Photo: Wikimedia Commons

Seitdem es Handel gibt, stehen Kaufleute in einem schlechten Ruf. Ihnen wird Profitgier vorgeworfen, betrügerische Absichten und Ausbeutung. Dabei ist es in erster Linie ihr Verdienst, dass wir in einer immer besseren und friedlicheren Welt leben.

Der Händler macht ein Geschäft, der Held bringt ein Opfer

Der Ökonom und Soziologe Werner Sombart (1863-1941) verfasste 1915 eine Schrift unter dem Titel „Händler und Helden – Patriotische Besinnungen“, gegliedert in drei Teile: „Englisches Händlertum“, „Deutsches Heldentum“ und „Die Sendung des Deutschen Volkes“. Hier findet sich auf nur wenigen Seiten zusammengefasst die Summe der Vorurteile, die gegenüber den Kapitalisten und „Kommerzialisten“ im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende aufgebaut wurden. Händler sind für ihn geistlose Menschen, die nur nach dem eigenen Vorteil suchen und den Weg des geringsten Widerstands einschlagen. Der Gegensatz zu dieser verkommenen Gestalt ist die Person des Helden:

„Händler und Held: sie bilden die beiden großen Gegensätze, bilden gleichsam die beiden Pole aller menschlichen Orientierung auf Erden. Der Händler, sahen wir, tritt an das Leben heran mit der Frage: was kannst du Leben mir geben; er will nehmen, will für möglichst wenig Gegenleistung möglichst viel für sich eintauschen, will mit dem Leben ein gewinnbringendes Geschäft machen; das macht: er ist arm; der Held tritt ins Leben mit der Frage: was kann ich dir Leben geben? er will schenken, will sich verschwenden, will sich opfern – ohne Gegengabe; das macht: er ist reich. Der Händler spricht nur von ‚Rechten‘, der Held nur von Pflichten, die er hat.“

Alte Vorurteile, immer wieder neu aufgebrüht

Es ist eine alte Geschichte: Schon die antiken Griechen hatten dem Gott Hermes nicht nur die Zuständigkeit für Diebe zugeschrieben, sondern auch für Händler. Oft mischen sich auch antisemitische Stereotype in die Abneigung gegenüber den „Krämerseelen“, wie etwa in Shakespeares Drama „Der Kaufmann von Venedig“ oder in etlichen Erzählungen des schwäbischen Märchenautors Wilhelm Hauff. Und heutzutage wird dieses unselige Erbe weitergetragen von Globalisierungsgegnern an den beiden Rändern des politischen Spektrums. Anständige Menschen, so der Grundtenor, findet man auf dem Acker, an der Werkbank oder in der Fabrik (oder auch auf dem Schlachtfeld, wenn man Sombart folgt). Die Schurken hingegen verleihen das Geld, das andere erwirtschaftet haben und zu dem sie auf unehrlichem Wege gekommen sind, zu überhöhten und natürlich nicht verdienten Zinsen. Sie leben von der Arbeit anderer Hände. Anstatt im Schweiße ihres Angesichts mit den eigenen Händen etwas zu fertigen, profitieren sie vom bloßen Handeln und von ihrer Hinterlist und Tücke.

Mit der Realität von Kaufleuten, Händlern und Unternehmern haben all diese Klischees sehr wenig zu tun. Das Gegenteil ist der Fall: Die Menschen, die Sombart und seine rechten und linken Gesinnungsgenossen als Helden darstellen, sind alles andere als Helden. Die Krieger und Kämpfer – für ein vermeintliches Vaterland, für soziale Gerechtigkeit, gegen den „Ausverkauf unserer Kultur“ und gegen „die da oben“ –, diese vermeintlichen Helden sind in der Regel getrieben von Angst. Sie kennen keinen anderen Weg zum Erreichen ihrer Ziele als die Gewalt. Sie sind nicht erfinderisch und nicht experimentierfreudig. Sie sind leicht manipulierbar und suchen den Applaus. Helden sind aus einem ganz anderen Stoff gemacht!

Mit Heldenmut ins Unbekannte

Die wahren Helden in der Menschheitsgeschichte sind die Händler gewesen. Denn sie haben immer wieder Barrieren überwunden und haben sich auf Abenteuer eingelassen, deren Ausgang ganz und gar ungewiss war. Ihre Stärke und Motivation kommt nicht durch Beifall und Verehrung der Gruppe, sondern kommt aus ihrem eigenen Selbstbewusstsein und ihrem Drang zur Verbesserung – statt zur Vernichtung. Die ersten Händler, so haben bedeutende Ökonomen wie Friedrich August von Hayek und Herbert Giersch es versucht zu rekonstruieren, waren Männer und Frauen, die sich aus ihrer kleinen Gruppe herausgetraut haben. Wagemutige und entdeckungsfreudige Menschen, die angefangen haben, mit Fremden in Austausch zu treten. Die die Angst überwunden haben, die der Unbekannte bei uns unwillkürlich auslöst – und die dem Impuls widerstanden haben, ihm den Schädel einzuschlagen um der vermeintlichen eigenen Sicherheit willen.

Doch nicht nur wegen ihres Mutes sind sie Helden. Sondern auch, weil dieser Mut – ob beabsichtigt oder nicht – die Ursache dafür ist, dass wir in einer gesünderen, wohlhabenderen und friedlicheren Welt leben. Erst die Bereitschaft, die anderen nicht als Gegner, sondern als mögliche Partner aufzufassen, hat dazu geführt, dass die Schrift erfunden wurde, Penicillin entdeckt wurde, Smartphones gebaut wurden und Bauern aus der bittersten Armut kommen, indem sie sich auf Kaffeeanbau oder Rinderhaltung spezialisieren. Wenn wir zu Menschen aufblicken wollen, dann sollten das nicht die Che Guevaras oder Hindenburgs sein, sondern die Frauen und Männer, die seit Jahrtausenden ihre Bastkörbe, Schrauben und Computerprogramme in die Welt getragen haben und unser aller Leben verbessert haben. Wie selbst Sombart sehr zutreffend in seinem Text feststellte: „Die theoretische Stellung des Händlers zum Kriege ergibt sich ohne weiteres aus seinen Grundansichten: sein Ideal muß der allgemeine ‚ewige‘ Friede sein.“

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert