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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, und Kevin Spur, Student der Ökonomie an der Freien Universität Berlin.

Die skandinavischen Staaten sind für vieles bekannt, für einen schlanken, wenig eingreifenden Staatsapparat allerdings nicht. Zumindest um die wirtschaftliche Freiheit ist es in Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland bei weitem nicht so schlecht bestellt, wie manch einer vielleicht glaubt. Bei genauerem Hinsehen könnte das andere Vorurteil in sich zusammenfallen.

Skandinavien gilt für viele als Vorbild. Das sogenannte „skandinavische Modell“ verbinde wirtschaftlichen Erfolg mit einem umfassenden Sozialstaat. Der Ökonom Jeffrey D. Sachs schreibt: „Die nordischen Länder haben erfolgreich einen Wohlfahrtsstaat mit hohem Einkommensniveau, solidem Wirtschaftswachstum und makroökonomischer Stabilität kombiniert.“ Ist also die wirtschaftliche Freiheit in Skandinavien deutlich stärker eingeschränkt als beispielsweise in Deutschland? Ein Blick auf den Index für wirtschaftliche Freiheit zeigt, dass die skandinavischen Länder im Mittel gar ein wenig wirtschaftlich freier sind als Deutschland – trotz umfangreicherer staatlicher Aktivität.

Skandinavien ist (erfolg-)reich

Das höchste reale pro Kopf Einkommen unter den skandinavischen Ländern ist in Norwegen zu finden. Es ist dort fast 20% höher als in Dänemark. Dies liegt unter anderem an den reichen norwegischen Rohstoffvorkommnissen. Der Öl- und Gassektor macht rund 22 % der Wirtschaftsleistung aus.

Das Pro-Kopf-Einkommen der Menschen in Dänemark und Schweden ist ähnlich hoch wie in Deutschland. Finnland ist nach diesem Maßstab ökonomisch weniger erfolgreich als seine Nachbarländer. Das finnische BIP pro Kopf ist gut ein Viertel niedriger das norwegische.

Skandinavien: Hohe Staatsquote

Im Vergleich zu Deutschland ist der Umfang staatlicher Aktivitäten in Skandinavien deutlich ausgeprägter. Die Staatsausgaben liegen in Deutschland bei gut 44 % des BIP, während sie in den skandinavischen Ländern mehr als die Hälfte des BIP ausmachen. Soweit passen die Beobachtungen zum verbreiteten Bild von umfassenden Wohlfahrtsstaaten.

Wirtschaftliche Freiheit

Das kanadische Fraser Institut berichtet regelmäßig über die weltweite Lage der wirtschaftlichen Freiheit. Es werden verschiedene Kategorien betrachtet, um ein Gesamtbild der wirtschaftlichen Freiheit der Menschen eines Landes zu zeichnen. Negativ fließen der Umfang staatlicher Aktivität sowie staatliche Regulierung ein. Positiv fließen Rechtssicherheit und Sicherung privater Eigentumsrechte, monetäre Stabilität sowie grenzüberschreitender Handel ein.

Die skandinavischen Länder, angeführt von Dänemark, sind nach diesem Maßstab ähnlich wirtschaftlich frei wie Deutschland. Deutschland befindet sich in Bezug auf die gemessene wirtschaftliche Freiheit in der Mitte der vier skandinavischen Länder.

Dieser Befund mag überraschen, da er der verbreiten Wahrnehmung widerspricht, die skandinavischen Staaten schränkten im Vergleich zu Deutschland wirtschaftliche Freiheit stärker ein.

Obwohl die Staatsausgaben im Verhältnis zum BIP in Skandinavien deutlich höher als in Deutschland ausfallen, ist die gemessene wirtschaftliche Freiheit in der Gesamtschau auf einem ähnlich hohen Niveau. Die drei Unterkategorien des Indexes, die sich mit sicheren Eigentumsrechten, grenzüberschreitendem Handel und Regulierung befassen, geben Hinweise darauf, wie dieses für einige überraschende Ergebnis zustande kommt.

Sichere Eigentumsrechte

Im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit privater Eigentumsrechte schneiden alle skandinavischen Staaten besser als Deutschland ab. Skandinavische Gerichte sind unabhängiger, das Rechtssystem ist weniger korruptionsanfällig und es erfolgt eine bessere Durchsetzung des Rechts. Das Eigentum der Skandinavier wird besser geschützt, sie können freier als die Deutschen über ihr Eigentum verfügen und Regulierung beschränken den Kauf und Verkauf von Eigentum weniger stark.

