Photo: leo gonzales from Flickr (CC BY 2.0)

Sie packen an. Sie arbeiten zusammen. Sie schaffen ein Umfeld, in dem sich Menschen zusammentun, um Probleme zu lösen und Ziele zu erreichen. Die Bürgerplattformen sind die funktionierenden Alternativen zu politischen und bürokratischen Lösungsversuchen.

Ein Korrektiv zur Politik

Am Montagabend trafen sich etwa 650 Berliner auf dem Gelände der Rütli-Schule in Neukölln mit dem Regierenden Bürgermeister. Anders als das bei solchen glamourösen Veranstaltungen sonst oft der Fall ist, war das Event freilich nicht dazu da, um dem Bürgermeister eine Bühne zu bieten, sondern vor allem, um ihn zum Zuhören zu bringen. Den größten Teil des Abends über stellten sich die Bürgerplattformen der Berliner Stadtteile Treptow-Köpenick, Neukölln und Wedding-Moabit vor. Erst in der letzten Viertelstunde durfte der „Landesvater“ drei Fragen beantworten.

Diese Herangehensweise passt zu dem Format der Bürgerplattformen, die weder Ansammlungen von Wutbürgern sind noch von langweiligen, kritiklosen Claqueuren. Sie sehen sich als Korrektiv zur Politik. Es passt, dass sie über ihre finanziellen Ressourcen folgendermaßen Auskunft geben: „Um als gleichberechtigter Partner in der Auseinandersetzung mit Politik und Verwaltung auftreten zu können, legen wir großen Wert auf Selbstständigkeit im Handeln und eine finanzielle Unabhängigkeit von staatlicher Förderung.“ Die Organisationen finanzieren sich allein durch Mitgliedsbeiträge und Spenden.

Konkrete Probleme lösen

80 zivilgesellschaftliche Gruppierungen, die insgesamt etwa 100.000 Menschen in Berlin erreichen, haben sich in den drei Netzwerken zusammengeschlossen. Begonnen hat das dieses „community organizing“ in den 60er Jahren in den USA. Also in einer Zeit, in der die Frage der Rassentrennung, der Vietnamkrieg und allgemeine soziale Unruhen zu massiven Verwerfungen führten. Politiker waren in vielen Städten wie Chicago oder New York entweder tief korrupt oder buchstäblich nicht mehr imstande, ihren Aufgaben nachzukommen.

Einer der großen Vordenker des Konzepts war Saul Alinsky, eine höchst streitbare Persönlichkeit, der die dramatischen Zustände in den amerikanischen Großstädten und Problemzonen nicht mehr hinnehmen wollte. Alinsky lässt sich politisch kaum einordnen – Marxisten haben ihn ebenso zu vereinnahmen versucht wie auch jüngst die Tea Party. Er selbst sagte einmal im Interview mit dem Playboy: „Ich konnte niemals ein starres Dogma oder eine Ideologie akzeptieren, weder Christentum noch Marxismus. … Wenn Du denkst, Du habest einen direkten Draht zur absoluten Wahrheit, dann wirst Du doktrinär, humorlos und intellektuell verstopft.“ Ihm ging es nicht darum, eine bestimmte Heilslehre zu verwirklichen, sondern darum, konkrete Probleme zu lösen.

Verantwortung übernehmen

Alinsky ging es um Veränderung und Verbesserung. Er rief nicht nach der nächsten Lösung durch den politischen Apparat. Er versteckte sich nicht hinter hohlen Phrasen. Sondern er packte an und brachte zivilgesellschaftliche Gruppen an einen Tisch. Ein wichtiges Element seiner Arbeit war die Kontrolle der Politik durch engagierte Bürger – ein dringend notwendiges Element der Machtbeschränkung in dem immer verfilzter werdenden System seiner Zeit. Noch wichtiger aber und noch nachhaltiger war die Idee, dass Bürger selber Lösungen finden und an ihrer Verwirklichung mitarbeiten können.

