Photo: jouwatch from Flickr (CC BY-SA 2.0).

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Weltweit sind Regierungen bemüht, die Bargeldnutzung ihrer Bürger einzuschränken. So gelten in den meisten europäischen Ländern bereits Obergrenzen für die Verwendung von Bargeld zu Zahlungszwecken. Auch die Bundesregierung erwägt, den Bürgern zukünftig zu verbieten, Rechnungen über 5.000 Euro in bar zu begleichen. Befürworter sehen in der Einschränkung der Bargeldnutzung eine wirkungsvolle Maßnahme zur Kriminalitätsbekämpfung. Kritiker befürchten dagegen langfristig ein generelles Bargeldverbot, da Regierungen die elektronischen Zahlungstransaktionen der Bürger besser nachvollziehen können und diese ihr elektronisch bei Banken gehaltenes Geld vor Negativzinsen und Bail-Ins nicht mehr durch Bargeldhaltung in Sicherheit bringen können. Dass die Befürchtung eines Bargeldverbots nicht unbegründet ist, illustrieren Äußerungen prominenter Vertreter aus Politik, Wissenschaft und einflussreichen Interessengruppen.

Empirische Studien legen nahe, dass die Einschränkung der Bargeldnutzung tatsächlich kriminalitätsmindernd wirkt – sowohl im Fall einfacher Straßenkriminalität als auch bei organisierter Kriminalität. Derartiger Nutzen allein rechtfertigt jedoch kein generelles Bargeldverbot. Denn der Verlust der Vorteile von Bargeld würde Kosten verursachen: Bargeld bietet Schutz vor unerwünschten Eingriffen in die Privatsphäre, vor Bail-Ins im Rahmen von Bankenrettungen und vor finanzieller Repression durch eine negative Verzinsung von Vermögenswerten. Kriminalität sollte deshalb durch den Einsatz alternativer Maßnahmen bekämpft werden, die ohne das Risiko einer Einschränkung der Privatsphäre und zunehmender finanzieller Repression auskommen.

Droht ein Bargeldverbot?

Die westlichen Industrieländer sind heterogen bezüglich der Rolle, die Bargeld im alltäglichen und geschäftlichen Leben spielt. Paradebeispiel für eine nahezu bargeldlose Gesellschaft ist Schweden, wo ein Mix aus Förderung innovativer elektronischer Zahlungspraktiken, staatlicher Verbote und gesellschaftlicher Trends das Bargeld fast vollständig aus dem Umlauf getrieben hat. In Deutschland wird dagegen traditionell viel Bargeld genutzt, wenngleich auch hier die Akzeptanz elektronischer Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel steigt.

Obergrenzen für die Begleichung von Rechnungen sind mittlerweile in vielen europäischen Ländern gesetzlich vorgeschrieben. Die Grenzen reichen dabei von 1.000 Euro (Italien und Portugal) bis 15.000 Euro (Polen und Kroatien). In Deutschland dürfen Bürger unbegrenzt bar bezahlen, doch Finanzminister Schäuble plant ebenfalls eine Obergrenze von 5.000 Euro. Im Krisenstaat Zypern durften Bürger zeitweise täglich maximal 100 Euro von ihren Konten abheben. Die EZB beschloss im Mai 2016 die Abschaffung des 500 Euro Scheins.

Trotz heterogener Ausgangslagen scheinen die westlichen Industrieländer einem gemeinsamen Trend zu unterliegen: Der Gesetzgeber schränkt den Gebrauch des gesetzlichen Zahlungsmittels in bar zunehmend ein.

Bargeld und Kleinkriminalität: Mehr Cash, mehr Kriminalität

Vertreter aus Politik und Justiz versprechen sich von der Einschränkung der Bargeldnutzung einen Rückgang der Straßenkriminalität. So lautet ein beliebter Slogan in Schweden: „Bargeld braucht nur noch deine Oma – und der Bankräuber“. Empirische Studien stützen die Vermutung: So hat die Umstellung auf elektronisch ausgezahlte Sozialleistungen in Missouri die Kriminalitätsrate in vornehmlich von Sozialhilfeempfängern bewohnten Nachbarschaften um etwa 10% gesenkt. Eine Studie auf Basis von 49 Ländern findet, dass eine höhere Verbreitung elektronischer Zahlungsmöglichkeiten die Kriminalitätsrate deutlich reduziert. Frühere Studien zeigen, dass höhere Kriminalitätsraten dazu führen, dass Bürger ihre Nachfrage nach Bargeld reduzieren – vermutlich, weil sie elektronische Zahlungsmittel für sicherer halten.

Wenngleich die Vermutung, dass bargeldlosere Gesellschaften weniger Straßenkriminalität erleben, empirisch gestützt wird, entfällt der Effekt hauptsächlich auf solche Verbrechen, die in direktem Zusammenhang mit Bargeld stehen, etwa Raub und Diebstahl. Bei nur indirekt mit Bargeld in Zusammenhang stehenden Verbrechen wie Mord oder Drogenverkauf kann dagegen kein signifikant kriminalitätsmindernder Effekt gemessen werden.

