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Photo: Quinn Dombrowski from flickr (CC BY-SA 2.0)

Auch wer weder ein Freund des Migrationspaktes ist noch der WTO, wer weder die EU schätzt noch begeisterter Anhänger der WHO ist, sollte sich klar machen: Die derzeitige Abkehr vom Multilateralismus ist das Gegenteil von einem Befreiungsakt, auch wenn das Protektionisten und Nationalisten so darstellen.

Der Preis der Souveränität ist hoch

Beispiel Freihandel: Nachdem spätestens seit zwei Jahren die Doha-Runde als gescheitert gilt, haben sich viele Industrienationen und Schwellenländer wieder stärker dem Abschluss bi- und plurilateraler Abkommen gewidmet. TTIP, CETA und JEFTA sind die prominentesten Beispiele dafür, das Scheitern eines globalen Handelsabkommens durch Einzelabkommen auszugleichen. So erfreulich diese Aktivitäten sind – wenn sie nicht gerade von der US-Regierung torpediert werden –, sie stehen einer großen Lösung tendenziell eher im Weg, weil der Druck abnimmt, weltweite Handelshemmnisse abzubauen. Scheinbar kann man so seine Souveränität wahren oder in den Worten der Brexiteers: wieder die Kontrolle übernehmen. Doch der ökonomische Preis ist hoch. Es besteht, wie Jens Hertha in seinem Beitrag zu unserem Buch „Freihandel – für eine gerechtere Welt“ darlegt, die Gefahr, „dass langfristig Handelsfragmentierungen und Ineffizienzen verstetigt werden.“ Letztlich verbauen diese second-best-Lösungen den Weg zu einer umfassenden Lösung.

Beispiel Migration: Der Migrationspakt, der derzeit alle Gemüter erhitzt, ist wie das allermeiste Papier vor allem eines: geduldig. Das fängt schon damit an, dass es keine Autorität gibt, die irgendeine Verpflichtung durchsetzen könnte. Die Vereinbarung hat vor allem zwei Ziele: Der Umgang mit Migranten (nicht Flüchtlingen) soll sich weltweit bestimmten Standards annähern. Das umfasst humanitäre Fragen genau so wie Fragen des Grenzschutzes. Und außerdem soll er als gemeinsame Diskussionsgrundlage dienen. Wenn wir nach Antworten auf das drängende Migrationsphänomen suchen, ist eine Mauer keine Lösung – erst recht nicht in Europa. Alleingänge führen hier nicht nur dazu, dass langfristige Lösungen nicht mehr gesucht werden, sondern auch, dass Staaten auf anderen Gebieten immer stärker isoliert werden.

Kooperation: die Grundlage menschlicher Zivilisation

Es springt einen derzeit förmlich an: Weltweit fürchten sich Menschen vor einem Kontrollverlust. Die Globalisierung von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur gibt ihnen das Gefühl des Ausgeliefertseins. Die einen fühlen sich fremdbestimmt durch das Kapital, andere fühlen sich bedrängt durch fremde Kulturen und viele haben das Gefühl, dass eine kleine elitäre Gruppe ihnen geradezu die Luft abschnürt. Kein Wunder, dass da das politische Versprechen, sich endlich wieder der eigenen Leute anzunehmen, Hochkonjunktur hat. Die Rechnung für diese Verlockungen zahlen am Ende aber nicht die Politiker, sondern die kleine Frau und der kleine Mann: Handelseinbußen, höhere Preise, wachsendes Misstrauen, globale Unsicherheiten, steigende gesellschaftliche Spannungen und natürlich ein zunehmender Einfluss der Supermächte.

Vor allem aber sind die isolationistischen Tendenzen das Gegenteil des Prinzips, das menschliche Zivilisation auf ihre heutigen Höhen gebracht hat. Die Fähigkeit, ja der Wille zur Kooperation sind die Grundlage der freien und offenen Gesellschaft. Das Prinzip der Marktwirtschaft hätte sich nicht durchgesetzt, wenn unsere Vorfahren vor 10.000 Jahren auf Autarkie gesetzt hätten, anstatt den Schritt auf den Nachbarstamm hin zu wagen. Der rasante Fortschritt der Wissenschaften seit dem Hochmittelalter wäre ohne regen Fachkräfteaustausch, gerade in Europa, nicht einmal im Ansatz denkbar gewesen.  Die freiheitliche Ordnung der Moderne basiert auf dem Grundsatz „that all men are created equal“ und auf der Ablehnung von Machtkonzentration, die das Mittel und damit letztlich auch das Ziel aller Bewegungen ist, die etwas „great again“ machen oder die Kontrolle zurückgewinnen wollen.

Die engen Ketten von Nationalismus und Protektionismus

In der Zeit der Aufklärung bildeten sich zwei unterschiedliche Traditionslinien heraus. Der Sozialphilosoph Friedrich August von Hayek hat den Unterschieden sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet, besonders in seinem Aufsatz „Wahrer und falscher Individualismus“ von 1945. Die eine, die französische Tradition, hat einen „überspitzten Glauben in die Macht des Einzelverstandes“. Dagegen ist die angelsächsische Position geprägt von „Demut gegenüber Vorgängen, durch die die Menschheit Dinge erreicht hat, die größer sind als der Einzelverstand“. Eine zentrale Erkenntnis dieser Aufklärer lag darin, die Stärke des Menschen als Gemeinschaftswesen zu erkennen. Der Mensch ist fähig, sich mit anderen zu koordinieren, aus diesem Austausch zu lernen und beiderseitigen Nutzen zu ziehen.

So ärgerlich man, durchaus zu Recht, Entscheidungen der EU oder der WHO auch finden mag – es ist höchst gefährlich, das Kind Multilateralismus als Ganzes mit dem Bade auszuschütten. Ja, der Streit um die richtige Position ist im Kontext solcher Organisationen mühselig und frustrierend. Und bei manch einem Instrumentarium des Multilateralismus mag es auch sinnvoller sein, es abzuschaffen als es vor sich hin siechen zu lassen. Was aber bei vielen Kritikern fehlt – und das ist das Problem – ist das grundsätzliche Bekenntnis zu Kooperation und der Wille, gemeinsam Lösungen zu finden. Viel zu oft geht die Kritik einher mit einer Hymne auf die eigene Souveränität und die Befreiung von den Ketten der anderen. In Wahrheit sind die Ketten des Nationalismus und des Protektionismus aber viel enger. Im Laufe der Geschichte ist die Freiheit vor allem durch Kooperation erlangt worden, nicht durch Abschottung. Nicht zuletzt, weil die Herolde nationaler Souveränität oft sehr genau wissen, was für ihr Land das Beste sei. Und diese Haltung ist mithin der größte Feind der Freiheit.