Um einen Spielplatz wieder benutzbar zu machen, um Transportmöglichkeiten für die Alten im Stadtviertel zu schaffen, um den Bürgersteig zu reparieren, sogar um Schulen zu gründen – für all das braucht man zunächst weder Behörden noch Politiker. All das kann man auch selber machen – und oft viel effizienter. Das ist der eigentlich bemerkenswerte Kerngedanke des „community organizing“: Den Menschen die Augen dafür zu öffnen, dass sie selber Verantwortung übernehmen können. „Verantwortung übernehmen“ war dann auch die Formulierung, die bei dem Treffen der Bürgerplattformen am häufigsten fiel.

Hier wachsen positive Mentalitäten heran

Bei den Bürgerplattformen treffen unterschiedlichste Menschen aus verschiedensten Milieus aufeinander und ergänzen sich bei der gemeinsamen Aufgabe, Probleme zu lösen. Da ist der Küchenmeister aus dem Berliner Südosten, der zu DDR-Zeiten den offenen Konflikt mit den Herrschenden nicht gescheut hat. Neben ihm steht ein 15jähriger Schülersprecher, der eindrucksvoll sein Wort zu machen versteht. Da ist die Frau aus dem anatolischen Dorf, Mutter von sechs Kindern, die mit kräftiger Stimme ruft: „Ich wollte weiterkommen! Darum habe ich mich gebildet, habe über Physik und Chemie und über Geschichte gelernt – und bin nach Deutschland gekommen. Viele Leute aus meinem Dorf haben es mir nachgemacht, weil auch sie etwas erreichen wollten.“ Und daneben steht der bürgerliche Familienvater, der sich in seiner katholischen Gemeinde engagiert. Sprachschulen für indonesische Studenten, muslimische Pfadfindergruppen, das Projekt der Weddinger Bürgerschule – all dies entsteht aus der Mitte der Bürgerplattformen.

Was all diese Menschen eint, ist der Wille, Verantwortung zu übernehmen. Sie wollen weiterkommen und etwas erreichen: für sich, für ihre Familien, für ihre Nachbarn. Dieser Impuls ist ja in der Tat der Motor für echte Veränderung. Für Veränderung, die nicht von oben verordnet und organisiert ist, sondern die von den Menschen selbst gestaltet wird. Man kann nur hoffen, dass dieses Beispiel Schule macht und viele Nachahmer findet. Nicht nur, weil diese selbstverantwortliche Organisation Probleme effizienter und informierter löst. Sondern insbesondere auch, weil das Übernehmen von Verantwortung Menschen glücklicher macht. Wenn sie etwas erreicht haben, ist es ihr Spielplatz, ihre Kleiderkammer, ihre Schule. Und dieser verdiente Stolz wird sie prägen – sie und die nachwachsenden Generationen. Hier wachsen positive Mentalitäten heran und entstehen veritable Freiheitsinseln!

Photo: Stuart Richards from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Von Prof. Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums im Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Business and Information Technology School (BiTS) in Berlin.

In den Anfängen des Rundfunks war die Knappheit der Übertragungskanäle der Engpass für Programmvielfalt. Daraus wurde kurzerhand gefolgert, den Rundfunkbetrieb hierzulande exklusiv unter staatliche Regie zu stellen. Überzeugend war diese Begründung zwar schon damals nicht, aber dieser Teil der Debatte hat sich mittlerweile ohnehin erledigt. Die technische Beschränkung der Anbietervielfalt ist längst überwunden. Immerhin war man aber in den Anfangsjahren des öffentlich-rechtlichen Monopolfunks so konsequent, nur diejenigen an der Finanzierung zu beteiligen, die das Programm ausweislich des Besitzes eines Empfangsgerätes auch nutzen wollten (GEZ-Gebühr). Diese grundsätzlich zweckmäßige Optionslösung wurde bereits mit dem Aufkommen privater Anbieter brüchig. Besitz eines Fernsehers und Nutzung des öffentlich-rechtlichen Programms sind seitdem nicht mehr dasselbe. Völlig absurd war dann aber die Umstellung auf eine Haushaltszwangsabgabe („Rundfunkbeitrag“), durch die nicht einmal die Illusion aufrechterhalten wird, dass die zwangsfinanzierte Leistung überhaupt in Anspruch genommen werden könnte. So müssen jetzt auch Haushalte ohne Radio und Fernseher zahlen und wer als Single einen Zweitwohnsitz hat, zahlt doppelt (hier soll wohl gelten: mit dem zweiten sieht man besser). An der jetzigen Finanzierungsform ist nach ökonomischen Kriterien so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann.

