Photo: marvel.com

Von Dr. Kristian Niemietz, Senior Research Fellow am Institute of Economic Affairs (IEA), London.

Als der Actionfilm „Thor“ und dessen Fortsetzung im Kino aufgeführt wurden, wurde der Protagonist in den britischen Medien mehrfach als ein „Wikingergott“ oder ein „skandinvischer Gott“ bezeichnet. Wer will, kann mich gerne einen Erbsenzähler nennen, aber diese Einordnung ist falsch. Die Skandinavier haben keinen Alleinanspruch auf den Thor-Mythos. Thor war eine gesamtgermanische Gottheit, und ist somit das gemeinsame Erbe aller germanischen Länder. Dazu gehört selbstverständlich auch England, denn auch den Angeln und den Sachsen war Thor bestens bekannt – sie haben ihm sogar den vierten Tag der Woche gewidmet („Thursday“, von „Thor’s Day“). Es ist nicht direkt falsch, Thor als einen „skandinavischen Gott“ zu bezeichnen, aber es gibt auch keinen besonderen Grund für diese Einengung. Man könnte ihn mit der gleichen Berechtigung auch einen „englischen Gott“, einen „holländischen Gott“ oder einen „bayerischen Gott“ nennen.

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Konzept des „nordischen Wohlfahrtsstaates“: Auch hier wird den skandinavischen Ländern ein Alleinstellungsmerkmal zugeschrieben, welches keines ist, da sie es in Wahrheit mit vielen anderen Ländern teilen.

Es gibt zunächst einmal keine allgemeingültige Definition dieses Begriffs. Einige Autoren definieren den „nordischen Wohlfahrtsstaat“ nicht geografisch, sondern über die Merkmale seiner Ausgestaltung: Schwerpunkt auf universale (anstelle bedürftigkeitsorientierter) Leistungen, Steuerfinanzierung statt Beitragsfinanzierung usw. Diese Einteilung ist durchaus einigermaßen sinnvoll. In den Medien und in politischen Diskussionen aber wird der Begriff fast immer verwendet im Sinne von: „ein außergewöhnlich umfassender, großzügiger und progressiver Wohlfahrtsstaat“, und das ist irreführend.

Die folgende Grafik zeigt die Nettosozialausgaben in entwickelten Ländern in Prozent des Bruttosozialproduktes. Nettosozialausgaben sind für internationale Vergleiche besonders geeignet, da Unterschiede in der Besteuerung von Sozialtransfers automatisch korrigiert werden. Nehmen wir an, die ärmsten X % der Bevölkerung eines Landes erhalten monatlich steuerfreie Sozialleistungen in Höhe von 800 Euro. In einem ansonsten identischen Land erhalten die ärmsten X % Sozialleistungen in Höhe von 1000 Euro, die allerdings mit einem Durchschnittssteuersatz von 20 % besteuert werden, so, dass 200 Euro sofort wieder an den Staat zurück fließen. Vergleicht man die Bruttosozialausgaben, so scheint der Sozialstaat des zweiten Landes wesentlich großzügiger. Bei einem Vergleich der Nettosozialausgaben sind die beiden Länder dagegen identisch.

(Quelle: OECD)

In den meisten Ländern ist der Unterschied zwischen Brutto- und Nettosozialausgaben nicht sehr groß, weil Sozialleistungen in der Regel nicht hoch besteuert werden. Aber es gibt Ausnahmen, und zu diesen gehören die nordischen Länder. Sobald die Transfereinkommen um direkte Steuern auf diese bereinigt werden, erscheinen die skandinavischen Länder, was die Höhe der Sozialausgaben anbelangt, nicht mehr außergewöhnlich. Es ist nach wie vor nicht falsch, die nordischen Wohlfahrtsstaaten als sehr umfassend und ausgebaut zu bezeichnen, falsch aber ist die Vorstellung, der riesenhafte Wohlfahrtsstaat sei ein skandinavisches Alleinstellungsmerkmal. Es ist vielmehr ein Merkmal, das die Skandinavier mit vielen anderen Ländern gemeinsam haben. So betrachtet ist es nicht sonderlich sinnvoll, überhaupt von einem spezifisch „nordischen Wohlfahrtsstaat“ zu sprechen.