Mit Mut, Tapferkeit und guten Argumenten in den Wettbewerb eintreten

Eine multilaterale Gesinnung und Politik zu verfolgen, heißt im Übrigen keineswegs, dass man auf Auseinandersetzungen verzichten müsste oder keinen eigenen Standpunkt haben dürfte. Ganz im Gegenteil: gerade dadurch, dass verschiedene Akteure ihre Interessen und Überzeugungen einbringen, kann man Problemlösungen näherkommen. Der Rückzug auf die nationale Souveränität hingegen ist im Grunde ein Zeichen von Bequemlichkeit, Argumentationsschwäche oder gar Feigheit. Auf jeden Fall ist es Diskursverweigerung. Damit verweigert man sich aber dem genialen Grundprinzip der freien Gesellschaft, das Hayek in seinem oben erwähnten Aufsatz auf den Punkt brachte:

„Die Vernunft existiert nicht im Singular, als etwas, das in einer einzelnen Person gegeben oder verfügbar ist, wie der rationalistische Vorgang anzunehmen scheint, sondern sie muss als ein interpersoneller Prozess vorgestellt werden, in dem jedermanns Beitrag von anderen geprüft und korrigiert wird.“

Photo: Luis Ascenso from Flickr (CC BA 2.0)

China auf dem Vormarsch, die USA im Taumel. Kein Wunder, dass die Debatte um die Rolle Europas in der Welt wiederaufkommt. Dabei sollte man weder auf Großmannssucht noch auf Selbstverzwergung setzen, sondern auf das, was Europa so groß gemacht hat: Vielfalt und die Fähigkeit zur Kooperation.

Großmacht Europa – eine Dystopie

Auf hohem intellektuellem Niveau tobt auf deutschen Zeitungsseiten gerade eine Debatte um die Frage, welchen Platz Europa bzw. die Europäische Union in der Welt einnehmen sollte. Ende Juli meldete sich in der Süddeutschen Zeitung Joschka Fischer zu Wort, der inzwischen zum glühenden Westler gewandelte Alt-68er. Er plädierte dafür, das derzeit durch den Ausfall der Vereinigten Staaten entstehende Vakuum zu füllen durch eine aktivere Rolle der EU, die – wie zu Zeiten des Kalten Krieges die USA – den Part der (durchaus wehrhaften) Hüterin westlicher Werte übernehmen sollte. Mit einem sehr gelehrten und klugen Artikel antwortete im August in der FAZ der alte CSU-Recke Peter Gauweiler, indem er einen historischen Bogen von den Kreuzzügen bis heute spannte und am Ende empfahl, dass Europa eher die Rolle der Schweiz einnehmen sollte. Das wirklich Erfreuliche und Schöne an dieser Debatte ist auf jeden Fall, dass sie auf einem Niveau und mit einer Überzeugungskraft stattfindet, wie sie bei den derzeitigen Politikern kaum zu finden ist, die in der Regel nur die zwei Alternativen dümmliche Stänkerei und absolute Profillosigkeit kennen. So kann man streiten – Bravo, die Herren!

Nun aber zur Sache: So erfreulich es ist, dass Fischer inzwischen deutlich Position bezieht für die Werte der freien Welt, für liberale Demokratie und Marktwirtschaft – in all seinem Eifer schießt er über das Ziel hinaus. Es ist schon rein praktisch nicht wirklich vorstellbar, dass sich die Europäische Union mit ihren extrem unterschiedlichen außenpolitischen Kulturen auf ein gemeinsames Vorgehen einigen könnte. Und in Zeiten der ohnehin vielfältigen und gravierenden Streitpunkte von Euro über Migration bis zur Sozialunion sollte man dieses Fass wohl nicht aufmachen. Darüber hinaus ist auch die Frage – und das kritisiert Gauweiler mit sehr guten empirischen Argumenten –, wie zielführend bisher die Versuche westlicher Staaten waren, ihre Werte mit Sanktionen und Bomben durchzusetzen. Waren die Kollateral- und Folgeschäden nicht meist ein viel zu hoher Preis?

Biedermeier ist auch nicht die Lösung

Schließlich stellt sich auch noch die Frage, ob es tatsächlich mit dem vielbeschworenen europäischen Geist vereinbar sein kann, wenn die EU zu einer globalen Macht wird, die auf Augenhöhe mit China, den USA und vielleicht noch zwei, drei anderen bedeutsamen Spielern die Geschicke der Menschheit zum Guten zu wenden versucht. Sicherlich will sich Fischer nicht in diese Kontinuität stellen, aber vor 150 Jahren wurden in deutschen Zeitungen ganz ähnliche Argumente laut: Deutschland müsse auf einer Augenhöhe mit Frankreich, Großbritannien und England mitspielen können, darum sei es an der Zeit, dass die Kleinstaaterei ein Ende habe. Dabei haben viele der Einigungs- und Zentralisierungsbewegungen, die im 19. Jahrhundert Hochkonjunktur hatten, die fruchtbare Vielfalt zugunsten des mächtigen Großstaates zerstört. Das war schon einmal Europas Fanal – wir sollten den Fehler nicht wiederholen.

Was Gauweiler in seinem Text motiviert, kann man mit ähnlich viel grundsätzlicher Sympathie aufnehmen wie Fischers Überlegungen. Die beiden Altmeister deutscher Politik teilen das Anliegen einer friedlicheren und freieren Welt. Doch während Fischers Vorschlag eine Art Hyper-Realpolitik mit missionarischem Eifer ist, neigt Gauweilers Alternative dazu, zu einem Scheuklappen-Biedermeiertum umzuschlagen, das jegliche Ambitionen aufgibt. Das kann man sich vielleicht leisten, wenn man die Schweiz ist, die ihm ja als Ideal vorschwebt, aber die EU könnte eine solche Position niemals einnehmen. Sie ist verletzlich, insbesondere an ihren östlichen und südlichen Grenzen. Sie ist zutiefst verwoben in eine globalisierte Welt. Und sie muss ein Interesse daran haben, dass Stabilität und Prosperität weltweit zunehmen. Die Schweiz profitiert davon, dass sie ein winziges Land ist, umgeben von großen Staaten, die zugleich wie Puffer wirken und dankbare Handelspartner sind. In dieser komfortablen Lage befindet sich die EU nicht.

Die Hände gehören weder an den Abzug noch in den Schoß

Die Übersichtlichkeit und Berechenbarkeit der Almhütte in den Bergen, die ja sozusagen der Nucleus des Schweizer Sonderwegs ist, passt auch nur zu einem Teil Europas. Die treibenden Motoren der westlichen Zivilisation waren hingegen die lombardischen und flämischen Händler, die spanischen und schottischen Gelehrten, die Verfassungsväter Amerikas und die Trümmerfrauen Mitteleuropas. Es waren Menschen, die sich in den dauernden Austausch begeben haben und Interesse an der sie umgebenden Welt hatten. Die enorme Vielfalt Europas war für sie eine Quelle der Inspiration – in der Auseinandersetzung wie im gegenseitigen Lernen. Diese Menschen haben sich aber auch durchaus offensiv für ihre Werte und Überzeugungen eingesetzt. Einfach nur die Bankkonten verwalten und die Büros des Roten Kreuzes beherbergen, ist für Europa genauso wenig eine Option wie die Marineinfanterie in aller Herren Länder zu schicken, um die Segnungen der Demokratie zu verbreiten.

