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Photo: Tambako The Jaguar (CC BY-ND 2.0)

Wenn Panik an den Börsen herrscht, dann gibt es immer zwei Lager. Die einen sagen, dass der Crash eine notwendige, aber lang erwartete Korrektur war, jetzt jedoch ein guter Zeitpunkt für den Einstieg sei. Das haben sich am gestrigen Dienstag wohl einige gesagt. Der DAX sprang nach dem Einbruch vom Vortag sodann gleich wieder über die magische 10.000 Punkte-Marke. Die anderen meinen, dass der Crash der Beginn einer längeren Korrektur und das Ende des Papiergeldsystems einläute. Ich meine: beides ist richtig.

In der öffentlichen Diskussion wird oft auf die realwirtschaftlichen Faktoren wie Investitionen oder Konsum geschaut. Doch in Wirklichkeit sind beide Größen nur die Folgen der Geldpolitik der Notenbanken. Es wird im heutigen Geldsystem, das im Wesentlichen auf Kreditgeld basiert, völlig unterschätzt, welche Wirkung Zinsentscheidungen, Entscheidungen über die Mindestreserve der Banken bei der Notenbank oder regulatorische Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe und in der Folge für Investitionen und Konsum in einer Volkswirtschaft haben.

Es sind die Notenbanken!

Die jüngsten Turbulenzen in China zeigen dies. Seit Mitte Mai hat die chinesische Börse inzwischen deutlich mehr als ein Drittel ihres ursprünglichen Wertes verloren. Bei jedem Einbruch reagierte die Notenbank mit noch mehr Eingriffen in den Markt. Erst stellte sie den Banken 150 Milliarden Euro zur Verfügung; Anfang dieser Woche nochmals 20 Milliarden Euro. Dann wurde den staatlichen Pensionsfonds erlaubt (oder sie wurden gezwungen – wer weiß?), bis zu 30 Prozent in Aktien zu investieren. Zusätzlich wertete die chinesische Währung Renminbi mehrmals gegenüber dem Dollar ab. Anfang der Woche senkte die chinesische Notenbank den Leitzins um 25 Basispunkte und reduzierte den Zinssatz für Einlagen der Banken bei der Notenbank ebenfalls um 0,25 Prozent. Die Notenbanker in China schießen aus allen Rohren. Die Milliardenspritze soll den Banken Liquidität verschaffen, damit keine von ihnen förmlich austrocknet. Die Pensionsfonds werden in die Aktienmärkte gedrängt, um so zusätzliche Nachfrage zu erzeugen und die Kurse wieder nach oben zu treiben. Die Abwertung der eigenen Währung soll den Export fördern, um das Wachstum der Volkswirtschaft hochzutreiben. Und die Zinssenkung der Notenbank soll die Kreditvergabe der Banken stimulieren, um das alles zu finanzieren.

