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Mindestlohn, Mietpreisbremse, Mütterrente, Tarifeinheitsgesetz: All diese Maßnahmen werden verkauft als Teil eines Kreuzzugs gegen die wachsende Ungleichheit. Tatsächlich sind sie reine Klientelpolitik und sichern nur Besitzstände.

Lobbyismus im sozialen Schafspelz

Lobbyismus hat zu Recht nicht den allerbesten Ruf, geht es doch darum, unter Umgehung des Wettbewerbs und zu Lasten der Allgemeinheit die eigenen Gewinne zu maximieren. Bei Lobbyismus denken die meisten an Banken und Pharmakonzerne, an die Hotelsteuer und die Glühbirne. Dabei finden wir das Phänomen etwa auch bei der Mietpreisbremse. Die schützt nämlich vor allem gut verdienende Bewohner schöner Altbauwohnungen in größeren Städten. Die junge Familie, die in ein neu gebautes Häuschen im Grünen ziehen möchte, muss hingegen gerade wegen der Mietpreisbremse mit noch höheren Kosten rechnen. Angepriesen wird das unter „bezahlbare Mieten“. Tatsächlich ist dieses Produkt aber nur für eine ausgewählte Gruppe zu haben, die ohnehin oft schon privilegiert ist.

Ein fast noch krasseres Beispiel für erfolgreichen Lobbyismus zu Lasten des Wettbewerbs ist das kürzlich vom Bundestag beschlossene Tarifeinheitsgesetz. Andrea Nahles beschwor die Gefahr, die bestehende Koalitionsfreiheit würde „die Arbeitnehmerseite entsolidarisieren und damit die Sozialpartnerschaft insgesamt schwächen. Deshalb stärken wir das Mehrheitsprinzip.“ Dass Arbeitnehmer frei ihre Interessenvertretung wählen, wird als ein Akt wider die Solidarität uminterpretiert. Dabei werden durch das Gesetz mitnichten Individuen gestärkt, sondern vielmehr nur die Besitzstände der großen Gewerkschaften gesichert. Diese Gewerkschaften benehmen sich nicht anders als die großen Konzerne, deren Lobbyisten in Behörden, Ministerien und Parlamenten in Berlin und Brüssel ein und aus gehen. Auch wenn sie gerne so tun, als seien sie der Gegenentwurf zu diesen bösen Konzernen.

Die Sache mit dem Kuchen

Diese Inkonsistenzen wiederholen sich dann auf einer noch viel größeren Ebene. Die Rachegötter der Ungleichheit sind nicht selten auch diejenigen, die vor den Gefahren der Globalisierung warnen, Freihandel pauschal als brandgefährlich einstufen und erbitterte Kritik an der „Wachstumsbesessenheit“ des Kapitalismus üben. Mit anderen Worten: diejenigen, die finden, dass ein Teil der Bevölkerung mehr vom Kuchen abbekommen sollte, sind zugleich auch diejenigen, die verhindern wollen, dass günstigere Kuchen ins Land kommen und dass mehr Kuchen gebacken werden. Sie wollen Armut beseitigen und schließen zugleich all jene Mittel aus, die das besonders effektiv tun. Wenn man Armen die Möglichkeiten nimmt, ihr Leben zu verbessern, bleibt eben nur noch die Möglichkeit, Reichen etwas wegzunehmen.

Die Globalisierung und der Rückzug sozialistischer Wirtschaftssysteme haben weltweit zu einem absolut atemberaubenden Anstieg des Lebensstandards geführt. Der Anteil der Menschen, die in absoluter Armut leben, also 1,25 Dollar oder weniger pro Tag zur Verfügung haben, ist in den Jahren 1990 bis 2010 von 36 auf 18 Prozent der Weltbevölkerung zurückgegangen. Gleichzeitig haben technische Neuerungen von Mobiltelefonen bis zu genetisch verbesserten Nahrungsmitteln das Leben von hunderten von Million Menschen in Entwicklungsländern substantiell verbessert. Einen Großteil dieser Entwicklung verdanken wir dem beständigen Wirtschaftswachstum und dem Abbau von Handelsschranken.

