Hunderte von jungen Menschen aus ganz Europa kamen am vergangenen Wochenende in Berlin zusammen, um über die Freiheit in all ihren vielen Facetten zu diskutieren und neue Freunde zu gewinnen, die ihre Ideale teilen. Zum vierten Mal fand die „European Students for Liberty Conference“ statt und die Zahl der Teilnehmer wächst und wächst. 2008 in den USA ins Leben gerufen und seit 2011 in Europa aktiv hat dieses Netzwerk inzwischen weltweit hunderte von Mitgliedsgruppen und ist zu einem der großen globalen Verbreiter der freiheitlichen Idee geworden. Es war uns eine Ehre, dass wir auch die Gelegenheit hatten, Prometheus in diesem Rahmen vorzustellen.

Die Jugend: ein entscheidendes Ass im Ärmel der Freiheit

Nachhaltige Veränderungen brauchen Zeit. Darum ist es in der Regel sehr hilfreich, wenn sich insbesondere junge Menschen für solche Veränderungen engagieren. Denn sie haben Zeit. Und sie wollen und werden von den Veränderungen auch dann profitieren, wenn diese erst in ein, zwei Jahrzehnten durchschlagenden Erfolg haben. Und sie haben natürlich auch oft den Idealismus, den man aufbringen muss, um Ziele zu verfolgen, die noch nicht in unmittelbarer Reichweite liegen. Deshalb sind die Students for Liberty als Organisation, wo sich diese Menschen sammeln können, ein entscheidendes Ass im Ärmel der Freiheit. Weltweit.

Wie üblich bei den Students for Liberty war die Themenbandbreite bemerkenswert. Mit Themen wie Bitcoin, Euro-Krise oder Globalisierung hätten Außenstehende wohl gerechnet. Auf den ersten Blick ungewöhnlicher sind da schon die Frage nach der Beseitigung von Armut, ein Plädoyer für Multikulturalismus und auch das Hauptthema der Konferenz: Offene Grenzen. Auch handelte es sich bei der Konferenz mitnichten um ein Treffen von lauter Elfenbeintürmern. Eine große Rolle spielt die Förderung unternehmerischen Bewusstseins.

Freiheit braucht Menschen, die anpacken

Zwei außerordentlich eindrucksvolle Beispiele für Unternehmertum wurden im Rahmen der Konferenz vorgestellt: Am Freitagabend berichtete der Malteser Martin Xuereb über die privat finanzierte und organisierte Flüchtlings-Rettungsaktion MOAS, die seit einigen Monaten im Mittelmeer unterwegs ist, um Flüchtlinge vor dem sicheren Tod zu retten. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Freiheitsinsel! Am Sonntagmorgen sprach Flemming Rose, der dänische Publizist, der für die Veröffentlichung der Mohamed-Karikaturen im Jahr 2005 verantwortlich zeichnete. Die strengen Sicherheitsvorkehrungen haben allen Teilnehmern sehr anschaulich vor Augen geführt, in welchem Maße auch heute in unserem Land die Freiheit immer wieder Bedrohungen ausgesetzt ist – und dass es sich doch dafür zu kämpfen lohnt!

Diese Initiativen spiegeln den Geist wieder, der unter den jungen Menschen herrscht, die aus Athen und Reykjavik, aus Kiew und Lissabon zu der Konferenz gekommen waren. Es sind eben nicht die üblichen „Besserverdiener“, mit denen viele (leider noch zurecht) rechnen würden, wenn sie von einer „Liberty Conference“ hören würden. Es sind junge Menschen, die selber anpacken wollen, um etwas zu verändern. Deren Blick zum Teil weit hinausgeht über den Rand des eigenen Portemonnaies. Tom G. Palmer, einer der Vordenker der Students for Liberty, zitierte in seinem Vortrag Joaquim Nabuco, der sich im 19. Jahrhundert in Brasilien für die Abschaffung der Sklaverei einsetzte:

„Erzieht eure Kinder, erzieht euch selbst, die Freiheit der anderen zu lieben. Denn nur so ist sichergestellt, dass eure eigene Freiheit nicht nur ein Zufallsgeschenk des Schicksals ist. Dann werdet ihr ihren Wert erkennen und den Mut finden, sie zu verteidigen.“

