recht mit allen Mitteln bekämpfen will, weil sie den Kern des zivilisierten Diskurses zerstören.

Mit freundlichen Grüßen,

Clemens Schneider


Unter diesem Link finden sie den E-Mail-Verlauf als pdf in ausgedruckter Form.

Bei Rückfragen wenden Sie sich gern jederzeit direkt an Clemens Schneider oder Florian Hartjen.

Photo: Yann Forget on Wikimedia Commons (CC0)

Der Hauptgrund für das Ende der DDR spielt im öffentlichen Bewusstsein kaum noch eine Rolle: Der Sozialismus war bankrott und gescheitert. Die Lehre daraus: Schluss mit dem Glauben an die Planbarkeit der Wirtschaft.

In der heutigen Zeit ist man des Öfteren überrascht, welche Themen die politische Agenda bestimmen. So war es auch beim Tag der Deutschen Einheit. Beim Festakt am 3. Oktober in Kiel ging es um viele Themen. Selbstverständlich um den Fall der Berliner Mauer, die Grenzöffnung und die Freude der Menschen. Es ging aber auch um „Klimaschutz”, den Kampf gegen Rechts und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Alles sicherlich wichtige Themen.

Doch um eines ging es nicht: Um das Scheitern des Sozialismus. Weder der amtierende Bundesratspräsident Daniel Günther noch die Bundeskanzlerin erinnerten daran. Dabei gehören beide immerhin der CDU an. So ändern sich die Zeiten. Noch 1976 zog die CDU in den damaligen Bundestagswahlkampf mit dem Slogan „Freiheit statt Sozialismus“. Helmut Kohl als Spitzenkandidat erzielte damals 48,6 Prozent der Stimmen.

Trotz allem bewundernswerten Widerstand der Bürger in Kirchen und oppositionellen Kreisen hätte es die Chance der Wiedervereinigung womöglich nicht gegeben, wenn die ökonomische Situation in der Sowjetunion und der DDR nicht so katastrophal gewesen wäre. Der Kapitalstock der DDR war nach 40 Jahren Sozialismus aufgebraucht.

Gerade in Zeiten, in denen der Sozialismus weltweit und auch hierzulande neue Blüten treibt, wäre eine Beschäftigung mit den Gründen des ökonomischen Untergangs der DDR notwendig gewesen, gerade auch für die jüngeren Teilnehmer und Zuschauer. Die DDR ist ökonomisch nicht am Wissen und an der Schaffenskraft seiner Menschen gescheitert, sondern an der sozialistischen Planwirtschaft, an Fünf-Jahres-Plänen und am Irrglauben an die zentrale Lenkbarkeit von Wirtschaftsprozessen.

Die sozialistische Planwirtschaft hat nicht funktioniert. Der Großversuch für die rund 16 Millionen Menschen scheiterte verheerend. Die DDR war das Land mit der höchsten Umweltbelastung in Europa. Die Schadstoffwerte in der Luft erreichten negative Spitzenwerte. 47 Prozent des Wassers waren als Trinkwasser unbrauchbar. Der Verzehr von in der Elbe gefangenem Fisch war aus Gesundheitsgründen verboten. Die staatliche Plankommission stellte in einem internen Papier im Oktober 1989 fest, dass die DDR „kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stehe“. Der Verzicht auf neue Kredite aus dem Ausland „würde im Jahr 1990 eine Senkung des Lebensstandards um 25-30 Prozent erfordern und die DDR unregierbar machen“.

Die sozialistische Planwirtschaft war und ist undurchführbar. Das liegt daran, dass sie keine Marktpreise kennt. In einer Marktwirtschaft versuchen die Verkäufer, die Kundenwünsche und deren Präferenzen herauszufinden und passen sich entsprechend an. Dies entsteht durch einen Prozess des „Versuchs und Irrtums“ der Marktteilnehmer im Kleinen. Der Sozialismus arbeitet nicht mit Versuch und Irrtum, weil er durch Planung zu wissen glaubt, was richtig ist. Doch weder eine staatliche Plankommission noch eine Regierung haben das Wissen, welches Millionen von Akteuren am Markt haben. Ihre Planung musste daher scheitern. Das Gegenteil zur sozialistischen Planwirtschaft ist die Marktwirtschaft. Sie setzt auf Privateigentum und Arbeitsteilung. Niemand weiß alles, aber das Zusammenspiel aller Marktakteure lenkt das Handeln des Einzelnen dorthin, wo es die Bedürfnisse der Kunden und Verbraucher erfüllt.