Wie die Grafik zeigt, sind der französische und der belgische Wohlfahrtsstaat die überdimensioniertesten. Die angelsächsischen Länder sind am anderen Ende des Spektrums überrepräsentiert, und die nordischen Länder bilden kein erkennbares Cluster. Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn Sozialstaaten in Bezug auf ihre Umverteilungswirkung (also die Verringerung des Gini-Koeffizienten durch Steuern und Sozialtransfers) verglichen werden. Auch in dieser Hinsicht sind die nordischen Wohlfahrtsstaaten nicht herausragend. Die Eigenschaften, die gerne einem imaginären „nordischen Wohlfahrtsmodell“ zugeschrieben werden, werden in Wahrheit von sehr vielen Ländern geteilt.

Warum hören wir aber an allen Ecken und Enden Lobreden auf den nordischen Wohlfahrtsstaat, wenn es diesen doch als solchen gar nicht gibt, zumindest nicht im Sinne eines irgendwie einzigartigen Modells? Vermutlich liegt es ganz einfach daran, dass diese Argumentation zum politisch gewünschten Ergebnis führt. Die nordischen Länder gelten als wirtschaftlich und sozial erfolgreich; es zahlt sich für die politische Linke daher aus, diese Länder mit den eigenen Ideen in Verbindung zu bringen: Neoliberale wollen amerikanische Verhältnisse, Linke wollen schwedische Verhältnisse. Auch dient es als rhetorische Allzweckwaffe. Wer mit den wachstumshemmenden Nebenwirkungen einer hohen Steuerlast, oder mit den sozialen Nebenwirkungen eines überbordenden Umverteilungsstaates konfrontiert wird, der muss nur „Schweden!“ rufen, und schon ist alles in den Wind geschlagen.

Gibt es aber tatsächlich nichts, was die nordischen Länder irgendwie außergewöhnlich macht? Doch: Diese Länder kombinieren eine Reihe von Faktoren, die sie außergewöhnlich resistent machen gegen die eben erwähnten Nebenwirkungen eines ausufernden Staatsapparates. Deswegen können sie sich eine Politik erlauben, an der viele andere Länder scheitern würden. Das aber ist ein Thema für einen anderen Blogbeitrag.

Dieser Artikel erschien zuerst unter dem Titel „Thor and the Nordic welfare state: Not so Nordic, after all“ auf dem IEA-Blog. Übersetzung des Autors.

Von Dr. Fritz Goergen, Historiker und Publizist, ehemaliger Bundesgeschäftsführer der FDP und Geschäftsführer der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Mit der Schaffung des Bundesstaates 1848 folgte der Vorläufer der Schweizer FDP, der Freisinn weniger dem Geist der Eidgenossenschaft als Napoleons. Lange Zeit sorgten Eigenständigkeit und Eigensinn der Gemeinden, Städte und Kantone dafür, dass vieles trotzdem dezentral blieb. Doch der Einstieg in die Entstehung von immer mehr zentraler Macht war mit dem Bundesstaat getan. Ein Staatenbund wäre die Schweizer Logik gewesen. Doch der Zeitgeist war 1848 zu stark.

Die langsame Zentralisierung verlief und verläuft immer noch doppelt. Zum Bund nach Bern, aber auch – weniger im Blick der Öffentlichkeit – innerhalb der Kantone. Der Unterschied zwischen den Kantonen ist immer noch beachtlich. Aber aufs Ganze gesehen, haben die Gemeinden Macht an die Kantone verloren. Gemeinden haben sich zusammengeschlossen. Effizienz ist immer die Begründung. Eingestellt hat sie sich meist nicht. Und die Bürgernähe nahm stets ab. Dazu trägt außerdem bei, dass die Verwaltungen der Kantone manches lautlos unter sich regeln – ohne politische Entscheidung.

Dass Deutsche und Österreicher die Schweiz immer noch als sehr direkt-demokratisch erleben, liegt am Grad der Zentralität in ihren Ländern und noch mehr an der Schweizer Volksabstimmung. Von der kritischen Diskussion des veränderten Umgangs – nicht zuletzt der Schweizer Parteien – mit dem Instrument der Volksinitiative kriegt die Öffentlichkeit der deutschsprachigen Nachbarn wenig mit.

Schaue ich auf die ausstehende Lösung zwischen der Schweiz und der EU in der Einwanderungsfrage und nehme zugleich die viel heißeren Themen Griechenland, Ukraine und das Verhältnis der EU zu den USA hier, Russland dort und China nicht zu vergessen dazu, drängt sich mir ein Gedanke auf. Gibt es nicht einen naheliegenden Lösungspfad für alles zusammen, nämlich den der Föderalisierung, der Dezentralität?