Globale Ungleichheit durch Abschottung

Dieser globale Blick lässt uns auch viel deutlicher die Absurdität der Ungleichheitsdebatte erkennen. Klar, es geht auch in unserem Land vielen Menschen substantiell schlechter als anderen. Aber diese Menschen haben eben sauberes Wasser, Zugang zu Bildung und können auf ein sehr fortschrittliches Gesundheitssystem zugreifen. Zudem genießen sie den Schutz des Rechtsstaats, haben die Möglichkeit zu wählen und sich frei zu äußern und haben prinzipiell Zugang zu einem gigantischen, die gesamte EU umfassenden Arbeitsmarkt. All das haben die Menschen in Burma, Venezuela und Sudan nicht.

Die tatsächliche Ungleichheit finden wir eben nicht innerhalb der hochindustrialisierten Länder, sondern weltweit. Quelle dieser Ungleichheit ist aber nicht etwa das Fehlen eines globalen Umverteilungsapparates. Das Ausmaß dieser Ungleichheit rührt vor allem daher, dass sich die Länder des Nordens und des Westens abschotten. Die Agrarpolitik, die Handelsbeschränkungen, die ausufernden Verbraucherschutznormen und die teilweise Abschottung der Arbeitsmärkte sind Schutzmaßnahmen der Besitzstandwahrenden. Sie zementieren weltweite Ungleichheit.

„Auf den Kapitalismus zu vertrauen bedeutet vor allem, an die Menschheit zu glauben.“

Das Ziel der Rachegötter der Ungleichheit ist nicht die Beseitigung von Armut, sondern die Beseitigung von Unterschieden. Die Globalisierung, der weltweite Anstieg des Wirtschaftswachstums und der technische Fortschritt haben hingegen in den letzten Jahrzehnten einen großen Teil der Weltbevölkerung aus der bittersten Armut geholt. Wenn wir sie nicht hemmen, ist da noch sehr viel Raum nach oben. Wenn es den Rittern wider die Ungleichheit nicht um die Beseitigung von Unterschieden ginge, sondern um die Beseitigung von Not und Armut, dann sollten sie sich dem Kapitalismus zuwenden …

Der schwedische Journalist Johan Norberg schrieb in seinem Buch „Verteidigung des Globalen Kapitalismus“:

„Genau genommen glaube ich weder an Kapitalismus noch an Globalisierung. Ich glaube eher an die Fähigkeit des Menschen, Großes zu erreichen, und an die Dynamik, die aus Begegnung und Austausch entsteht. Ich plädiere für mehr Freiheit und eine offenere Welt, weil so das Individuum und dessen Kreativität frei gesetzt werden. So wird die Dynamik in Gang gesetzt, die den menschlichen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technischen Fortschritt hervorgebracht hat und auch weiter hervorbringen wird. Auf Kapitalismus zu vertrauen, bedeutet nicht, an Wachstum, Wirtschaft oder Effizienz zu glauben. So erstrebenswert sie sind – sie sind nur das Ergebnis des Kapitalismus. Auf den Kapitalismus zu vertrauen bedeutet vor allem, an die Menschheit zu glauben.“

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„Helft uns, Euch zu bezahlen!“, sagte der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis vergangene Woche in Berlin. Und meinte: Wenn Ihr uns nicht weiter bezahlt, dann habt Ihr ein Problem. Es ist die verkannte starke Rolle, die manch Schuldner hat.

Wer es schafft, die Gläubiger immer weiter in den eigenen Schuldensumpf zu ziehen, hat es irgendwann geschafft und kommt aus seiner Rolle der Schwäche plötzlich in eine Rolle der Stärke hinein. In einer solchen Situation verliert der Gläubiger auf den ersten Blick viel mehr als der Schuldner. Für den Schuldner ist ein Bankrott oftmals wie eine Befreiung. Eine große Last fällt ab und die Chance für einen Neubeginn ist da. Für den Gläubiger fängt die Tortur jetzt erst richtig an. Waren es bislang nur Forderungen, werden sie jetzt plötzlich kassenwirksam und müssen abgeschrieben werden.

