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Heute jährt sich zum 800. Mal die Unterzeichnung der Magna Carta. Sie kann uns immer noch in unserem Verständnis von Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie inspirieren. Vielleicht auch im Blick auf die von Großbritannien angestoßene Debatte über EU-Reformen.

Robin Hood lässt grüßen

Die Invasion Englands durch den Normannenherrscher Wilhelm im Jahr 1066 hatte die dortige Staatsorganisation grundlegend verändert. Vor allem König Heinrich II., der von 1154 bis 1189 regierte, baute in seiner für damalige Verhältnisse sehr langen Regierungszeit den Zentralstaat aus und führte eine Bürokratie ein, die die Kontrolle des Königs über die örtlichen Herrscher, die Barone, sichern sollte. Der berühmte Sheriff von Nottingham war ein solcher Bürokrat, der lokale Adlige und Bauern gleichermaßen drangsalierte. Aus der Geschichte um Robin Hood kennt man auch den Sohn Heinrichs II., König Johann Ohneland. Er war es, der vor 800 Jahren gezwungen wurde, seine Unterschrift unter die Magna Carta zu setzen.

Nach dem strengen Regiment seines Vaters und der eklatanten Misswirtschaft seines großen Bruders Richard Löwenherz sah sich Johann bei Herrschaftsantritt mit einem harschen Krieg in Frankreich konfrontiert. Dieser Krieg verschlang Unsummen und so erhöhte sich die Steuerlast von Jahr zu Jahr. Gleichzeitig kam es zu einer starken Inflation. Es kam der Punkt, an dem die Barone sich nicht mehr in der Lage sahen, diese Bürde zu schultern. Zumal sie von ihren eigenen Untertanen, an die viele der Lasten natürlich durchgereicht wurden, auch immer mehr Druck bekam. Robin Hood lässt grüßen.

Ein dauerhafter Garant gegen Willkür

Zentralstaat, Bürokratismus, hohe Steuern, Inflation – kommt einem irgendwie bekannt vor. Genau. Und vielleicht ist es auch keine ganz große Überraschung, dass in dem Land, dessen Bürger sich schon vor 800 Jahren dagegen gewehrt haben, auch heute der Widerstand relativ groß ist gegen solche Entwicklungen. Der Zufall will es, dass der derzeitige EU-Kommissionspräsident auch Johann (Jean-Claude) heißt – und in der Tat ja auch ein Ohneland ist. Doch abseits dieser anekdotischen Petitessen können wir tatsächlich an das Jahr 1215 anknüpfen, wenn wir darüber nachdenken, wie die Freiheit des Bürgers am besten gesichert werden kann.

Bereits im ersten Artikel des Dokuments wird der langfristige Gültigkeitscharakter festgeschrieben. König Johann unterschreibt es nicht als Person, sondern in seiner Funktion als Souverän. Er vererbt die Verpflichtung an seine Nachfahren. Es handelte sich also bei der Magna Carta nicht nur um einen Deal mit dem König. Vielmehr stand die Idee dahinter, eine schriftliche Verfassung zu etablieren, um einen dauerhaften Garanten gegen die Willkür der Herrschenden zu haben. Auch wenn in den folgenden Jahrhunderten die Magna Carta viel häufiger ignoriert als befolgt wurde, hielt sich die Idee eines auf Dauer angelegten Vertrags und inspirierte mehr als 400 Jahre später die britischen Vertragstheoretiker wie John Locke, die unser modernes Demokratieverständnis geprägt haben.

Die Wurzel der Bürgerrechte

Mehrere Artikel widmen sich der Frage der Besteuerung. Fortan sollte der König nicht mehr nach eigenem Gutdünken Steuern erheben dürfen. Das Schildgeld, eine Art Kopfsteuer, die wichtigste Finanzierungsquelle des Königs bei seinen Kriegen, durfte nur noch nach Zustimmung des „common counsel“ erhoben werden. Damit war der Grundstein gelegt für das Entstehen eines Parlaments im modernen Sinne. Fünfzig Jahre später, im Januar 1265, tritt dann auch zum ersten Mal ein englisches Parlament in Westminster zusammen. Fortan sollte der König sich genauer überlegen, ob eine Investition – in der Regel ein Krieg – wirklich nötig ist, und sollte gleichzeitig gezwungen sein, sich vor dem Parlament dafür zu rechtfertigen. Jahrhunderte später hallte der Ruf „No taxation withour representation“ aus den amerikanischen Kolonien wie ein Echo dieser Bestimmungen über den Atlantik.

