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Hunderte von jungen Menschen aus ganz Europa kamen am vergangenen Wochenende in Berlin zusammen, um über die Freiheit in all ihren vielen Facetten zu diskutieren und neue Freunde zu gewinnen, die ihre Ideale teilen. Zum vierten Mal fand die „European Students for Liberty Conference“ statt und die Zahl der Teilnehmer wächst und wächst. 2008 in den USA ins Leben gerufen und seit 2011 in Europa aktiv hat dieses Netzwerk inzwischen weltweit hunderte von Mitgliedsgruppen und ist zu einem der großen globalen Verbreiter der freiheitlichen Idee geworden. Es war uns eine Ehre, dass wir auch die Gelegenheit hatten, Prometheus in diesem Rahmen vorzustellen.

Die Jugend: ein entscheidendes Ass im Ärmel der Freiheit

Nachhaltige Veränderungen brauchen Zeit. Darum ist es in der Regel sehr hilfreich, wenn sich insbesondere junge Menschen für solche Veränderungen engagieren. Denn sie haben Zeit. Und sie wollen und werden von den Veränderungen auch dann profitieren, wenn diese erst in ein, zwei Jahrzehnten durchschlagenden Erfolg haben. Und sie haben natürlich auch oft den Idealismus, den man aufbringen muss, um Ziele zu verfolgen, die noch nicht in unmittelbarer Reichweite liegen. Deshalb sind die Students for Liberty als Organisation, wo sich diese Menschen sammeln können, ein entscheidendes Ass im Ärmel der Freiheit. Weltweit.

Wie üblich bei den Students for Liberty war die Themenbandbreite bemerkenswert. Mit Themen wie Bitcoin, Euro-Krise oder Globalisierung hätten Außenstehende wohl gerechnet. Auf den ersten Blick ungewöhnlicher sind da schon die Frage nach der Beseitigung von Armut, ein Plädoyer für Multikulturalismus und auch das Hauptthema der Konferenz: Offene Grenzen. Auch handelte es sich bei der Konferenz mitnichten um ein Treffen von lauter Elfenbeintürmern. Eine große Rolle spielt die Förderung unternehmerischen Bewusstseins.

Freiheit braucht Menschen, die anpacken

Zwei außerordentlich eindrucksvolle Beispiele für Unternehmertum wurden im Rahmen der Konferenz vorgestellt: Am Freitagabend berichtete der Malteser Martin Xuereb über die privat finanzierte und organisierte Flüchtlings-Rettungsaktion MOAS, die seit einigen Monaten im Mittelmeer unterwegs ist, um Flüchtlinge vor dem sicheren Tod zu retten. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Freiheitsinsel! Am Sonntagmorgen sprach Flemming Rose, der dänische Publizist, der für die Veröffentlichung der Mohamed-Karikaturen im Jahr 2005 verantwortlich zeichnete. Die strengen Sicherheitsvorkehrungen haben allen Teilnehmern sehr anschaulich vor Augen geführt, in welchem Maße auch heute in unserem Land die Freiheit immer wieder Bedrohungen ausgesetzt ist – und dass es sich doch dafür zu kämpfen lohnt!

Diese Initiativen spiegeln den Geist wieder, der unter den jungen Menschen herrscht, die aus Athen und Reykjavik, aus Kiew und Lissabon zu der Konferenz gekommen waren. Es sind eben nicht die üblichen „Besserverdiener“, mit denen viele (leider noch zurecht) rechnen würden, wenn sie von einer „Liberty Conference“ hören würden. Es sind junge Menschen, die selber anpacken wollen, um etwas zu verändern. Deren Blick zum Teil weit hinausgeht über den Rand des eigenen Portemonnaies. Tom G. Palmer, einer der Vordenker der Students for Liberty, zitierte in seinem Vortrag Joaquim Nabuco, der sich im 19. Jahrhundert in Brasilien für die Abschaffung der Sklaverei einsetzte:

„Erzieht eure Kinder, erzieht euch selbst, die Freiheit der anderen zu lieben. Denn nur so ist sichergestellt, dass eure eigene Freiheit nicht nur ein Zufallsgeschenk des Schicksals ist. Dann werdet ihr ihren Wert erkennen und den Mut finden, sie zu verteidigen.“

Außerhalb des Rechts-Links-Schemas

Die Sache der Freiheit ist nicht selten in einer etwas unbequemen Minderheitenposition. In dieser Lage gehen ihre Streiter immer mal wieder Koalitionen ein mit den anderen beiden großen politischen Strömungen: dem Konservatismus und dem Sozialismus. In einzelnen Fällen mag es klug und richtig sein, sich gemeinsam für ein Anliegen einzusetzen. Gefährdet ist die Freiheit freilich, wenn aus diesen kurzfristigen gemeinsamen Projekten eine dauerhafte Bindung wird. Dann finden sich manche Liberalen plötzlich mitten in der Sozialdemokratie wieder und andere haben unversehens den Habitus der Konservativen übernommen. Beides ist der Freiheit alles andere als dienlich.