So ist es auch in Griechenland. 2010 waren es beim ersten „Hilfspaket“ „nur“ 107,3 Milliarden Euro, die peu à peu ausgezahlt wurden. Das Gros der Schulden Griechenlands (2009: 301 Mrd. Euro) wurden durch private Gläubiger gehalten. Auch damals war die griechische Regierung schon in einer starken Position. Ein drohender Zahlungsausfall löste damals an den Finanzmärkten hohe Nervosität aus und die Banken waren in Panik. Doch die Banken übertrugen dieses Ausfallrisiko an die Staatengemeinschaft, die EZB und den IWF und entledigten sich so der Erpressung der griechischen Regierung.

Inzwischen ist das Erpressungspotential, das Varoufakis und Tsipras ausspielen, noch größer. Wahrscheinlich beträgt der Schuldenstand inzwischen deutlich über 320 Milliarden Euro. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung war der Schuldenstand noch nie so hoch. Diese Schulden werden inzwischen nahezu ausschließlich von der EZB, dem Euro-Club und dem IWF gehalten.

Beide, Varoufakis und Tsipras, müssen nur noch abwarten und möglichst lange keine oder nur unwesentliche Zugeständnisse machen. Je länger die Situation hinausgezögert wird, desto wahrscheinlicher ist, dass der Euro-Club und die EZB nachgeben werden.

Doch eigentlich ist der Fall Griechenland für den Euro nur am Rande von Bedeutung. Der Niedergang des Euro findet an ganz anderer Stelle statt. Es ist die Prinzipienlosigkeit der EZB, die ihn in Gefahr bringt. Und es ist die Gleichgültigkeit in Politik und Gesellschaft, die sein Ende einläutet. In einer Geldordnung ohne Anker, in der eine Zentralbank das Geldmonopol ausübt, kann Vertrauen nur durch starke Regeln und Personen, die diese Regeln leben und konsequent anwenden, erreicht werden. Wahrscheinlich reicht nicht einmal das aus, sondern das Geldmonopol des Staates ist wohl die Ursache für die Überschuldung von Staaten, Banken, Unternehmen und privaten Haushalten weltweit. Dies führt zu den immer stärkeren Verwerfungen an den Finanz- und Gütermärkten.

Doch wenn wir uns in der real existierenden Geldordnung des Euro-Clubs bewegen, dann müssen wir feststellen, dass auch die selbst geschaffenen Regeln nicht taugen, um das Vertrauen in die Währung herzustellen. Wenn der Euro „funktionieren“ würde, müsste die EZB nicht in noch nie dagewesener Weise in die Anleihenmärkte eingreifen. Und sie muss es künftig immer mehr, weil die übrigen Marktteilnehmer sich zurückziehen und weil bislang funktionierende Märkte durch das Eingreifen der EZB zerstört wurden.

Sie tut es, weil die Fiskalregeln nicht funktionieren und die monetären Regeln unbrauchbar sind. Die Haushaltsregeln und die Volkswirtschaften der Eurostaaten sind nicht zentral plan- und steuerbar. Sie sind auch nicht zentral sanktionierbar. Von automatischen Sanktionen war lange Zeit die Rede, doch die galten nur bei schönem Wetter. Frankreich lässt grüßen. Und der kürzliche Pakt zwischen Merkel und Hollande zur Aufweichung der 2012 „verschärften“ Regeln spricht ebenfalls eine deutliche Sprache. Die monetären Regeln „funktionieren“ ebenfalls nicht, weil keine Zentralbank auf dieser Welt in der Lage ist, die Geldmenge zu steuern. Erst recht keine Zentralbank, die für 19 Volkswirtschaften zuständig sein will. Letztlich hat man den Verbrauchern niedrige Preise und den Produzenten hohe Preise versprochen, den Arbeitnehmern hohe Löhne und den Unternehmern Kostensenkungen, die auch klammheimlich niedrigere Löhne einschließen sollten, den öffentlichen Angestellten hohe Bezüge und den Steuerzahlern niedrige Steuern. Das ist prinzipienlose Politik ohne Kompass. Doch alle Maßnahmen einer auf ständige Beeinflussung der Märkte gerichteten Politik ist nicht von Dauer, insbesondere wenn sie mit der Abwertung der Währung erkauft wird. Die Schwächung der eigene Währung, um die Exportindustrie zu befeuern, die Schuldner zu entlasten, die Löhne zu steigern und die Preise zu erhöhen, wirkt wie ein Droge, von der man immer mehr nehmen muss.