Diejenigen, die auch heutzutage noch für die Zwangsfinanzierung des staatlichen Rundfunks plädieren, halten sich allerdings mit ökonomisch sinnvollen Bereitstellungskonzepten nicht lange auf. Was sie umtreibt, ist die Sorge um die Programmqualität. Ohne zwangsfinanzierte, öffentlich-rechtlich kontrollierte Sender – so die Sorge – müssten all jene in die Röhre schauen, die anspruchsvolle Inhalte zu sehen wünschten (ob sich diese Zielgruppe von den Darbietungen bei ARD und ZDF angesprochen fühlt, sei dahingestellt). Hierzu ein Gedankenexperiment: Angenommen, die FAZ würde verstaatlicht, über Zwangsbeiträge finanziert und ab sofort ungefragt jeden Morgen an alle Haushalte verteilt. Die überregionale Konkurrenz (SZ, Welt, Handelsblatt etc.) würde das kaum überleben. Am Ende würde es dann heißen: „Da sieht man es mal wieder, Qualität kann nur der Staat.“ Wir würden dann im Zeitungswesen dasselbe Phänomen erleben, das heute schon im Rundfunk gilt. Solange ARD und ZDF nach dem jetzigen Finanzierungsmodell betrieben werden, ist der Wettbewerb für private Anbieter massiv verzerrt. Eine Sendung wie die Tagesthemen privat zu produzieren, bleibt solange schwierig, wie staatliche Sender dieses Format ausstrahlen, ohne dass man der Finanzierung ausweichen kann. Die schiere Präsenz des staatlichen Angebots drängt daher private Anbieter in Bereiche ab, die (noch) nicht in gleicher Weise von zwangsfinanzierten Sendern besetzt sind. Der berühmte Aufsatz des großen französischen Ökonomen Claude Frédéric Bastiat „Was man sieht und was man nicht sieht“ bekommt damit eine weitere Facette. Angesichts der massiven Wettbewerbsverzerrung muss man sich eher schon wundern, wieviel privates Qualitätsfernsehen es heute schon gibt.

Natürlich würde auch in einem freien Rundfunkmarkt nicht nur anspruchsvollstes Feuilleton geboten – warum auch? Wer einmal an einem Zeitungskiosk oder den Printregalen im Supermarkt vorbeischaut, findet dort jede Menge Angebote, denen man kaum den Siegel Qualitätsjournalismus im engeren Sinne zubilligen würde (für die jeweilige Zielgruppe bieten sie natürlich genau die richtige Qualität, sonst wären sie längst vom Markt verschwunden). Aber es finden sich dort eben auch anspruchsvolle Zeitungen, Zeitschriften und Magazine. So hat jeder die Wahl, das zu kaufen, was er lesen will. Nicht anders wäre es in einem freien Fernsehmarkt. Diejenigen, die morgens zur FAZ greifen, schalten abends wahrscheinlich ein informatives Nachrichtenmagazin ein (das dann vielleicht sogar FAZ-Magazin heißt). Wer morgens lieber den Express liest, zählt wohl eher nicht zu den Zuschauern der Tagesthemen, auch wenn er die Sendung mitbezahlen muss.

Mit dem Qualitätsargument verheddert man sich daher schnell in einem Wust von Widersprüchen. Wenn die heutigen privaten Fernsehprogramme angeblich so schlecht sind, sollte man sich fragen, warum ihre Zuschauer sie denn bereits heute schon ARD und ZDF vorziehen. Zwangsfinanzierung ändert (zum Glück!) nicht die Präferenzen der Menschen. Wenn aber ARD und ZDF unverzichtbar sind, weil viele Menschen die Programme sehen wollen, dann würden sie ja auch freiwillig dafür bezahlen. Nichts spräche also dagegen, ARD und ZDF nur noch mit Bezahlschranke zu betreiben – wer freiwillig zahlt, kann dann das öffentlich-rechtliche Programm sehen, wer nicht zahlen will, sieht etwas anderes oder verzichtet gänzlich auf Fernsehen. Menschen für ein Clubgut zahlen zu lassen, was sie erkennbar nicht nutzen wollen, widerspricht zutiefst den Grundlagen einer freien Gesellschaft.