Den Students for Liberty gelingt es erfreulicherweise sehr gut, die grundsätzliche Distanz zu beiden politischen Strömungen zu wahren, auch wenn man bisweilen Bündnisse schmiedet, bei denen gemeinsame Anliegen auf der Agenda stehen. Wenn es um die Freiheit der Marktakteure geht, können die Konservativen durchaus einmal hilfreiche Partner sein. Und wenn die Rechte von Frauen oder Ausländern verteidigt werden müssen, steht einer Kooperation mit Sozialisten nichts entgegen. Immer aber wird klar kommuniziert, dass die freiheitliche Idee eine eigenständige Strömung ist. Dass es zwar gemeinsame Anliegen geben kann – allerdings nur obwohl man ganz andere Gründe dafür hat, dieses Anliegen zu verfolgen.

Neue Ideen lassen sich nicht unterdrücken

Es besteht sehr viel Anlass zur Hoffnung für die Sache der Freiheit, wenn man Veranstaltungen wie die Students for Liberty Conference besucht. Noch mag die Bewegung verhältnismäßig klein erscheinen. Sie hat noch nicht die Größe von Woodstock oder der Castor-Proteste. Aber neue Ideen lassen sich – wenn sie einmal in der Welt sind – nicht mehr wirklich unterdrücken. Und Ideen sind der Wesenskern dieser Bewegung. Überzeugende allemal. Ludwig von Mises hatte wohl Recht in dem, was er 1927 in seinem Buch „Liberalismus“ schrieb. Es sei den Students for Liberty ins Stammbuch geschrieben:

„Aller Fortschritt der Menschheit vollzog sich stets in der Weise, dass eine kleine Minderheit von den Ideen und Gebräuchen der Mehrheit abzuweichen begann, bis schließlich ihr Beispiel die anderen zur Übernahme der Neuerung bewog.“

Zu den großen Schikanen, die der Bürger wieder und wieder über sich ergehen lassen muss, gesellen sich gerne auch mal kleine. Die erscheinen allerdings nur dann klein, wenn man sie als Einzelfälle wahrnimmt. Tatsächlich sind sie aber Teil eines großen Ganzen, das die Freiheit beständig bedroht und kontinuierlich einschränkt.

Fasten am Ostermontag

Ostermontag. Eine der beliebtesten Bäckereien und Bistros im Zentrum einer großen deutschen Stadt. Beim Herantreten an die Kuchentheke bekommt man Bescheid: „Wir müssen Ihnen leider sagen, dass wir nichts zum Mitnehmen verkaufen dürfen. Das Ordnungsamt war eben da. An gesetzlichen Feiertagen dürfen wir nur im Café verkaufen.“ Ja, doch: Ist ja auch irgendwie nachvollziehbar. In der Regel kauft man ja auch dienstags vormittags Kuchen und nicht an einem Feiertag. Am Feiertag sitzt der gute Bürger ja bei einem Müsli mit H-Milch zur ausgelassenen Feier mit seiner Familie beisammen, schmaust und schlemmt.

Dem 20jährigen war nur drei Tage vorher, am Karfreitag, verwehrt worden, den Abend in einem Club zu verbringen – natürlich mit Hinweis auf die christlichen Traditionen. Am Ostermontag wird die Familie, die eben noch die Messe besucht hatte, mit einer sehr ähnlichen Begründung daran gehindert, ihre Ostertafel mit frischen Kuchen zu bereichern. Das ist zumindest mal inkonsequent, tatsächlich aber in beiden Fällen unsinnig. Es gibt noch viele andere überflüssige Regelungen, die uns immer wieder aufs Neue Nerven und Lebensqualität kosten. Vom Baumfällverbot über Hundesteuer und Alkoholverkaufsverbote bis zur wuchernden Parkplatzbewirtschaftung von öffentlichem Grund. Gängelung allenthalben!

Freiheitseinschränkungen, nicht Kavaliersdelikte

Angesichts von wesentlich schlimmeren Maßnahmen wie etwa der Vorratsdatenspeicherung, der Mineralölsteuer, des Solidaritätszuschlags oder des andauernden Rentendesasters erscheinen diese Unannehmlichkeiten wie Lappalien. Man erträgt sie verärgert – aber eben auch Schulter zuckend. Viele lassen es sich gefallen, weil sie meinen, dass sich der Aufwand nicht lohnt, dagegen vorzugehen. In der Tat: für sich genommen ist ja auch jede der Maßnahmen zu ertragen. Aber die Menge und vor allem der Zusammenhang macht’s.