Keine nachhaltige Krisenbewältigung

Doch letztlich sind dies alles Rezepte, die das zugrunde liegende Problem nicht lösen, sondern es lediglich kaschieren. Vielleicht helfen die Maßnahmen sogar kurzfristig. Zumindest die weltweiten Börsen scheinen sich nach dem ersten Schock wieder leicht zu erholen. Doch ob dies von Dauer sein wird, darf bezweifelt werden. Denn was sich in China zeigt, ist die große Schwäche des jetzigen Geldsystems: Es basiert auf Geld aus dem Nichts. Geld wird hier durch Kredit erzeugt. Diesen Krediten steht jedoch kein Geld gegenüber, das von jemand anderem, seien es Bürger, Unternehmen oder der Staat, vorab angespart worden wäre. Es wird vielmehr per Knopfdruck von den Banken erzeugt und seine Menge mittelbar von den Notenbanken gesteuert. Mal wird an der Zinsschraube gedreht, mal wird am Mindestreservesatz geschraubt und wieder ein anderes Mal wird die Eigenkapitalunterlegung bei der Kreditvergabe verändert. Es basiert auf dem Glauben an das umfassende Wissen der Notenbanker darüber, wie Menschen sich in der Zukunft verhalten, was sie konsumieren oder sparen. Doch weder Notenbanker, noch Politiker, geschweige denn irgendjemand anderes kann wissen, wie sich einzelne, Millionen oder gar Milliarden Menschen verhalten. Und deshalb passen die Maßnahmen der Notenbanken nicht für den Einzelnen oder eine gesamte Volkswirtschaft. Schlimmer noch: sie verändern sogar deren Verhalten zu ihrem eigenen Schaden. Plötzlich werden Investitionen größer geplant, Konsum vorgezogen oder Eigenkapital durch Kredit ersetzt. Es findet eine Veränderung der Entscheidungen aufgrund der Anreize der Notenbanken statt. Doch wenn kein Notenbanker weiß, wie sich Menschen ohne Eingriffe verhalten würden, dann führt das gelenkte Verhalten der Menschen zwangsläufig zu falschen Ergebnissen. Plötzlich bauen alle ein neues Haus, weil die Zinsen so niedrig sind. Die Regierung kann noch mehr Schulden machen, weil die Zinsen bezahlbar sind, und die Unternehmen können plötzlich ihren viel größeren Konkurrenten mit Krediten der Banken übernehmen, weil die Zinsen billig und Kredite ohne Ende vorhanden sind. All das findet in China statt. Doch nicht nur dort.

Fehlsteuerung in den Wirtschaften

Bereits seit über 40 Jahren nimmt die weltweite Verschuldung immer stärker zu als die wirtschaftliche Entwicklung. Jedes Prozent Wirtschaftswachstum wurde mit noch mehr Prozent Verschuldung erkauft. So ist mit dem Platzen der letzten Kreditblase 2007/2008 die weltweite Verschuldung und damit auch das Kreditvolumen um fast 60 Billionen auf rund 200 Billionen Dollar gestiegen. Der Grund dafür ist, dass alle Notenbanken auf dieser Welt auf die Krise von damals mit noch billigerem Geld und die Banken mit noch mehr Kredit geantwortet haben. Es wurde also noch mehr Luft in die Kredit- und Geldblase gepumpt in der Hoffnung, dass das Wachstum anspringt und die Verschuldung dadurch reduziert werden kann. Das Gegenteil ist eingetreten.

Welche Schlüsse kann man daraus ziehen?

Erstens: Die Zinsen bleiben niedrig. Eine Zinswende – beginnend in Amerika – wird es nicht geben. Das Verschuldungssystem weltweit würde dies nicht verkraften.

Zweitens: Die Notenbanken werden die Aktien- und Immobilienmärkte mit billigem Geld weiter befeuern, um Konjunktur zu erzeugen. Der Wettlauf der jeweiligen Währungsabwertung wird sich beschleunigen, weil sich jedes Land Vorteile für seine Exportwirtschaft erhofft. Eine neue Welle des Protektionismus ist daher zu befürchten.

Drittens: Die Übertreibungen und möglichen Verwerfungen sind in den Märkten am größten, die politisch und ökonomisch am instabilsten sind – in den Emerging Markets. China, Brasilien und Russland sind die jüngsten Beispiele dafür.

Viertens: Wenn Immobilien- und Aktienmärkte boomen, profitieren Vermögensbesitzer besonders davon. Vermögen wird daher in der Folge ungleicher verteilt. Das ist für die Linken immer ein gutes Argument, um Steuern zu erhöhen.

Fünftens: Das sind keine guten Aussichten, aber zum Trost: Sie wissen es bereits jetzt!

Zuerst erschienen in Tichys Einblick

Von Aaron Koenig, Autor von „Bitcoin – Geld ohne Staat„, Gründer und Geschäftsführer von bitfilm.