Was dann? Man muss keine Großmacht sein, um Einfluss zu haben – ja, man muss nicht einmal mit einer Stimme sprechen. Man braucht dafür auch weder Panzer noch Massenvernichtungswaffen. Und vor allem muss man nicht der Versuchung erliegen, die Welt in ein „wir“ und „die“ einzuteilen. Gerade die unterschiedlichen Ansätze der europäischen Regierungen und die unterschiedlichen Beziehungen, in denen die Länder zu anderen Staaten stehen, sind doch ein wesentlich reichhaltigeres Arsenal, um auf allen möglichen Wegen für die Werte einzustehen, die uns in der EU und in Europa zusammenbringen. Am Ende werden weder Waffen die Welt verändern noch der Rückzug ins Idyll, sondern das Vorbild funktionierender Ordnungen, die Attraktivität unseres Gesellschaftsmodells und die Glaubwürdigkeit, mit der wir für unsere Werte eintreten. Und diese Glaubwürdigkeit geschieht weder mit den Händen am Abzug noch im Schoß – sondern mit der ausgestreckten Hand: ausgestreckt zum Handel, zur Kommunikation und zum Friedensschluss. Die ausgestreckte Hand ist die mühsamste Alternative, aber zugleich auch diejenige, die die besten Früchte trägt.

Photo: Randy Fath from Unsplah (CC 0)

US-Präsident Donald Trump macht weiter wo er aufgehört hat. Jetzt nimmt er sich die Welthandelsorganisation WTO vor. „Die WTO hat die USA sehr, sehr schlecht behandelt und ich hoffe, sie ändert dies“, poltert er vor wenigen Tagen. Das ist nicht neu. Bereits 2016 bezeichnete er die WTO als „Desaster“. Einen möglichen Austritt der USA hält sein Handelsminister Wilbur Rose zwar noch für ein verfrühtes Gerede, dennoch berichten US-Medien darüber, dass Trump einen Gesetzentwurf vorbereiten lässt, der ihm die Möglichkeit geben soll, auf Einfuhren aus jedem Land Zölle in beliebiger Höhe zu verhängen, und auch die Obergrenzen der WTO zu sprengen. Beides wäre letztlich das Ende der WTO. Zwar gehören die USA zu den Gründungsmitgliedern der 1994 ins Leben gerufenen Welthandelsorganisation, doch beliebt war die Organisation bei US-Regierungen nie. Bereits Trumps Vorgänger Bush und Obama haben sich immer wieder kritisch zur WTO geäußert. Doch jetzt hat die Kritik eine neue Dimension.

Insbesondere die Schlichtungskammer ist den Amerikanern ein Dorn im Auge. Derzeit sind nur 3 Richter vorhanden, Ende nächsten Jahres wird ein Richter ausscheiden, dessen Nachbenennung die USA derzeit verhindert. Gelingt dies nicht, ist die Schlichtungskammer beschlussunfähig. Die WTO wäre faktisch manövrierunfähig. Damit hätte die Trump-Administration ein wichtiges Ziel erreicht.  Immerhin richten sich derzeit 13 von 18 Beschwerden aus diesem Jahr gegen die USA.

In den USA gibt es auch gewichtige Stimmen, die diese Entwicklung äußerst kritisch sehen. Simon Lester vom Cato Institute befürchtet, „dass die USA höhere Handelsbarrieren in allen ihrer wichtigsten Export-Märkten vorfinden würden, da all diese Länder nicht länger an ihr Versprechen gebunden wären, Zölle auf US-Produkte zu verringern.“ Auch der Schutz geistigen Eigentums sei dadurch gefährdet. Insgesamt hätte die USA kein gutes Instrument mehr, um gegen Handelsbarrieren anderer Staaten vorzugehen, so Lester.

Die Kritik an der WTO kommt aber nicht nur von Donald Trump und aus Amerika. Viele so genannte NGOs bekämpfen die WTO, weil sie einseitig nur die Interessen der Industrienationen vertrete und Schwellen- und Entwicklungsländer nicht ausreichend ihre Interessen wahrnehmen könnten. In den Verhandlungen über den Abbau von Handelsschranken hätten es große und entwickelte Ländern einfacher, ihre Interessen vorzubringen und auch durchzusetzen. Diese Kritik ist nicht völlig unberechtigt, da kleine Länder und Länder mit geringen finanziellen Mitteln sich eine professionelle Vorbereitung auf die Verhandlungen meist nicht leisten können. Doch was ist die Alternative? Kann Marokko oder Nepal die Interessen seiner Bürger und Unternehmen besser durch bilaterale Handelsabkommen vertreten? Wohl kaum. Verhandlungen auf Augenhöhe sind so auch nicht zu erwarten. Mit einer gewissen Asymmetrie müssen wir wohl daher leben. Die WTO und ihre Instrumente der Konfliktschlichtung sind daher eine große historische Errungenschaft.

Eigentlich ist die WTO die Antwort auf die gravierenden Fehler der Vergangenheit. Schon einmal ging Amerika den Weg der Abschottung und des Bilateralismus. Es ist gerade mal 88 Jahre her. Im Juni 1930 trat der Smoot-Hawley Tariff Act in Kraft. Er führte US-Schutzzölle auf 20.000 Produkte ein, um die amerikanische Wirtschaft zu schützen. Amerika setzte nur noch auf gegenseitige Handelsabkommen und verzichtete auf die Meistbegünstigungsklausel, die Dritten die gleichen Handelsvorteile zubilligt wie den beiden Vertragsparteien. Anschließend trat ein wechselseitiges Hochschaukeln protektionistischer Maßnahmen in den weltweiten Handelsbeziehungen ein. So weit sind wir inzwischen von dieser Entwicklung nicht mehr entfernt.

Die Reaktionen der EU und Chinas unterstreichen diesen geschichtlichen Vergleich und zeigen gleichzeitig den Unsinn dieses Vorgehens. Was bringt es, die dummen und schlechten Ideen des einen durch ebenso schlechte Maßnahmen zu kontern? Was bringt es, wenn die USA auf Stahl- und Aluminiumprodukte höhere Zölle erhebt, und anschließend China auf Soja und die EU auf Whisky? Die einzige eindeutige Wirkung ist: es geht mehr Menschen schlecht. Erst geht es den Stahlexporteuren schlecht, dann den Verarbeitern in den USA und dann müssen es die Konsumenten in Amerika noch mit höheren Preisen bezahlen. Darauf reagieren China und die EU mit Maßnahmen, die Soja oder Whisky teurer machen, womit sie den Konsumenten im eigenen Land bestrafen. So ein Unsinn!

Besser wäre es doch, wenn die willigen Staaten sich zusammenfinden und gemeinsam die WTO-Regeln neu vereinbaren und fortschreiben würden. Warum soll es nicht möglich sein, die gescheiterte Doha-Runde, die Zölle und Handelsschranken von Industrieländern, Entwicklungs- und Schwellenländern beseitigen wollte, gerade jetzt, unter dem Druck einer neuen Protektionismus-Spirale, neu zu starten. Daher wäre eine WTO 2.0 die richtige Antwort auf den Smoot-Hawley Tariff Act 2.0 eines Donald Trump.

Als Präambel dieser neuen WTO-Vereinbarung könnte auf den großen französischen Staatsmann des 19. Jahrhunderts Alexis de Tocqueville Bezug genommen werden, der über den Freihandel gesagt hat: „Der Handel ist von Natur ein Feind aller gewalttätigen Leidenschaften. Er liebt die Mäßigung, gefällt sich in Zugeständnissen, flieht sogfältig den Zorn. Er ist geduldig, einschmeichelnd und er greift zu äußersten Mitteln nur, wenn die unbedingteste Notwendigkeit ihn dazu zwingt.“

 

Erstmals veröffentlicht bei Tichys Einblick.