Indem man dem königlichen Etat Fesseln anlegte, sollte dessen Willkür eingeschränkt werden. Der Willkür seiner Beamten setzte man klare rechtstaatliche Bestimmungen gegenüber. Es ging um die Herrschaft des Rechts, den Rule of Law. Um einen Prozess anzustrengen, sollte die Anklage allein nicht mehr ausreichen – „zuverlässige“ Zeugen waren zwingend nötig. Auch bestimmte das Dokument: „Kein freier Mann soll verhaftet, ins Gefängnis geworfen, enteignet, geächtet oder verbannt werden … außer aufgrund des rechtmäßigen Urteils seiner Standesgenossen oder aufgrund der Gesetze dieses Landes.“ Diese Bestimmungen waren wegweisend für die Geschichte der Bürgerrechte vom Habeas Corpus Act von 1679 über die Bill of Rights in der US-Verfassung bis hin zu all den Kämpfern gegen Tyrannen in unserer Zeit, in Syrien und China, in Venezuela und Russland.

Sogar die Personenfreizügigkeit und die Zollfreiheit, die wohl wichtigsten Errungenschaften der Europäischen Union wurden in der Magna Carta bereits für das Königreich England garantiert: „Alle Kaufleute sollen sicheres Geleite haben, nach England zu können und es zu verlassen, dort zu bleiben und durchzureisen, sowohl zu Land als zu Wasser; … zu kaufen und zu verkaufen, ohne alle bösen Zölle.“ [sic! „evil tolls“]

Aus der Geschichte Robin Hoods lernen

Die Magna Carta Libertatum, wie sie vollständig heißt, also die „Große Urkunde der Freiheiten“, sollte nicht lange überdauern. Viele der Adligen, die zur Zeit Johann Ohnelands die Opposition gebildet hatten, wurden bald wieder zu Komplizen des Königs. Ihre Nachfahren machten es nicht besser. Es bedurfte noch vieler hundert Jahre voller Unterdrückung und Krieg bis sich die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Selbstbestimmung stärker durchsetzen konnten. Das schmälert allerdings nicht die Bedeutung des Dokuments. Denn auch wenn England 1215 nicht sofort von einer Despotie zu einer modernen Republik wurde, war der Same gelegt, die Idee in die Welt gekommen.

Diese Idee kann uns heute noch als Leitstern dienen. Kehren wir dafür noch einmal zurück zu Robin Hood. Und zwar unabhängig davon, ob man in ihm einen verklärten Kriminellen, einen Retter der Entrechteten oder einen Vorläufer von Che Guevara sieht. Robin Hood und seine Mitmenschen hätten alle mehr davon gehabt, wenn er eine Töpferei betrieben hätte und sein Sohn eine Schule in Nottingham aufgemacht hätte. Das war aber nicht möglich, weil sie in einem Land lebten, das gebeugt wurde von zu hoher Steuerlast und in dem fast alle Bewohner der Willkür von Beamten ausgesetzt waren.

Nun ist die Situation heute vielleicht nicht mehr ganz so dramatisch wie damals im Sherwood Forrest. Und trotzdem gilt auch heute noch: Hohe Steuern, immer mehr und immer willkürlichere Gesetze und ein aufgeblähter Staatsapparat führen nicht in die Freiheit und den Wohlstand. Sie sind vielmehr der Weg in den Sherwood Forrest. Das sollten die Verantwortlichen in der EU bedenken, wenn sie mit den Reformvorschlägen aus dem Land der Magna Carta konfrontiert werden. Möge die EU ein Ort sein, an dem Robin Hood ungehindert seinen Geschäften nachgehen kann – zum Nutzen aller!

Photo: Armin Kübelbeck from Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0)

Der Sparer wird derzeit an mehreren Fronten angegriffen: Zum einen trägt Draghis Zinsvernichtung zur Enteignung der Mittelschicht in diesem Land bei. Denn diese spart im Wesentlichen in Schuldpapieren, die eigentlich Zinsen abwerfen sollten. Drückt die Notenbank durch ihre Aufkäufe die Rendite und den Zins dieser Anleihen, dann können diejenigen, die in diese Zinspapiere investieren, natürlich auch keine Erträge erwarten. Das betrifft nicht die ganz Armen, aber auch nicht die ganz Reichen in diesem Land. Es betrifft in erster Linie die Normalsparer, also die Mitte der Gesellschaft. Wer konservativ spart, in Lebensversicherungen, Festgeldern und Bausparverträgen sein Geld anlegt, der verliert.