In Griechenland zeigt sich das herrschende Geldsystem von seiner hässlichen Seite. Die Menschen können nur kleine Beträge ihres eigenes Geldes von ihrem Konto abheben. Ein aufgeblähter Staatsapparat bezahlt die Rechnungen von Lieferanten und Handwerkern nicht. Renten und Sozialleistungen werden gekürzt. Mit der Wirtschaft geht es immer weiter bergab. Europäischen Politikern fällt als „Reformmaßnahme“ nichts Besseres ein, als die Steuern zu erhöhen. Das verschlimmert die Situation der Menschen in Griechenland noch mehr. Auch ein Austritt Griechenlands aus dem Euro und die Wiedereinführung der Drachme wird die Probleme nicht lösen.

Die tiefere Ursache der Misere liegt nämlich im staatlichen Scheingeldsystem, das seit dem Ende der Golddeckung des Dollars im Jahr 1971 überall auf der Welt die Norm ist. Es hat zu zahllosen Finanzkrisen und zum Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich geführt. Das staatliche Privileg der Zentral- und Geschäftsbanken, aus dem Nichts Geld zu schaffen, führt zu einer Verwässerung des Geldwertes und zu einer ungerechten Bevorteilung derjenigen, die nah an der Quelle dieses „virtuellen Geldes“ sitzen, in erster Linie also Banker und Politiker.

Auch die Verschuldung ist im Zeitalter des beliebig vermehrbaren Geldes sehr viel einfacher geworden. Seit Ende der Golddeckung sind die Schuldenberge fast aller Staaten in bisher ungekannte Höhen gewachsen. Griechenland ist da keine Ausnahme. Doch irgendwann muss ein solches auf Schulden gebautes Kartenhaus in sich zusammenbrechen. Griechenland ist Teil einer Entwicklung, die auch uns unweigerlich treffen wird, wenn wir das Übel nicht an der Wurzel packen.

Der beste Ausweg aus der Krise ist es, das staatliche Geldmonopol abzuschaffen und durch einen freien Wettbewerb nicht-staatlicher Währungen zu ersetzen. Die bekannteste darunter ist zweifellos der Bitcoin. Er hat dieselben Qualitäten, die Gold über viele tausend Jahre zum beliebtesten Geld der Menschheit gemacht haben: beide sind knapp, teilbar, fälschungssicher und unverwüstlich. Niemand würde für ein Stück bedrucktes Papier arbeiten, wenn nicht der Zwang des Staates wäre, es als „gesetzliches Zahlungsmittel“ anzuerkennen. Gold und Bitcoin werden von den Menschen hingegen ganz ohne Zwang als Geld akzeptiert, aufgrund ihrer besonderen Qualitäten.

Mario Draghi kann auf Knopfdruck täglich ein paar Milliarden neue Euro erzeugen, was unsere Ersparnisse abwertet. Der Zuwachs an Bitcoins ist hingegen streng reglementiert. Die Gesamtmenge an Bitcoins ist durch die Software auf 21 Millionen begrenzt. Im Gegensatz zum Gold kann man Bitcoin in Sekundenschnelle und zu minimalen Kosten rund um die Welt schicken. Es ist daher das perfekte Geld für das Internet-Zeitalter.

Der Staat wird sicher nicht freiwillig auf sein Geldmonopol verzichten. Doch der Geist ist aus der Flasche. Der freie Wettbewerb der Währungen, wie ihn Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek vorgeschlagen hat, ist bereits Wirklichkeit. Das Bitcoin-System ist so aufgebaut, dass es gegen staatliche Verfolgung immun ist. Es gibt keine zentralen Server, die man abschalten, keine „Bitcoin-Firma“, die man schließen könnte. Bitcoin ist einfach freie Software, die jeder nutzen kann – ohne irgendwen um Erlaubnis zu fragen. Wenn der große Schwindel des staatliches Scheingeldsystem auffliegt, steht mit Bitcoin ein gut funktionierendes, weltweites Zahlungssystem als Alternative bereit.