Photo: 16:9clue from Flickr (CC BY 2.0)

Der spanische Philosoph José Ortega y Gasset (1883-1955) verfasste 1930 ein vielbeachtetes Essay „Der Aufstand der Massen“. Was als Abgesang auf die liberale Ordnung geschrieben war, liest sich heute mitunter wie eine Prognose auf Fake News, Populismus und Identitätspolitik.

Verwöhnte Kinder

Für Ortega, einen liberalen Republikaner vom alten Schlag, deutete sich in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg der Verlust der offenen, pluralen und dynamischen Gesellschaft an, die sein Altersgenosse Stefan Zweig in seinem ein Jahrzehnt später verfassten Buch „Die Welt von gestern“ so anschaulich und wehmütig beschreibt. Die Lektüre von Ortegas Text lohnt sich nicht nur für den Historiker. Es ist auch erstaunlich aktuell im Blick auf die Probleme, die heute auf unsere Gesellschaft zukommen. Corbyn und Orban, Trump und Maduro, Pegida und Campact – sie alle kann man in diesem Zeugnis europäischen Geistes wiederfinden.

Eine zentrale Rolle spielt in Ortegas zeitkritischem Rundumschlag der Gegensatz zwischen der Masse und den Eliten. Deshalb tun sich Kritiker leicht, ihm Snobismus vorzuwerfen. Weit gefehlt. So ungeschickt die Wortwahl gewesen sein mag. Er meint damit etwas ganz anderes: Masse bezeichnet hier keine gesellschaftliche Klasse, sondern eine Menschenklasse oder -art, die heute in allen gesellschaftlichen Klassen vorkommt. Er meint mit Masse Menschen, die es sich in der Bequemlichkeit des status quo einrichten. Die keine Ansprüche an sich, aber dafür umso mehr an die Gesellschaft haben. Die wie verwöhnte Kinder jetzt sofort ihren Willen durchsetzen wollen ohne überhaupt einen Gedanken an Voraussetzungen und Konsequenzen zu verschwenden. Insofern kann etwa das Staatsoberhaupt der USA durchaus als Teil der Masse begriffen werden

Die Herrschaft der Stammtische

Der Gegensatz dazu ist der elitäre Mensch. Das müssen weder Professoren noch Großbürger sein. Weder Abschluss noch Einkommen definieren für Ortega Elite, sondern Haltung. Elite sind Menschen, die Mühen auf sich zu nehmen bereit sind, um Verbesserung zu erreichen. Die die Bereitschaft aufbringen, auf andere zu hören, sie zu akzeptieren und von ihnen zu lernen. Es können also auch Menschen Elite sein, die völlig aus der üblichen sozioökonomischen Definition von Elite herausfallen. Letztlich beschreibt Ortega mit den beiden Begriffen Haltungen und Persönlichkeitstypen. Sein „Aufstand der Massen“ ist mithin eine Beschreibung der Revolte der Unvernunft, eine Art Gegenaufklärung.

Die Errungenschaften der Aufklärung im politischen Bereich sieht er gefährdet durch diejenigen, die ihrem Ethos der Anstrengung aus Bequemlichkeit und selbstverschuldeter Ignoranz entgegenstehen. Sie wollen die einfachen Lösungen. Und das hat durchaus Konsequenzen für grundlegende Prinzipien der freiheitlichen Demokratie. Deren wesentlicher Bestandteil ist der Schutz der Minderheit vor der Herrschaft der Mehrheit. Die Massenmenschen dagegen glauben, es sei ihr gutes Recht, ihre Stammtischweisheiten durchzudrücken und mit Gesetzeskraft auszustatten.Den Wust von Gemeinplätzen, Vorurteilen, Gedankenfetzen oder schlechtweg leeren Worten, den der Zufall in ihm aufgehäuft hat, spricht er ein für allemal heilig und probiert mit einer Unverfrorenheit, die sich nur durch ihre Naivität erklärt, diesem Unwesen überall Geltung zu verschaffen.

Sie verachten den Pluralismus der freiheitlichen Gesellschaft und das Konzept des Individualismus: Anderssein ist unanständig. Die Masse vernichtet alles, was anders, was ausgezeichnet, persönlich, eigenbegabt und erlesen ist. Wer nicht „wie alle“ ist, wer nicht „wie alle“ denkt, läuft Gefahr, ausgeschaltet zu werden. Hier hallt bereits der Ruf der heutigen Massenmenschen voraus: Der Kampf der „99 Prozent“ gegen „die da oben“, der angeblich traditionellen Werte gegen „Gayropa“. Der Liberale sucht nach Wegen der Kooperation und der Versöhnung, der Massenmensch hingegen braucht die Feindbilder, um sich selbst zu bestätigen: Der Liberalismus … verkündet den Entschluss, mit dem Feind, mehr noch: mit dem schwachen Feind zusammenzuleben. … Mit dem Feind zusammenleben! Mit der Opposition regieren! Ist eine solche Humanität nicht fast schon unbegreiflich? … Die Masse … wünscht keine Gemeinschaft mit dem, was nicht zu ihr gehört; sie hat einen tödlichen Hass auf alles, was nicht zu ihr gehört.

Hat sich der Liberalismus zu Tode gesiegt?

Auch die großen Narrative hat es damals schon gegeben. Ortega reagiert allergisch auf das Gerede über den Niedergang und besonders den Niedergang des Abendlandes und stellt fest: Es gibt nur einen bedingungslosen Niedergang; er besteht in einem Schwinden der vitalen Kräfte. Damit meint er die Bereitschaft der „Elite“, sich auf Neues einzulassen, nicht nur ökonomische, sondern auch kulturelle und gesellschaftliche Entrepreneure zu sein. Paradoxerweise hängt dieser tatsächliche Niedergang zusammen mit den beiden großen Erfolgen des 19. Jahrhunderts, die Ortega ausmacht: liberale Demokratie und Technik. Nicht unähnlich den Analysen von Hayek scheint es ihm, als ob sich diese Errungenschaften gewissermaßen zu Tode gesiegt hätten:

Der fortschrittliche Liberalismus wie der Marxsche Sozialismus setzen voraus, dass sich, was sie als beste Zukunft ersehnen, unabwendbar … verwirklichen wird. Durch diese Theorie vor ihrem eigenen Gewissen gedeckt, ließen sie das Steuer der Geschichte fahren, blieben nicht länger in Bereitschaft und büßten Beweglichkeit und Tatkraft ein. … Kein Wunder, wenn die Welt heute leer von Plänen, Zielsetzungen und Idealen ist. Niemand befasst sich damit, sie bereit zu halten. Das ist die Fahnenflucht der Eliten, die immer die Kehrseite zum Aufstand der Massen darstellt.