Man muss festhalten: Ordnungswidrigkeiten sind kein Kavaliersdelikt. Allerdings nicht im Blick auf den, der sie begeht, sondern im Blick auf den, der sie ersinnt. Viele der Gängelungen, die euphemistisch als Ordnungswidrigkeiten bezeichnet werden, sind nicht notwendig. Notwendig sind ordnende Eingriffe nur dort, wo sie tatsächlich die Freiheit eines anderen einschränken, nicht aber dort, wo sie Geschmacks- oder Wertpräferenzen widerspiegeln. Es gibt keinen vernünftigen Grund, Menschen am Karfreitag am Tanzen zu hindern, oder am Ostermontag am Kuchenverkauf. Genauso wie es keinen vernünftigen Grund gibt, jemandem zu verbieten, einen Baum zu fällen, der im eigenen Garten steht. Diese Eingriffe sind deshalb keine Kavaliersdelikte, sondern unbegründete Eingriffe in die Freiheit des Bürgers.

Der Obrigkeitsstaat lebt – gerade auch im Kleinen

Insbesondere sind sie deshalb keine Kavaliersdelikte, weil sie einer bestimmten Haltung entspringen. Diese Haltung ist ein Relikt obrigkeitsstaatlichen Denkens. Ein Denken, das leider in letzter Zeit wieder eine heftige Renaissance erlebt in einer neuen Verbotskultur, die die Bürger zu besseren Menschen erziehen möchte. Der Staat und seine Diener haben in diesem Denken eine Stellung, die sie aus anderen heraushebt. Sie haben nicht nur besseres Wissen, sondern entscheiden auch kompetent über moralische Fragen. Vor einigen Jahrzehnten gehörte dazu die Entscheidung, dass es nicht recht sein könne, am Karfreitag zu tanzen. Und heute droht uns von der Arbeitsministerin die verbindliche Feststellung, dass eine Toilette ohne Tageslicht uns in unserer Würde verletzt.

Es handelt sich bei all diesen Kleinigkeiten nicht um eine Lappalie, weil jede einzelne der Verordnungen, Gesetze, Abgaben ein sehr anschaulicher Hinweis auf die dahinter liegende Mentalität vieler Politiker und Bürokraten ist. Wie die Philosophenkönige, die sich Platon einst herbeisehnte, sind sie mit tieferer Einsicht und höherer moralischer Integrität ausgestattet. Das legitimiert sie dazu, andere Menschen zu führen und zu leiten. Notfalls mithilfe von Bußgeldern … Wir haben es hier mit institutionalisierter Arroganz und Anmaßung zu tun, die uns in vielen kleinen Schritten großer Stücke unserer persönlichen Freiheit beraubt.

Kreative Formen des zivilen Ungehorsams

Gerade weil es sich um so kleine Schritte handelt, ist es oft sehr schwierig, dagegen vorzugehen. Während sich schon Menschen finden, die mal eine Klage anstreben gegen die Euro-Rettung oder die Rundfunkbeiträge, wird kaum einer sich die Mühe machen, das im Falle der vielen kleinen Ordnungswidrigkeiten zu tun. Zumal viele Gerichte die Klagen wohl entweder sofort abweisen oder ihnen nicht stattgeben würden. Was vielleicht eigentlich gefragt wäre, wären kreative Formen des zivilen Ungehorsams. Das klingt pathetisch – ist aber angemessen. Denn es geht nicht um die vielen Einzelregelungen. Es geht vielmehr darum, gegen das Konzept Obrigkeitsstaat vorzugehen.

Mit Tupperware bewaffnet in das Bistro einfallen, den Kuchen mit an den Platz nehmen und ihn dort einpacken. Eine Tanzveranstaltung am Karfreitag, die von Ort zu Ort zieht. Die Hundesteuer in Kleinstbeträgen überweisen. Die Parkplatztickets, die noch länger gültig sind, an den Parkautomaten kleben zur Wiederverwendung. All das können Methoden sein, um es den Ordnungshütern wenigstens schwerer zu machen, die Gängelungen durchzusetzen. Mittelfristig aber brauchen wir dringend eine echte Bürokratiebremse. Über viele dieser Verordnungen könnte in kleinen Einheiten basisdemokratisch (und möglichst auch immer mal wieder) abgestimmt werden. Lasst wenigstens die Menschen vor Ort entscheiden, ob sie sich wirklich so beschränken lassen wollen!