Vollends anmaßend wird es, wenn der Zwangsbeitrag für ARD und ZDF zur „Demokratieabgabe“ stilisiert wird. Hiermit wird suggeriert, dass die öffentlich-rechtlichen Programme die Menschen zu besseren Demokraten erziehen. Ohne ARD und ZDF würden die Menschen demzufolge die falschen Programme einschalten. Eine solche Sicht lässt tief blicken. Wenn man den Bürgern nicht zutraut, das „richtige“ Fernsehprogramm zu wählen, warum sollte man ihnen dann zutrauen, über Wahlprogramme der Parteien abzustimmen? Wer die Menschen schon als Mediennutzer für unmündig erklärt, kann sie wohl kaum politisch für voll nehmen.

Je mehr die Medienplattformen verschmelzen (Print, Internet, Fernsehen), desto problematischer wird das Wuchern der zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sender. So werden dann nicht nur bestimmte private Fernsehangebote weiterhin vom dem Markt ferngehalten, sondern es kommen auch mehr und mehr die Zeitungen unter Druck. Eine öffentlich-rechtliche Tageszeitung fordert bislang niemand und das aus gutem Grund. Aus demselben Grund ist davor zu warnen, dass die Ausbreitung öffentlich-rechtlicher Onlineangebote die wirtschaftlichen Grundlagen der freien Presse erodiert. Der freie Medienwettbewerb ist für eine lebendige Demokratie unverzichtbar. Meinungsbildung braucht ein Umfeld, in dem jeder einzelne Bürger mit seinem Medienkonsum darüber entscheidet, welche Programminhalte erfolgreich sind. Die sich auf dieser Basis entfaltende freie Medienlandschaft bietet eine Vielfalt (auch und gerade für Minderheiten), die sich kein Rundfunkrat der Welt einfallen lassen kann. Ein durchquotiertes Rätewesen, das die vermeintlichen Interessen sogenannter gesellschaftlich relevanter Gruppen zu identifizieren können glaubt, schafft allenfalls die Illusion von Pluralismus. Dieser verödet in den Mühlen der öffentlich-rechtlichen Bürokratie zu bloßem Proporz. Ein wettbewerbliches System setzt hingegen auf die Kreativität von Akteuren, die zugleich für ihre Entscheidungen verantwortlich sind. Auf diese Weise sind die privaten Programmmacher Makler im Dienste der Hörer und Zuschauer. Dank technischer Entwicklungen steht einer ausdifferenzierten Medienlandschaft mit einer bislang unerreichten Individualisierung nichts mehr im Wege – mit Ausnahme der längst überkommenen staatlichen Rundfunkfinanzierung. Diese stammt aus einer Zeit, als man nur wenige Programme empfangen konnte – Fernsehen wurde so zur kollektiven Massenerfahrung. Möglicherweise halten das ja die Befürworter von zwangsfinanzierten Sendern auch heute noch für erstrebenswert und sie wollen deshalb möglichst viel von der alten Medienwelt in die Zukunft hinüberretten. Mündige Bürger können darauf verzichten. Freie Menschen brauchen freie Medien.

Photo: dmytrok from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Banken sind Innovationswüsten. Seit der Erfindung des Sparschweines und des Geldautomaten gibt es wohl keine nennenswerten Neuerungen bei Sparkassen, Volksbanken und Privatbanken. Das mag vielleicht ein wenig hart klingen, aber es ist leider so. Das liegt nicht unbedingt an den Banken selbst, sondern an zwei Faktoren.

Erstens sind Banken überreguliert. Das Grundgesetz der Banken, das Kreditwesengesetz, versteht kein Mensch mehr. Und die, die es verstehen, sind auf der Payroll des Finanzsektors. Jedes Jahr kommen neue Regulierungen hinzu: Standards zur Kreditvergabe, zur Bilanzierung, zur Geldwäsche, zur Eigenmittelunterlegung und vieles andere mehr.