Die Verstaatlichung des Lebens und Identitätspolitik

Die Kombination aus dieser Antriebs- und Ziellosigkeit und dem mangelnden Bewusstsein für die Mühen, die es kostet, Wohlstand und Freiheit zu erhalten, führt zu einer Anspruchshaltung, die die dynamischen – vitalen, wie Ortega sagt – Kräfte zerstört: Die Lebenslandschaft der neuen Massen … bietet tausend Möglichkeiten und Sicherheit obendrein, und alles fix und fertig, zu ihrer Verfügung, unabhängig von einer Bemühung ihrerseits … Eben die Vollkommenheit der Organisation, die das 19. Jahrhundert gewissen Lebensordnungen gegeben hat, ist Ursache davon, dass die Massen, denen sie zugute kommt, sie nicht als Organisation, sondern als Natur betrachten. … nichts beschäftigt sie so sehr wie ihr Wohlbefinden, und zugleich arbeiten sie den Ursachen dieses Wohlbefindens entgegen. Da sie in den Vorteilen der Zivilisation nicht wunderwürdige Erfindungen und Schöpfungen erblicken, die nur mit großer Mühe und Umsicht erhalten werden können, glauben sie, ihre Rolle beschränke sich darauf, sie mit lauter Stimme zu fordern, als wären sie angeborene Rechte.

Da die Massenmenschen sich im Recht glauben, haben sie keine Hemmungen, Machtmittel einzusetzen, um ihren Willen zu verwirklichen. Sie haben die deutlichsten Vorstellungen von allem, was in der Welt geschieht und zu geschehen hat und dulden keine Abweichungen. Daher schließt Ortega, dass die größte Gefahr, die heute die Zivilisation bedroht, die Verstaatlichung des Lebens ist, die Einmischung des Staates in alles, die Absorption jedes spontanen sozialen Antriebs durch den Staat; das heißt die Unterdrückung der historischen Spontaneität, die letzten Endes das Schicksal der Menschheit trägt, nährt und vorwärtstreibt. Das führt unweigerlich zu dem, was wir heute mit dem Begriff Identitätspolitik bezeichnen. Politische Macht soll zu einem Mittel werden, mit dem die eigenen Wertevorstellungen durchgesetzt werden, weit über die unmittelbare Sphäre des Politischen hinaus: da der Massenmensch tatsächlich glaubt, er sei der Staat, wird er in immer wachsendem Maße dazu neigen, ihn unter beliebigen Vorwänden in Tätigkeit zu setzen, um so jede schöpferische Minorität zu unterdrücken, die ich stört, ihn auf irgendeinem Gebiet stört – in der Politik, der Wissenschaft, der Industrie.

„Verhandlungen, Normen, Höflichkeit, Rücksichten, Gerechtigkeit, Vernunft!“

Ortega, der die überlegenste Form menschlicher Beziehungen in dem Zwiegespräch sieht, diagnostiziert bei den Massenmenschen eine Tendenz zur Dialogunwilligkeit, die, je mehr sie betrieben wird, immer stärker in tatsächliche Dialogunfähigkeit umschlägt. Es sind die Menschen, die nicht mehr bereit sind, zuzuhören, dem anderen Raum zu geben. Es geht nicht mehr darum, in einem gemeinsamen Austausch von Argumenten einer Lösung näherzukommen: Wozu hören, wenn er schon alles, was not tut, selber weiß? Es ist nicht mehr an der Zeit zu lauschen, sondern zu urteilen, zu befinden, zu entscheiden. Das Parlament als Schwatzbude gehörte schon damals zum Vorwurfsrepertoire der Feinde der offenen Gesellschaft wie die Ablehnung von Experten: Das Neueste in Europa ist es daher, „mit den Diskussionen Schluss zu machen“, und man verabscheut jede Form geistigen Verkehrs, die, vom Gespräch über das Parlament bis zur Wissenschaft, ihrem Wesen nach Ehrfurcht vor objektiven Normen voraussetzt. Das heißt, man verzichtet auf ein kultiviertes Zusammenleben, das ein Zusammenleben unter Normen ist, und fällt in eine barbarische Gemeinschaft zurück.

Dabei ist die Fähigkeit und Bereitschaft zum Diskurs kein Mittel, um die Wahrheit zu verwässern, wie es oft von den Massenmenschen dargestellt wird, sondern gerade die einzige Möglichkeit, ihr näher zu kommen. Das gilt insbesondere im Blick auf die „Wahrheit“ im menschlichen Miteinander, die eben niemals eine feste Wahrheit, sondern ein beständiges Austarieren, Lernen und Weiterentwickeln ist. Diskurs ist der Nährboden der freien Gesellschaft: Verhandlungen, Normen, Höflichkeit, Rücksichten, Gerechtigkeit, Vernunft! Warum erfand man das alles? … Es dient dazu, die civitas, die Gemeinschaft, das Zusammenleben, zu ermöglichen. Diese zivilisatorischen Tugenden werden vom Massenmensch abgelehnt, weil er sie als hinderliche empfindet: Gleichgültig, ob er als Reaktionär oder Revolutionär maskiert ist, nach einigem Hin und Her wird er mit Entschiedenheit jede Verpflichtung ablehnen und sich, ohne dass er selbst den Grund dafür ahnte, als Träger unbeschränkter Rechte fühlen.

Das Unfehlbarkeitsdogma des Massenmenschen

Dieser Diskurs setzt freilich auch Respekt vor dem Prinzip der Vernunft und Rationalität voraus. Die Grundlage des Erfolgs von Fake News ist das Unfehlbarkeitsdogma des Massenmenschen: die Überzeugung, Wahrheit könne sich aus dem eigenen Gefühl beziehen. Weil einem selbst etwas plausibel erscheint, verzichtet man darauf, diese vermeintliche Wahrheit äußeren Umständen und anderen Menschen im Austausch auszusetzen.

Wahrscheinlich lässt sich ohnehin in Fragen des menschlichen Miteinanders nie die eine objektive Wahrheit finden. Umso wichtiger ist es allerdings, die Regeln des rationalen Diskurses einzuhalten, weil man sonst selber den Besitz der objektiven Wahrheit beansprucht, was jeglichen Diskurs vollständig verunmöglicht: Es gibt keine Kultur, wenn es keine Ehrfurcht vor gewissen Grundwahrheiten der Erkenntnis gibt. Wenn sich unser Partner in der Diskussion nicht darum kümmert, ob er bei der Wahrheit bleibt, wenn er nicht den Willen zur Wahrheit hat, ist er ein geistiger Barbar, … sind seine Gedanken in Wahrheit nur Triebe in logischer Verkleidung.

Dekontextualisierung: Bedrohung der Zivilisation

Einer der größten Fallstricke des Massenmenschen ist die Neigung zur Dekontextualisierung, die in einem engen Zusammenhang steht mit seiner Diskurs- und Rationalitätsverweigerung. Er hält sich selbst für den Maßstab, lehnt das Fremde ab und strebt nach der absoluten Herrschaft: Diese Selbstzufriedenheit führt ihn dazu, keine Autorität neben seiner eigenen anzuerkennen, auf nichts und niemanden zu hören, seine Meinung nicht in Zweifel zu ziehen und die Existenz des fremden Du zu ignorieren. Das innere Gefühl von Machtvollkommenheit reizt den homo vulgaris unausgesetzt, sein Übergewicht geltend zu machen. Er wird also handeln, als gebe es auf der Welt nur ihn selbst und seinesgleichen, und wird in alles hineinreden und ohne Rücksichten, Überlegungen, Vorbereitungen seine banalen Überzeugungen durchsetzen, gemäß einer „Taktik der starken Hand“.