Ein funktionierender Rechtsstaat sichert private Eigentumsrechte und schützt die Menschen gegen Übergriffe durch Private oder staatliche Stellen. Der Schutz von Eigentum ist für die wirtschaftliche Entfaltung von Menschen essentiell. Ein Umfeld sicherer Eigentumsrechte animiert zu Investitionen, die zum Wachstum des Kapitalstocks und damit einem höheren Wohlstand in der Zukunft beitragen.

Es wäre möglich, dass auf Grund der größeren Ausgaben des Staates die Eigentumsrechte in Skandinavien besonders sicher und die Gerichte besonders zuverlässig sind. Dies scheint allerdings nicht der Fall zu sein. Im Gegenteil: Der deutsche Staat verwendet einen höheren Anteil des BIP auf Ausgaben für Polizei und Gerichte. Nicht höhere Staatsausgaben, sondern eine effizientere Durchsetzung von Recht und Ordnung scheinen diesbezüglich das skandinavische Rezept zu sein.

Freier Handel

Mit Ausnahme von Norwegen sind die dem grenzüberschreitenden Handel entgegenstehenden Barrieren in den skandinavischen Ländern weniger stark ausgeprägt als in Deutschland.

Der durchschnittlich erhobene Zoll ist in allen betrachteten Ländern mit fast 9 % gleich hoch. Nur im Nicht-EU-Mitglied Norwegen sind die Zölle im Durchschnitt niedriger (8,7%). Dafür sind sie in Norwegen im Vergleich zu den übrigen Ländern uneinheitlicher – auf verschiedene Produkte werden mehr als in den anderen Ländern unterschiedlich hohe Zollsätze erhoben. Dies lässt Norwegens Indexwert für wirtschaftliche Freiheit in Bezug auf Freihandel etwas hinter die übrigen Länder zurückfallen.

Während Zölle den grenzüberschreitenden Handel in Skandinavien und Deutschland in ähnlicher Weise behindern, ist es für ausländische Investoren einfacher, in Skandinavien geschäftlich aktiv zu werden. Es gibt weniger Hindernisse für Ausländer, in Skandinavien Unternehmen zu kaufen oder in Projekte zu investieren. Außerdem sind Regulierungen, die den grenzüberschreitenden Handel beinträchtigen und nicht-tarifäre Handelshemmnisse in Skandinavien weniger verbreitet als in Deutschland. Diese Faktoren erklären, warum Skandinavier durchschnittlich einen besseren Zugang zu grenzüberschreitendem Handel haben als Deutsche.

Weniger Regulierung in Dänemark und Schweden

Dänemark und Schweden weisen zwar die höchsten Staausausgaben auf, sind aber in Bezug auf das Ausmaß der Regulierung der Wirtschaft die beiden zurückhaltendsten Länder.

Der dänische Arbeitsmarkt ist der unter den Vergleichsländern am wenigsten regulierte und die Hürden für den Eintritt in den Arbeitsmarkt sind dort entsprechend niedriger als in den anderen vier Ländern.

Norwegen und Finnland schneiden bezüglich der Regulierungsintensität auf Grund stärkerer Regulierungen des Arbeitsmarktes ähnlich ab wie Deutschland.

Skandinavien: Wirtschaftlich so frei wie Deutschland

Die wirtschaftliche Freiheit ist in Skandinavien nicht deutlich eingeschränkter als in Deutschland. Deutlich höhere Staatsausgaben und entsprechende Staatseinnahmen werden kompensiert durch einen Mix aus einem verlässlichen Rechtsstaat, zurückhaltender Regulierung und niedrigen Barrieren für den grenzüberschreitenden Handel.

Eine Ausweitung staatlicher Aktivität in Deutschland ohne Verbesserung des Justizwesens, Erleichterung des grenzüberschreitenden Handels und Abbau kooperationshinderlicher Regulierungen würde nicht einer Annäherung an das „skandinavische Modell“ gleichkommen. Bezüglich der wirtschaftlichen Freiheit würde sich Deutschland so weiter vom „skandinavischen Modell“ entfernen.

Erstmals veröffentlicht bei IREF.

Photo: Vysotsky from Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Nicht nur Bier kann äußerst bekömmlich sein. Auch das Studium älterer Denker kann unsere geistige Verdauung anregen und zu unserer intellektuellen Gesundheit beitragen. Dazu eignet sich hervorragend der Schweizer Historiker Jacob Burckhardt, der heute vor 200 Jahren geboren wurde.