Außerhalb des Rechts-Links-Schemas

Die Sache der Freiheit ist nicht selten in einer etwas unbequemen Minderheitenposition. In dieser Lage gehen ihre Streiter immer mal wieder Koalitionen ein mit den anderen beiden großen politischen Strömungen: dem Konservatismus und dem Sozialismus. In einzelnen Fällen mag es klug und richtig sein, sich gemeinsam für ein Anliegen einzusetzen. Gefährdet ist die Freiheit freilich, wenn aus diesen kurzfristigen gemeinsamen Projekten eine dauerhafte Bindung wird. Dann finden sich manche Liberalen plötzlich mitten in der Sozialdemokratie wieder und andere haben unversehens den Habitus der Konservativen übernommen. Beides ist der Freiheit alles andere als dienlich.

Den Students for Liberty gelingt es erfreulicherweise sehr gut, die grundsätzliche Distanz zu beiden politischen Strömungen zu wahren, auch wenn man bisweilen Bündnisse schmiedet, bei denen gemeinsame Anliegen auf der Agenda stehen. Wenn es um die Freiheit der Marktakteure geht, können die Konservativen durchaus einmal hilfreiche Partner sein. Und wenn die Rechte von Frauen oder Ausländern verteidigt werden müssen, steht einer Kooperation mit Sozialisten nichts entgegen. Immer aber wird klar kommuniziert, dass die freiheitliche Idee eine eigenständige Strömung ist. Dass es zwar gemeinsame Anliegen geben kann – allerdings nur obwohl man ganz andere Gründe dafür hat, dieses Anliegen zu verfolgen.

Neue Ideen lassen sich nicht unterdrücken

Es besteht sehr viel Anlass zur Hoffnung für die Sache der Freiheit, wenn man Veranstaltungen wie die Students for Liberty Conference besucht. Noch mag die Bewegung verhältnismäßig klein erscheinen. Sie hat noch nicht die Größe von Woodstock oder der Castor-Proteste. Aber neue Ideen lassen sich – wenn sie einmal in der Welt sind – nicht mehr wirklich unterdrücken. Und Ideen sind der Wesenskern dieser Bewegung. Überzeugende allemal. Ludwig von Mises hatte wohl Recht in dem, was er 1927 in seinem Buch „Liberalismus“ schrieb. Es sei den Students for Liberty ins Stammbuch geschrieben:

„Aller Fortschritt der Menschheit vollzog sich stets in der Weise, dass eine kleine Minderheit von den Ideen und Gebräuchen der Mehrheit abzuweichen begann, bis schließlich ihr Beispiel die anderen zur Übernahme der Neuerung bewog.“

In ganz Griechenland wurden im Januar 852 Baugenehmigungen erteilt. In der Hochphase 2005 waren es noch 16 522. Ein Rückgang um fast 95 Prozent. Die Bauwirtschaft liegt buchstäblich am Boden. Auch die Exporte sind auf niedrigstem Niveau. Im Februar exportierten griechische Unternehmen insgesamt lediglich Güter im Wert von zwei Milliarden Euro. Es gibt nicht einmal den Hauch eines zarten Konjunkturpflänzchens im Südosten Europas. Die Wirtschaft ist in den letzten zwei Quartalen erneut um wahrscheinlich ein Prozentpunkt geschrumpft.

Das hat mit der neuen linksextremen und nationalistischen Regierung zu tun – aber nicht nur. Es sind die typischen Symptome einer Konkursverschleppung. Es muss immer hektischer die Liquidität gesichert und beschafft werden. Es ist ein Teufelskreis in dem sich die Regierung in Athen befindet. Sie müsste eigentlich fundamentale Strukturfragen anpacken, doch die kurzfristigen Probleme überlagern den langfristigen Blick.