Die Bejahung von Kontext ist freilich die Grundbedingung für das Entstehen von Zivilisation. Erst indem Kontext akzeptiert und wahrgenommen wird, wird Handel möglich, Wissensaustausch und Erkenntnisgewinn, Demokratie und Rechtsstaat. Kontext ist das Lebenselixier der offenen Gesellschaft. Besonders anschaulich wird das im Verhältnis des Massenmenschen zur Geschichte. Man begreift sich nicht als Teil eines evolutorischen Prozesses, als Ergebnis des Gewordenen und Motor des Werdenden. Vielmehr werden Punkte in der Vergangenheit oder Zukunft als absolutes Ideal dargestellt. Reaktionäre und revolutionäre Bewegungen haben gemeinsam, dass sie von mittelmäßigen, zeitfremden Männern ohne altes Gedächtnis und historischen Sinn geführt werden. Das Ergebnis sind Forderungen nach der Erhaltung eines völlig ahistorischen „Abendlandes“ oder nach der völlig utopischen weltweiten Gleichheit. Das Wissen um unser Eingebettet-Sein in einen geschichtlichen Kontext bewahrt uns vor Fehlern, ist essentieller Bestandteil des menschlichen Lernprozesses: Wir bedürfen der Geschichte in ihrem vollen Umfang, wenn wir ihr entfliehen und nicht in sie zurückfallen wollen.

„eine Überempfindlichkeit für Verantwortung wecken“

Ortega sieht mit großer Klarheit die Gefahren, die in der damaligen Zeit lauerten und in einem beispiellos brutalen Zeitalter europäischer Geschichte mündeten. Erschreckend, wie viele seiner Beobachtungen auch in der heutigen Zeit durchaus noch aktuell erscheinen, wenn man nach Polen oder Venezuela, nach China oder Russland oder auch vor die eigene Haustür blickt: Wer sich reaktionär und fortschrittsfeindlich gebärdet, tut es, um behaupten zu können, dass die Rettung von Staat und Volk ihm das Recht verleiht, alle anderen Gebote zu übertreten und den Mitmenschen zu zermalmen, besonders, wenn er eine Persönlichkeit von Format ist. Und dasselbe gilt für den Revolutionär. Seine scheinbare Begeisterung für den Handarbeiter und die soziale Gerechtigkeit dient ihm als Maske, um sich dahinter jeder Pflicht – wie Höflichkeit, Wahrhaftigkeit, vor allem Achtung und Bewunderung für überlegene Menschen – zu entziehen. Es können einem die Ohren klingeln, wenn man liest, wie er beobachtete: Angesichts von Europas sogenanntem Untergang und seiner Abdankung in der Weltherrschaft müssen Nationen und Natiönchen umherspringen, Faxen machen, sich auf den Kopf stellen oder sich recken und brüsten und als erwachsene Leute aufspielen, die ihr Schicksal selbst in der Hand halten. Daher die ‚Nationalismen‘, die überall wie Pilze aus der Erde schießen.

Es ist einmal wieder Zeit, für diejenigen, die Ortega als Eliten bezeichnet, die Hände aus dem Schoß zu nehmen und sich für die Auseinandersetzung zu rüsten. Verhandlungen, Normen, Höflichkeit, Rücksichten, Gerechtigkeit, Vernunft lauten die Antworten auf Autokraten, Populisten und Demagogen. All die vielen Errungenschaften von liberaler Demokratie und Technik dürfen uns nicht zu Selbstzufriedenheit verleiten. Sie müssen behütet und wieder und wieder errungen und ausgebaut werden. Ortegas Warnung aus dem Jahr 1930 gilt auch uns: Wer sich von der Strömung eines günstigen Laufs der Ereignisse forttreiben lässt, unempfindlich gegen die Gefahr und Drohung, die noch in der heitersten Stunde lauern, versagt vor der Verantwortung, zu der er berufen ist. Heute wird es notwendig, in denen, die sie fühlen können, eine Überempfindlichkeit für Verantwortung zu wecken.

Photo: HEN-Magonza from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Als Luther-Jahr präsentierten sich die zurückliegenden zwölf Monate. Angemessener wäre es gewesen, die gesamte Reformation in den Fokus zu rücken. Denn auch wenn er eine beeindruckende Persönlichkeit war: Luther steht wahrhaft nicht für das Beste an dieser Bewegung, die vor einem halben Jahrtausend die Welt veränderte. Andere Akteure hätten weitaus mehr Aufmerksamkeit und Würdigung verdient.

Des Deutschen Liebe zum Helden

Der Deutsche liebt seine Helden. Ob Hermann der Cherusker und Siegfried, Bismarck und Hindenburg oder in jüngster Zeit Helmut Schmidt – wir sehnen uns nach Persönlichkeiten, zu denen wir aufschauen können. Bedauerlicherweise sind das in der Regel selten Menschen, die das Penicillin erfunden haben, sich für Frauenrechte eingesetzt haben oder ein Unternehmen gegründet haben, das einen wichtigen Beitrag zur sharing economy leistet. Meist sind es Politiker und sogenannte Staatsmänner (bemerkenswert, dass sich der Begriff Staatsfrauen noch nicht durchgesetzt hat), die in den Bann ziehen.

Luther war schon immer ein solcher Held. Geschichten gab es genug von dem Mann, der es mit Papst und Kaiser aufgenommen hatte und uns nebenbei noch die Sprache der Dichter und Denker geschenkt hat. Ein wackerer Deutscher, der sich wie einst Hermann im Teutoburger Wald für Selbstbestimmung einsetzte – gegen den Papst in Rom und den „spanischen“ Kaiser. Als Projektionsfläche diente er gerade in dieser Deutung nicht selten den Mächtigen und Herrschern. Auch den zwei Diktaturen auf deutschem Boden.

Luther – ein Pessimist und Anti-Rationalist

Im vergangenen Jubiläumsjahr haben sich die protestantischen Kirchen und auch die staatlichen Akteure wieder voll auf die Person Luther konzentriert. Bis hin zu einem vollkommen bizarren Luther-Musical, das das ZDF mit mehreren tausend Sängern veranstaltete. Zwar wurden pflichtschuldig auch heikle Aspekte wie sein eklatanter Anti-Judaismus thematisiert. Aber am Ende des Tages wurden die Schattenseiten des Reformators eher noch zu seinem Vorteil gewendet, indem man nun auch herausstellen konnte, dass Luther ja auch nur ein Mensch und ein Kind seiner Zeit gewesen sei. Das mache ihn doch gerade so sympathisch …

Er habe, so könnte man meinen, nun einmal diese eine problematische Seite gehabt. Darüber hinaus sei er aber eine bedeutende Persönlichkeit gewesen – ein deutscher Held –, den man getrost seinem Kind als Playmobil-Figur in die Hand drücken kann. Darüber wurde viel zu sehr ignoriert, was für eine hochproblematische Gestalt er war, auch unabhängig von seiner Aversion und Gehässigkeit gegenüber den Juden. So vertrat Luther ein sehr negatives Bild vom Menschen und nicht zuletzt von dessen Rationalität. Die Vorstellung von Luther als dem Ersten der Aufklärer ist also nicht nur unpassend, sondern glattweg falsch. Viel eher könnte man in ihm einen wichtigen Vertreter jener Stimmung des Anti-Intellektualismus sehen, der heute noch ein definierendes Moment populistischer Bewegungen ist. Seine Ablehnung Roms war nicht nur gegen den päpstlichen Pomp gerichtet, sondern war auch eine Ablehnung der Renaissance und deren optimistischer Sicht auf den Menschen.