Zu guter letzt müssen die Regeln gelebt werden. Mario Draghi lebt diese Regeln nicht, sondern bricht sie. Seine Kollegen im Direktorium der EZB ebenfalls nicht – auch sie beugen das Recht. Und bis auf eine kleine Minderheit im EZB-Rat ist die übergroße Mehrheit auch dort bereit, in der Not jedes Gebot zu schleifen. Das ist keine Grundlage für einen Währungsraum, sondern der Anfang neuer Schwierigkeiten oder sogar seines Endes. Oder wie es Varoufakis vielleicht dann sagen würde: Bezahlt uns, dann helft Ihr Euch.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

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Heute jährt sich zum 800. Mal die Unterzeichnung der Magna Carta. Sie kann uns immer noch in unserem Verständnis von Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie inspirieren. Vielleicht auch im Blick auf die von Großbritannien angestoßene Debatte über EU-Reformen.

Robin Hood lässt grüßen

Die Invasion Englands durch den Normannenherrscher Wilhelm im Jahr 1066 hatte die dortige Staatsorganisation grundlegend verändert. Vor allem König Heinrich II., der von 1154 bis 1189 regierte, baute in seiner für damalige Verhältnisse sehr langen Regierungszeit den Zentralstaat aus und führte eine Bürokratie ein, die die Kontrolle des Königs über die örtlichen Herrscher, die Barone, sichern sollte. Der berühmte Sheriff von Nottingham war ein solcher Bürokrat, der lokale Adlige und Bauern gleichermaßen drangsalierte. Aus der Geschichte um Robin Hood kennt man auch den Sohn Heinrichs II., König Johann Ohneland. Er war es, der vor 800 Jahren gezwungen wurde, seine Unterschrift unter die Magna Carta zu setzen.

Nach dem strengen Regiment seines Vaters und der eklatanten Misswirtschaft seines großen Bruders Richard Löwenherz sah sich Johann bei Herrschaftsantritt mit einem harschen Krieg in Frankreich konfrontiert. Dieser Krieg verschlang Unsummen und so erhöhte sich die Steuerlast von Jahr zu Jahr. Gleichzeitig kam es zu einer starken Inflation. Es kam der Punkt, an dem die Barone sich nicht mehr in der Lage sahen, diese Bürde zu schultern. Zumal sie von ihren eigenen Untertanen, an die viele der Lasten natürlich durchgereicht wurden, auch immer mehr Druck bekam. Robin Hood lässt grüßen.

Ein dauerhafter Garant gegen Willkür

Zentralstaat, Bürokratismus, hohe Steuern, Inflation – kommt einem irgendwie bekannt vor. Genau. Und vielleicht ist es auch keine ganz große Überraschung, dass in dem Land, dessen Bürger sich schon vor 800 Jahren dagegen gewehrt haben, auch heute der Widerstand relativ groß ist gegen solche Entwicklungen. Der Zufall will es, dass der derzeitige EU-Kommissionspräsident auch Johann (Jean-Claude) heißt – und in der Tat ja auch ein Ohneland ist. Doch abseits dieser anekdotischen Petitessen können wir tatsächlich an das Jahr 1215 anknüpfen, wenn wir darüber nachdenken, wie die Freiheit des Bürgers am besten gesichert werden kann.

Bereits im ersten Artikel des Dokuments wird der langfristige Gültigkeitscharakter festgeschrieben. König Johann unterschreibt es nicht als Person, sondern in seiner Funktion als Souverän. Er vererbt die Verpflichtung an seine Nachfahren. Es handelte sich also bei der Magna Carta nicht nur um einen Deal mit dem König. Vielmehr stand die Idee dahinter, eine schriftliche Verfassung zu etablieren, um einen dauerhaften Garanten gegen die Willkür der Herrschenden zu haben. Auch wenn in den folgenden Jahrhunderten die Magna Carta viel häufiger ignoriert als befolgt wurde, hielt sich die Idee eines auf Dauer angelegten Vertrags und inspirierte mehr als 400 Jahre später die britischen Vertragstheoretiker wie John Locke, die unser modernes Demokratieverständnis geprägt haben.