Diese Art der Regulierung und Überwachung durch den Gesetzgeber, der BaFin, der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank soll eines verhindern: den Untergang einer Bank. Bernd Lüthje, ehemaliger Vorstand und Aufsichtsrat zahlreicher deutscher Kreditinstitute hat dies in seinem Buch „Basel IV – das Ende des Basel-Regimes“ eindrucksvoll dargelegt. Alles begann mit der Schließung der Herstatt-Bank in Köln am 26. Juni 1974. Die anschließende Staatshaftung für Fehlentscheidungen der Bankenaufsicht gegenüber Sparern dieser Bank veranlasste den Gesetzgeber, künftig die Haftung der Bankenaufsicht für deren Aufsichtsversagen per Gesetz auszuschließen. Gleichzeitig richteten die G10-Staaten bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel den „Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht“ ein, um gemeinsame Prinzipien der Finanzaufsicht zu entwickeln. Aus diesen „gemeinsamen Prinzipien“ ist inzwischen ein weltweiter Standardsetzer geworden, der entscheidende Mitverantwortung für die steigende Staatsverschuldung trägt.

Hätten die Regulierungsstandards Basel I, Basel II und jetzt auch Basel III nicht die Nullgewichtung der Bank beim Kauf von Staatsanleihen festgelegt, die Finanzierung der staatlichen Ausgabenpolitik über Schulden wäre nicht so einfach möglich gewesen. Keinem Parlament, Gericht oder Volk ist der Baseler Ausschuss Rechenschaft verpflichtet. Lüthje schätzt, dass inzwischen für den Baseler Regulierungsprozess weltweit 110.000 Menschen plus die sechsfache Anzahl von Zuarbeitern in anderen Wirtschaftszweigen (IT, Wirtschafsprüfer et cetera) tätig sind und einen Gesamtaufwand von 3,8 Milliarden Euro produzieren. Dennoch gab es weltweite Bankenschieflagen, deren Nettoverlust er auf insgesamt 11.860 Milliarden Euro (!) beziffert.

Zweitens fehlt den Banken das Innovations-Gen. Ihre Mitarbeiter verhalten sich vielfach wie die Beamten auf der Regulierungseite. Das hat seine Ursache. Jede neue Idee die eine Bank hat, muss von den Regulierern und Überwachern kontrolliert und genehmigt werden. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Beamter bei der BaFin, Bundesbank oder EZB beurteilen kann, ob eine Innovation förderlich für die Bank und wohlstandsschaffend für deren Kunden, einen ganzen Wirtschaftsbereich oder eine Gesellschaft ist, kann getrost als so realistisch eingeschätzt werden, wie der Versuch das Wetter von nächster Woche vorherzusagen.

Die Ursache für all dies liegt in der mangelnden Haftung der Bank, ihrer Eigentümer und Gläubiger. Denn die Haftung kennt der Bankensektor nur in den seltensten Fällen. Tritt sie ein, dann ist es leicht der Super-Gau im derzeitigen Geldsystem. Denn unser Geldsystem baut auf Schulden auf. Der Geldumlauf ist zu großen Teilen Giralgeld, das durch die Kreditvergabe der Banken erzeugt wird. Dieser Kreditvergabe steht kein Sparvorgang anderer entgegen, sondern Banken sind in der Lage aus dem Nichts neues Giralgeld zu produzieren. Nur der Regulierungsprozess der Bankenaufsicht bei BaFin, Bundesbank und EZB begrenzt deren Produktion neuen Geldes. Dieses auf immer neuen Schulden basierende Geld, sorgt für die Fragilität des gesamten Bankensektors und damit ganzer Volkswirtschaften.

Deshalb entwickeln sich Innovation außerhalb des Bankensektors. Google, Amazon und andere erschaffen eigene Zahlungssysteme. Auch das Cyber-Geld Bitcoin ist eine Erfindung außerhalb des Bankensektors. Deren Nutzer wollen nicht die Regulierungsbürokratie bezahlen und für das Versagen anderer haften müssen. Sie wollen ihr Innovations-Gen behalten, auch auf die Gefahr hin, falsch zu liegen und zu scheitern. Sie unterscheiden sich von den Banken klassischen Typs dadurch, dass sie in den Entdeckungsprozess der Marktwirtschaft vertrauen. Ohne diese Entdeckungen würden viele Innovationen nie bekannt werden oder ungenutzt herumliegen. Der beste Regulierer ist daher nicht der Politiker, der Bürokrat oder der Beamte, sondern der Markt.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Michael Schmid from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Demokratie ist einer jener Begriffe, die außerordentlich positiv besetzt sind. Aber bezüglich der Frage, was genau gemeint ist, gehen die Meinungen deutlich auseinander. Meistens steht dabei die Technik im Vordergrund. Dabei spielt die Größe mindestens eine genau so wichtige Rolle.