Bis zum nächsten „Rettungspaket“, das erst im Sommer kommen wird, verschafft die EZB der griechischen Regierung und dem dortigen Banksystem die notwendige Überbrückung. Das Banksystem wird über Kredite der griechischen Notenbank weiter mit Geld versorgt, da die Kapitalflucht der Griechen anhält und viele ihr Geld ins Ausland bringen oder unter das Kopfkissen legen. Daher haben auch die Banken zunehmend ein Liquiditätsproblem. Inzwischen liegen diese Ela-Kredite bei über 70 Milliarden Euro. In der Hochphase der Krise lagen sie einmal bei 120 Milliarden. Daher lässt sich die Regierung Tsipras Zeit. Die EZB genehmigt die entsprechende Erhöhung des Volumens zwar in immer kleineren Zeitabständen und Dosen. Die Kredite kommen jedoch dennoch im Wesentlichen der Regierung zugute. Eigentlich gibt ihr keiner mehr frisches Geld, das Vertrauen ist restlos zerstört. Daher werden die eigenen Banken genötigt, kurzlaufende Staatsanleihen, sogenannte T-Bills, von der Regierung zu kaufen. Am vergangen Mittwoch konnte die Regierung 1,14 Milliarden Euro Anleihen mit einer Laufzeit von 6 Monaten für 2,97 Prozent bei ihren Banken einsammeln.

Es ist ein Schneeballsystem aus ungedeckten Forderungen der Notenbank gegenüber der eigenen Regierung. Die Notenbank geht – bildlich gesprochen – in den Keller, druckt Geld, stellt es den heimischen Banken zur Verfügung und diese kaufen die Schulden der eigenen Regierung auf. Ein verführerisches Prinzip. Es trägt die Illusion eines perpetuum mobile in sich.

Doch wenn es alle so machen würden, wäre schnell zappenduster. Schon deshalb ist die Staatsfinanzierung über die Notenpresse den Zentralbanken verboten. Die Europäischen Verträge untersagen das eindeutig. Doch die Europäische Union ist keine Rechtsgemeinschaft und ihre Währung längst kein Stabilitätsanker und Ausdruck des Wohlstandes mehr. Wer das erfahren will, muss nur einmal in die Schweiz in den Urlaub fahren. Der Euro hat seit seiner Einführung über 30 Prozent seines Wertes gegenüber dem Schweizer Franken verloren. Schön, meinen die einen. Dann können wir mehr Waren in die Schweiz exportieren, das sichert und schafft Arbeitsplätze. Doch nicht der Euroraum hat Vollbeschäftigung, Wachstum und Wohlstand, sondern die kleine Schweiz. Für weite Teile des Euroraums ist dies nur Wunschdenken.

Nicht eine möglichst billige Währung schafft daher Wohlstand für alle, sondern eine möglichst teure Währung. Wenn man den Geldillusionisten in ihrer Logik folgt, dann wäre es noch besser, wenn der Euro nicht um 30 Prozent abgewertet hätte, sondern um 80 oder 90 Prozent. Dann könnten Unternehmen im Euro-Raum noch mehr exportieren. Die Logik dieses Handelns wäre, dass diese Unternehmen für die gleiche Leistung immer weniger Gegenwert erhalten und damit Waren und Dienstleistungen, die bei uns nicht vorhanden sind, relativ gesehen teuer bezahlen müssten.

Auf Dauer ist das kein besonders attraktives Geschäftsmodell. So würde niemand persönlich handeln. Stellen Sie sich einmal einen Unternehmer vor, der seine Waren immer billiger verkauft, damit er möglichst viel verkaufen kann. Sein Vormaterial, das er einsetzt, bleibt im Preis aber gleich oder wird sogar teurer. Dieser Unternehmer würde von seiner Substanz leben. Sein Kapitalstock würde aufgebraucht, und irgendwann wäre er am Ende. In dieser Situation ist die griechische Regierung heute und –wenn die Regierungen so weitermachen – morgen der gesamte Euroraum.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 11. April 2015.

Photo: Duncan Hull from flickr

Am Dienstag hat sich ein neuer Kandidat für die US-Präsidentschaft aus der Deckung gewagt, der so gar nicht in bekannte Schemata der US-Politik passt: Rand Paul, Senator aus Kentucky. Ohne Pause redete der Republikaner im März 2013 dreizehn Stunden lang vor dem US-Senat, weil er dem Präsidenten nicht das Recht zugestehen wollte, gegen eigene Bürger mit Drohnen vorzugehen. Sein Ritterschlag war ein ganzseitiges Portrait in der „New York Times“ Ende Januar 2014. Für den Durchschnittsleser der bekanntesten Zeitung in den Staaten war der Artikel ein Verriss, für viele Insider jedoch der Hinweis: da streckt einer den Kopf heraus und strebt vielleicht sogar nach dem höchsten Amt im Staate.