Man sollte jedoch nicht dem Irrtum verfallen, dass der Sozialismus mit dem Untergang der DDR verschwunden sei. Vieles, was derzeit in der Klimafrage diskutiert wird, hat mit Sozialismus zu tun. So wird der CO2-Austoß auf Jahrzehnte zentral geplant. Konkret traut sich die Regierung sogar zu, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren und bis 2050 „klimaneutral“ zu sein. Da wünscht man sich fast die guten alten Fünf-Jahres-Pläne der DDR zurück! Die waren wenigsten zeitlich überschaubar. Man kann sich ja gar nicht vorstellen, was wir heute noch nicht wissen, aber im Jahr 2050 zum Allgemeinwissen gehören wird. Oder anders gesprochen: Man versetze sich einmal in das Jahr 1988 zurück, also vor 31 Jahren, und überlege, welche neuen technischen Möglichkeiten es seither gibt. Damals konnte sich niemand vorstellen, welchen Siegeszug das Internet erfahren sollte und damit unser Leben grundlegend verändern würde. Die Allermeisten konnten sich nicht einmal vorstellen, dass ein Jahr später die Berliner Mauer fällt und es kurze Zeit später zur Wiedervereinigung kommt.

Viele Ansätze der heutigen Klimapolitik sind Sozialismus in Reinkultur. Was von den Bürgern benötigt wird, sagt und plant auch heute der Staat. Ölheizungen gibt es bald nicht mehr und Elektroautos sind das Nonplusultra. Dass dies die richtige Lösung ist, wissen nicht der Markt und seine Teilnehmer, sondern der Koalitionsausschuss aus Union und SPD, quasi als staatliche Planungskommission. Vielleicht ist das auch der Grund, wieso Angela Merkel den Sozialismus als Thema bei ihrer Ansprache beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Kiel ausgespart hat. Zu viel déjà-vu hätte die Feiertagsstimmung wohl eingetrübt.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblicke.

Photo: Jorge Zapata from Unsplash (CCO)

Die Vermögensteuer ist bei Linken sehr beliebt. Sie glauben, dass es in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem einen Ausgleich braucht, um die wachsende Ungleichheit zu beseitigen. Sie glauben, dass es in einer auf Privateigentum basierenden Marktwirtschaft systembedingt sei, dass Reiche immer reicher werden und Arme immer ärmer. Daran ist so ziemlich alles falsch.

Das wichtigste Argument ist jenes, das Johannes Paul II 1991 in seiner Enzyklika „Centesimus annus“ genannt hat: „Die Wirtschaft, insbesondere die Marktwirtschaft, kann sich nicht in einem institutionellen, rechtlichen und politischen Leerraum abspielen. Im Gegenteil, sie setzt die Sicherheit der individuellen Freiheit und des Eigentums sowie eine stabile Währung und leistungsfähige öffentliche Dienste voraus. Hauptaufgabe des Staates ist es darum, diese Sicherheit zu garantieren, so dass der, der arbeitet und produziert, die Früchte seiner Arbeit genießen kann und sich angespornt fühlt, seine Arbeit effizient und redlich zu vollbringen.“ Der Staat muss Freiheit, Recht und Eigentum schützen. Besteuert der Staat die Substanz von Unternehmen und Vermögenden, dann zerstört er eine zentrale Funktion der Marktwirtschaft: dass sich der Mensch „angespornt fühlt, seine Arbeit effizient und redlich zu vollbringen“.