Der Begriff Demokratie ist banalisiert

Demokratisch – das ist moralisch, das ist sozial, das ist vernünftig. Demokratisch ist gut. Umgekehrt gilt natürlich: alles was schlecht ist, ist notwendigerweise undemokratisch. Der Begriff Demokratie ist inzwischen komplett banalisiert. Er transportiert keinen wirklichen Informationsgehalt mehr. Nur ein gutes Gefühl moralischer Überlegenheit. Das hat natürlich Folgen für die öffentliche Kommunikation. Wenn beispielsweise mehr Kompetenzen an EU-Institutionen abgegeben werden, muss man nur das Etikett Demokratisierung aufkleben und schon verkauft es sich blendend. Wer dann Zweifel an der Funktionsfähigkeit oder der Rechtsstaatlichkeit von Zentralisierungen anmeldet, findet sich unversehens in der Ecke der Demokratiefeinde wieder.

Dasselbe gilt für die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen. Wer eine Entscheidung ablehnt, die im Parlament oder in einer Volksabstimmung mehrheitlich beschlossen wurde, ist in den Augen vieler dann ein schlechter Demokrat. Als ob man als guter Demokrat seine Meinung ändern müsste, sobald sie nicht mehr mit der Mehrheit übereinstimmt. Überhaupt: der Mehrheitsaspekt. Er dominiert unser Demokratieverständnis fast komplett. Dass sie dabei oft, wie der französische Intellektuelle Alexis de Tocqueville schrieb, zu einer „Tyrannei der Mehrheit“ auszuarten droht, wird hingegen nur selten thematisiert. Denn: Demokratie ist gut.

Demokratie hängt eng mit Föderalismus und Subsidiarität zusammen

Demokratie ist aber wesentlich mehr als nur, „dass zehn Füchse und ein Hase darüber abstimmen können, was es zum Abendessen gibt“, wie es Vince Ebert einmal schelmisch formulierte. Demokratie ist auch, wie Karl Popper es beschrieb, die Möglichkeit des unblutigen Regierungswechsels. Demokratie ist auch die Möglichkeit, Entscheidungen zu revidieren und aus Fehlern zu lernen. Demokratie ist auch die Vielfalt an Partizipationsmöglichkeiten, die sich in Elementen wie Gewaltenteilung und Volksabstimmungen widerspiegelt. Und Demokratie hat sehr viel mit Föderalismus und Subsidiarität zu tun.

Der Publizist Rahim Taghizadegan hat in einem lesenswerten Essay über Demokratie auf die Wortwurzel des Begriffs hingewiesen. Demokratie korrekt übersetzt heißt nämlich nicht Volksherrschaft, sondern „Selbstverwaltung der kleinsten Einheit“, der „Deme“. Es ist kein Zufall, dass die Demokratie in den ziemlich überschaubaren Stadtstaaten des alten Griechenland seinen Ursprung nahm und nicht im gigantischen Perserreich. Es ist kein Zufall, dass die moderne Demokratie zunächst in den kleinen Kantonen der Schweiz heranwuchs und nicht in den großen Zentralstaaten des Mittelalters und der frühen Neuzeit.

Der selbstbestimmte und mündige Bürger

Demokratie hat auch sehr viel mit Verantwortungsfähigkeit und -bewusstsein zu tun. Darum ist die nicht selten zu vernehmende Forderung nach dem „mündigen Bürger“ auch absolut richtig. Denn es geht um Selbstverwaltung – oder noch deutlicher: um Selbstbestimmung. Je größer die Menschengruppe wird, in der Entscheidungen demokratisch getroffen werden, umso weniger erkennt man die unmittelbaren Auswirkungen der Entscheidungen, umso leichter fällt das Sozialisieren.