Ein Erzskeptiker als Craft Beer

Arthur Schopenhauer, Alexis de Tocqueville, John Stuart Mill, George Eliot, Lord Acton, Friedrich Nietzsche – in die Reihe dieser unkonventionellen Querdenker des 19. Jahrhunderts gehört auch der Schweizer (Kunst-)Historiker Jacob Burckhardt, den der Journalist Dirk Schümer einst spöttisch, aber sehr zutreffend einen „Erzskeptiker“ nannte. Er lässt sich nicht einem politischen Lager zuordnen und eignet sich nicht als Leitfigur einer Denkschule wie etwa Hegel, Marx oder de Maistre. Würde man ihn – unbotmäßiger Weise – mit einem Bier vergleichen, wäre er das Gegenteil von einem Heineken, Becks oder gar Oettinger. Er ist eher wie ein Craft Beer oder ein Produkt der Privatbrauerei Härle im Allgäu, der kürzlich vom Bundesgerichtshof untersagt wurde, ihr Bier als bekömmlich anzubieten. Burckhardt ist individuell, geschmacksintensiv und unverwechselbar.

Seine große Forschungsleidenschaft galt der Renaissance. In seinem 1860 erschienenen Werk „Die Cultur der Renaissance in Italien“ legte er ausführlich dar, wie diese Epoche das Individuum befreite und ihm in Wissenschaft und Technik, Politik und vor allem Kunst ganz neue Entfaltungsmöglichkeiten eröffnete. Mag seine etwas einseitige und überenthusiastische Deutung heute auch längst relativiert worden sein, so sind doch die Werte, die er dieser Epoche zuschrieb auch heute noch für den freiheitlich gesonnenen Menschen von zentraler Bedeutung. Burckhardt, der ähnlich wie Friedrich August von Hayek dem rationalistischen Ansatz der französischen Aufklärung wenig abzugewinnen vermochte, zeichnete ein Bild der Renaissance, das sie als die wahre Aufklärung erscheinen lässt. Die Liberalität und Besonnenheit, die er dieser Zeit zuschrieb, erinnert an die großen schottischen Aufklärer wie Adam Ferguson, David Hume und Adam Smith. Dabei übersah er freilich, dass der Fanatismus eines Savonarola oder Calvin den radikalen französischen Aufklärern nähersteht als seiner bürgerlichen Toleranz; er übersah die Parallelen zwischen Luther und Rousseau, Machiavelli und Metternich, Heinrich VIII. von England und Bismarck.

Das „täglich wachsende Pflichtenheft“ des Staates

Das erst posthum erschienene Buch „Weltgeschichtliche Betrachtungen“, gegen seinen Willen veröffentlichte Vorlesungsmanuskripte, war über die Jahrzehnte erfolgreich und ist auch heute in seinen Beobachtungen noch bemerkenswert aktuell. Mit großer Hellsicht sah er die Gefahr, die für den Einzelnen wie für die Menschheit von dem Phänomen der Macht ausgeht – darin seinem Zeitgenossen und Kollegen Lord Acton sehr ähnlich. Wie die beiden anderen „Erzskeptiker“ Edmund Burke und Wilhelm von Humboldt stand er staatlicher Machtausweitung sehr misstrauisch gegenüber, insbesondere – ganz aktuell – auch der Schuldenmacherei. So schrieb er schon in den späten 1860er Jahren die ahnungsvollen Sätze:

„Die neuere Redaktion der Menschenrechte verlangt das Recht auf Arbeit und auf Subsistenz. Man will eben die größten Hauptsachen nicht mehr der Gesellschaft überlassen, weil man das Unmögliche will und meint, nur Staatszwang könne dieses garantieren. … man oktroyiert dem Staat in sein täglich wachsendes Pflichtenheft schlechtweg alles, wovon man weiß oder ahnt, dass es die Gesellschaft nicht tun werde. Überall steigen die Bedürfnisse und die dazu passenden Theorien. Zugleich aber auch die Schulden, das große, jammervolle Hauptridikule des 19. Jahrhunderts. Schon diese Art, das Vermögen der künftigen Generationen vorweg zu verschleudern, beweist einen herzlosen Hochmut als wesentlichen Charakterzug.“