Es ist ja auch nicht ausgemacht, dass jemand der Vermögen hat, daraus auch Erträge erwirtschaftet. Viele Vermögen werfen nichts ab. Wer im eigenen Haus wohnt, weiß das. Auch die Kirchen kennen das. Sie müssen Denkmäler wie Kirchen unterhalten, die keinen Ertrag abwerfen. Würde die Vermögensteuer wieder eingeführt, dann würden viele Normalverdiener plötzlich zur Kasse gebeten. Insbesondere Beamte und Angestellte träfe dies hart, denn ihre Pensions-, Betriebs- und Rentenansprüche müssten dann bewertet und kapitalisiert werden. Je niedriger der Kapitalmarktzins ist, desto höher sind die abgezinsten Kapitalwerte. In Zeiten der Null- und Negativzinsen wird dadurch jeder 30jährige mittlere Beamte zu einem Vermögensmillionär. Die Vermögensteuer würde daher die Mitte der Gesellschaft treffen.

Gleichzeitig würde es den „Ansporn“ nehmen, selbst vorzusorgen. Ein immer größerer Einfluss des Staates wäre die Folge. Es würde auch die Rolle der Familie weiter aushöhlen. Ihre Funktion, Gewohnheiten und Traditionen an nachfolgende Generationen weiterzugeben, ist mit der Weitergabe materieller Güter eng verbunden.

Wachsende Ungleichheit entsteht hingegen durch den Staat. Markteintrittsbarrieren für junge Unternehmen, prohibitive Regulierung zu Gunsten der Großen und das Herausboxen von Banken und Unternehmen, nur weil sie „systemrelevant“ erscheinen, schützt die Eigentümer vor dem Totalverlust. Doch in einer Marktwirtschaft gehören die Chancen einer Investition genauso dazu wie die Risiken, alles zu verlieren.

Und auch die Vernichtung des Zinses durch die Notenbanken führt zu wachsender Ungleichheit. Wenn der Zins keinen Preis mehr hat, sind Investitionen in Vermögensgüter wie Aktien und Immobilien viel leichter und viel größer möglich. Beides sind Anlageformen, insbesondere wenn Sie Kreditfinanzierung sind, die eher Vermögenden vorbehalten sind. Dagegen haben Arbeitnehmereinkommen nicht diese Wachstumsdynamik. Arbeitnehmer werden sogar staatlich über die betriebliche und private Altersvorsorge in unrentierliche Anlageformen gedrängt. Lebensversicherung und Pensionskassen werden regulatorische genötigt, in Staatsanleihen zu investieren, die keinen oder nur einen geringen Ertrag abwerfen. Die Kluft zwischen Arm und Reich steigt daher an – als Konsequenz staatlicher Eingriffe.

Daher gilt das was Johannes Paul II ebenfalls in seiner Enzyklika „Centesimus annus“ sagte: „Sowohl auf nationaler Ebene der einzelnen Nationen wie auch auf jeder der internationalen Beziehungen scheint der freie Markt das wirksamste Instrument für die Anlage der Ressourcen und für die beste Befriedigung der Bedürfnisse zu sein.“

Erstmals erschienen bei der Tagespost am 27.09.2019.

Photo: Stop TTIP (CC BY-SA 2.0)

Als 2014 die Energiewende stockt, weil keiner einen Strommast im Garten haben will, schreibt das Wirtschaftsministerium einen „Bürgerdialog Stromnetz“ aus, der Abhilfe schaffen soll. Gesprächstherapie als Schmiermittel für das Jahrhundertprojekt. Den Zuschlag bekommen die Hirschen Group, IKU GmbH und die DUH Umweltschutz-Service GmbH. 2,8 Millionen Euro pro Jahr. So viel fließt laut einer Sprecherin der DUH in das Projekt.

Im gleichen Jahr holt sich der neue Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel einen Staatssekretär: Rainer Baake. Was war dessen vorherige Aufgabe, von 2006 bis 2012? Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und zugleich Geschäftsführer der DUH Umweltschutz-Service GmbH. Und davor war er von 1998 bis 2005 Staatssekretär im Umweltministerium, dem Hauptauftraggeber der DUH Umweltschutz-Service GmbH. 8,35 Millionen Euro flossen zwischen 2003 und 2018, wie die Bundesregierung in einer Antwort auf die Kleine Anfrage eines Abgeordneten mitteilte, also rund 550.000 Euro pro Jahr.