Gleichzeitig steigen die Preise der Vermögensgüter stark an, denn dort fließt das billige Geld der Notenbanken hin. Die konsumfernen Wirtschaftszweige profitieren zuerst davon. Deren Vermögenswerte steigen durch die erhöhte Nachfrage. Sie führen so lange zu Investitionen bis Überkapazitäten geschaffen werden, die, sobald sie als solche erkannt werden, sich wieder korrigieren. Das ist dann ein Börsencrash. Er ist das äußere Zeichen dieser Übertreibung und gleichzeitig der Beginn einer Normalisierung der Verhältnisse.

So ist es auch jetzt wieder. Auch jetzt werden wieder Überkapazitäten aufgebaut. Jedoch erkennen die Investoren sie noch nicht als solche. Der Deutsche Aktienindex steigt deshalb weiter. Seit seinem Tiefpunkt 2009, als die EZB den Leitzins in mehreren Schritten auf unter 1 Prozent senkte, ist er um mehr als das Dreifache gestiegen. Das weckt jetzt Begehrlichkeiten des Finanzministers. Schäuble nutzt die Gunst der Stunde. Denn es wird vielfach als ungerecht empfunden, dass der Normalsparer mit seinen konservativen Sparformen real Geld verliert und der „gutverdienende“ Aktiensparer sich in der Aktienhausse eine goldene Nase verdient, während der Finanzminister lediglich mit 25 Prozent Kapitalertragssteuer daran partizipiert. Historisch wurde die geringe Besteuerung mit der Flüchtigkeit des Geldes begründet. Doch mit dem gerade beschlossenen Informationsaustausch der Steuerdaten aller OECD-Staaten sieht Schäuble jetzt wohl die Gelegenheit, diese „Gerechtigkeitslücke“ zu schließen. „Big brother ist wachting you“ gilt faktisch weltweit. Also kann nun auch die niedrigere Kapitalertragsbesteuerung dem Einkommensteuertarif mit seiner Besteuerung von 45 Prozent in der Spitze angepasst werden. Das ist wäre doch sozial gerecht! Oder?

Nein, gerecht ist dieses Steuersystem überhaupt nicht. Gerecht wäre es, wenn es Einkünfte jeglicher Art zu jedem Zeitpunkt gleich besteuern würde. Es wäre auch gerecht, wenn die Regierung nicht die Bürger in bestimmte Anlageformen lenken oder zwingen würde. Letzteres schlägt gerade Arbeitsministerin Nahles vor. Sie will nicht nur den Paternoster-Führerschein einführen, um das unfallfreie Benutzen eines Fahrstuhles zu üben, sondern auch eine verpflichtende Altersvorsorge für Selbständige verordnen. Das wäre fatal. Es würde die Zahl der Existenzgründer in Deutschland weiter reduzieren. Wer schon von Beginn seiner Selbständigkeit 300, 400 oder 500 Euro pro Monat in einer Lebensversicherung sparen muss, fängt erst gar nicht an, seine unternehmerische Idee hier umzusetzen, sondern wandert gleich aus.

Ein gerechtes Steuersystem, das Sparen nicht diskriminiert, sähe anders aus: Es würde Einkünfte jeglicher Art nur dann besteuern, wenn sie für den Konsum verwandt werden. Denn in unserem aktuellen Steuersystem führt die jährliche Zins- oder Dividendenbesteuerung von 25 Prozent bei langen Sparprozessen zu einer Kumulation der Besteuerung. Ein Beispiel: Wer heute ein zu versteuerndes Einkommen von 40.000 Euro im Jahr hat und einmalig 1000 Euro zur Seite legt, hat diesen Betrag bereits mit seiner Lohnsteuer versteuert. Angenommen, dieser Sparer hat ein durchschnittlichen Einkommensteuersatz von insgesamt 25 Prozent. Hätte er es nicht versteuern müssen, weil er nicht heute, sondern erst zu Beginn seines Ruhestandes in 40 Jahren konsumieren will, hätte er 1333 Euro anlegen können. Wir unterstellen, er legt diese 1333 Euro in Zinspapiere an und erzielt eine optimistische Verzinsung von 3 Prozent pro Jahr.