Photo: Nicholas Boos from Flickr

Der heutige Sozialstaat, der gerne wohlmeinend als Wohlfahrtsstaat bezeichnet wird, ist eine preußische Erfindung. Mangels eines zusammenhängenden Staatsgebietes suchten die preußischen Herrscher die Identität ihrer Untertanen durch die Fürsorge der Landesherren für ihre Landeskinder zu fördern. Von der Erziehung der Kinder bis zur Feuerversicherung wurde alles vom Vater Staat organisiert und geregelt. Es war der „geistige Hegemonieanspruch des Staates“ wie es Gerd Habermann in seinem Buch „Der Wohlfahrtsstaat – Ende einer Illusion“ ausdrückt. Der ging so weit, dass in Preußen der Kaffeegenuss durch ein Monopol beschränkt wurde und Friedrich der Große seinen Untertanen empfahl, statt Kaffee Warmbier zu trinken. Aus diesem preußischen Modell ist die Kultur des „Vater Staat“ in Deutschland entstanden. Der „alte Fritz“ kümmerte sich um seine Schäfchen in dem Glauben, dass sie des eigenständigen Denkens nur eingeschränkt mächtig seien. Dies alles folgte einem großen Ziel: die Macht des Königs zu erweitern – militärisch, räumlich, vor allem aber in den Köpfen und Herzen.

Wenn jeder Untertan, der arbeitslos ist, an einer Krankheit leidet oder nicht ausreichend für das Alter vorgesorgt hat, vom Vater Staat von seinen Sorgen befreit werden soll, erfordert dies zwangsläufig einen umfangreichen Planungsprozess der Regierenden.

Zentrale Pläne lassen die Vielfalt der Möglichkeiten einer dezentralen Problemlösung nicht zu. Die Regierung ist Monopolist der Problembeseitigung. Diese Monopolstellung ist fatal: Wenn sich herausstellt, dass die Maßnahme falsch, unzureichend oder ineffizient war, interveniert die Regierung erneut, schafft mehr Bürokratie und greift in die Vertragsfreiheit Einzelner noch stärker ein. Es finden kein Wettbewerb und kein Entdeckungsverfahren um die beste Problemlösung statt, die in einem auf der individuellen Freiheit beruhenden Konzept möglich wäre.

Bismarck führte den preußischen „Vater Staat“ konsequent weiter und schuf mit den Sozialgesetzen die Grundlage für die heutige umfassende staatliche Fürsorge. Dieses Wachstum des Wohlfahrtsstaats wurde nur durch die beiden Weltkriege unterbrochen, um danach umso heftiger zu wüten. Betrug die Sozialleistungsquote (alle Sozialleistungen eines Staates im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt) 1950 in Deutschland noch 14,8 Prozent, so hat sich dieser Anteil inzwischen verdoppelt (29,7 % in 2013). Doch das Besondere daran ist, dass diese Quote bis 1999 steil anstieg und seitdem konstant verläuft. Interessant ist daran, dass dies mit der Einführung des Euro zusammenfällt.

Die Ursache der prozentualen Konstanz im Vergleich zur absoluten Zahl liegt ausschließlich im Wachstum Deutschlands. Das Credo der Befürworter einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung lautet daher allenthalben: Es muss erst erarbeitet werden, was später verteilt werden kann.

Doch dieser Prozess des Erarbeitens kann länger oder kürzer dauern. Und auch der Vermögensaufbau kann schneller oder langsamer gehen. In unserer heutigen Geldordnung hängt es vom Geldangebot ab, ob dieser zügiger möglich ist oder nicht. Und dieses Geldangebot war seit Einführung der Gemeinschaftswährung reichlich vorhanden. Die Politik der EZB führte zu einer Verdoppelung der Geldmenge (M3) seit Euroeinführung 1999 bis Ende 2013. Insgesamt erreichte die EZB durch ihre Geldpolitik ein reales Wachstum im Euro-Club von fast 50 Prozent in 15 Jahren. Kurz: mit immer mehr Geld aus dem Nichts wurde versucht, Wirtschaftswachstum zu generieren.

Die Dimension der Intervention verschiebt sich aktuell jedoch nochmals erheblich. War in Zeiten des echten Goldstandards, der in vielen Ländern bis zum Ersten Weltkrieg reichte, die Umverteilung innerhalb einer Gesellschaft auf das Steuersystem durch dessen Progression in der Einkommensteuer (in Deutschland gab es einen Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer von 4 Prozent!) oder Steuern auf Vermögen begrenzt und generationsübergreifend durch die Refinanzierungsfähigkeit des staatlichen Schuldenberges gedeckelt, wurde seit dem einseitigen Aufkündigen des Bretton Woods-Abkommens durch die USA 1971 die Grundlage für eine ungebremste expansive Geldpolitik gelegt.

Ein neues Scheunentor für weitere Umverteilung war geöffnet. Dieses Scheunentor hat Mario Draghi jetzt mit seinem Schuldenaufkaufprogramm über derzeit noch 1,1 Billionen Euro endgültig weggesprengt. Für viele ist daher das Ende des Euro in Sichtweite. Der slowakische Politiker Richard Sulik sagte einmal: „Als die UdSSR 1968 mit Panzern in Prag einmarschiert ist, haben auch alle in der damaligen Tschechoslowakei geglaubt, der Sozialismus sei zu Ende und dann hat es noch über 20 Jahre gedauert.“ Die Beharrungskräfte sind wohl viel dominanter als vielfach geglaubt wird.