Wenn Stephan G. Richter in einem WELT -Beitrag die ungebührliche Nähe von Politik und Industrie beschreibt, um auf die Notwendigkeit von NGOs, namentlich der DUH, als Korrektiv hinzuweisen, ist das nur ein Teil der Wahrheit. Es ist zwar gut, dass eine wachsame Öffentlichkeit genauer hinschaut, wenn Politik und Großkonzerne zu stark miteinander klüngeln – ob es da um Bankenrettung geht, Dieselskandale oder die Träume von einer neuen Industriepolitik, denen sich der Wirtschafts- und der Finanzminister derzeit hingeben. Doch ähnliche Verhaltensregeln müssen auch für Organisationen des politischen Aktivismus gelten.

NGOs sind als Konzept eine äußerst sinnvolle Einrichtung. Sie sind ein unverzichtbares Element von Zivilgesellschaften. Die Mächtigen in Ländern wie Russland oder Ungarn haben das erkannt und arbeiten deshalb mit allen Mitteln daran, solche Organisationen aus dem Weg zu räumen. So lassen sie die lebenswichtigen Adern einer offenen Gesellschaft ausbluten. Gerade weil NGOs eine derart zentrale Bedeutung zukommt, ist es freilich unerlässlich, dass sie verantwortungsvoll mit dem in sie gesetzten Vertrauen umgehen.

Zu diesem Vertrauen gehört ganz zentral die Unabhängigkeit. Ob Bund der Steuerzahler oder Attac – NGOs beanspruchen für sich, oft zu Recht, unabhängige Institutionen zu sein. Das heißt: nicht von einzelnen Interessenvertretern finanziert und niemandem verpflichtet. Wie viele Verpflichtungen gehen aber Organisationen wie die DUH oder Oxfam ein, die sich zu erheblichen Teilen aus staatlichen Aufträgen finanzieren? Sichern sie sich im Gegenzug politischen Einfluss, indem sie sich zu unverzichtbaren Partnern staatlicher Stellen machen?

Zum Vertrauen gehört auch Glaubwürdigkeit, ganz besonders in den Fällen, wo NGOs lautstark mit Forderungen an die Öffentlichkeit treten. NGOs, die selber etwas verändern, etwa bei Flüchtlingshilfe, Strandreinigung oder Altenbetreuung, haben kein Problem, ihre Glaubwürdigkeit zu beweisen.

Etwas anders sieht der Fall bei einer Organisation wie Oxfam aus. Während diese regelmäßig die wachsende Ungleichheit beklagt, hat sie offenbar keine Schwierigkeiten damit, solche Ungleichheiten in den eigenen Reihen zu unterstützen: Die Geschäftsführerin bekommt stolze 105.134 Euro im Jahr (in der Sprache von Oxfam: dreimal so viel wie der durchschnittliche deutsche Arbeitnehmer oder 20-mal so viel wie das Arbeitslosengeld II).

Ein Grund dafür, dass Menschen den NGOs so viel Vertrauen entgegenbringen, ist die Vorstellung, dass sich hier jemand für das Gute einsetzt. Das mag auch oft der Fall sein, und es wäre sehr unfair, den Menschen, die sich dort engagieren, von vornherein abzusprechen, dass sie guten Willens sind. Das Problem ist allerdings, dass manche NGOs dazu neigen, den eigenen guten Willen schon für einen Ausweis exklusiver Gutheit zu halten.

Mit anderen Worten: Da sie das Gute wollen, müssen sie auch die Guten sein – und die anderen logischerweise die Bösen. Doch so einfach ist die Welt nicht. Es gibt kaum einen Industriemanager, der die Umwelt zerstören oder fettleibige Kinder produzieren will. Die wenigsten Bauern haben Freude an Tierquälerei. Und kaum ein Reicher möchte gerne, dass andere Menschen arm sind.

Umwelt- und Naturschutz, Fairness und ein besseres Leben für jeden sind Ziele, die fast alle Menschen unterschreiben würden. Sicherlich, manch einer ist nicht achtsam genug, nicht bereit, den eigenen Vorteil für andere hintanzustellen. Wir sind keine Engel. Aber eben auch keine Teufel. Und auch wer sich ganz Anliegen verschrieben hat, die man gemeinhin als „gut“ auffasst, ist dadurch noch kein Engel. Dabei spielt eine wichtige Rolle, dass die Maxime „Der Zweck heiligt die Mittel“ leider oft zu unbedachten Folgen führt, die alles andere als gut sind.