Luther – der Wegbereiter des absoluten Staates

Was genau der Vielschreiber Luther beabsichtigt haben mag, ist Gegenstand für seine Biographen. Die Auswirkungen seiner oft mit heißer Nadel gestrickten Texte waren freilich über die Jahrhunderte fatal. So liest sich seine 1523 erschienene Schrift „Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei“ in der Rückschau wie eine Bedienungsanleitung für absolutistische Herrscher. Zwei bedeutende Historiker des 19. Jahrhunderts, Lord Acton und Jacob Burckhardt, ziehen eine direkte Linie von Luther und seinem Umfeld zum Entstehen von Absolutismus und Totalitarismus als definierenden Staatsformen der Neuzeit.

Viele Aspekte des Staates, die uns heute noch Schwierigkeiten bereiten, können auch auf Luther zurückgeführt werden. Etwa das Entstehen von mächtigen Bürokratien und die Verdrängungen privater Solidarität durch einen ausufernden Wohlfahrtsstaat. Der Reformator begründet auch, warum und wie ein anständiger Bürger der Obrigkeit hörig sein sollte: „Nun das Schwert aber aller Welt ein großer nötiger Nutzen ist, daß Friede erhalten, Sünde gestraft und den Bösen gewehrt werde, so ergibt er [der rechte Christ] sich aufs allerwilligste unter des Schwertes Regiment, zahlt Steuern, ehrt die Obrigkeit, dient, hilft und tut alles, was er kann, das der Gewalt förderlich ist, auf daß sie im Schwang und in Ehren und Furcht erhalten werde“.

Luther geht weit zurück vor die schon zu seiner Zeit üblichen rechtsstaatlichen Standards, indem er einer archaischen Unterscheidung zwischen Gut und Böse huldigt und eine „angemessene“ Bestrafung den ordentlichen Prozessen vorzieht – auch hier ein Vorläufer der Populisten heutiger Tage. Der philippinische Präsident Duterte könnte das wohl so unterschreiben: „Wenn die Gewalt und das Schwert ein Gottesdienst ist, wie oben erwiesen ist, so muß auch das alles Gottesdienst sein, was der Gewalt nötig ist, um das Schwert zu führen. Es muß ja einer sein, der die Bösen fängt, verklagt, erwürgt und umbringt, die Guten schützt, entschuldigt, verteidigt und errettet.“ Diese simple Weltsicht kulminiert schließlich in der Rechtfertigung des Krieges, die wahrlich verstörend ist: „Und in solchem Krieg ist es christlich und ein Werk der Liebe, die Feinde getrost zu würgen, zu rauben und zu brennen und alles zu tun, was (den Feinden) schädlich ist, bis man sie nach Kriegsbräuchen überwinde, nur daß man sich vor Sünden hüten, Weiber und Jungfrauen nicht schänden soll.“

Die Wiege der offenen Gesellschaft stand nicht in Wittenberg

Man kann und sollte vielleicht auch Luthers Leistungen anerkennen. Aber jegliche Verehrung seiner Person ist mehr als unangebracht. Die vielen im Zorn und Eifer des Gefechts geschriebenen und gesprochenen Worte waren damals schon schwer vereinbar mit der christlichen Botschaft wie mit den sich langsam entwickelnden Ideen der Aufklärung. Ihre Wirkung ist, wenngleich von Luther so vielleicht nicht intendiert, noch viel fataler gewesen. Luther ist eine wichtige und spannende Figur. Aber er gehört nicht auf einen Sockel.

Das vergangene Jahr hätte man besser nutzen sollen, um der Personen und Denktraditionen in der Reformation zu gedenken, die einen wesentlichen Anteil daran haben, dass unsere offene und freiheitliche Gesellschaft erstehen konnte. Deren Wiege stand nicht in Wittenberg, sondern in Straßburg, Basel und im westfriesischen Pingjum, im polnischen Luslawice und in Philadelphia jenseits des Atlantik. Toleranz und Individualismus, Rechtsstaat und Meinungsfreiheit entstanden weder an den Fürstenhöfen, bei denen Luther Unterschlupf fand, noch in Genf, wo Calvin eine Theokratie errichtete, die es mit den Taliban aufnehmen könnte. Sie wurden vorgedacht und erstritten von Männern und Frauen, die auch heute noch oft abseits der Geschichte stehen. Darum sollen hier in Kürze fünf jener Persönlichkeiten vorgestellt werden, die wichtige Rollen gespielt haben bei der Entwicklung der Ideen und Institutionen, die heute zum geistigen und moralischen Kernbestand unserer Gesellschaft gehören. Dies sind die Reformatoren, die wirklich einen Sockel verdient hätten …

Menno Simons (1496-1561) – Pazifismus

Eine der bekanntesten reformatorischen Bewegungen waren die sogenannten „Täufer“, deren radikale Vertreter in den 1520er und 1530er Jahren in Münster und Thüringen Aufstände anzettelten. Dagegen wandten sich viele friedfertige Anhänger dieser Theologie, unter ihnen auch der westfriesische Pfarrer Menno Simons. Er und seine Mitstreiter in der Bewegung propagierten ein Christentum, das jeglicher Form von Gewalt widersagte. In ihrem Pazifismus gingen sie so weit, jeglichen Gebrauch von Waffen abzulehnen. Gleichzeitig setzten sie sich ein für allgemeine Religionsfreiheit, was in Zeiten, in denen der jeweilige Landesherr über die Konfessionszugehörigkeit der Untertanen entscheiden konnte, einer Revolution gleichkam. Entsprechend fühlten sich auch katholische, lutherische und reformierte Autoritäten gleichermaßen provoziert und verfolgten die kleine Minderheit blutig. Es ist Leuten wie Menno zu verdanken, dass die Gemeinden dennoch unerschütterlich zu ihren Prinzipien standen und so den Ideen von Gewaltlosigkeit und Meinungsfreiheit als leuchtende Beispiele dienten.

Sebastian Franck (1499-1542) – Aufklärung

Auch der nordschwäbische Publizist Sebastian Franck war den weltlichen und geistlichen Autoritäten ein Dorn im Auge, wo auch immer er sich gerade aufhielt. Er fand kaum Unterstützung oder Sympathie für seine Ansichten, die heute fast durchgängig akzeptiert sind – in den verschiedenen Kirchen wie auch in der gesamten Gesellschaft. So postulierte er etwa, dass selbstverständlich auch „Türken und Heiden“ ein rechtes und gottgefälliges Leben führen könnten – eine Vorstellung, die die wenigsten damals auch nur ihren Mit-Christen in einer anderen Konfession einräumen wollten. Franck war tatsächlich ein Vorreiter der Aufklärung, weil er sich gegen das strukturell konservative Verständnis von Luther wandte, allein die Bibel sei eine Quelle der Offenbarung. Im Gegenteil: für Franck spielte das „innere Wort“ des Menschen, also sein Gewissen und seine Vernunft, die wesentliche Rolle bei der immer besseren Erkenntnis des Glaubens. Entsprechend wandte er sich auch vehement gegen jegliches Wahrheitsmonopol. Aus seiner Sicht war absolute Gewissensfreiheit unumgänglich, weil sie allein garantierte, dass keine Autorität den Fortschritt der Erkenntnis hemmen konnte und es zu einem echten Wettbewerb der Ideen kommt. Francks Welt- und Menschenbild war so anti-autoritär und pluralistisch wie unsere Gesellschaft erst im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde.