Es ist noch unklar, wer das Rennen im republikanischen Lager machen wird. Aktuell hat sich bislang nur noch der texanische Senator Ted Cruz aus der Deckung gewagt. Doch auch Präsidenten-Sohn und -Bruder Jeb Bush werden Ambitionen nachgesagt. Als Filius des Bush-Clans wird er dabei zweifelsohne vom Establishment der Grand Old Party unterstützt.

Nach acht Jahren Regentschaft eines Präsidenten der Demokraten ist die Entscheidung, wer das Rennen bei den Republikanern machen wird, und damit sehr wahrscheinlich gegen Hillary Clinton antritt, von großer strategischer Bedeutung. Welcher Kandidat kann nicht nur in den konservativen Staaten des Südens punkten, sondern auch in den Neuenglandstaaten der Ostküste? Wer kann vielleicht sogar bei Migranten und jungen Menschen gegen die dort herrschende Vormacht der Demokraten bestehen?

Im Zwei-Parteien-System der USA sind die Spannbreiten innerhalb einer Partei zwangsläufig groß. Rand Paul gehört zum liberalen Flügel seiner Partei. Die Liberalen werden in Amerika als Libertäre bezeichnet. Denn noch stärker als in weiten Teilen Europas ist die Verortung der so genannten Liberalen dort noch beliebiger, noch sozialdemokratischer und noch staatsgläubiger. Der Name Paul steht seit vielen Jahren für diese libertäre Erneuerungsbewegung in den USA.

In Deutschland wird diese Graswurzelbewegung vielfach missverstanden und vielleicht auch bewusst missinterpretiert. Alles was nicht links ist, ist zwangsläufig rechts. Dass es auch noch eine dritte politische Grundlinie gibt, die klassisch-liberale bzw. die libertäre, wird in Deutschland übergangen. Sie passt nicht in das linke Weltbild vieler Journalisten. Militärische Zurückhaltung, die Begrenzung der Amtszeit von Abgeordneten, der Datenschutz und die Förderung der Zivilgesellschaft sind wahrlich keine Themen der politischen Rechten. Und seine Vorschläge zur Überwindung der Lesefaulheit von Gesetzentwürfen bei den Abgeordneten, wären durchaus auch im Bundestag sinnvoll – man denke nur an die Übernachtentscheidungen bei der Energiewende oder bei dem einen oder anderen „Euro-Rettungspaket“, das jedes Mal alternativlos war. In seinem „Read the Bills Act“ schlägt Paul vor, dass der Kongress pro 20 Seiten Gesetzestext einen Tag Lesezeit eingeräumt wird. „Niemand, und ich meine niemand, ist es möglich zu lesen, was im Gesetz steht“, so sein Vorwurf über die kurzen Beratungszeiten.

Wie immer sind solche Graswurzelbewegungen vielschichtig. Was sie jedoch vereint, ist das tiefe Misstrauen gegenüber staatlicher Allmacht. Rand Paul steht dabei in der Tradition seines Vaters Ron Paul, der viele Jahre als republikanischer Kongressabgeordneter und zweimaliger Präsidentschaftskandidat insbesondere bei jungen Menschen viele Anhänger hatte. Mit seiner Forderung „End the Fed“ startete er eine weltweite Bewegung gegen die Politik der Zentralbanken. Unter Journalisten wurde er spöttisch und anerkennend zugleich als „Dr. No“ bezeichnet, da er im Kongress meist gegen den Präsidenten der eigenen Partei gestimmt hat. Rand Paul wird mehr taktisches Gespür nachgesagt. Er will anschlussfähig bleiben. Auch deshalb stimmt er nicht immer gegen seine eigene Partei. Er will aber ebenso wie sein Vater nicht im republikanischen Lager eingebunkert sein, sondern Freiheitsfreunde in allen Gesellschaftsschichten begeistern.