Die Wurzel der Bürgerrechte

Mehrere Artikel widmen sich der Frage der Besteuerung. Fortan sollte der König nicht mehr nach eigenem Gutdünken Steuern erheben dürfen. Das Schildgeld, eine Art Kopfsteuer, die wichtigste Finanzierungsquelle des Königs bei seinen Kriegen, durfte nur noch nach Zustimmung des „common counsel“ erhoben werden. Damit war der Grundstein gelegt für das Entstehen eines Parlaments im modernen Sinne. Fünfzig Jahre später, im Januar 1265, tritt dann auch zum ersten Mal ein englisches Parlament in Westminster zusammen. Fortan sollte der König sich genauer überlegen, ob eine Investition – in der Regel ein Krieg – wirklich nötig ist, und sollte gleichzeitig gezwungen sein, sich vor dem Parlament dafür zu rechtfertigen. Jahrhunderte später hallte der Ruf „No taxation withour representation“ aus den amerikanischen Kolonien wie ein Echo dieser Bestimmungen über den Atlantik.

Indem man dem königlichen Etat Fesseln anlegte, sollte dessen Willkür eingeschränkt werden. Der Willkür seiner Beamten setzte man klare rechtstaatliche Bestimmungen gegenüber. Es ging um die Herrschaft des Rechts, den Rule of Law. Um einen Prozess anzustrengen, sollte die Anklage allein nicht mehr ausreichen – „zuverlässige“ Zeugen waren zwingend nötig. Auch bestimmte das Dokument: „Kein freier Mann soll verhaftet, ins Gefängnis geworfen, enteignet, geächtet oder verbannt werden … außer aufgrund des rechtmäßigen Urteils seiner Standesgenossen oder aufgrund der Gesetze dieses Landes.“ Diese Bestimmungen waren wegweisend für die Geschichte der Bürgerrechte vom Habeas Corpus Act von 1679 über die Bill of Rights in der US-Verfassung bis hin zu all den Kämpfern gegen Tyrannen in unserer Zeit, in Syrien und China, in Venezuela und Russland.

Sogar die Personenfreizügigkeit und die Zollfreiheit, die wohl wichtigsten Errungenschaften der Europäischen Union wurden in der Magna Carta bereits für das Königreich England garantiert: „Alle Kaufleute sollen sicheres Geleite haben, nach England zu können und es zu verlassen, dort zu bleiben und durchzureisen, sowohl zu Land als zu Wasser; … zu kaufen und zu verkaufen, ohne alle bösen Zölle.“ [sic! „evil tolls“]

Aus der Geschichte Robin Hoods lernen

Die Magna Carta Libertatum, wie sie vollständig heißt, also die „Große Urkunde der Freiheiten“, sollte nicht lange überdauern. Viele der Adligen, die zur Zeit Johann Ohnelands die Opposition gebildet hatten, wurden bald wieder zu Komplizen des Königs. Ihre Nachfahren machten es nicht besser. Es bedurfte noch vieler hundert Jahre voller Unterdrückung und Krieg bis sich die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Selbstbestimmung stärker durchsetzen konnten. Das schmälert allerdings nicht die Bedeutung des Dokuments. Denn auch wenn England 1215 nicht sofort von einer Despotie zu einer modernen Republik wurde, war der Same gelegt, die Idee in die Welt gekommen.

Diese Idee kann uns heute noch als Leitstern dienen. Kehren wir dafür noch einmal zurück zu Robin Hood. Und zwar unabhängig davon, ob man in ihm einen verklärten Kriminellen, einen Retter der Entrechteten oder einen Vorläufer von Che Guevara sieht. Robin Hood und seine Mitmenschen hätten alle mehr davon gehabt, wenn er eine Töpferei betrieben hätte und sein Sohn eine Schule in Nottingham aufgemacht hätte. Das war aber nicht möglich, weil sie in einem Land lebten, das gebeugt wurde von zu hoher Steuerlast und in dem fast alle Bewohner der Willkür von Beamten ausgesetzt waren.