In einer Welt ohne Steuern könnt er zu Beginn seines Lebensabends 4349 Euro erwarten. Investiert er aus versteuertem Einkommen 1000 Euro (1333 – 25 Prozent) und seine jährlichen Zinserträge von 3 Prozent werden mit der Kapitalertragsteuer von 25 Prozent pro Jahr (3 – 25 Prozent = 2,25 Prozent) besteuert, dann hat er in 40 Jahren lediglich 2435 Euro angespart. Die Differenz von 1914 Euro sind seine gezahlten Steuern. Das entspricht, obwohl es eine Kapitalertragsteuer von 25 Prozent gibt, einer steuerlichen Belastung von 44 Prozent. Hätte er heute konsumiert und nicht in 40 Jahren, wäre er steuerlich besser gefahren.

Die Antwort auf diese Diskriminierung muss sein, Sparvorgänge nachgelagert und nicht fortlaufend zu besteuern. Das gibt es zwar in Ansätzen bei der betrieblichen Altersvorsorge und beim Riester- und Rürup-Sparen schon, nur dort drängt die Regierung die Sparer in die Kapitalvernichtung, da diese Anlageformen überwiegend in Anleihen investieren müssen, deren Verzinsung durch die EZB vernichtet wird.

Der Liberale John Stuart Mill hat bereits im 19. Jahrhundert kritisiert: „Denn was gespart und fest angelegt wird, zahlt künftig Einkommensteuer von den Zinsen oder Gewinnen, die es bringt, trotzdem dass es bereits als Kapital besteuert worden ist. Wenn daher Ersparnisse von der Einkommensteuer nicht ausgenommen werden, werden die Steuerzahler von dem, was sie sparen doppelt, und dagegen nur einmal von dem was sie ausgeben, besteuert. Der so zum Nachteile der Vorsorglichkeit und der Wirtschaftlichkeit geschaffene Unterschied ist nicht nur unpolitisch, sondern auch ungerecht.“

Kein Land und keine Gesellschaft sind jemals dauerhaft zu Wohlstand gekommen, indem sie möglichst hohen Steuern, möglichst billigem Geld und möglichst vielem Konsum frönten. Nein, das Gegenteil ist richtig. Fangen wir endlich damit an. Echte Steuergerechtigkeit ist die Voraussetzung für eine Sparkultur in Deutschland. Sparen ist die Grundlage für Investitionen, Arbeitsplätze und Wohlstand einer Gesellschaft. Und gutes Geld ist die Basis dafür.

Photo: Policía nacional de los colombianos (CC BY-SA 2.0)

Der angekündigte Rücktritt des gerade wiedergewählten FIFA-Präsidenten Joseph Blatter wurde medial auf allen Kanälen berichtet. Korruptionsverdacht wurde geäußert, über die Festnahmen berichtet und über die matte Rolle der UEFA verwundert die Nase gerümpft. Doch wer ein Monopol im Weltfußball hat, weckt zwangsläufig Begehrlichkeiten überall auf der Welt. Denn die FIFA ist eine Gelddruckmaschine. Allein die WM in Brasilien brachte der FIFA einen Gewinn von beinahe drei Milliarden Euro. Und die 25 Mitglieder des Exekutivkomitees erhalten eine Entschädigung von 175 000 Euro, darunter auch UEFA-Chef Platini und DFB-Präsident Niersbach. Schon der britische Liberale Lord Acton formulierte im 19. Jahrhundert diesen Zusammenhang prägnant: „Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut“. So ist es wohl auch in der FIFA. Doch Milliarden-Etats können nur dann unter den Mitgliedern legal oder illegal verteilt werden, wenn es auf der anderen Seite Sponsoren, Werbepartner und TV-Anstalten gibt, die das System mit ihren Gelder finanzieren. Inwieweit die Compliance-Regelungen bei privaten Unternehmen wie Visa, Coca-Cola oder Adidas dies alles zulassen, werden die Aktionäre in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich prüfen.

Eine andere Frage ist, inwieweit die gebührenfinanzierten Rundfunkanstalten in Deutschland das System Fifa ermöglicht haben. Immerhin werden beide Sender für die Übertragungsrechte für die WM in Russland 2018 218 Millionen Euro und für die WM in Qatar 2022 noch einmal 214 Millionen Euro bezahlen. Das sind die jährlichen Beitragseinnahmen von über einer Million Beitragszahlern in Deutschland. Eine stolze Summe, um den Grundbedarf an Informationen zu decken.