Insgesamt gilt in diesem Kontext: Wenn derjenige der investieren will, leichter oder günstiger an einen Kredit kommt, kann er Investitionen zeitlich vorziehen, größer angehen oder mit einer geringeren monatlichen Belastung stemmen. Dann werden Investitionen getätigt, die gar nicht oder in dieser Form nie getätigt worden wären. Und Unternehmen, die sonst längst vom Markt verschwunden wären, gibt es immer noch, da ihre laufenden Belastungen durch die billigen Zinsen niedrig sind. Das ist die Situation in vielen Ländern Europas. Es waren Investitionen in Immobilien und Unternehmen, die sich erst aufgeschoben als falsch erwiesen haben. Sie kumulierten zu einem Klumpenrisiko einer ganzen Branche oder Volkswirtschaft.

Und das was für die Wirtschaft gilt, gilt für den Staat im Besonderen. Knappheiten, die es beim Staat ohnehin selten genug gibt, werden erst recht außer Kraft gesetzt: Steuereinnahmen sprudeln durch die geldmengengetriebene Scheinkonjunktur, Ausgaben für Arbeitslose sinken durch den höheren Beschäftigungsstand. Die Begehrlichkeiten der Fiskalisten sind dennoch einfach zu befriedigen, da sie mit geringeren Kreditzinsen einhergehen. Alle sind zufrieden. Und wenn die Blase platzt, Insolvenzen drohen, Wirtschaftszahlen einbrechen, dann erlaubt dies der Regierung, erneut zu intervenieren. Es ist das Paradebeispiel einer Interventionsspirale wie sie Ludwig von Mises Anfang des letzten Jahrhunderts bereits beschrieben hat – eben auch beim Ausbau des Sozialstaates.

In Deutschland wird uns eingeredet, dass vermehrter Konsum wichtig sei für Wirtschaft und Arbeitsplätze. Es herrsche Verunsicherung bei den Konsumenten und deshalb würden sie nicht ausreichend kaufen. Deshalb fordern Gewerkschaften Lohnerhöhungen oberhalb der Produktivitätssteigerung und steigende Sozialleistungen, um die Lücke zum größeren Angebot endlich zu schließen. Doch diese Lücke ist kein natürlicher Zustand, sondern Ergebnis der Kapazitätsausweitungen, die mit Hilfe des billigen Geldes erzeugt wurden und die nicht durch einen Nachfrageschub geschlossen werden kann. Sie müssen sich zum Normalen korrigieren. Die Überkapazitäten sind Ausdruck der Preisentwicklung der Güter höherer Ordnung, wie es Carl Menger bezeichnete. Die Inflation des Geldes macht sich eben nicht zuerst in den Konsumgütern, sondern in den Preisen für Produktionsgüter bemerkbar.

Eigentlich müssten jetzt alle Freiheitsfreunde resignieren. Seit über 130 Jahren wütet der Wohlfahrtstaat unentwegt. Und er zeigt längst Wirkung in den Köpfen der Menschen. Das Meinungsforschungsinstitut Allensbach fragte kürzlich die Bürger: „Geht es Ihnen in einem stärker vom Staat kontrollierten Wirtschaftssystem besser?“ Darauf antworteten 42 % in Ostdeutschland und 36 % in Westdeutschland mit „genauso“ oder „besser“. Lediglich 34 % in Westdeutschland und 18 % Prozent in Ostdeutschland meinten, es ginge ihnen schlechter. Und auf die Frage: „Ich fände es gut, wenn der Staat Obergrenzen für die Preise für Miete festlegen würden“, antworteten 71 % (!) sie stimmten dieser Aussage zu. Die Frucht des „Kathedersozialismus“ wie ihn Ludwig von Mises nannte, zeigt bis zum heutigen Tag Wirkung und führt zu einer schleichenden Monopolisierung des Denkens.

Deshalb ist es Aufgabe von Freiheitsfreunden, Alternativen zum nimmersatten Wohlfahrtsstaat, zum schleichenden Zentralismus und zur fortschreitenden Entmündigung jedes Einzelnen aufzuzeigen. Doch dies allein reicht nicht. Sondern es muss Beispiele, Vorbilder und Freiheitsinseln geben, die zeigen, dass ein freies und selbstbestimmtes Leben möglich ist.