Ein Warner vor Sozialismus und Nationalismus

Ein besonderer Graus war Burckhardt die Idee, die Geschichte als einen notwendigen Ablauf zu verstehen. Als vorhersehbare Verwirklichung des „Weltgeistes“, den Hegel beschworen hatte, und den Burckhardts Jahrgangsgenosse Karl Marx schließlich zu einer Theorie ausarbeitete, die unbeschreibliches Elend, Tod und Vernichtung hervorbringen sollte. Auch die Tendenz, Geschichte anhand – vermeintlich – großer Männer und – ebenso vermeintlich – bedeutungsvoller Kollektive wie Nation oder Volk zu erzählen, bekämpfte er mit Vehemenz. Mit Schaudern stellte er fest: „Wer … einer Gesamtheit Größe, Macht, Glanz verschafft, dem wird das Verbrechen nachgesehen, namentlich der Bruch abgedrungener politischer Verträge, indem der Vorteil des Ganzen, des Staates oder Volkes, absolut unveräußerlich sei und durch nichts auf ewig beschädigt werden dürfe“.

Schon hundert Jahre vor James Buchanan und Gordon Tullock stellte Burckhardt das Problem der Public Choice dar, als er bemerkte: der Staat „soll über den Parteien stehen; freilich sucht jede Partei sich seiner zu bemächtigen, sich für das Allgemeine auszugeben.“ Und das gefährliche Prinzip, das im Hintergrund von Wohlfahrtsstaat und Paternalismus steht, beschrieb er mit messerscharfer Präzision: „Die allmähliche Gewöhnung an gänzliche Bevormundung aber tötet endlich jede Initiative; man erwartet alles vom Staat, woraus dann bei der ersten Verschiebung der Macht sich ergibt, dass man alles von ihm verlangt, ihm alles aufbürdet.“ Sozialismus und Nationalismus – die beiden großen Geißeln der Menschheit im 20. Jahrhundert, hatte Burckhardt schon weitsichtig beschrieben.

Prost, Professor Burckhardt!

Doch zurück zum bekömmlichen Bier. Burckhardt entstammte zwar einer Familie, die viele reformierte Pfarrer hervorgebracht hatte. Doch war ihm der Rigorismus und die Freudlosigkeit vieler Reformatoren im Laufe seiner Beschäftigung mit der Renaissance zunehmend sauer aufgestoßen. Seine Leidenschaft galt mehr und mehr der Liberalität und Lebensfreude der katholischen Renaissance Italiens. Was hätte dieser Mann, der sich seitenlang über die „ängstliche Moralität“ des Savonarola im Florenz des späten 15. Jahrhunderts echauffieren konnte, wohl zum Richterverbot der Bekömmlichkeit gesagt? Auch dazu stehen schon bemerkenswerte Zeilen in seinen „Weltgeschichtlichen Betrachtungen“:

„Es ist eine Ausartung und philosophisch-bürokratische Überhebung, wenn der Staat direkt das Sittliche verwirklichen will, was nur die Gesellschaft kann und darf. … Die ‚Verwirklichung des Sittlichen auf Erden‘ durch den Staat müsste tausendmal scheitern an der inneren Unzulänglichkeit der Menschennatur überhaupt und auch der der Besten insbesondere. Das Sittliche hat ein wesentlich anderes Forum als den Staat; es ist schon enorm viel, dass dieser das konventionelle Recht aufrechthält. Er wird am ehesten gesund bleiben, wenn er sich seiner Natur (vielleicht sogar seines wesentlichen Ursprungs) als Notinstitut bewusst bleibt.“

Photo: Roberto Latxaga from Flickr (CC BY 2.0)

Dieser Aufruf wurde initiiert von unserem Kuratoriumsvorsitzenden Prof. Dr. Thomas Mayer (Flossbach von Storch Research Institut), Prof. Dr. Dirk Meyer (Helmut-Schmidt-Universität), Prof. Dr. Gunther Schnabl (Universität Leipzig) und Prof. Dr. Roland Vaubel (Universität Mannheim). Unterzeichnet haben ihn inzwischen 156 Wirtschafts-Professoren.

Wir – 156 Wirtschaftsprofessoren – warnen davor, die europäische Währungs- und Bankenunion noch weiter zu einer Haftungsunion auszubauen. Die in der Berliner Koalitionsvereinbarung erwähnten Vorschläge des französischen Präsidenten Macron und des EU-Kommissionschefs Juncker bergen hohe Risiken für die europäischen Bürger.