Das ist bei kleinen Einheiten nicht der Fall: Wenn etwa in einer Stadt über Gewerbesteuern oder Infrastrukturmaßnahmen diskutiert wird, dann werden die Vor- und Nachteile sehr schnell deutlich werden. Dann steht die Abwägung von Kosten und Nutzen tatsächlich zur Debatte. In einem großen Staat wie Deutschland oder Frankreich und erst recht in einem Gebilde wie der EU werden solche Entscheidungen hingegen anonymisiert, unüberschaubar und mithin sozialisiert. Irgendjemand zahlt, irgendjemand empfängt – aber keiner hat mehr wirklich den Überblick oder gar die Kontrolle. Selbstbestimmung ade!

Jeder Bürger als Wächter seiner eigenen Interessen

Die Demokratie war schon in ihrer Entstehungszeit nicht ausgelegt auf Imperien, sondern auf Städte und kleine Einheiten. Auf Einheiten, in denen die Stimme noch wirklich etwas zählt; in denen der Einzelne noch die Möglichkeit hat, durch seinen Einsatz eine Entscheidung zu beeinflussen. Wer das Demokratiedefizit der EU beheben möchte, sollte deshalb nicht auf eine Ausweitung der Kompetenzen des Europäischen Parlaments oder eine Direktwahl des Kommissionspräsidenten hinwirken. Wirkliche Demokratisierung würde darin bestehen, so viele Kompetenzen wie möglich auf so kleine Ebenen wie möglich zurück zu verlagern.

Je mehr der Bürger selbst entscheiden kann, umso demokratischer ist ein System. Je mehr Menschen von gemeinsamen Entscheidungen betroffen sind, umso undemokratischer ist ein System. Es kommt eben nicht nur auf die Technik an, sondern auch auf die Größe. Und da gilt: small is beautiful! Der englische Historiker Lord John Acton brachte das in einem Vortrag zur Geschichte der Freiheit einmal sehr schön auf den Punkt, als er die Anfänge der Demokratie in Griechenland schilderte „Indem Solon jeden Bürger zum Wächter seiner eigenen Interessen machte, führte er das demokratische Element in den Staat ein.“

Demokratie bedeutet in erster Linie Selbstverantwortung. Dazu gehört die Möglichkeit, sein Leben selber in die Hand zu nehmen. Und deshalb gehört dazu ein Staat, der sich so weit wie möglich aus dem Leben, dem Portemonnaie und der Privatsphäre seiner Bürger zurückzieht. Aber genau so gehört dazu die Fähigkeit, sein Leben selber in die Hand zu nehmen. Diese Fähigkeit lernen wir Menschen am besten, wenn wir die Konsequenzen unserer Handlungen und Entscheidungen spüren. Und dafür brauchen wir die kleinen Einheiten.

Photo: Crosa from Photo (CC BY 2.0)

Das Referendum zur gleichgeschlechtlichen Ehe in Irland hat hohe Wellen geschlagen: vom Bundestag bis in den Vatikan. Man könnte sich die Debatte sparen, wenn man die Ehe wieder zu dem machen würde, was sie ja nun wirklich unbestreitbar ist: Privatsache!

Die staatliche Ehe ist noch recht jung

Die Ehe ist eine kulturelle Institution, die für klare Verhältnisse sorgt. Im Idealfall begründet sie eine lebenslange Bindung. Sie garantiert sichtbar Stabilität und Verlässlichkeit für die jeweiligen Eheleute und gegebenenfalls auch für die Kinder. Alles in allem also eine recht erfreuliche Sache. Entwickelt hat sich diese Institution fast überall auf der Welt in einem religiösen oder zumindest rituellen Kontext.

Im Gefolge der Aufklärung haben sich in der westlichen Welt mancherlei religiöse Kontexte zumindest gelockert. Und so haben sich viele Lebensumstände, die bisher von der Religion geregelt wurden, säkularisiert. Eine Variante dieser Säkularisierung war, dass Menschen sich prinzipiell vom Religiösen verabschiedet haben. Die „Ehe ohne Trauschein“ steht dafür. Aber zugleich witterte ein anderer Akteur seine Chance, der gerne in die sinnstiftende Rolle geschlüpft ist, die durch das Verblassen von Religion oft unbesetzt blieb: der Staat.