In Amerika wächst seit Jahren eine breite Bewegung insbesondere junger Menschen heran, die sich als libertär verstehen, die vom Staat in Ruhe gelassen werden wollen und die herkömmlichen Antworten der Politiker oder der Professoren an den Hochschulen hinterfragen und auf die klassisch-liberalen Denker wie Ludwig von Mises, Friedrich August von Hayek oder Murray Rothbard zurückkommen. Eine dieser weltweiten, aus Amerika kommenden Bewegungen ist die Studentenorganisation „Students for Liberty“, die an diesem Wochenende ihre Europakonferenz an der Humboldt-Universität in Berlin abhält. Die „European Students for Liberty“ erwarten, dass sich über 800 junge Menschen aus allen Teilen Europas auf den Weg nach Berlin machen. Viele davon haben eigene Hochschulgruppen gegründet, kümmern sich aber nicht um das Sektierertum in den Studentenparlamenten, sondern organisieren Konferenzen oder Lesekreise und vernetzen sich weltweit.

Die Kandidatur Rand Pauls wird dieser Bewegung, über Amerika hinaus, weiter Auftrieb geben. Die wachsende Zahl von Unterstützern und deren Engagement im Wahlkampf werden dies zeigen. Vielen Präsidentschaftskandidaten geht irgendwann die Puste aus, weil ihnen das Geld für Werbespots und Kampagnen fehlt. Das Problem wird Rand Paul nicht haben, dafür ist die Zahl seiner Anhänger zu groß. Doch es geht nicht so sehr um die Person Rand Paul, sondern um die Ideen dahinter.

Es ist die Freiheitsidee, die Friedrich August von Hayek in seiner Verfassung der Freiheit so treffend formulierte: „Es war früher der Stolz des freien Mannes, dass er, solange er sich innerhalb der Grenzen des bekannten Rechts hielt, um niemandes Erlaubnis zu bitten und niemandes Befehl zu gehorchen brauchte. Es ist zu bezweifeln, ob einer von uns das heute von sich behaupten kann.“

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick am 10.3.2015.

In enorm hoher Frequenz werden derzeit unterschiedliche Katastrophen-Säue durchs Dorf gejagt. Aufregung ist das Gebot der Stunde. Ausgerechnet jener Teil des politischen Spektrums, dessen Ahnen einst in der Springer-Presse den Hauptfeind ausgemacht hatten, bringen ihre Anliegen derzeit fast nur noch in der Diktion der Bild-Zeitung vor. Die Aktivisten von Campact zum Beispiel befinden sich derzeit in mehreren Entscheidungsschlachten: „Gentechnik-Verbot bundesweit!“ – „Herr Gabriel, Kohlekraft abschalten!“ – „Fracking stoppen: Rettet unser Trinkwasser!“ Mit anderen Worten: Keine Optimierung von Lebensmitteln! – Strom viel teurer machen! – Öl und Gas dann aber bitte auch teurer!

Die wenigsten Menschen wollen vorsätzlich der Umwelt schaden. Sauberes Wasser, saubere Luft und Tierschutz sind ja nun wirklich Umstände, die fast jedem ein Anliegen sind. Solche Ziele absolut zu setzen, ist jedoch auch äußerst weltfremd. Wie so oft im Leben, sind auch diese Dinge nicht umsonst zu haben. Bei aller Sorge um unsere Umwelt darf man nicht die Menschen aus dem Blick verlieren. Besserverdiener können sich vielleicht höhere Strompreise oder teurere Lebensmittel leisten. Für Studenten, Geringverdiener, Rentner und Arbeitslose sind die Zusatzkosten kaum zu stemmen, die sich durch den gedankenlosen Aktionismus und Alarmismus von Organisationen wie Campact ergeben.