Nun ist die Situation heute vielleicht nicht mehr ganz so dramatisch wie damals im Sherwood Forrest. Und trotzdem gilt auch heute noch: Hohe Steuern, immer mehr und immer willkürlichere Gesetze und ein aufgeblähter Staatsapparat führen nicht in die Freiheit und den Wohlstand. Sie sind vielmehr der Weg in den Sherwood Forrest. Das sollten die Verantwortlichen in der EU bedenken, wenn sie mit den Reformvorschlägen aus dem Land der Magna Carta konfrontiert werden. Möge die EU ein Ort sein, an dem Robin Hood ungehindert seinen Geschäften nachgehen kann – zum Nutzen aller!

Photo: Armin Kübelbeck from Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0)

Der Sparer wird derzeit an mehreren Fronten angegriffen: Zum einen trägt Draghis Zinsvernichtung zur Enteignung der Mittelschicht in diesem Land bei. Denn diese spart im Wesentlichen in Schuldpapieren, die eigentlich Zinsen abwerfen sollten. Drückt die Notenbank durch ihre Aufkäufe die Rendite und den Zins dieser Anleihen, dann können diejenigen, die in diese Zinspapiere investieren, natürlich auch keine Erträge erwarten. Das betrifft nicht die ganz Armen, aber auch nicht die ganz Reichen in diesem Land. Es betrifft in erster Linie die Normalsparer, also die Mitte der Gesellschaft. Wer konservativ spart, in Lebensversicherungen, Festgeldern und Bausparverträgen sein Geld anlegt, der verliert.

Gleichzeitig steigen die Preise der Vermögensgüter stark an, denn dort fließt das billige Geld der Notenbanken hin. Die konsumfernen Wirtschaftszweige profitieren zuerst davon. Deren Vermögenswerte steigen durch die erhöhte Nachfrage. Sie führen so lange zu Investitionen bis Überkapazitäten geschaffen werden, die, sobald sie als solche erkannt werden, sich wieder korrigieren. Das ist dann ein Börsencrash. Er ist das äußere Zeichen dieser Übertreibung und gleichzeitig der Beginn einer Normalisierung der Verhältnisse.

So ist es auch jetzt wieder. Auch jetzt werden wieder Überkapazitäten aufgebaut. Jedoch erkennen die Investoren sie noch nicht als solche. Der Deutsche Aktienindex steigt deshalb weiter. Seit seinem Tiefpunkt 2009, als die EZB den Leitzins in mehreren Schritten auf unter 1 Prozent senkte, ist er um mehr als das Dreifache gestiegen. Das weckt jetzt Begehrlichkeiten des Finanzministers. Schäuble nutzt die Gunst der Stunde. Denn es wird vielfach als ungerecht empfunden, dass der Normalsparer mit seinen konservativen Sparformen real Geld verliert und der „gutverdienende“ Aktiensparer sich in der Aktienhausse eine goldene Nase verdient, während der Finanzminister lediglich mit 25 Prozent Kapitalertragssteuer daran partizipiert. Historisch wurde die geringe Besteuerung mit der Flüchtigkeit des Geldes begründet. Doch mit dem gerade beschlossenen Informationsaustausch der Steuerdaten aller OECD-Staaten sieht Schäuble jetzt wohl die Gelegenheit, diese „Gerechtigkeitslücke“ zu schließen. „Big brother ist wachting you“ gilt faktisch weltweit. Also kann nun auch die niedrigere Kapitalertragsbesteuerung dem Einkommensteuertarif mit seiner Besteuerung von 45 Prozent in der Spitze angepasst werden. Das ist wäre doch sozial gerecht! Oder?

Nein, gerecht ist dieses Steuersystem überhaupt nicht. Gerecht wäre es, wenn es Einkünfte jeglicher Art zu jedem Zeitpunkt gleich besteuern würde. Es wäre auch gerecht, wenn die Regierung nicht die Bürger in bestimmte Anlageformen lenken oder zwingen würde. Letzteres schlägt gerade Arbeitsministerin Nahles vor. Sie will nicht nur den Paternoster-Führerschein einführen, um das unfallfreie Benutzen eines Fahrstuhles zu üben, sondern auch eine verpflichtende Altersvorsorge für Selbständige verordnen. Das wäre fatal. Es würde die Zahl der Existenzgründer in Deutschland weiter reduzieren. Wer schon von Beginn seiner Selbständigkeit 300, 400 oder 500 Euro pro Monat in einer Lebensversicherung sparen muss, fängt erst gar nicht an, seine unternehmerische Idee hier umzusetzen, sondern wandert gleich aus.