  1. Wenn der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) wie geplant als Rückversicherung für die Sanierung von Banken (Backstop) eingesetzt wird, sinkt für Banken und Aufsichtsbehörden der Anreiz, faule Kredite zu bereinigen. Das geht zu Lasten des Wachstums und der Finanzstabilität.
  2. Wenn der ESM wie geplant als „Europäischer Währungsfonds“ (EWF) in EU-Recht überführt wird, gerät er unter den Einfluss von Ländern, die der Eurozone nicht angehören. Da einzelne Länder bei dringlichen Entscheidungen des EWF das Vetorecht verlieren sollen, könnten Gläubigerländer überstimmt werden. So würde zum Beispiel der Deutsche Bundestag sein Kontrollrecht verlieren.
  3. Wenn die Einlagensicherung für Bankguthaben wie geplant vergemeinschaftet wird, werden auch die Kosten der Fehler sozialisiert, die Banken und Regierungen in der Vergangenheit begangen haben.
  4. Der geplante europäische Investitionsfonds zur gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung und der geplante Fonds zur Unterstützung struktureller Reformen dürften zu weiteren Transfers und Krediten an Euroländer führen, die es in der Vergangenheit versäumt haben, die notwendigen Reformmaßnahmen zu ergreifen. Es wäre falsch, Fehlverhalten zu belohnen. Über das Interbankzahlungssystem TARGET2 hat Deutschland bereits Verbindlichkeiten der EZB in Höhe von mehr als 900 Milliarden Euro akzeptiert, die nicht verzinst werden und nicht zurückgezahlt werden müssen.
  5. Ein Europäischer Finanzminister mit Fiskalkapazität würde als Gesprächspartner der EZB dazu beitragen, dass die Geldpolitik noch stärker politisiert wird. Die sehr umfangreichen Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (2550 Milliarden Euro bis September 2018) kommen schon jetzt einer Staatsfinanzierung über die Zentralbank gleich.

Das Haftungsprinzip ist ein Grundpfeiler der Sozialen Marktwirtschaft. Die Haftungsunion unterminiert das Wachstum und gefährdet den Wohlstand in ganz Europa. Dies zeigt sich bereits jetzt in einem sinkenden Lohnniveau für immer mehr, meist junge Menschen. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, sich auf die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft zurückzubesinnen.

Es gilt, Strukturreformen voranzubringen, statt neue Kreditlinien und Anreize für wirtschaftliches Fehlverhalten zu schaffen. Die Privilegierung der Staatsanleihen in der Risikovorsorge der Banken ist abzuschaffen. Die Eurozone braucht ein geordnetes Insolvenzverfahren für Staaten und ein geordnetes Austrittsverfahren. Die Kapitalmarktunion sollte vollendet werden – auch weil internationale Kapitalbewegungen asymmetrische Schocks kompensieren. Bei der EZB sollten Haftung und Stimmrechte miteinander verbunden werden. Die TARGET-Salden sind regelmäßig zu begleichen.  Die Ankäufe von Staatsanleihen sollten ein schnelles Ende finden.

 