Es ist richtig und wichtig, Fragen des Umweltschutzes anzugehen und ernst zu nehmen. Wir wollen unseren Kindern nicht eine weniger lebenswerte Welt hinterlassen. Das darf aber nicht durch hysterische Rufe nach Verboten geschehen. Sonst schaden wir gerade den weniger Wohlhabenden in unserer Gesellschaft nachhaltig. Stattdessen müssen wir nach intelligenten Lösungen für die Probleme suchen. Kein Lebewesen auf dieser Erde ist so anpassungsfähig wie der Mensch. Wesensmerkmal dieser Anpassungsfähigkeit ist aber gerade das Vertrauen auf den Fortschritt. Menschen wollen ein besseres Leben führen, darum suchen sie nach Lösungen. Nichts anderes ist Fortschritt.

Die Männer und Frauen, die Katalysatoren, Kanalisationssysteme und Solarmodule erfunden haben, haben nach Lösungen gesucht anstatt auf Verbote zu bauen. Das ist die menschliche Variante. Die Dagegen-Grundhaltung der Hysterie-Industrie ist die unmenschliche Variante. Lassen wir die Träumereien von der guten alten Steinzeit. Bauen wir lieber auf eine Zukunft, in der Menschen sauberes Wasser und genug Nahrung haben; in der es den Hühnern besser geht und der Rentner noch genug Geld zum Leben hat; in denen wir die Ressourcen unseres Planeten nutzen und weltweit mehr Wohlstand herrscht. Strengen wir unsere Gehirne an – dazu sind sie da!

Photo: Richard Baer from Flickr

Zu den großen Schikanen, die der Bürger wieder und wieder über sich ergehen lassen muss, gesellen sich gerne auch mal kleine. Die erscheinen allerdings nur dann klein, wenn man sie als Einzelfälle wahrnimmt. Tatsächlich sind sie aber Teil eines großen Ganzen, das die Freiheit beständig bedroht und kontinuierlich einschränkt.

Fasten am Ostermontag

Ostermontag. Eine der beliebtesten Bäckereien und Bistros im Zentrum einer großen deutschen Stadt. Beim Herantreten an die Kuchentheke bekommt man Bescheid: „Wir müssen Ihnen leider sagen, dass wir nichts zum Mitnehmen verkaufen dürfen. Das Ordnungsamt war eben da. An gesetzlichen Feiertagen dürfen wir nur im Café verkaufen.“ Ja, doch: Ist ja auch irgendwie nachvollziehbar. In der Regel kauft man ja auch dienstags vormittags Kuchen und nicht an einem Feiertag. Am Feiertag sitzt der gute Bürger ja bei einem Müsli mit H-Milch zur ausgelassenen Feier mit seiner Familie beisammen, schmaust und schlemmt.

Dem 20jährigen war nur drei Tage vorher, am Karfreitag, verwehrt worden, den Abend in einem Club zu verbringen – natürlich mit Hinweis auf die christlichen Traditionen. Am Ostermontag wird die Familie, die eben noch die Messe besucht hatte, mit einer sehr ähnlichen Begründung daran gehindert, ihre Ostertafel mit frischen Kuchen zu bereichern. Das ist zumindest mal inkonsequent, tatsächlich aber in beiden Fällen unsinnig. Es gibt noch viele andere überflüssige Regelungen, die uns immer wieder aufs Neue Nerven und Lebensqualität kosten. Vom Baumfällverbot über Hundesteuer und Alkoholverkaufsverbote bis zur wuchernden Parkplatzbewirtschaftung von öffentlichem Grund. Gängelung allenthalben!

Freiheitseinschränkungen, nicht Kavaliersdelikte

Angesichts von wesentlich schlimmeren Maßnahmen wie etwa der Vorratsdatenspeicherung, der Mineralölsteuer, des Solidaritätszuschlags oder des andauernden Rentendesasters erscheinen diese Unannehmlichkeiten wie Lappalien. Man erträgt sie verärgert – aber eben auch Schulter zuckend. Viele lassen es sich gefallen, weil sie meinen, dass sich der Aufwand nicht lohnt, dagegen vorzugehen. In der Tat: für sich genommen ist ja auch jede der Maßnahmen zu ertragen. Aber die Menge und vor allem der Zusammenhang macht’s.