Es stellt sich daher generell die Frage, ob die Rundfunkbeiträge und die steuerähnliche Finanzierung des öffentlichen Rundfunks noch zeitgemäß sind. Denn das Beispiel Fußball-WM ist ja nur eines von vielen. Bei den Olympischen Spielen in London 2012 reisten 480 Mitarbeiter von ARD und ZDF nach London, um 260 Stunden zu berichten. Das waren mehr Mitarbeiter, als Deutschland Athleten auf die Insel schickte – 392 Olympioniken kämpften um die begehrten Medaillen. Und um die Überdimensionierung aufzuzeigen: Der Sender Eurosport schaffte fast die gleiche Sendeleistung mit 25 Mitarbeitern.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk betreibt aktuell 20 Fernsehsender und 63 Radioprogramme und nimmt mehr als 8,3 Milliarden Euro jedes Jahr ein. Es ist der größte und teuerste öffentliche Rundfunk der Welt. Damit kann man nicht nur jeden Wettbewerber vom Markt fegen, sondern auch Systeme wie aktuell bei der FIFA weiter füttern. In einer Fernsehwelt, die durch die Digitalisierung nicht mehr auf wenige Frequenzen begrenzt ist, sondern inzwischen 400 Sender in Deutschland angeboten werden, ist der Sinngehalt der Öffentlichen nicht mehr zu erklären.

Doch wie kann man sich gegen den Gebührenwahnsinn wehren? Die Beitragszahlung von 210 Euro pro Jahr einfach einzustellen, führt aktuell zu 60 000 Vollstreckungsbescheiden, die ARD und ZDF pro Monat gegen säumigen Beitragszahlern erwirken. Wer diesen Weg nicht gehen, weil er nicht seinen Fernseher pfänden lassen will, sollte vielleicht die Einzugsermächtigung widerrufen und die Barzahlung anbieten. In Deutschland sind auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkt gesetzliche Zahlungsmittel. Eine Barzahlung dürfen ARD und ZDF daher nicht verweigern, auch wenn sie diese in ihrer eigenen Beitragsordnung ausschließen. Ein stiller, aber sicherlich wirksamer Protest, der gleichzeitig das Bargeld und seine schleichende Abschaffung in den Mittelpunkt rückt. Wenn daraus mehr als der Einzelfall des Autors wird, kommen Veränderungen in Gang. Denn diese Veränderungen erfolgen nicht durch Zuschauen, sondern durch persönliches Handeln jedes Einzelnen.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 6. Juni 2015.

Photo: leo gonzales from Flickr (CC BY 2.0)

Sie packen an. Sie arbeiten zusammen. Sie schaffen ein Umfeld, in dem sich Menschen zusammentun, um Probleme zu lösen und Ziele zu erreichen. Die Bürgerplattformen sind die funktionierenden Alternativen zu politischen und bürokratischen Lösungsversuchen.

Ein Korrektiv zur Politik

Am Montagabend trafen sich etwa 650 Berliner auf dem Gelände der Rütli-Schule in Neukölln mit dem Regierenden Bürgermeister. Anders als das bei solchen glamourösen Veranstaltungen sonst oft der Fall ist, war das Event freilich nicht dazu da, um dem Bürgermeister eine Bühne zu bieten, sondern vor allem, um ihn zum Zuhören zu bringen. Den größten Teil des Abends über stellten sich die Bürgerplattformen der Berliner Stadtteile Treptow-Köpenick, Neukölln und Wedding-Moabit vor. Erst in der letzten Viertelstunde durfte der „Landesvater“ drei Fragen beantworten.

Diese Herangehensweise passt zu dem Format der Bürgerplattformen, die weder Ansammlungen von Wutbürgern sind noch von langweiligen, kritiklosen Claqueuren. Sie sehen sich als Korrektiv zur Politik. Es passt, dass sie über ihre finanziellen Ressourcen folgendermaßen Auskunft geben: „Um als gleichberechtigter Partner in der Auseinandersetzung mit Politik und Verwaltung auftreten zu können, legen wir großen Wert auf Selbstständigkeit im Handeln und eine finanzielle Unabhängigkeit von staatlicher Förderung.“ Die Organisationen finanzieren sich allein durch Mitgliedsbeiträge und Spenden.

Konkrete Probleme lösen

80 zivilgesellschaftliche Gruppierungen, die insgesamt etwa 100.000 Menschen in Berlin erreichen, haben sich in den drei Netzwerken zusammengeschlossen. Begonnen hat das dieses „community organizing“ in den 60er Jahren in den USA. Also in einer Zeit, in der die Frage der Rassentrennung, der Vietnamkrieg und allgemeine soziale Unruhen zu massiven Verwerfungen führten. Politiker waren in vielen Städten wie Chicago oder New York entweder tief korrupt oder buchstäblich nicht mehr imstande, ihren Aufgaben nachzukommen.