Schon jetzt kann es interessant sein, einen Teil seines Geldes in Bitcoins umzutauschen, um Kapitalverkehrskontrollen wie in Griechenland zu umgehen. Bitcoins haben den großen Vorteil, dass sie von keiner Macht der Welt gesperrt oder konfisziert werden können. Bitcoins sind digitales Bargeld, das man nicht verbieten kann. Ihre Aufbewahrung ist sehr viel sicherer als die von klassischem Bargeld, denn man kann von ihnen Sicherheitskopien machen und an verschiedenen Orten speichern. Auch das Überschreiten von Grenzen ist mit Bitcoins sehr viel einfacher als mit Bündeln von Geldscheinen. Alles, was man sichern muss, selbst wenn man Millionenwerte bewegen will, ist ein digitaler Code, der auf einen USB-Stick oder gar ein Blatt Papier passt.

Als im März 2013 während der Bankenkrise auf Zypern für ein paar Tage die Konten der Bürger gesperrt und Sparguthaben über 100.000 Euro enteignet wurden, stiegen das Interesse am Bitcoin und damit der Kurs sprunghaft an. Es ist damit zu rechnen, dass eine ähnliche Entwicklung im absehbaren Fall eines griechischen, italienischen oder französischen Staatsbankrotts eintreten wird. Wer jetzt in Bitcoin investiert, profitiert vom noch relativ günstigen Kurs von rund 200 Euro.

Nicht-staatliche Währungen wie Bitcoin sind wirkungsvolle Gegenmittel gegen staatliche Finanztyrannei. Sie nehmen dem Staat die Möglichkeit, unser Eigentum zu beschlagnahmen und durch Inflation im Wert zu mindern. Die Griechenland-Krise hat die Schwäche des staatlichen Scheingeldsystems besonders deutlich gemacht. Wir haben jetzt die Freiheit, auf ein besseres System umzusteigen.

Das Buch „Bitcoin – Geld ohne Staat“ ist im Mai 2015 beim Finanzbuchverlag München erschienen. Es betrachtet Bitcoin aus Sicht der Wiener Schule der Volkswirtschaft.

Photo: Wikimedia Commons

Nie wieder eine Finanzkrise! Das hatten sich Politiker auf die Fahnen geschrieben, als sie nach Reaktionen auf die Banken- und Finanzkrise von 2007/08 suchten. Dass sie dabei den Weg der Regulierung beschritten haben, war allerdings ein Fehler.

Schuld und Sühne

Banken kollabierten, Vermögen wurden vernichtet, ganze Staaten standen am Abgrund einer Pleite. Angst und Empörung machten sich breit – bei Verantwortlichen in der Politik nicht weniger als unter den Bürgern, die zum Teil sehr schmerzhaft die Folgen der weltweiten Krise zu spüren bekamen. Ganz offensichtlich hatten Banken in weitaus höherem Umfang spekuliert als das angesichts ihrer finanziellen Möglichkeiten vernünftig gewesen wäre. Da brach die Sächsische Landesbank innerhalb von Tagen in sich zusammen, weil sie entgegen ihrem eigentlichen Auftrag auf dem US-Hypothekenmarkt hatte mitspielen wollen. Da wurden mal eben 18 Milliarden zur Verfügung gestellt, um zu verhindern, dass Commerzbank und Dresdner Bank von ausländischen Banken übernommen würden.

Kein Wunder, dass viele Menschen von Banken erst einmal nichts mehr wissen wollten. Zumal die Rechnung für deren „Rettung“ natürlich wieder der Steuerzahler präsentiert bekam – und bekommt. In dieser Lage war klar: Das darf uns nicht noch einmal passieren! Verständlicherweise hegte manch einer auch noch entsprechende Rachegelüste. Die Initiativen zur Begrenzung der Boni für Investmentbanker etwa entsprangen sicher auch einem Bedürfnis, Täter zu bestrafen. (Wer tatsächlich Haupttäter war, und ob die Banker nicht vielleicht eher so etwas waren wie Plünderer in einem bereits zerstörten Laden, ist noch ein anderes Thema.) Doch nicht nur die Einzelpersonen sollten an die Leinen gelegt werden, sondern insbesondere auch die Institutionen.