Alle Unterzeichner

Hanjo Allinger, Rainer Alt, Peter Altmiks, Niels Angermüller, Gerhard Arminger, Philipp Bagus, Hartwig Bartling, Christian Bauer, Alexander Baumeister, Dirk Baur, Hanno Beck, Peter Bernholz, Norbert Berthold, Dirk Bethmann, Ulrich Blum, Christoph Braunschweig, Gerrit Brösel, Martin-Peter Büch, Walter Buhr, Rolf Caesar, Ronald Clapham, Erich Dauenhauer, Frank Daumann, Dietrich Dickertmann, Leef Dierks, Gerd Diethelm, Alexander Dilger, Juergen B. Donges, Norbert Eickhof, Alexander Eisenkopf, Mathias Erlei, Rolf Eschenburg, Stefan Felder, Robert Fenge, Cay Folkers, Siegfried Franke, Jan Franke-Viebach, Michael Frenkel, Andreas Freytag, Wilfried Fuhrmann, Werner Gaab, Gerhard Gehrig, Thomas Glauben, Frank Gogoll, Robert Göötz, Christiane Goodfellow, Rüdiger Grascht, Alfred Greiner, Heinz Grossekettler, Andrea Gubitz, Gerd Habermann, Hendrik Hagedorn, Gerd Hansen, Rolf Hasse, Klaus-Dirk Henke, Henner Hentze, Thomas Hering, Bernhard Herz, Stefan Hoderlein, Stephan Hornig, Guido Hülsmann, Jost Jacoby, Hans-Joachim Jarchow, Thomas Jost, Markus C. Kerber, Henning Klodt, Michael Knittel, Leonard Knoll, Andreas Knorr, Manfred Königstein, Ulrich Koester, Stefan Kooths, Walter Krämer, Dietmar Krafft, Rainer Künzel, Britta Kuhn, Werner Lachmann, Enno Langfeldt, Andreas Löhr, Tim Lohse, Helga Luckenbach, Reinar Lüdeke, Dominik Maltritz, Gerald Mann, Thomas Mayer, Dirk Meyer, Joachim Mitschke, Renate Ohr, Michael Olbrich, Werner Pascha, Hans-Georg Petersen, Wolfgang Pfaffenberger, Ingo Pies, Werner Plumpe, Mattias Polborn, Thorsten Polleit, Niklas Potrafke, Bernd Raffelhüschen, Bernd-Thomas Ramb, Richard Reichel, Hayo Reimers, Stefan Reitz, Rudolf Richter, Wolfram F. Richter, Gerhard Rösl, Roland Rollberg, Alexander Ruddies, Gerhard Rübel, Dirk Sauerland, Karlhans Sauernheimer, Andreas Schäfer, Stefan Schäfer, Wolf Schäfer, Malcolm Schauf, Bernd Scherer, Jörg Schimmelpfennig, Ingo Schmidt, Dieter Schmidtchen, Michael Schmitz, Gunther Schnabl, Jan Schnellenbach, Bruno Schönfelder, Siegfried Schoppe, Jürgen Schröder, Christian Schubert, Alfred Schüller, Peter M. Schulze, Thomas Schuster, Christian Seidl, Hans-Werner Sinn, Fritz Söllner, Peter Spahn, Jürgen Stark, Wolfgang Ströbele, Stefan Tangermann, H. Jörg Thieme, Stefan Traub, Dieter Tscheulin, Ulrich van Suntum, Roland Vaubel, Stefan Voigt, Hermann von Laer, Hans-Jürgen Vosgerau, Adolf Wagner, Heike Walterscheid, Gerhard Wegner, Rafael Weißbach, Heinz-Dieter Wenzel, Max Wewel, Hans Wielens, Otto Wiese, Rainer Willeke, Manfred Willms, Dietrich Winterhager, Michael Wohlgemuth, Hans-Werner Wohltmann, Achim Zink.

Photo: Van Gogh „Weber am Webstuhl“ (1884), gemeinfrei

In der deutschen Politik wird gerne gejammert: über Ungleichheit und Fremde und Neid. Rechts wie links wird der Eindruck erweckt, früher wäre alles besser gewesen. Das ist grundfalsch. Es ist an der Zeit für eine neue Fortschrittsbewegung.

Früher war alles besser?

Warum denken so viele Menschen in Deutschland, dass „früher alles besser war“? Der Wohlstand wächst seit Dekaden, unterbrochen nur von Episoden internationaler Krisen. Noch nie waren Güterausstattung, Lebenserwartung und Mobilität in Deutschland so gut wie heute. Es muss also darin liegen, könnte man meinen, dass all die positiven Informationen schlicht nicht durchdringen. Doch des Pudels Kern ist: so richtig sie sind, selbst wenn die Argumente durchdringen, erzeugen sind doch allenthalben Abwehrverhalten. Stichworte: Lügenpresse, Elitendenken, Fake News. Was sind die Ursachen der allgegenwärtigen Vergangenheitsverherrlichung?

Dauerndes Gejammer über Ungleichheit und das Fremde

Im Grunde bestimmen insbesondere zwei Themen das Lamento über die aktuelle Situation in Deutschland. Von linker Seite wird das Gefühl propagiert, weite Teil der Gesellschaft würden „abgehängt“, während sich die Champagner-Elite auf Kosten der ehrlichen Leute eine Yacht nach der anderen kaufe. Die rechte Seite des politischen Spektrums, traditionell häufig ein wenig wirtschaftsfreundlicher, hat ein anderes Feindbild: Das Fremde. Hier sind es nicht die Reichen, sondern Flüchtlinge und ausländische Konzerne, die dem ehrlichen Deutschen Arbeit, Wohlstand und vor allem die Leitkultur stehlen.

Klar ist: weder wird Deutschland zu einem kultur- und rechtslosen Raum, weil es eine ohne Frage große organisatorische Leistung vollbringt und natürlich auch gewisse Risiken eingeht, indem es über eine Million hilfesuchende Menschen aufnimmt. Klar ist auch, dass von Wirtschaftswachstum und marktwirtschaftlichen Regeln alle Teile der Gesellschaft profitieren. Gerade auch die Ärmsten. Trotz der unterschiedlichen Feindbilder, sind Motivation und vor allem Lösungsansätze beider Seiten des Spektrums eng verwandt.