Einer der großen Vordenker des Konzepts war Saul Alinsky, eine höchst streitbare Persönlichkeit, der die dramatischen Zustände in den amerikanischen Großstädten und Problemzonen nicht mehr hinnehmen wollte. Alinsky lässt sich politisch kaum einordnen – Marxisten haben ihn ebenso zu vereinnahmen versucht wie auch jüngst die Tea Party. Er selbst sagte einmal im Interview mit dem Playboy: „Ich konnte niemals ein starres Dogma oder eine Ideologie akzeptieren, weder Christentum noch Marxismus. … Wenn Du denkst, Du habest einen direkten Draht zur absoluten Wahrheit, dann wirst Du doktrinär, humorlos und intellektuell verstopft.“ Ihm ging es nicht darum, eine bestimmte Heilslehre zu verwirklichen, sondern darum, konkrete Probleme zu lösen.

Verantwortung übernehmen

Alinsky ging es um Veränderung und Verbesserung. Er rief nicht nach der nächsten Lösung durch den politischen Apparat. Er versteckte sich nicht hinter hohlen Phrasen. Sondern er packte an und brachte zivilgesellschaftliche Gruppen an einen Tisch. Ein wichtiges Element seiner Arbeit war die Kontrolle der Politik durch engagierte Bürger – ein dringend notwendiges Element der Machtbeschränkung in dem immer verfilzter werdenden System seiner Zeit. Noch wichtiger aber und noch nachhaltiger war die Idee, dass Bürger selber Lösungen finden und an ihrer Verwirklichung mitarbeiten können.

Um einen Spielplatz wieder benutzbar zu machen, um Transportmöglichkeiten für die Alten im Stadtviertel zu schaffen, um den Bürgersteig zu reparieren, sogar um Schulen zu gründen – für all das braucht man zunächst weder Behörden noch Politiker. All das kann man auch selber machen – und oft viel effizienter. Das ist der eigentlich bemerkenswerte Kerngedanke des „community organizing“: Den Menschen die Augen dafür zu öffnen, dass sie selber Verantwortung übernehmen können. „Verantwortung übernehmen“ war dann auch die Formulierung, die bei dem Treffen der Bürgerplattformen am häufigsten fiel.

Hier wachsen positive Mentalitäten heran

Bei den Bürgerplattformen treffen unterschiedlichste Menschen aus verschiedensten Milieus aufeinander und ergänzen sich bei der gemeinsamen Aufgabe, Probleme zu lösen. Da ist der Küchenmeister aus dem Berliner Südosten, der zu DDR-Zeiten den offenen Konflikt mit den Herrschenden nicht gescheut hat. Neben ihm steht ein 15jähriger Schülersprecher, der eindrucksvoll sein Wort zu machen versteht. Da ist die Frau aus dem anatolischen Dorf, Mutter von sechs Kindern, die mit kräftiger Stimme ruft: „Ich wollte weiterkommen! Darum habe ich mich gebildet, habe über Physik und Chemie und über Geschichte gelernt – und bin nach Deutschland gekommen. Viele Leute aus meinem Dorf haben es mir nachgemacht, weil auch sie etwas erreichen wollten.“ Und daneben steht der bürgerliche Familienvater, der sich in seiner katholischen Gemeinde engagiert. Sprachschulen für indonesische Studenten, muslimische Pfadfindergruppen, das Projekt der Weddinger Bürgerschule – all dies entsteht aus der Mitte der Bürgerplattformen.

Was all diese Menschen eint, ist der Wille, Verantwortung zu übernehmen. Sie wollen weiterkommen und etwas erreichen: für sich, für ihre Familien, für ihre Nachbarn. Dieser Impuls ist ja in der Tat der Motor für echte Veränderung. Für Veränderung, die nicht von oben verordnet und organisiert ist, sondern die von den Menschen selbst gestaltet wird. Man kann nur hoffen, dass dieses Beispiel Schule macht und viele Nachahmer findet. Nicht nur, weil diese selbstverantwortliche Organisation Probleme effizienter und informierter löst. Sondern insbesondere auch, weil das Übernehmen von Verantwortung Menschen glücklicher macht. Wenn sie etwas erreicht haben, ist es ihr Spielplatz, ihre Kleiderkammer, ihre Schule. Und dieser verdiente Stolz wird sie prägen – sie und die nachwachsenden Generationen. Hier wachsen positive Mentalitäten heran und entstehen veritable Freiheitsinseln!