Bankenregulierung als Ordnungspolitik?

Die Macht der Banken sollte beschränkt werden. Klingt fast so, als ob Erhard, Eucken oder Röpke das gefordert hätten. Ordoliberalismus nun endlich nicht mehr nur für die Stahlwerke und Bierproduzenten, sondern auch für die Finanzindustrie! Nicht ohne Häme wurden solche Forderungen im Gefolge der Krise besonders von belesenen und geschickten Politikern wie Sarah Wagenknecht oder dem Grünen Gerhard Schick erhoben – mit Verweis auf die Tradition der Sozialen Marktwirtschaft. Aber nicht nur die deutschen Politiker wollten ihrem Ruf als Freunde und Hüter der Ordnung wieder gerecht werden. Weltweit sahen Staatsmänner die Notwendigkeit neuer und schärferer Regeln für die Banken. Im November 2010 einigten sich die Regierungschefs auf dem G20-Gipfel in Seoul darauf, eine Verschärfung der bisherigen Bankenregulierung „Basel II“ durchzusetzen.

„Basel III“ war geboren. „Das Herzstück der Finanzsektorreform“ befand damals Finanzminister Schäuble. In Deutschland gewann die BaFin, die Aufsichtsbehörde für Finanzdienstleister, an Aufmerksamkeit und in der Folge an Kompetenzen. Seit letztem November gibt es innerhalb der EZB auch noch eine mächtige Aufsichtsabteilung für die etwa 120 größten europäischen Kreditinstitute. Eingehegt in diese Sicherheitsmaßnahmen aus schärferen Gesetzen und schlagkräftiger Aufsicht soll eine Krise wie 2007/08 ein für alle Mal unmöglich gemacht werden. Wird das klappen?

Wer sind eigentlich die Regulierer?

Schauen wir einmal hinter das, was uns die Gesetzgeber versprechen. Wer erarbeitet eigentlich die neuen Regulierungen und Richtlinien? Das Bankenwesen ist mittlerweile so komplex geworden, dass es schwer wird, Experten zu finden, die sich hinreichend auskennen und gleichzeitig keinerlei berufliche Verbindungen mit den Banken haben. Sprich: Leute, die weder selber in Banken arbeiten, noch in Beratungs- oder Prüfungsfirmen; weder Mitglieder von Großkanzleien sind, die Banken beraten, noch Wissenschaftler, die von Banken für Gutachten bezahlt werden. Im Grunde genommen fast ein Ding der Unmöglichkeit. Interessenskonflikte sind also unausweichlich. Die echten Kenner des Geschäfts sind in den meisten Fällen auch diejenigen, die Teil des Geschäfts sind. Regulierern bleibt in der Regel keine Alternative dazu, den Rat derjenigen einzuholen, die auch für die Banken selber arbeiten.

Gleichzeitig gibt es noch das zeitliche Problem. Eines der Anliegen der strengeren Regulierung ist es auch, die perversen Finanzprodukte aus dem Markt zu nehmen, die zu der großen Finanzkrise geführt haben: gehebelte Risiken, versteckte und mehrfach umgeleitete Derivate, Konstrukte, die nicht einmal die Konstrukteure mehr richtig verstanden haben. Der ehemalige Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, sagte selbst 2008 in einer Talkshow, er hätte nie solche Produkte gekauft, die er nicht verstanden hat. Dennoch hat die Deutsche Bank, ebenso wie die allermeisten anderen Banken – von den großen bis zu den kleinen Sparkassen – genau solche Produkte munter unters Volk gebracht.