Was passiert etwa, wenn eine Bevölkerung, die durch Dauerberieselung bei Themen wie Gentechnik, Freihandelsabkommen oder Vermögensverteilung in einem beständigen Panikmodus ist, plötzlich mit Themen wie „Überfremdung“ oder „Kontrollverlust“ konfrontiert wird? Bereitet nicht die apokalyptische Form der Kommunikation mancher NGOs den Boden für die Verschwörungstheoretiker, Rassisten und Hassprediger hierzulande?

Es gibt genug Herausforderungen in unserer Welt, die darauf warten, dass Menschen sich ihrer annehmen. Und in sehr vielen Fällen sind NGOs dafür die besseren Akteure als der Staat: Sie reagieren schneller, sind flexibler, haben mehr Spielraum, sind nicht Wahlzyklen ausgesetzt, verfügen über Expertise und werden oft von passionierten Idealisten getragen statt von Bürokraten. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit sollte jedoch eines stehen – und nur das eine: eine wirkliche Veränderung und Verbesserung der Zustände.

Man muss sich hüten vor den Dynamiken, die ein solches Engagement auch mit sich bringen kann: dass man vor allem daran arbeitet, als diejenigen dazustehen, die die Guten sind. Dass Geld-Einwerben zum Selbstzweck wird. Dass Strukturen verknöchern und Hierarchien sich verstetigen. Dass man alles andere ausblendet, was nicht unmittelbar mit dem eigenen Ziel zu tun hat. Und dass man die Verantwortung vergisst, die man für die ganze Gesellschaft und vielleicht sogar für die ganze Welt hat.

Was wir dringend brauchen, ist ein Ethos der NGOs. Das muss man nicht formelhaft runterschreiben und abarbeiten wie einen Verhaltens-Kodex in Unternehmen. Es geht mehr um eine Mentalitätsänderung. Im Herzen dieses Ethos muss die Überzeugung stehen, dass die allermeisten Menschen das Gute wollen. Man kann und muss in der Sache, also der Frage, wie man das Gute erreicht, vortrefflich streiten.

Aber am Ende ist der respektvolle Umgang miteinander eine sehr viel bessere Ausgangsbasis, um wirklich eine Verbesserung zu erreichen, als Panikmache, Freund-Feind-Denken und Aggressivität. Zu diesem Kodex muss auch gehören, dass NGOs nicht der Versuchung erliegen, sich staatlicher Zwangsmittel oder Gelder zu bedienen, sondern auf Überzeugungskraft und Engagement setzen, wie es übrigens Organisationen wie Campact, Attac, Greenpeace oder Foodwatch durchaus tun, auch wenn sie beim Thema übertriebener Panikmache und Aggressivität vielleicht noch nachsitzen müssen.

Dieses Land braucht eine offene Debatte über die Rolle von NGOs. Sie dürfen weder zu Organisationen werden, die an den Organen der freiheitlich-demokratischen Entscheidungsfindung vorbei Sonderinteressen durchsetzen. Noch darf unsere Gesellschaft es durchgehen lassen, wenn sie den Diskurs im Land aufheizen und langfristig vergiften. Stattdessen brauchen wir einen fairen und zivilisierten Wettbewerb der Ideen – und dazu gehören ohne Zweifel starke und unabhängige NGOs.

Erstmals erschienen in der Welt vom 19.2.2019, Seite 2, und online bei welt.de.

Dieses Interview erschien in der Hessisch Niedersächsischen Allgemeinen am 7.2.2019. Das Interview führte Martina Hummel.

NGOs genießen allgemein ein hohes Vertrauen. Das Prometheus-Institut kritisiert sie. Warum?

NGO steht für Nicht-Regierungs-Organisation und damit für eine gewisse Staatsferne. Vielfach werden sie aber vom Staat direkt oder mittelbar finanziert. Das halten wir für problematisch. Wer unabhängig sein will, sollte sich unabhängig finanzieren. Es hat ein Geschmäckle, wenn Kampagnen mit Staatsgeld gemacht werden.