Man muss festhalten: Ordnungswidrigkeiten sind kein Kavaliersdelikt. Allerdings nicht im Blick auf den, der sie begeht, sondern im Blick auf den, der sie ersinnt. Viele der Gängelungen, die euphemistisch als Ordnungswidrigkeiten bezeichnet werden, sind nicht notwendig. Notwendig sind ordnende Eingriffe nur dort, wo sie tatsächlich die Freiheit eines anderen einschränken, nicht aber dort, wo sie Geschmacks- oder Wertpräferenzen widerspiegeln. Es gibt keinen vernünftigen Grund, Menschen am Karfreitag am Tanzen zu hindern, oder am Ostermontag am Kuchenverkauf. Genauso wie es keinen vernünftigen Grund gibt, jemandem zu verbieten, einen Baum zu fällen, der im eigenen Garten steht. Diese Eingriffe sind deshalb keine Kavaliersdelikte, sondern unbegründete Eingriffe in die Freiheit des Bürgers.

Der Obrigkeitsstaat lebt – gerade auch im Kleinen

Insbesondere sind sie deshalb keine Kavaliersdelikte, weil sie einer bestimmten Haltung entspringen. Diese Haltung ist ein Relikt obrigkeitsstaatlichen Denkens. Ein Denken, das leider in letzter Zeit wieder eine heftige Renaissance erlebt in einer neuen Verbotskultur, die die Bürger zu besseren Menschen erziehen möchte. Der Staat und seine Diener haben in diesem Denken eine Stellung, die sie aus anderen heraushebt. Sie haben nicht nur besseres Wissen, sondern entscheiden auch kompetent über moralische Fragen. Vor einigen Jahrzehnten gehörte dazu die Entscheidung, dass es nicht recht sein könne, am Karfreitag zu tanzen. Und heute droht uns von der Arbeitsministerin die verbindliche Feststellung, dass eine Toilette ohne Tageslicht uns in unserer Würde verletzt.

Es handelt sich bei all diesen Kleinigkeiten nicht um eine Lappalie, weil jede einzelne der Verordnungen, Gesetze, Abgaben ein sehr anschaulicher Hinweis auf die dahinter liegende Mentalität vieler Politiker und Bürokraten ist. Wie die Philosophenkönige, die sich Platon einst herbeisehnte, sind sie mit tieferer Einsicht und höherer moralischer Integrität ausgestattet. Das legitimiert sie dazu, andere Menschen zu führen und zu leiten. Notfalls mithilfe von Bußgeldern … Wir haben es hier mit institutionalisierter Arroganz und Anmaßung zu tun, die uns in vielen kleinen Schritten großer Stücke unserer persönlichen Freiheit beraubt.

Kreative Formen des zivilen Ungehorsams

Gerade weil es sich um so kleine Schritte handelt, ist es oft sehr schwierig, dagegen vorzugehen. Während sich schon Menschen finden, die mal eine Klage anstreben gegen die Euro-Rettung oder die Rundfunkbeiträge, wird kaum einer sich die Mühe machen, das im Falle der vielen kleinen Ordnungswidrigkeiten zu tun. Zumal viele Gerichte die Klagen wohl entweder sofort abweisen oder ihnen nicht stattgeben würden. Was vielleicht eigentlich gefragt wäre, wären kreative Formen des zivilen Ungehorsams. Das klingt pathetisch – ist aber angemessen. Denn es geht nicht um die vielen Einzelregelungen. Es geht vielmehr darum, gegen das Konzept Obrigkeitsstaat vorzugehen.

Mit Tupperware bewaffnet in das Bistro einfallen, den Kuchen mit an den Platz nehmen und ihn dort einpacken. Eine Tanzveranstaltung am Karfreitag, die von Ort zu Ort zieht. Die Hundesteuer in Kleinstbeträgen überweisen. Die Parkplatztickets, die noch länger gültig sind, an den Parkautomaten kleben zur Wiederverwendung. All das können Methoden sein, um es den Ordnungshütern wenigstens schwerer zu machen, die Gängelungen durchzusetzen. Mittelfristig aber brauchen wir dringend eine echte Bürokratiebremse. Über viele dieser Verordnungen könnte in kleinen Einheiten basisdemokratisch (und möglichst auch immer mal wieder) abgestimmt werden. Lasst wenigstens die Menschen vor Ort entscheiden, ob sie sich wirklich so beschränken lassen wollen!

Photo: Nicholas Boos from Flickr