Ein gerechtes Steuersystem, das Sparen nicht diskriminiert, sähe anders aus: Es würde Einkünfte jeglicher Art nur dann besteuern, wenn sie für den Konsum verwandt werden. Denn in unserem aktuellen Steuersystem führt die jährliche Zins- oder Dividendenbesteuerung von 25 Prozent bei langen Sparprozessen zu einer Kumulation der Besteuerung. Ein Beispiel: Wer heute ein zu versteuerndes Einkommen von 40.000 Euro im Jahr hat und einmalig 1000 Euro zur Seite legt, hat diesen Betrag bereits mit seiner Lohnsteuer versteuert. Angenommen, dieser Sparer hat ein durchschnittlichen Einkommensteuersatz von insgesamt 25 Prozent. Hätte er es nicht versteuern müssen, weil er nicht heute, sondern erst zu Beginn seines Ruhestandes in 40 Jahren konsumieren will, hätte er 1333 Euro anlegen können. Wir unterstellen, er legt diese 1333 Euro in Zinspapiere an und erzielt eine optimistische Verzinsung von 3 Prozent pro Jahr.

In einer Welt ohne Steuern könnt er zu Beginn seines Lebensabends 4349 Euro erwarten. Investiert er aus versteuertem Einkommen 1000 Euro (1333 – 25 Prozent) und seine jährlichen Zinserträge von 3 Prozent werden mit der Kapitalertragsteuer von 25 Prozent pro Jahr (3 – 25 Prozent = 2,25 Prozent) besteuert, dann hat er in 40 Jahren lediglich 2435 Euro angespart. Die Differenz von 1914 Euro sind seine gezahlten Steuern. Das entspricht, obwohl es eine Kapitalertragsteuer von 25 Prozent gibt, einer steuerlichen Belastung von 44 Prozent. Hätte er heute konsumiert und nicht in 40 Jahren, wäre er steuerlich besser gefahren.

Die Antwort auf diese Diskriminierung muss sein, Sparvorgänge nachgelagert und nicht fortlaufend zu besteuern. Das gibt es zwar in Ansätzen bei der betrieblichen Altersvorsorge und beim Riester- und Rürup-Sparen schon, nur dort drängt die Regierung die Sparer in die Kapitalvernichtung, da diese Anlageformen überwiegend in Anleihen investieren müssen, deren Verzinsung durch die EZB vernichtet wird.

Der Liberale John Stuart Mill hat bereits im 19. Jahrhundert kritisiert: „Denn was gespart und fest angelegt wird, zahlt künftig Einkommensteuer von den Zinsen oder Gewinnen, die es bringt, trotzdem dass es bereits als Kapital besteuert worden ist. Wenn daher Ersparnisse von der Einkommensteuer nicht ausgenommen werden, werden die Steuerzahler von dem, was sie sparen doppelt, und dagegen nur einmal von dem was sie ausgeben, besteuert. Der so zum Nachteile der Vorsorglichkeit und der Wirtschaftlichkeit geschaffene Unterschied ist nicht nur unpolitisch, sondern auch ungerecht.“

Kein Land und keine Gesellschaft sind jemals dauerhaft zu Wohlstand gekommen, indem sie möglichst hohen Steuern, möglichst billigem Geld und möglichst vielem Konsum frönten. Nein, das Gegenteil ist richtig. Fangen wir endlich damit an. Echte Steuergerechtigkeit ist die Voraussetzung für eine Sparkultur in Deutschland. Sparen ist die Grundlage für Investitionen, Arbeitsplätze und Wohlstand einer Gesellschaft. Und gutes Geld ist die Basis dafür.