Photo: Jose Manuel mazintosh from Flickr

Schon der Philosoph Johann Gottlieb Fichte wusste: „Was für eine Philosophie man wähle, hängt sonach davon ab, was für ein Mensch man ist.“ Wer immer nach dem Staat ruft, wenn es darum geht, für Menschen in Not zu sorgen, hat offensichtlich ein negatives und von Misstrauen geprägtes Menschenbild. Freunde der Freiheit misstrauen dem Menschen bisweilen zwar auch, aber vor allem, dann wenn man ihm Macht gibt – und das geschieht, wenn man nach dem Staat ruft.

Helfen, Teilen, Trösten, Bestätigen, Schenken

Wir leben in einem Land, in dem sich deutlich mehr als ein Viertel der Bürger ehrenamtlich engagiert – eine Untersuchung aus dem Jahr 2011 geht von 36 % aus. Beinahe 5 Milliarden Euro wurden im vergangenen Jahr in Deutschland gespendet, der allergrößte Teil davon für soziale Zwecke. Und in diesen Statistiken sind nur alle offiziellen Ehrenämter und Spenden erfasst. Darüber hinaus gibt es noch unzählige Menschen, die sich in ihrer Nachbarschaft, ihrem Freundeskreis oder ihrer Familie mit Zeit und Geld einbringen, um anderen zu helfen, ohne dass das irgendwo erfasst würde. All diese Menschen setzen sich ein, ohne dass sie jemand dazu gezwungen hätte. Sie setzen sich ein, weil sie einem inneren Bedürfnis folgen. Weil sie anderen Menschen helfen wollen.

Menschen haben eine stark ausgeprägte Empathiefähigkeit. Man kann natürlich trefflich darüber diskutieren, ob diese Fähigkeit nur ein schlauer Trick der Evolution ist oder ob es tatsächlich so etwas wie ein moralisches Empfinden gibt. Fakt ist aber, dass wir diese Empathiefähigkeit Tag für Tag einsetzen. Die wenigsten Menschen starren böse zurück, wenn ein Kind sie anlächelt. Die wenigsten bleiben kalt und teilnahmslos, wenn sie mit der Not und dem Leid anderer Menschen konfrontiert werden. Helfen, Teilen, Trösten, Bestätigen, Schenken – das tun unzählige Menschen ganz offensichtlich jeden Tag überall auf der Welt. Aus sich selbst heraus.

Eine Welt voller Egoisten?

Natürlich und offensichtlich ist die Welt nicht von lauter Heiligen bevölkert. Es gibt Kriegsverbrecher und Kindermörder, Erbschleicher und Taschendiebe. Und es gibt Menschen, die an dem Missgeschick, der weniger vorteilhaften Lage ihrer Nachbarn vorbeisehen. Wer sich nach sozialer Gerechtigkeit sehnt oder einfach nur seinem Empathie-Impuls folgt, kann da schon mal in Rage geraten, wenn er das alles sieht. Die Welt erscheint dann plötzlich voller Egoisten, die nur den eigenen Vorteil im Blick haben und ihm alles andere unterordnen. Das Bedürfnis, etwas dagegen tun wächst, je länger man mit dieser Brille durch die Welt läuft.

Doch ist diese Brille richtig eingestellt, um die Realität abzubilden? Sind Menschen wirklich grundsätzlich nur oder zumindest vor allem an ihrem eigenen Wohl interessiert? Dem eigenen Wohl, das sich dann zudem natürlich nicht dadurch verbessert, dass sie anderen helfen? Und die vielleicht interessanteste Frage: Warum sollen andere Menschen so egoistisch sein, nicht aber diejenigen, die das Phänomen zu beobachten meinen und etwas dagegen tun wollen? Ist es nicht etwas überheblich, so zu denken? Wer meint, dass man Solidarität über Zwang und Umverteilung regeln müsse, geht letztlich davon aus, dass er mit seiner Überzeugung besser ist als die Mehrheit der Menschen, die man erst dazu zwingen muss, anderen zu helfen.

Wer danken kann, kann etwas zurückgeben

Gehen wir doch einmal von dem Fall aus, dass Menschen das Schicksal anderer nicht egal ist. Die Zahlen der Ehrenamtlichen und die Spendensumme in unserem Land sprechen eigentlich schon eine deutliche Sprache. Auch die anekdotische Evidenz ist deutlich. Wie viele Menschen kennen Sie in Ihrem Umfeld, denen sie pauschal attestieren würden, dass sie blanke Egoisten sind? Diejenigen, die skeptisch gegenüber dem Ruf nach mehr Umverteilung sind, haben oft ein positiveres Menschenbild als die Umverteiler. Sie glauben nicht, dass man Menschen dazu zwingen muss, für das Wohl ihres Nächsten zu sorgen. Sie glauben, dass Menschen das ganz oft aus sich heraus tun.