Photo: Stuart Richards from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Von Prof. Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums im Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Business and Information Technology School (BiTS) in Berlin.

In den Anfängen des Rundfunks war die Knappheit der Übertragungskanäle der Engpass für Programmvielfalt. Daraus wurde kurzerhand gefolgert, den Rundfunkbetrieb hierzulande exklusiv unter staatliche Regie zu stellen. Überzeugend war diese Begründung zwar schon damals nicht, aber dieser Teil der Debatte hat sich mittlerweile ohnehin erledigt. Die technische Beschränkung der Anbietervielfalt ist längst überwunden. Immerhin war man aber in den Anfangsjahren des öffentlich-rechtlichen Monopolfunks so konsequent, nur diejenigen an der Finanzierung zu beteiligen, die das Programm ausweislich des Besitzes eines Empfangsgerätes auch nutzen wollten (GEZ-Gebühr). Diese grundsätzlich zweckmäßige Optionslösung wurde bereits mit dem Aufkommen privater Anbieter brüchig. Besitz eines Fernsehers und Nutzung des öffentlich-rechtlichen Programms sind seitdem nicht mehr dasselbe. Völlig absurd war dann aber die Umstellung auf eine Haushaltszwangsabgabe („Rundfunkbeitrag“), durch die nicht einmal die Illusion aufrechterhalten wird, dass die zwangsfinanzierte Leistung überhaupt in Anspruch genommen werden könnte. So müssen jetzt auch Haushalte ohne Radio und Fernseher zahlen und wer als Single einen Zweitwohnsitz hat, zahlt doppelt (hier soll wohl gelten: mit dem zweiten sieht man besser). An der jetzigen Finanzierungsform ist nach ökonomischen Kriterien so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann.

Diejenigen, die auch heutzutage noch für die Zwangsfinanzierung des staatlichen Rundfunks plädieren, halten sich allerdings mit ökonomisch sinnvollen Bereitstellungskonzepten nicht lange auf. Was sie umtreibt, ist die Sorge um die Programmqualität. Ohne zwangsfinanzierte, öffentlich-rechtlich kontrollierte Sender – so die Sorge – müssten all jene in die Röhre schauen, die anspruchsvolle Inhalte zu sehen wünschten (ob sich diese Zielgruppe von den Darbietungen bei ARD und ZDF angesprochen fühlt, sei dahingestellt). Hierzu ein Gedankenexperiment: Angenommen, die FAZ würde verstaatlicht, über Zwangsbeiträge finanziert und ab sofort ungefragt jeden Morgen an alle Haushalte verteilt. Die überregionale Konkurrenz (SZ, Welt, Handelsblatt etc.) würde das kaum überleben. Am Ende würde es dann heißen: „Da sieht man es mal wieder, Qualität kann nur der Staat.“ Wir würden dann im Zeitungswesen dasselbe Phänomen erleben, das heute schon im Rundfunk gilt. Solange ARD und ZDF nach dem jetzigen Finanzierungsmodell betrieben werden, ist der Wettbewerb für private Anbieter massiv verzerrt. Eine Sendung wie die Tagesthemen privat zu produzieren, bleibt solange schwierig, wie staatliche Sender dieses Format ausstrahlen, ohne dass man der Finanzierung ausweichen kann. Die schiere Präsenz des staatlichen Angebots drängt daher private Anbieter in Bereiche ab, die (noch) nicht in gleicher Weise von zwangsfinanzierten Sendern besetzt sind. Der berühmte Aufsatz des großen französischen Ökonomen Claude Frédéric Bastiat „Was man sieht und was man nicht sieht“ bekommt damit eine weitere Facette. Angesichts der massiven Wettbewerbsverzerrung muss man sich eher schon wundern, wieviel privates Qualitätsfernsehen es heute schon gibt.

Natürlich würde auch in einem freien Rundfunkmarkt nicht nur anspruchsvollstes Feuilleton geboten – warum auch? Wer einmal an einem Zeitungskiosk oder den Printregalen im Supermarkt vorbeischaut, findet dort jede Menge Angebote, denen man kaum den Siegel Qualitätsjournalismus im engeren Sinne zubilligen würde (für die jeweilige Zielgruppe bieten sie natürlich genau die richtige Qualität, sonst wären sie längst vom Markt verschwunden). Aber es finden sich dort eben auch anspruchsvolle Zeitungen, Zeitschriften und Magazine. So hat jeder die Wahl, das zu kaufen, was er lesen will. Nicht anders wäre es in einem freien Fernsehmarkt. Diejenigen, die morgens zur FAZ greifen, schalten abends wahrscheinlich ein informatives Nachrichtenmagazin ein (das dann vielleicht sogar FAZ-Magazin heißt). Wer morgens lieber den Express liest, zählt wohl eher nicht zu den Zuschauern der Tagesthemen, auch wenn er die Sendung mitbezahlen muss.

