Am Dienstag hat sich ein neuer Kandidat für die US-Präsidentschaft aus der Deckung gewagt, der so gar nicht in bekannte Schemata der US-Politik passt: Rand Paul, Senator aus Kentucky. Ohne Pause redete der Republikaner im März 2013 dreizehn Stunden lang vor dem US-Senat, weil er dem Präsidenten nicht das Recht zugestehen wollte, gegen eigene Bürger mit Drohnen vorzugehen. Sein Ritterschlag war ein ganzseitiges Portrait in der „New York Times“ Ende Januar 2014. Für den Durchschnittsleser der bekanntesten Zeitung in den Staaten war der Artikel ein Verriss, für viele Insider jedoch der Hinweis: da streckt einer den Kopf heraus und strebt vielleicht sogar nach dem höchsten Amt im Staate.
Es ist noch unklar, wer das Rennen im republikanischen Lager machen wird. Aktuell hat sich bislang nur noch der texanische Senator Ted Cruz aus der Deckung gewagt. Doch auch Präsidenten-Sohn und -Bruder Jeb Bush werden Ambitionen nachgesagt. Als Filius des Bush-Clans wird er dabei zweifelsohne vom Establishment der Grand Old Party unterstützt.
Nach acht Jahren Regentschaft eines Präsidenten der Demokraten ist die Entscheidung, wer das Rennen bei den Republikanern machen wird, und damit sehr wahrscheinlich gegen Hillary Clinton antritt, von großer strategischer Bedeutung. Welcher Kandidat kann nicht nur in den konservativen Staaten des Südens punkten, sondern auch in den Neuenglandstaaten der Ostküste? Wer kann vielleicht sogar bei Migranten und jungen Menschen gegen die dort herrschende Vormacht der Demokraten bestehen?
Im Zwei-Parteien-System der USA sind die Spannbreiten innerhalb einer Partei zwangsläufig groß. Rand Paul gehört zum liberalen Flügel seiner Partei. Die Liberalen werden in Amerika als Libertäre bezeichnet. Denn noch stärker als in weiten Teilen Europas ist die Verortung der so genannten Liberalen dort noch beliebiger, noch sozialdemokratischer und noch staatsgläubiger. Der Name Paul steht seit vielen Jahren für diese libertäre Erneuerungsbewegung in den USA.
In Deutschland wird diese Graswurzelbewegung vielfach missverstanden und vielleicht auch bewusst missinterpretiert. Alles was nicht links ist, ist zwangsläufig rechts. Dass es auch noch eine dritte politische Grundlinie gibt, die klassisch-liberale bzw. die libertäre, wird in Deutschland übergangen. Sie passt nicht in das linke Weltbild vieler Journalisten. Militärische Zurückhaltung, die Begrenzung der Amtszeit von Abgeordneten, der Datenschutz und die Förderung der Zivilgesellschaft sind wahrlich keine Themen der politischen Rechten. Und seine Vorschläge zur Überwindung der Lesefaulheit von Gesetzentwürfen bei den Abgeordneten, wären durchaus auch im Bundestag sinnvoll – man denke nur an die Übernachtentscheidungen bei der Energiewende oder bei dem einen oder anderen „Euro-Rettungspaket“, das jedes Mal alternativlos war. In seinem „Read the Bills Act“ schlägt Paul vor, dass der Kongress pro 20 Seiten Gesetzestext einen Tag Lesezeit eingeräumt wird. „Niemand, und ich meine niemand, ist es möglich zu lesen, was im Gesetz steht“, so sein Vorwurf über die kurzen Beratungszeiten.
Wie immer sind solche Graswurzelbewegungen vielschichtig. Was sie jedoch vereint, ist das tiefe Misstrauen gegenüber staatlicher Allmacht. Rand Paul steht dabei in der Tradition seines Vaters Ron Paul, der viele Jahre als republikanischer Kongressabgeordneter und zweimaliger Präsidentschaftskandidat insbesondere bei jungen Menschen viele Anhänger hatte. Mit seiner Forderung „End the Fed“ startete er eine weltweite Bewegung gegen die Politik der Zentralbanken. Unter Journalisten wurde er spöttisch und anerkennend zugleich als „Dr. No“ bezeichnet, da er im Kongress meist gegen den Präsidenten der eigenen Partei gestimmt hat. Rand Paul wird mehr taktisches Gespür nachgesagt. Er will anschlussfähig bleiben. Auch deshalb stimmt er nicht immer gegen seine eigene Partei. Er will aber ebenso wie sein Vater nicht im republikanischen Lager eingebunkert sein, sondern Freiheitsfreunde in allen Gesellschaftsschichten begeistern.
In Amerika wächst seit Jahren eine breite Bewegung insbesondere junger Menschen heran, die sich als libertär verstehen, die vom Staat in Ruhe gelassen werden wollen und die herkömmlichen Antworten der Politiker oder der Professoren an den Hochschulen hinterfragen und auf die klassisch-liberalen Denker wie Ludwig von Mises, Friedrich August von Hayek oder Murray Rothbard zurückkommen. Eine dieser weltweiten, aus Amerika kommenden Bewegungen ist die Studentenorganisation „Students for Liberty“, die an diesem Wochenende ihre Europakonferenz an der Humboldt-Universität in Berlin abhält. Die „European Students for Liberty“ erwarten, dass sich über 800 junge Menschen aus allen Teilen Europas auf den Weg nach Berlin machen. Viele davon haben eigene Hochschulgruppen gegründet, kümmern sich aber nicht um das Sektierertum in den Studentenparlamenten, sondern organisieren Konferenzen oder Lesekreise und vernetzen sich weltweit.
Die Kandidatur Rand Pauls wird dieser Bewegung, über Amerika hinaus, weiter Auftrieb geben. Die wachsende Zahl von Unterstützern und deren Engagement im Wahlkampf werden dies zeigen. Vielen Präsidentschaftskandidaten geht irgendwann die Puste aus, weil ihnen das Geld für Werbespots und Kampagnen fehlt. Das Problem wird Rand Paul nicht haben, dafür ist die Zahl seiner Anhänger zu groß. Doch es geht nicht so sehr um die Person Rand Paul, sondern um die Ideen dahinter.
Es ist die Freiheitsidee, die Friedrich August von Hayek in seiner Verfassung der Freiheit so treffend formulierte: „Es war früher der Stolz des freien Mannes, dass er, solange er sich innerhalb der Grenzen des bekannten Rechts hielt, um niemandes Erlaubnis zu bitten und niemandes Befehl zu gehorchen brauchte. Es ist zu bezweifeln, ob einer von uns das heute von sich behaupten kann.“
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