Der bessere Weg für die Schweiz ist nicht mehr EU, sondern der bessere Weg für die EU ist mehr Schweiz. Und zwar nicht nur im heutigen Dezentralitätsgrad der Schweiz, sondern vorwärts zurück zu einer echten Föderation, die der Freisinn 1848 dem Zeitgeist – einschließlich mancher früher industrieller Interessen – opferte.

Fußnote für europäische Krisengebiete besonderer Art: Wo regionale Föderalisierung allein nicht reicht, ist sie auch personal möglich – für spezielle Gruppen, die regional verstreut ihre Identität suchen und gleichzeitig dem Regionalverband verbunden bleiben wollen.

Photo: Alphornvereinigung Pilatus Kriens from Flickr

Von Robert Nef, Stiftungsratsmitglied des Liberalen Instituts der Schweiz, Zürich, und Träger der Hayek-Medaille 2008.

In der Schweiz findet im Juni 2015 eine Volksabstimmung über eine Verfassungsinitiative statt, die auf Bundesebene Nachlässe von über 2 Millionen Franken mit einer nationalen Erbschaftsteuer belasten will. Die Erträge dieser Steuer sollen teilweise zur Sanierung der kollektiven Altersvorsorge (Alters- und Hinterlassenversicherung, AHV) verwendet werden. Betroffen von der Steuer wären 2 -3 Prozent der Bevölkerung.

Erbe, Eigentum, individuelles und gemeinsames Wohlergehen sind in vielfältigster Weise miteinander verbunden. Der Versuch diese komplexe Verknüpfung durch staatlichen Zwang, insbesondere durch Steuern entweder im Hinblick auf „mehr Gerechtigkeit“ und „mehr Zwangssolidarität“ zu beeinflussen, steht immer wieder zur Debatte. Oft steckt dahinter auch einfach der Wunsch nach erhöhten staatlichen Einnahmen durch zusätzliche Steuern, die deshalb politisch konsensfähig sind, weil sie eine Minderheit belasten und eine Mehrheit begünstigen. Allein schon dieser fatale Zusammenhang müsste diejenigen sensibilisieren, die vom Staat nicht vorrangig eine rücksichtslose Mittelbeschaffung im Hinblick auf populäre Umverteilung, sondern vielmehr den Respekt vor minimalen ethisch-moralischen Regeln erwarten – zu denen zählt auch der Schutz von Minderheiten vor der Gier von Mehrheiten und vor ungleichen Eingriffen ins Privateigentum gehört.Eine progressiv ausgestaltete Erbschaftsteuer ist in ihren Auswirkungen als populistischer „Fischzug“ auf das Vermögen der Reichen nichts anderes als eine asoziale Neidsteuer, die weder zur Verwirklichung der sozialpolitischen noch der finanzpolitischen Ziele einen nachhaltig positiven Beitrag leistet.

An erster Stelle ist bei normativen „wirtschaftlich“, „sozial“ oder „moralisch“ begründeten politischen Vorstössen der ideologische Hintergrund zu klären. Das hinter den Forderungen stehende Menschenbild und die zugrundegelegte Wirtschaftstheorie müssen transparent diskutiert werden können. Nicht alle Forderungen die „sozial“ genannt werden, sind es auch tatsächlich. Der auf zentral verwalteter Planwirtschaft abgestützte Staatssozialismus hat schliesslich zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch der Systeme geführt, der in seiner Auswirkung alles andere als sozial war. Er hat nicht nur im ökonomischen Bereich, sondern ganz allgemein eine soziale Wüste hinterlassen. Dies wird in der parteipolitischen Auseinandersetzung kaum mehr bestritten. Trotzdem steht viel sozialistisches Gedankengut immer wieder auf der politischen Traktandenliste und das mindestens teilweise Wegsteuern von Vermögen beim Ableben der Eigentümer durch Erbschaftsteuern ist eine weltweit populäre staatssozialistische Forderung. Erbschaften seien Einkommen ohne jede Gegenleistung, ein Zufall der Geburt, und damit grundsätzlich „unverdient“. Die Kategorie „verdient“ oder „unverdient“ ist keine ökonomische, sondern eine moralische, die, falls man daraus ein allgemeinverbindliches Verteilungskriterium machen würde, voraussetzt, dass es objektive Massstäbe für eine allgemeine Verteilungsgerechtigkeit gibt. Dies wird aber in einem Rechtsstaat, der Privateigentum und Privatautonomie garantiert, grundsätzlich in Frage gestellt. Eigentum gilt dann als „wohlerworben“, das heisst als rechtmässig, wenn es nicht durch Gewalt oder Betrug erlangt worden ist. Wieviel Leistung und welche Leistung, wieviel Glück und welche günstigen Konstellationen und selbst wieviel Spekulation dabei mit im Spiel war, ist letztlich nicht aufzuschlüsseln.