Was heißt staatlich finanziert konkret?

Es ist Geld vom Staat. Beispiel Deutsche Umwelthilfe: Sie nimmt an Programmen des Staates teil, der diese finanziert. Das gilt auch für andere NGOs. Diese Art der Finanzierung halten wir bei Nicht-Regierungs-Organisationen für problematisch.

Richtet sich ihre Kritik einzig gegen die Art der Finanzierung?

Das Problem ist, dass sie sich als unabhängig verkaufen, sie aber abhängig von den staatlichen Zuwendungen sind, um ihren Apparat zu finanzieren. Dabei ist uns aufgefallen, dass sie das machen, was sie selbst kritisieren und eine Sprache verwenden, in der eine Verrohung stattfindet, Katastrophen heraufbeschworen werden und Verschwörungstheorien die Runde machen. Ihre Sprache erinnert an Pegida, nur von der anderen Seite her. Dafür tragen die NGOs eine Mitverantwortung.

Sie haben ngo.observer gestartet. Es ist eine Art Wikipedia der Organisationen. Wer füttert die Seiten mit Informationen?

Wir füllen dieses Wiki und nutzen dafür allgemein öffentlich zugängliche Informationen. Entweder von der Internetseite der jeweiligen Organisation oder aus den Geschäftsberichten, Tageszeitungen und so weiter. Die Quellen sind entsprechend gekennzeichnet. Wir setzen auf eine möglichst objektive Information, damit sich jeder ein eigenes Bild machen kann.

NGOs haben in der Vergangenheit an Einfluss gewonnen. Wie wurden sie so mächtig?

Ich glaube, dass sie sehr geschickt sind, öffentliches Geld zu akquirieren. Beispiel Umwelthilfe: Laut EU-Transparenzregister stand ihr im Jahr 2016 ein Gesamtbudget von 8 115 669 Euro zur Verfügung. Davon kamen 1 450 353 Euro – also 17,9 Prozent – aus öffentlichen Geldern. Diese Summe setzt sich zusammen aus 333 729 Euro, also 23 Prozent aus Fördermitteln der EU, aus 1 026 536 Euro und damit 70,8 Prozent aus Bundesmitteln und 90 088 Euro, also 6,2 Prozent, aus Landes- und Kommunalmitteln.

Die Verbandsklage ist sicherlich das schärfste Schwert der NGOs.

In Teilen schon, deshalb muss man schauen, ob man das Verbandsklagerecht in der bestehenden Form aufrecht erhält oder einschränkt. Pauschal kann man dies nicht für alle NGOs entscheiden, das muss im Einzelfall geprüft werden.

Also sind NGOs professionelle Unternehmen?

Absolut. Meist haben sie sehr wenige Mitglieder und ein Geschäftsmodell, das sie konsequent umsetzen. So agiert die Umwelthilfe schon fast wie ein Abmahnverein, der die Programme des Staates nutzt und Unternehmen und Händler abmahnt.

Was hat die Allgemeinheit davon? Schließlich sind NGOs meist gemeinnützig.

Das ist eine ganz andere Frage. Was ist an der Tierschutzorganisation Peta gemeinnützig, wenn Mitglieder von ihnen zu Straftaten aufrufen? Das müssen die Finanzämter klären, denn die Gemeinnützigkeit sollte sich auf dem Boden unserer demokratischen Rechtsordnung abspielen.

Wie bringt man die NGOs wieder zurück aufs Gleis?

Wir brauchen eine vernünftige, sachliche Aufklärung über NGOs. Daran fehlt es meiner Meinung. Sie sind keine armen Organisationen, sondern sie verwalten zum Teil Millionen, mit denen sie eine gewisse Macht ausüben können. Deshalb müssen wir informieren und eine gesellschaftliche Gegenbewegung organisieren, die das Ganze relativiert. So verstehen wir unseren Auftrag.

Auch das Prometheus-Institut ist eine gemeinnützige Organisation. Wie finanzieren Sie sich?

Wir finanzieren uns über private Zuwendungen. Wir haben einen Etat zwischen 100 000 und 150 000 Euro. Wir bekommen keine staatlichen Zuwendungen. Wie sind zu zweit und beschäftigen Praktikanten.