Erarbeitet wurden die Regulierungen von Basel III seit 2008, beschlossen wurden sie im November 2010, im Januar 2014 traten die Regulierungen in Kraft, die Übergangsfristen für die Einführung sind inzwischen bis 2019 ausgedehnt worden. Mit anderen Worten: Die Banken hatten mindestens drei Jahre Zeit, um sich auf die Regulierungen einzustellen, in manchen Fragen noch viele Jahre mehr. Was wird in dieser Übergangszeit geschehen? Werden die Banken daran arbeiten, sich komplett zu konsolidieren? Oder werden sie zumindest einen Teil ihrer Energie darauf verwenden, Finanzprodukte zu ersinnen, die von den neuen Regulierungen nicht erfasst werden? Letzteres ist durchaus wahrscheinlich. Geht es doch darum, möglichst rasch große Mengen Geld zu verschieben, um mit der internationalen Konkurrenz Schritt zu halten. Solange die Politik die unausgesprochene Rettungs-Garantie aufrechterhält, können die Banken mit dieser komfortablen Rückfall-Option munter weiter spekulieren. Noch 2012-13 wurden spanische Banken gerettet. Und europäische Banken würden auch wieder gerettet, wenn es Probleme geben würde. Kein Politiker will für eine eventuell folgenschwere Bankenpleite die Verantwortung übernehmen.

Regulierung löst die Probleme nicht

Ein wesentliches Merkmal von Regulierung ist, dass sie immer erst dann entworfen wird, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Letztlich können Regulierer nichts anderes tun, als nur beständig hinter Katastrophen her zu laufen. Sie sind wie der Hase aus dem Märchen: so eifrig sie auch rennen – immer ist da schon wieder ein neuer Igel vor Ihnen da. Wenn japanische Ingenieure nach einer Erdbeben-Katastrophe neue Bauweisen ersinnen, die die Häuser erdbebensicher machen, dann haben sie mit dem Faktor Erdbeben einen relativ gut berechenbaren Faktor, auf den sie sich einstellen können. Das ist bei Regulierungen anders: Während Erdbeben weder den Anlass noch gar die Fähigkeit haben, sich an die neuen Bauweisen anzupassen, haben Banken sehr, sehr gute Gründe dafür und auf jeden Fall auch das nötige Knowhow, um den Regulierungen auszuweichen. Während Regulierer die Probleme von gestern zu verhindern versuchen, sind die Banken schon längst einen Schritt weiter.

Mit Regulierung wird den Problemen im Finanzwesen nie beizukommen sein. Was die Bankenwelt braucht, ist eigentlich nur eine klare Ansage: Wenn Ihr fallt, dann fallt Ihr nicht auf ein weiches Trampolin, das Euch wieder nach oben befördert, sondern dann ist höchstwahrscheinlich der Ofen aus. Das klare Signal, dass Banken grundsätzlich nicht mehr gerettet werden, ist die einzig wirklich effektive Art und Weise, wie Bankenpleiten verhindert werden können. Regulierung ist dagegen nur Augenwischerei. Stabilisieren kann sich ein solches System nicht durch äußere Einmischung, sondern nur durch intrinsische Anreize.

Photo: Bankenverband from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Zahlen können schon auf den ersten Blick falsch und unrealistisch sein. Auch wenn sie alle paar Jahre wiederholt werden, gewinnen sie nicht an Glaubwürdigkeit. Bei den jetzt wieder ins Auge gefassten Privatisierungserlösen in Griechenland ist es so.

Bereits im Frühjahr 2010, als Hellas unter die „helfende Hand“ der Troika kam, hieß es schon, sie müssten ihre Staatsunternehmen privatisieren. Als Ziel wurden damals schon 50 Milliarden Euro genannt. In der Anhörung zum 1. Griechenland-Paket im Deutschen Bundestag widersprach Hans-Werner Sinn bereits dieser Zahl. Die griechischen Staatsunternehmen seien viel zu marode, als dass dies nur annähernd realistisch sei. Der Kölner Vermögensverwalter Flossbach von Storch nannte damals eine Zahl von 5 Milliarden schon als ambitioniert. Nach fünf Jahren „Rettungswahnsinn“ war selbst diese Prognose übertrieben. Lediglich zwischen 2 bis 3 Milliarden wurden bis heute realisiert.