Ein häufiges Argument für Umverteilung lautet, es sei erniedrigend für Menschen, von der Mildtätigkeit anderer abhängig zu sein. Darum müssten sie ein Recht auf einen bestimmten Lebensstandard haben. Auch dieses Argument passt nicht unbedingt in unsere alltägliche Erfahrung. Wir beziehen unseren Selbstwert wesentlich aus menschlichen Beziehungen: aus der Anerkennung durch unsere Eltern, durch die Geschenke unserer Partner, durch den freundlichen Gruß unserer Nachbarn. Anonymität vermag uns diesen Selbstwert nicht zu vermitteln. Und ein Recht auf etwas ist etwas Anonymes, losgelöst von menschlichen Beziehungen. Es ist wertvoller, etwas aus der warmen Hand des Schenkenden zu empfangen als aus der kalten Hand einer Behörde. Einem Menschen kann man danken und somit etwas zurückgeben. Von einer Behörde ist man gerade deshalb viel stärker abhängig, weil man nichts zurückgeben kann. Statt für immer mehr Umverteilung zu plädieren, sollte man wieder deutlicher machen, in welchem Ausmaß Menschen einander beistehen und helfen, damit noch viel mehr diesem Beispiel folgen. Geben wir Menschen die Möglichkeit, Gutes zu tun – und die Möglichkeit, Danke zu sagen!

Photo: grazergruene from Flickr

Auf der Fernseh-Couch sind viele die besseren Trainer. Allerdings verändern sie nichts am Spielverlauf. Wenn es um die Sache der Freiheit geht, brauchen wir definitiv mehr Leute auf dem Spielfeld, die ihr Bestes geben. Viel zu lange haben wir uns auf die Rolle des Couch-Coaches beschränkt. Doch wie und wo können wir damit anfangen?

Der Einsatz auf dem Rasen macht glücklicher als auf der Couch

Es kann sehr gemütlich sein auf der Couch, wenn man sich eigentlich nicht mehr bewegen muss. Nicht wenige Freunde der Freiheit haben es sich dort wohlig eingerichtet. Ihr Weltbild besteht aus ihrem Blickfeld. Die Argumente, die ihnen zur Verfügung stehen, liegen allesamt auf dem Couchtisch parat. Steuern? Raub! Frauenquote? Einschränkung der Vertragsfreiheit! Schulpflicht? Freiheitsberaubung! Die Freunde von unserem Couch-Coach mögen da noch jubeln. Schon seine Freundin im anderen Zimmer verdreht die Augen. Und jeder Beobachter von außen würde ihn wahrscheinlich höchstens mit einem kurzen Stirnrunzeln beachten. Keiner bewundert den Couch-Coach. Aber sehr viele bewundern die Spieler auf dem Rasen. Denn die leisten etwas. Und durch ihre Leistung verändern sie unter Umständen entscheidend den Spielverlauf.

Die Situation für den Spieler ist erheblich ungemütlicher. Er muss sich anstrengen; sein Bestes geben; weiterkämpfen, auch wenn man gerade mit drei Toren zurückliegt. Er muss nach dem Torjubel sofort seine Anspannung zurückerlangen. Und er muss damit klar kommen, wenn die Fans ihn ausbuhen. Aber unabhängig davon, ob seine Mannschaft gerade gewinnt oder zurück liegt: er leistet etwas. Das ist auf die Dauer erheblich befriedigender als wenn man nur mit Besserwisserei vor dem Fernseher geglänzt hat. Und es macht auch glücklicher.

Müde geworden?

Seien wir ehrlich: Man könnte manchmal den Eindruck haben, dass die Sache der Freiheit sich müde gesiegt hat. Bei allem, über das man sich noch aufregen kann, ist doch der Freiheitsraum heute so groß wie noch nie in der Geschichte. Im Gegensatz zu unseren Vorfahren bei der 1848er Revolution haben wir nicht mehr mit einem repressiven System zu kämpfen. Im Gegensatz zu der Zeit vor 50 Jahren sehen sich Frauen, Ausländer oder Homosexuelle nicht mehr mit staatlichen Repressalien konfrontiert. Im Gegensatz zu vor gut 25 Jahren lebt nicht mehr ein gutes Fünftel der Bevölkerung Deutschlands in einer Diktatur. Bei allen berechtigten Klagen gegen Bürokratie und Steuern ist doch der Unterschied zu Weißrussland und Venezuela oder selbst Rumänien und Griechenland signifikant. Haben wir uns müde gesiegt?