Der Staat als Ersatzreligion

Eines der krassesten Beispiele dafür, wie der Staat diese Rolle eingenommen hat, ist sicher die „Jugendweihe“, die in der DDR an die Stelle von Firmung bzw. Konfirmation trat. Der junge Mensch, der sich in diesen Ritualen bewusst für das Leben als Gläubiger entscheidet, sollte sich nunmehr bewusst, mit seiner ganzen Persönlichkeit und vollem Herzen für den Staat entscheiden. Angefangen hat diese staatliche Ersatzreligion allerdings schon bevor die Idee des Kommunismus aufkam, der Religion als „Opium für das Volk“ verteufelte.

Während der Französischen Revolution wurden schon Kirchen zerstört und Altäre für die „Göttin der Vernunft“ errichtet. In diesem Umfeld entstand auch die Idee der Zivilehe. Den Kirchen wurde damit die Deutungshoheit über die Ehe entzogen. Es wäre im Sinne des emanzipatorischen Gedankens gewesen, dann komplett auf eine bindende Definition von Ehe zu verzichten und sie ganz zu einem freiwilligen Instrument zu machen. Genau das geschah nicht. Im Zusammenhang mit den napoleonischen Reformen wurde in Frankreich der Code civil eingeführt, der auf sämtliche Rechtssysteme Kontinentaleuropas bis heute prägenden Einfluss ausübt. Im Rahmen dieses Gesetzwerkes wurde dem Staat die Definitionshoheit über die Ehe zugesprochen.

Jeder sollte selber entscheiden, was ihn glücklich macht

Die Ehe wurde also mitnichten zu einer Privatsache. Lediglich die Institution, die darüber bestimmt, hatte sich geändert. Eine echte Emanzipation wäre es gewesen, wenn der Staat sich daraus zurückgezogen hätte. Die nun allenthalben aufkommende Debatte um die „Homo-Ehe“ wäre jetzt ein willkommener Anlass, um dem emanzipatorischen Grundgedanken der Aufklärung auch auf diesem Feld endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Der Staat sollte komplett darauf verzichten, zu definieren, was eine Ehe ist. Durch die Einrichtung der gleichgeschlechtlichen Ehe wird seine Definitionshoheit ja nur bestätigt.

Der freiheitliche Weg wäre es, jeden Menschen selbst entscheiden zu lassen, wen er heiratet und wie er das dokumentiert. Wer gerne eine religiöse Zeremonie haben möchte, soll sie auf jeden Fall haben. Wem es reicht, beim Notar einen Ehevertrag abzuschließen – bitte schön! Wenn zwei Männer heiraten wollen oder eine Frau lieber drei als nur einen Gatten haben möchte – wo ist das Problem? Jeder sollte selber entscheiden, was ihn glücklich macht.

Ein Rechtsstaat sollte keine Privilegien gewähren

Es kann nicht legitime Aufgabe des Staates sein, über bestimmte Wertpräferenzen zu entscheiden. Egal ob die Mehrheit der Bevölkerung die Ehe für eine Verbindung zwischen Mann und Frau hält oder ob sie die staatliche Ehe auch auf gleichgeschlechtliche Paare ausdehnen möchte: In einer freiheitlichen Demokratie darf das kein Grund für staatliche Eingriffe sein. Diese Eingriffe sind nur da gerechtfertigt, wo die Freiheit eines anderen beschnitten wird. Das ist definitiv nicht der Fall, wenn Personen entscheiden, ein Leben lang füreinander einzustehen. Es gibt ja auch keine staatlichen Vorgaben und Regulierungen für Freundschaften. Wenn Menschen freiwillig miteinander Verträge schließen, hat der Staat dort nichts verloren.

Dass die Ehe derzeit nur für heterosexuelle Paare offen ist, ist ein Privileg. Und Privilegien sind in einem Rechtsstaat eigentlich nie eine gute Idee – denn sie sind institutionalisierte Willkür. Man verbessert die Gesamtsituation nicht, indem man neue Privilegien einführt, sondern indem man bestehende abschafft. Die einzige Aufgabe, die in diesen Fragen vielleicht noch für den Staat übrig bliebe, wäre die Funktion des Standesamtes als Ort der Dokumentation – und zwar der Dokumentation jeder vertraglichen Bindung, die Menschen miteinander eingehen möchten. Mehr nicht. Und selbst das könnte mit den zunehmenden technischen Möglichkeiten wie Blockchain eines Tages auch überflüssig werden. Darum: statt die Homo-Ehe einzuführen, sollte der Staat seine Finger ganz von der Ehe lassen!