Photo: Policía nacional de los colombianos (CC BY-SA 2.0)

Der angekündigte Rücktritt des gerade wiedergewählten FIFA-Präsidenten Joseph Blatter wurde medial auf allen Kanälen berichtet. Korruptionsverdacht wurde geäußert, über die Festnahmen berichtet und über die matte Rolle der UEFA verwundert die Nase gerümpft. Doch wer ein Monopol im Weltfußball hat, weckt zwangsläufig Begehrlichkeiten überall auf der Welt. Denn die FIFA ist eine Gelddruckmaschine. Allein die WM in Brasilien brachte der FIFA einen Gewinn von beinahe drei Milliarden Euro. Und die 25 Mitglieder des Exekutivkomitees erhalten eine Entschädigung von 175 000 Euro, darunter auch UEFA-Chef Platini und DFB-Präsident Niersbach. Schon der britische Liberale Lord Acton formulierte im 19. Jahrhundert diesen Zusammenhang prägnant: „Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut“. So ist es wohl auch in der FIFA. Doch Milliarden-Etats können nur dann unter den Mitgliedern legal oder illegal verteilt werden, wenn es auf der anderen Seite Sponsoren, Werbepartner und TV-Anstalten gibt, die das System mit ihren Gelder finanzieren. Inwieweit die Compliance-Regelungen bei privaten Unternehmen wie Visa, Coca-Cola oder Adidas dies alles zulassen, werden die Aktionäre in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich prüfen.

Eine andere Frage ist, inwieweit die gebührenfinanzierten Rundfunkanstalten in Deutschland das System Fifa ermöglicht haben. Immerhin werden beide Sender für die Übertragungsrechte für die WM in Russland 2018 218 Millionen Euro und für die WM in Qatar 2022 noch einmal 214 Millionen Euro bezahlen. Das sind die jährlichen Beitragseinnahmen von über einer Million Beitragszahlern in Deutschland. Eine stolze Summe, um den Grundbedarf an Informationen zu decken.

Es stellt sich daher generell die Frage, ob die Rundfunkbeiträge und die steuerähnliche Finanzierung des öffentlichen Rundfunks noch zeitgemäß sind. Denn das Beispiel Fußball-WM ist ja nur eines von vielen. Bei den Olympischen Spielen in London 2012 reisten 480 Mitarbeiter von ARD und ZDF nach London, um 260 Stunden zu berichten. Das waren mehr Mitarbeiter, als Deutschland Athleten auf die Insel schickte – 392 Olympioniken kämpften um die begehrten Medaillen. Und um die Überdimensionierung aufzuzeigen: Der Sender Eurosport schaffte fast die gleiche Sendeleistung mit 25 Mitarbeitern.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk betreibt aktuell 20 Fernsehsender und 63 Radioprogramme und nimmt mehr als 8,3 Milliarden Euro jedes Jahr ein. Es ist der größte und teuerste öffentliche Rundfunk der Welt. Damit kann man nicht nur jeden Wettbewerber vom Markt fegen, sondern auch Systeme wie aktuell bei der FIFA weiter füttern. In einer Fernsehwelt, die durch die Digitalisierung nicht mehr auf wenige Frequenzen begrenzt ist, sondern inzwischen 400 Sender in Deutschland angeboten werden, ist der Sinngehalt der Öffentlichen nicht mehr zu erklären.

Doch wie kann man sich gegen den Gebührenwahnsinn wehren? Die Beitragszahlung von 210 Euro pro Jahr einfach einzustellen, führt aktuell zu 60 000 Vollstreckungsbescheiden, die ARD und ZDF pro Monat gegen säumigen Beitragszahlern erwirken. Wer diesen Weg nicht gehen, weil er nicht seinen Fernseher pfänden lassen will, sollte vielleicht die Einzugsermächtigung widerrufen und die Barzahlung anbieten. In Deutschland sind auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkt gesetzliche Zahlungsmittel. Eine Barzahlung dürfen ARD und ZDF daher nicht verweigern, auch wenn sie diese in ihrer eigenen Beitragsordnung ausschließen. Ein stiller, aber sicherlich wirksamer Protest, der gleichzeitig das Bargeld und seine schleichende Abschaffung in den Mittelpunkt rückt. Wenn daraus mehr als der Einzelfall des Autors wird, kommen Veränderungen in Gang. Denn diese Veränderungen erfolgen nicht durch Zuschauen, sondern durch persönliches Handeln jedes Einzelnen.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 6. Juni 2015.