Sebastian Castellio (1515-1563) – Toleranz

Nur ganz wenige Zeitgenossen brachten Sebastian Franck Wertschätzung entgegen. Einer von ihnen war Sebastian Castellio. Im Jahr 1553 ließ der Reformator Jean Calvin den spanischen Arzt und Theologen Michael Servetus verbrennen. Der protestantische Theologe Castellio war entsetzt über diese Eskalation des religiös verbrämten Terrorregimes, das in Genf errichtet worden war, und wandte sich in sehr deutlichen Worten gegen die Rechtfertigung von Gewalt zur Durchsetzung religiöser Ziele. So schrieb er den für die damalige Zeit wahrhaft revolutionären Satz: „Einen Menschen töten, heißt nicht, eine Lehre zu verteidigen, sondern einen Menschen zu töten.“ Er wird heute als einer der ersten systematischen Vordenker des Toleranz-Gedankens gesehen. So wundert es nicht sehr, dass eines seiner Alterswerke den Titel trägt: „Über die Kunst zu zweifeln“. Wie Franck war er auch ein Vordenker der Aufklärung und scharfer Kritiker des Antirationalismus, der insbesondere in der lutherischen und calvinistischen Tradition fröhliche Urstände feierte.

Fausto Sozzini (1539-1604) – Trennung von Religion und Staat

Zu den Opfern zunächst katholischer und anschließend innerprotestantischer Verfolgung zählten auch Fausto Sozzini und dessen Onkel Lelio Sozzini. Zuflucht fand der gebürtige Italiener, wie viele Verfolgte damals, in der außergewöhnlich toleranten polnisch-litauischen Adelsrepublik. Dort übte er großen Einfluss auf die Bewegung der Polnischen Brüder aus, die ähnlich wie die Anhänger Menno Simons‘ für eine Trennung von Staat und Religion, Gewissensfreiheit und bedingungslose Toleranz eintraten. Der englische Historiker Lord Acton formulierte einmal, die große Errungenschaft jener Reformatoren sei es gewesen, dass sie den Anspruch erhoben, „die Freiheit der anderen zu hegen wie die eigene, sie zu verteidigen aus Liebe zu Rechtschaffenheit und Menschenfreundlichkeit und nicht nur als einen Anspruch“. Toleranz sollte also nicht mehr als ein Sonderrecht einer Minderheit gegenüber der Mehrheit begriffen werden, sondern als ein allgemein gültiges Prinzip. Dies war ein kaum zu überschätzender Schritt hin zu einer friedvollen Gesellschaft und zu einem Rechtsstaat, der jeden gleichbehandelt. Theologisch war Sozzini – im Gegensatz zu Luther und Calvin – ein glühender Vertreter der These, dass der Mensch einen freien Willen hat.

William Penn (1644-1718) – Gleichheit der Menschen

Als William Penn geboren wurde, war Luther schon fast hundert Jahre tot. Dennoch gehört er in diese kleine Aufzählung, weil er einen wesentlichen Anteil daran hatte, dass die hier vorgestellten reformatorischen Ideen, die bis dahin nur in marginalisierten kleinen Gruppen eine Rolle spielten, eine nachhaltige Wirkung entfalten konnten. Ideen wie die Gleichheit aller Menschen, revolutionäre Veränderungen wie die Abschaffung der Sklaverei und viele Prinzipien des politischen Liberalismus verdanken sich wesentlich der von ihm groß gemachte Bewegung der Quaker. Zu den wesentlichen Kennzeichen dieser religiösen Gruppierung zählen ihr radikaler Pazifismus und ihre Forderung nach bedingungsloser politischer Toleranz. George Fox, einer der Gründer der Bewegung schrieb 1661 in einem Brief an den damaligen englischen König: „Mögen es Juden, Papisten, Türken, Heiden, Protestanten oder sonst etwas sein, oder solche, die Sonne, Mond, Stöcke und Steine anbeten, gib ihnen Freiheit, so dass jeder von ihnen zeigen kann und davon sprechen darf, worin er seine Stärke sieht.“ Indem William Penn in Nordamerika die Kolonie Pennsylvania gründete, schuf er einen sicheren Hafen für Verfolgte aus der ganzen Welt, die dort unter den Prinzipien der Meinungsfreiheit und demokratischen Selbstbestimmung Zuflucht finden konnten. Auch die einheimischen Indianerstämme wurden wie vollwertige Mitbürger behandelt. Mit dem von ihm so genannten „heiligen Experiment“ hatte Penn erstmals die Möglichkeit geschaffen, die Prinzipien der Reformatoren Wirklichkeit werden zu lassen. Die Anziehungskraft, die diese Prinzipien von dort über die Amerikanische Unabhängigkeit in die ganze Welt bis heute ausstrahlen, ist überwältigend.

Wir müssen uns an die richtigen erinnern!

Moderne, offene und freie Gesellschaften gründen sich ganz wesentlich auf den Gedanken dieser Männer und Frauen, denen in der Geschichtsschreibung der Reformation eine so viel unbedeutendere Rolle zugewiesen wird als Leuten mit einer sehr gemischten Bilanz wie Martin Luther oder veritablen Diktatoren wie Calvin. Simons, Franck, Castellio, Sozzini, Penn und ihre Mitstreiter haben standgehalten in der Verfolgung, die für viele von ihnen auch grausame Ermordung bedeutete. Diesem unbeirrbaren Idealismus hätte man im zurückliegenden Jahr Aufmerksamkeit zukommen lassen müssen. Er war der Motor, der den Fortschritt in Richtung individueller Freiheit in Gang hielt.

Der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig hat im Jahr 1936, natürlich vor den historischen Hintergründen seiner Zeit, ein Buch verfasst mit dem Titel „Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt“. Aus diesem Werk sei hier schließlich noch zitiert. Er bringt es genau auf den Punkt:

Gerade dies aber, daß Sebastian Castellio von Anfang an die Aussichtslosigkeit seines Kampfes vorauswusste und ihn, gehorsam gegen sein Gewissen, dennoch unternahm, dies heilige Dennoch und Trotzalledem rühmt für alle Zeiten diesen ‚unbekannten Soldaten‘ im großen Befreiungskriege der Menschheit als Helden; schon um solchen Mutes willen, als einzelner und einziger leidenschaftlichen Protest gegen einen Weltterror erhoben zu haben, sollte die Fehde Castellios gegen Calvin für jeden geistigen Menschen denkwürdig bleiben.

Erstmals erschienen auf dem Blog der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.