Bargeld und Schattenwirtschaft: Gemischte Evidenz

Über die Bekämpfung der Straßenkriminalität hinaus versprechen sich Befürworter der Bargeldeinschränkung einen Rückgang organsierterer Formen der Kriminalität, da sie vermuten, dass die Schattenwirtschaft von der Verfügbarkeit von Bargeld abhängig ist. Expertenmeinungen über die Wirksamkeit der Bargeldeinschränkung zwecks Bekämpfung organisierter Kriminalität gehen jedoch auseinander, rigorose empirische Studien existieren nicht.

Der Bankenexperte Peter Sands empfiehlt die Abschaffung hochdenominierter Banknoten, etwa der 200€-Note, da diese vornehmlich zu kriminellen Zwecken verwendet würden, gesetzestreuen Bürgern dagegen kaum Vorteile brächten. Eine von MasterCard und EY in Auftrag gegebene Studie schätzt die Auswirkung verschiedener Maßnahmen zur Bargeldeinschränkung auf die Schattenwirtschaft und findet, dass Obergrenzen für die Bargeldzahlung das Schattenmarktvolumen deutlich senken können. Die Cost of Cash-Studie schätzt, dass durch Einschränkung bzw. Verbot der Bargeldnutzung der Gesamtumsatz durch Drogenhandel, illegales Glücksspiel, Menschenhandel und Wirtschaftskriminalität in Deutschland um mehrere Milliarden Euro reduziert werden könnte.

Der Schattenwirtschaftsexperte Friedrich Schneider erwartet dagegen, dass ein Bargeldverbot in Deutschland das Schattenwirtschaftsvolumen um nur 1% verringern würde, da sowohl organisierte Kriminalität als auch Terrorismus kaum noch von Bargeldnutzung profitieren.

Die Korrelation zwischen Bargeldnutzung und dem Schattenwirtschaftsvolumen in verschiedenen Ländern ist schwach. In Ländern mit einem hohen Anteil der Schattenwirtschaft am BIP (Griechenland, Italien, Spanien, Portugal) finden relativ wenige elektronische Zahlungstransaktionen pro Kopf statt. Unter den Ländern mit geringerem Schattenwirtschaftsanteil finden sich sowohl solche mit wenig elektronischen Zahlungstransaktionen pro Kopf (Japan, Irland, deutschsprachige Länder), als auch solche mit vielen elektronischen Zahlungstransaktionen pro Kopf (angelsächsische Länder, Niederlande).

 

 

Bargeld hat Vorteile für Bürger

Wenngleich empirische Studien darauf hindeuten, dass die Einschränkung des Bargeldverkehrs kriminalitätsmindernd wirkt, dürfen die potenziell hohen Kosten solcher Maßnahmen nicht ignoriert werden. Allen Innovationen im Bereich elektronischer Zahlungssysteme zum Trotz hat die Verfügbarkeit von Bargeld für die Bürger weiterhin bedeutenden Nutzen.

Konventionelle wie innovative elektronische Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel bieten im Vergleich zu Bargeld nur geringen Schutz vor einer Aushöhlung des Datenschutzes durch den Staat, da elektronische Zahlungsvorgänge in der Regel zentral und digital gespeichert werden und somit leicht nachvollzogen werden können. Ein leichter Nachvollzug krimineller Transaktionen ist wünschenswert – der finanziell gläserne Bürger ist es nicht.

Auch vor finanzieller Repression bietet Bargeld Schutz. In Zeiten hoher Schuldenberge ist der Anreiz für Notenbanken groß, Zinssätze nahe oder unter null zu drücken. Negativzinsen können Bürger aber entgehen, solange sie elektronische Guthaben unbegrenzt in Bargeld umwandeln können. Selbiges gilt für Vermögensteuern, Kapitalkontrollen und die Beteiligung von Einlegern an Bankenrettungen – diesen kann schwerlich ausgewichen werden, wenn die Umwandlung von Sichtguthaben in Bargeld unterbunden wird.

Alternative Mittel zur Kriminalitätsbekämpfung nutzen

Angesichts der für die Bürger hohen Risiken der Bargeldeinschränkung können derartige Maßnahmen nicht mit Hinweis auf die kriminalitätsmindernde Wirkung gerechtfertigt werden. Allenfalls lassen sich punktuelle Reformen wie die erwähnte Umstellung auf elektronisch ausgezahlte Sozialleistungen in Missouri begründen.

Dem Staat stehen viele andere Möglichkeiten der Kriminalitätsbekämpfung zur Verfügung, die weder den Datenschutz aushöhlen, noch den Bürger weiterer finanzieller Repression ausliefern. Dazu gehören die Legalisierung opferloser Verbrechen und die Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen für die staatliche oder private Sicherheitsproduktion.

Erstmals erschienen auf IREF.

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