Jetzt taucht diese irre Zahl erneut bei den Verhandlungen um ein 3. Hilfspaket auf. Völlig absurd. Um die Zahl von 50 Milliarden Euro ins rechte Licht zu rücken, ist ein Vergleich mit Deutschland hilfreich: Die griechische Wirtschaftsleistung (BIP 2014) beträgt rund 6,5 Prozent zu unserer Wirtschaftsleistung in Deutschland. 50 Milliarden Euro Privatisierungspotential in Griechenland würden auf Deutschland übertragen daher 773 Milliarden Euro bedeuten. Diese unglaubliche Zahl wird umso unrealistischer, wenn man bedenkt, dass die Kapitalisierung des Deutschen Aktienindex DAX gerade einmal 1.230 Milliarden beträgt. Um auf das Volumen der griechischen Privatisierungspläne zu kommen, wäre ein Volumen notwendig, das über 60 Prozent (!) der größten 30 börsennotierten Unternehmen in Deutschland umfasst. Darunter sind Unternehmen wie Bayer mit einer Börsenkapitalisierung von 111 Mrd. Euro, VW mit 94 Milliarden, Daimler mit 91 Milliarden und Siemens mit 84 Milliarden Euro. Inzwischen sollten die „Retter“ eigentlich erkannt haben, dass selbst die Übertragung in eine Treuhandanstalt nach deutschem Vorbild keine nennenswerten Einnahmen für den griechischen Staat generieren wird.

Die Privatisierungen sind nicht aus fiskalischen Gründen notwendig, sondern vielmehr aus marktwirtschaftlichen. Der Staat geht mit Eigentum anders um als Private. Er hegt und pflegt es nicht, sondern verschwendet es. Wenn in Griechenland annähernd die Hälfte aller Beschäftigten direkt oder mittelbar beim Staat oder seinen Unternehmen arbeitet, dann kann das Land nicht nach oben kommen. In einer solchen Situation ist die Privatisierung per se gut. Es wäre wahrscheinlich besser, der Staat würde die Unternehmen verschenken, anstatt sie weiter in seiner Obhut zu behalten. Letzteres würde weiterhin die Korruption, die Gewerkschaftsmacht und die Unwirtschaftlichkeit fördern.

Stattdessen argumentiert die sozialistische Regierung in Griechenland, dass das Tafelsilber nicht verkauft werden dürfe oder es aufgrund der vermeintlich ungünstigen Marktsituation der falsche Zeitpunkt sei. So haben auch in Deutschland die Gewerkschaften und die Linken lange Zeit argumentiert. Anschließend sind Milliardengräber wie die Deutsche Post, die Deutsche Bahn und die Deutsche Telekom für den Steuerzahler entstanden, die nur deshalb heute Gewinne erwirtschaften, weil der Staat Pensionslasten oder Investitionen in Milliardenhöhe übernommen hat und nach wie vor laufend übernimmt. Wir sind halt auch ein bisschen Griechenland!

Photo: Navin75 from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,

vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Sie am 11. Oktober 2011 in einem von der NSA abgehörten Telefongespräch Ihre Sorge geäußert haben, dass selbst ein zusätzlicher Schuldenschnitt die Probleme in Griechenland nicht lösen könnte. Einen Tag zuvor hatte ich die notwendigen 3500 Unterschriften für einen Mitgliederentscheid in der FDP gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus und weitere Hilfen für Griechenland beim damaligen Generalsekretär der FDP, Christian Lindner, abgegeben. Insofern hat uns beide zum gleichen Zeitpunkt die Sorge umgetrieben, dass die von Ihnen angestoßene Griechenland-Rettung nicht funktionieren wird.