Mit dem Qualitätsargument verheddert man sich daher schnell in einem Wust von Widersprüchen. Wenn die heutigen privaten Fernsehprogramme angeblich so schlecht sind, sollte man sich fragen, warum ihre Zuschauer sie denn bereits heute schon ARD und ZDF vorziehen. Zwangsfinanzierung ändert (zum Glück!) nicht die Präferenzen der Menschen. Wenn aber ARD und ZDF unverzichtbar sind, weil viele Menschen die Programme sehen wollen, dann würden sie ja auch freiwillig dafür bezahlen. Nichts spräche also dagegen, ARD und ZDF nur noch mit Bezahlschranke zu betreiben – wer freiwillig zahlt, kann dann das öffentlich-rechtliche Programm sehen, wer nicht zahlen will, sieht etwas anderes oder verzichtet gänzlich auf Fernsehen. Menschen für ein Clubgut zahlen zu lassen, was sie erkennbar nicht nutzen wollen, widerspricht zutiefst den Grundlagen einer freien Gesellschaft.

Vollends anmaßend wird es, wenn der Zwangsbeitrag für ARD und ZDF zur „Demokratieabgabe“ stilisiert wird. Hiermit wird suggeriert, dass die öffentlich-rechtlichen Programme die Menschen zu besseren Demokraten erziehen. Ohne ARD und ZDF würden die Menschen demzufolge die falschen Programme einschalten. Eine solche Sicht lässt tief blicken. Wenn man den Bürgern nicht zutraut, das „richtige“ Fernsehprogramm zu wählen, warum sollte man ihnen dann zutrauen, über Wahlprogramme der Parteien abzustimmen? Wer die Menschen schon als Mediennutzer für unmündig erklärt, kann sie wohl kaum politisch für voll nehmen.

Je mehr die Medienplattformen verschmelzen (Print, Internet, Fernsehen), desto problematischer wird das Wuchern der zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sender. So werden dann nicht nur bestimmte private Fernsehangebote weiterhin vom dem Markt ferngehalten, sondern es kommen auch mehr und mehr die Zeitungen unter Druck. Eine öffentlich-rechtliche Tageszeitung fordert bislang niemand und das aus gutem Grund. Aus demselben Grund ist davor zu warnen, dass die Ausbreitung öffentlich-rechtlicher Onlineangebote die wirtschaftlichen Grundlagen der freien Presse erodiert. Der freie Medienwettbewerb ist für eine lebendige Demokratie unverzichtbar. Meinungsbildung braucht ein Umfeld, in dem jeder einzelne Bürger mit seinem Medienkonsum darüber entscheidet, welche Programminhalte erfolgreich sind. Die sich auf dieser Basis entfaltende freie Medienlandschaft bietet eine Vielfalt (auch und gerade für Minderheiten), die sich kein Rundfunkrat der Welt einfallen lassen kann. Ein durchquotiertes Rätewesen, das die vermeintlichen Interessen sogenannter gesellschaftlich relevanter Gruppen zu identifizieren können glaubt, schafft allenfalls die Illusion von Pluralismus. Dieser verödet in den Mühlen der öffentlich-rechtlichen Bürokratie zu bloßem Proporz. Ein wettbewerbliches System setzt hingegen auf die Kreativität von Akteuren, die zugleich für ihre Entscheidungen verantwortlich sind. Auf diese Weise sind die privaten Programmmacher Makler im Dienste der Hörer und Zuschauer. Dank technischer Entwicklungen steht einer ausdifferenzierten Medienlandschaft mit einer bislang unerreichten Individualisierung nichts mehr im Wege – mit Ausnahme der längst überkommenen staatlichen Rundfunkfinanzierung. Diese stammt aus einer Zeit, als man nur wenige Programme empfangen konnte – Fernsehen wurde so zur kollektiven Massenerfahrung. Möglicherweise halten das ja die Befürworter von zwangsfinanzierten Sendern auch heute noch für erstrebenswert und sie wollen deshalb möglichst viel von der alten Medienwelt in die Zukunft hinüberretten. Mündige Bürger können darauf verzichten. Freie Menschen brauchen freie Medien.