Fantasieprobleme führen zu echter sozialer Spaltung und Empörungspolitik

Die Motivation ist der Neid. Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob Björn Höcke und Katja Kipping diese Missgunst auch selber empfinden, oder ob sie sie nur schüren, um im politischen Wettbewerb besser gehört zu werden. Am Ende steht die soziale Spaltung als Ergebnis einer Solidarisierung mit der gefühlt moralisch haushoch überlegenen Gruppe, die den vom Staat bevorzugten Eliten oder Migranten geradezu hilflos ausgeliefert sei. Doch nicht durch das Gefühl der moralischen Erhabenheit macht diese Strömungen so attraktiv, es sind die einfachen Lösungen. Es sind Lösungen wie „Reiche besteuern!“ oder „Kriminelle Ausländer abschieben!“.

Doch einfache Lösungen sind häufig zu kurz gedacht. Sie befriedigen einen Impuls der aufgestachelten Massen und verkennen dabei die langfristigen und fast immer negativen externen Effekte. Der französische Ökonom Frédéric Bastiat (1801-1850) sah genau darin das Problem einfacher Lösungen:

Dies ist der ganze Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Ökonomen: Der eine klebt an der sichtbaren Wirkung, der andere berücksichtigt sowohl die Wirkung, die man sieht, als auch diejenige, die man vorhersehen muss. Aber dieser Unterschied ist enorm, denn es ist fast immer so, dass die unmittelbare Folge günstig ist und die letztendlichen Folgen unheilvoll und umgekehrt.

Am Ende führen die Fantasie-Probleme nicht nur zu echter sozialer Spaltung, sondern im schlimmsten Fall zur Umsetzung verheerender Politik: Aus Neid wird Abschottung, aus Missgunst Fortschrittsfeindlichkeit.

Der Fortschritt sollte wieder zur gesellschaftlichen Strömung werden

Was kann die adäquate Antwort der Verfechter einer offenen Gesellschaft auf die Neid-Politik von rechts und links sein? Gesellschaftliche Strömungen entstehen dadurch, dass sie immer und immer wieder aufgegriffen werden. Mit vereinzelten Hinweisen auf Fakten wie den steigenden Wohlstand wird nur Abwehrverhalten erzeugt. Stattdessen wäre es an der Zeit, den Glaube an den Fortschritt wieder zu einer gesellschaftlichen Strömung zu erheben. Ahnlich wie in der Zeit der industriellen Revolution, die große Teile der Bevölkerung aus Subsistenzwirtschaft und Armut befreite. Gründe dafür gibt es genug:

In den letzten 200 Jahren hat die Weltbevölkerung eine unglaubliche Entwicklung durchgemacht. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts wuchsen Bevölkerung und Lebensstandard kaum. Eine hohe Kindersterblichkeit, Hunger und eine geringe Lebenserwartung waren der Alltag der Menschen. Seit 1800 hat sich der Lebensstandard der Weltbevölkerung verfünfundvierzigfacht, bei gleichzeitig stetig wachsender Weltbevölkerung.

 

Charles I. Jones: “The Facts about Economic Growth” (2015) NBER Working Paper Series

Dieses Fortschritts-Wunder fußt auf genau dem, was ein wirrer Thüringer Ex-Geschichtslehrer und eine Stalinistin mit nationalen Vorlieben am liebsten beseitigen wollen: auf einer marktwirtschaftlich organisierten, offenen und pluralen Gesellschaft. Halten wir an diesen Institutionen fest, gibt es keinen Grund, warum das Fortschritts-Wunder nicht anhalten sollte. Dem Club of Rome zum Trotz: Ein Ende der absoluten Armut ist absehbar und wir müssen uns vor immer weniger Krankheiten fürchten.

Am Ende geht es aber auch darum, Alternativen anzubieten zum spalterischen Gejammer von rechts und links. Die Besinnung auf den Fortschritt, auf die eigene und die gesellschaftliche Entwicklung, ist dann hoffentlich sogar ein wirksames Mittel gegen den lodernden Populismus in der deutschen Politik.  Statt wehmütig in eine verklärte Vergangenheit zurückzublicken, sollten wir also die Zukunft in den Fokus nehmen, mit all ihren Herausforderungen. Keine neue Erkenntnis, sagte doch schon Seneca: „Es ist schon ein großer Fortschritt, den Willen zum Fortschritt zu haben.“

 

Photo: ( Waiting for ) Godot from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Hätte Fidel Castro vor seiner Machtübernahme in Kuba vor 59 Jahren das Buch „Die Gemeinwirtschaft“ von Ludwig von Mises gelesen, wäre die Entwicklung Kubas vielleicht anders verlaufen. Doch er hat lieber gekämpft anstatt zu lesen. In Deutschland wird Kuba verklärt und als Urlaubsinsel ist das sozialistische Experiment beliebt. Die Schulausbildung sei gut, die Gesundheitsversorgung besser als in andern lateinamerikanischen Ländern und die wirtschaftliche Not sei lediglich Ergebnis der jahrzehntelangen US-Sanktionen. Letzteres hat es den Castros und Kuba nicht einfach gemacht. Aber die Ursache für das Elend liegt wohl eher woanders.