Wie Sie wissen, habe ich am 7. Mai 2010 beim 1. Griechenland-Paket im Deutschen Bundestag erklärt, dass Griechenland nicht in der Lage sein werde, mit seiner Wirtschaft die Mittel zu erwirtschaften, die zur Schuldenreduzierung notwendig seien, solange Griechenland Mitglied der Eurozone sei. Notwendig wäre dafür ein Produktivitätsfortschritt der griechischen Wirtschaft von 30 Prozent, der in dieser kurzen Zeit nicht erreicht werden könne.

Der von Ihnen befürchtete Schuldenschnitt kam in zweifacher Ausführung im Frühjahr und Herbst 2012. Trotz des größten Schuldenerlasses in der Nachkriegsgeschichte hat Griechenland heute mehr Schulden als vor der Krise. Doch anders als zum Zeitpunkt Ihres nun bekanntgewordenen Telefonats sind die Gläubiger nicht mehr private Investoren, sondern fast ausschließlich staatliche Geldgeber. Es ist das eingetreten, was die Linken uns immer vorwerfen: Die Gewinne werden privatisiert und die Verluste sozialisiert.

Doch das ist vergossene Milch. Was können Sie in dieser Situation jetzt und heute tun? Meine Empfehlung ist: Sorgen Sie dafür, dass das Recht in Europa wieder zur Geltung kommt. Die griechische Regierung darf innerhalb des Euros kein weiteres Hilfspaket bekommen, da die Schuldentragfähigkeit bislang nicht gegeben war und sie auch künftig nicht gegeben ist.

Bedenken Sie bitte, dass die neue griechische Regierung unter Alexis Tsipras seit dem 27. Januar 2015 im Amt ist. Seitdem hat diese Regierung faktisch nichts unternommen, um die Einnahmen zu erhöhen sowie die Ausgaben zu reduzieren. Nach wie vor werden die Reeder in Griechenland nicht besteuert, fast 70 Milliarden Steuerforderungen werden nicht eingetrieben, und nach wie vor hat Griechenland einen der größten Militäretats pro Kopf der Bevölkerung in der Welt. Ich glaube inzwischen, dass dahinter nicht die Unfähigkeit der dortigen Regierung steckt, sondern eine Strategie, die zum Ziel hat, dass die Regierung Tsipras schon längst die Zeit nach dem Euro plant. Nur sie wollen nicht selbst den Euro aufgeben müssen, sondern sie wollen Sie, Wolfgang Schäuble, Mario Draghi und Jean-Claude Juncker für die Übergangsprobleme verantwortlich machen. Diese Strategie hat im Januar schon zum Wahlsieg von Syriza geführt. Die Maßnahmen der Troika und der Staatengemeinschaft wirkten wie Doping für die radikalen Kräfte in Griechenland.

Die Staatengemeinschaft sollte der Wahrheit ins Gesicht schauen und mit Griechenland über den Ausstieg aus dem Euro verhandeln. Der Ausstieg als Gegenleistung für einen Schuldenschnitt und anschließende Aufbauhilfen. Das wäre für beide Seiten ein akzeptabler Kompromiss. Es wäre in gegenseitigem Interesse. Heute infiziert Griechenland mit der ständigen Rechtsbeugung alle anderen Krisenstaaten in Europa. Gleichzeitig zwingt die Staatengemeinschaft Griechenland einen immer stärkeren Souveränitätsverzicht auf. Das hält keine Demokratie auf Dauer aus.

Nur wenn Risiko und Verantwortung wieder eine Einheit werden, nur wenn Regierungen und Staaten auf der einen Seite und Banken und andere Investoren auf der anderen Seite für ihr Handeln haften, nur dann hat der Euro als Gemeinschaftswährung eine Chance.

Mit freundlichen Grüßen
Frank Schäffler

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 4. Juli 2015.