In gewisser Weise ja. Der unmittelbare Druck, der auf uns und unsere Freiheit ausgeübt wird, ist nicht mehr so offensichtlich wie zu anderen Zeiten oder in anderen Gegenden der Welt. Dass die Kanzlerin inzwischen eine Nudging-Abteilung einrichten muss, spricht auch dafür, dass sich die Menschen in Deutschland unmittelbaren Druck nicht mehr gefallen lassen würden. Dabei sind die raffinierten neuen Methoden staatlichen Drucks wie Nudging natürlich eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Zumal da nicht mit offenem Visier gekämpft wird. Hier gibt es also durchaus noch etwas zu tun. Wer sich mit dem Status Quo zufrieden gibt, verliert aber auch noch etwas anderes aus dem Auge: die Entfaltungsmöglichkeiten der Zukunft.

Die Vorstellungskraft wieder in Gang setzen

Eine Frau, die im antiken Rom als Sklavin freigelassen wurde, hatte höchstwahrscheinlich den Eindruck, schon alles erreicht zu haben. Die wenigsten von ihnen dürften die Vorstellungskraft gehabt haben, sich eine Welt auszumalen, in der nicht nur alle Menschen frei sind, sondern Frauen auch noch in demokratischen Wahlen über die Staatsführung entscheiden dürfen oder gar heiraten dürfen, wen sie wollen. Genauso fehlt es uns oft an Vorstellungskraft, welche Freiheitsräume noch möglich sind. Es ist Zeit, dass die Freunde der Freiheit aus ihrer Müdigkeit erwachen und ihre Phantasie wieder in Gang bringen, um diese Freiheitsräume zu entdecken oder zu ersinnen.

Dafür braucht es Bessermacher statt Besserwisser. Die Couch-Coaches dieser Welt haben noch nie den Spielverlauf verändert – das waren immer die Spieler. Darum müssen wir wieder mehr Freunde der Freiheit haben, die sich ins Getümmel des Spielfelds stürzen. Wir brauchen mutige, tapfere und geduldige Champions.

Drei Tipps für die Spielstrategie

Den Gegner ernst nehmen
Der Couch-Coach kann natürlich problemlos den Gegner kleinreden – er muss ihn ja auch nicht besiegen. Die anderen pauschal als Ökofaschisten, Kriegstreiber oder Sozialisten zu bezeichnen, spielt ihnen eher in die Hände als dass es sie schwächt. Wer einen Gegner besiegen will, muss ihn ernst nehmen und muss sich davor hüten, ihn zu unterschätzen. In dem Zusammenhang ist es auch hilfreich, sich einmal darüber Gedanken zu machen, was man vom Gegner lernen kann. Wer es vorzieht, immer Recht zu behalten, endet nämlich ganz schnell bei massiver Selbstüberschätzung. Nur wer lernt, kann Fortschritte machen und sich verbessern.

Aktiven Spielaufbau betreiben
Wer Erfolg haben will, muss etwas leisten. Da reicht es nicht, einfach nur zu verhindern, dass Tore reinkommen. Offensiv zu spielen heißt in unserem Fall, nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln. Durch eigene Initiativen zeigen, dass man nicht nur wohlfeile Reden schwingt. Und vielleicht auch einmal über neue Spieltaktiken nachdenken. Dem überbordenden Wohlfahrtstaat zum Beispiel tritt man am besten entgegen, indem man selbst Hilfe organisiert. Es reicht nicht, immer nur zu behaupten, dass menschliche Solidarität an seine Stelle treten würde. Wir müssen es beweisen. Durch die Forderung nach weniger oder gar keinem Staat hat sich noch nichts bewegt. Der Staat muss Stück für Stück überflüssig gemacht werden. Das geschieht, indem wir private Hilfsinitiativen ins Leben rufen, Nachbarschaftshilfe organisieren oder Spenden sammeln für ein Flüchtlingslager im Libanon. Zeigen wir durch unser Handeln, dass Solidarität ohne Zwang besser und effizienter funktioniert.

Gewinnen wollen
Es kann in manchem Spielverlauf Augenblicke geben, in denen die Versuchung sehr groß ist, einfach aufzugeben. Wenn in der zweiten Halbzeit das dritte Tor gefallen ist und man selbst immer noch keins geschossen hat. Dann kann schon mal der Kampfesmut ganz verschwinden. Doch anders als auf dem Spielfeld müssen die Freunde der Freiheit nicht den Abpfiff fürchten. Denn die Spielzeit ist für uns nicht beschränkt. Darum darf man sich nicht irre machen lassen, wenn die Situation scheinbar aussichtlos ist. Wenn man den Eindruck hat, dass sich die Schlinge von Politik und Bürokratie immer enger zieht. Wir haben keinen Grund, die Schultern hängen zu lassen, denn wir können immer und immer wieder in die Verlängerung gehen. Wenn wir Geduld und Mut aufbringen, dann werden wir nicht nur manches Tor der Gegner verhindern können, sondern auch selber immer mehr Bälle in deren Tor versenken. Entscheidend ist einfach nur, dass wir uns von unserer Couch erheben und aufs Spielfeld stürmen!

Photo: Danilo Borges from Wikimedia