In dieser Woche tritt der letzte Castro, Fidels Bruder Raúl, als Präsident ab. Insofern ist es schon eine Zäsur. Bald 60 Jahre sozialistischer Großversuch hat das Land immer weiter zurückgeworfen. Offiziell beträgt die Wirtschaftsleistung pro Kopf 7.600 Dollar. Winand von Petersdorff-Campen schrieb gerade in der FAZ, dass die tatsächliche Wirtschaftsleistung pro Kopf „eher halb so groß“ sei. Heute kann man davon ausgehen, dass die Wirtschaftskraft des Inselstaates unter dem Niveau des Jahres 1985 liegt.  Offiziell liegt die Arbeitslosigkeit bei 2 Prozentpunkten. Doch 72 Prozent der Beschäftigten arbeiten im öffentlichen Sektor, dessen Gehälter von durchschnittlich 30 Dollar im Monat nicht ausreichen, um eine Familie zu ernähren. Eine Umfrage des „National Opinion Research Center“ der Universität Chicago unter Kubanern, die 2016 durchgeführt wurde, führte zum Ergebnis, dass 54 Prozent der Befragten, Kuba verlassen würden, wenn sich die Gelegenheit ergeben würde. Was sie antreibt, wird bei weiteren Fragen deutlich:  58 Prozent der befragten stimmten der Aussage zu: „Wettbewerb ist gut. Es regt Menschen dazu an, härter zu arbeiten und neue Ideen zu entwickeln.“ Und 65 Prozent wollen mehr Unternehmen in privater Hand.

Die Menschen in Kuba haben sicherlich auch nicht ihren Mises gelesen, aber sie entscheiden sich intuitiv richtig. Sie sind im eigenen Land in ihrer Nische Kapitalisten. Sie investieren ihr eigenes Geld. Sie fahren Taxi, haben einen kleinen Bauernhof oder vermieten einige Zimmer – ohne Staat und auf eigenes Risiko. Raúl hat seit seinem Amtsantritt vor 10 Jahren etwas Kapitalismus im Kleinen zugelassen. Nur das hat den Bankrott des Landes verhindert. Ansonsten wären wohl noch mehr Kubaner gegangen. Nur Wenigen war es bislang möglich auszuwandern. Sie sichern durch ihre Transferzahlungen das Überleben der Verwandtschaft auf der Karibikinsel.

Was Fidel und Raúl Castro nicht verstanden haben, ist der Umstand, dass das Regime keine Marktpreise zulässt, und damit wirtschaftliches Elend befördert. Das ist das, was Mises den Befürwortern der sozialistischen Idee bereits 1922 vorwarf. Das Fehlen von Marktpreisen führt zur Undurchführbarkeit der sozialistischen Wirtschaftsrechnung und letztlich zur Verelendung. In die Marktpreise von Produkten und Dienstleistungen fließen so viele Informationen ein, die keine staatliche Stelle, keine zentrale Behörde und kein Computer dieser Welt erfassen und wissen kann. Auch die DDR ist letztlich an fehlenden Marktpreisen gescheitert. Nicht ohne Grund ging es der DDR-Führung am Schluss nur noch um Devisenbeschaffung. Man bediente sich daher eines Systems das Marktpreise kannte, um die eigene Unwissenheit zu verlängern.

Freuen wir uns also über den Abgang Castros als kubanischer Präsident und rufen wir seinem Nachfolger Miguel Díaz-Canel Bermudez zu, was Mises so prägnant in seinem Buch geschrieben hat: „Die bloße Idee einer zentralen Planung widerspricht sich selbst. Ein sozialistischer Ausschuss für die zentrale Planung der Produktion wird angesichts der zu lösenden Probleme hilflos sein. Er wird nie wissen, ob die ins Auge gefaßten Projekte vorteilhaft sind oder ob ihre Durchführung nicht eine Verschwendung der zur Verfügung stehenden Mittel zur Folge haben würde. Sozialismus muss im Chaos enden.“