Die Frage der Gewaltsamkeit stellt sich im Fall der Erbschaftsteuer eher gegenüber dem Staat, der ja Vermögensbestandteile zwangsweise enteignet und dabei in private Vermögensverhältnisse eingreift. Dieser Zwang ist zwar in einem demokratischen Rechtsstaat durch Mehrheiten legitimiert. Die Tatsache, dass aber bei umverteilenden Steuern und speziell bei einer stark progressiv konzipierten Erbschaftsteuer stets eine potentielle Mehrheit von Empfängern eine Minderheit von Pflichtigen fremdbestimmen kann, stellt diese Legitimität grundsätzlich in ein schiefes Licht. Zudem wird eine ungerechte Steuer nicht dadurch gerechter, dass sie nur eine Minderheit trifft.

Das Argument, die Steuer betreffe ja nur eine kleine Minderheit, ist besonders zynisch und auch im Hinblick auf die Zukunft gefährlich. Bewilligt eine Mehrheit diesen Zugriff auf grosse Erbschaften, sind zwei Entwicklungen vorauszusehen: Einmal werden die Erträge im gleichen Ausmass schwinden, wie sich jene legalen Ausweichmöglichkeiten etablieren, die wir von andern Ländern mit hoher progressiver Erbschaftsteuer kennen.

Der deutsche Ökonom Lars P. Feld hält die Erbschaftsteuer vor allem wegen der legalen Vermeidungsmöglichkeiten für ungerecht. In einem Interview nennt er sie „die grösste Dummensteuer, die wir in Deutschland haben“, denn sie treffe denjenigen eher, der ein Vermögen von zwei Millionen Euro vererbt und seine Steuererklärung nicht gestalten könne, als jemanden, der ein Erbe von 100 Millionen übertragen wolle. Die Verhinderung der gezielten Weitergabe grosser Vermögen an die nächste Generation zu Lebzeiten ist weder möglich noch erwünscht. Solche Eingriffe verletzen die Eigentumsgarantie und sie sind auch gar nicht praktikabel. Was nicht funktioniert, kann auch nicht gerecht sein.

Der voraussehbare finanzielle Misserfolg nach einer Einführung der „Erbschaftsteuer für Superreiche“ muss dazu führen, dass man beim Ausbleiben der für die Sanierung der AHV erhofften Erträge sukzessive den Zugriff auch auf kleinere Erbschaften ins Auge fasst. Der Kreis der Betroffenen würde dann immer weiter gezogen. Das sollten sich vor allem jene gut überlegen, die eine Befürwortung der Vorlage erwägen, weil sie ja persönlich unterhalb der jetzigen Limite liegen. Wenn der Dammbruch zugunsten einer nationalen Erbschaftsteuer einmal erfolgt ist, wird es schwer sein, diese Entwicklung politisch zu bremsen. Einmal mehr muss hier an den politischen Grundsatz „Wehret den Anfängen“ erinnert werden.

Das Vererben von Vermögen ist eine Transaktion, die durch den Tod eines Menschen ausgelöst wird. Der Tod ist ein natürliches und letztlich nicht zu verheimlichendes Ereignis, das vom Staat als Steuerquelle schon früh entdeckt worden ist. Da die Erben ohne messbare Gegenleistung zu Vermögen kommen, wird die Erbschaftsteuer auch von vielen Liberalen mindestens als „relativ gerechtes“ Instrument der intergenerationellen Umverteilung empfunden.

Das ökonomische und soziale Grundproblem der Erbschaftsteuer besteht darin, dass sie gegenüber einem weltweit anthropologisch in der Familie tief verankerten Ziel, nämlich, dass es der nächsten Generation einmal gleich gut oder besser gehen soll, falsche Anreize setzt. Sie bestraft das generationenübergreifende Vorsorgen und Sparen und die Grundidee, dass das Erbe nicht zum Verbrauch sondern zur schrittweisen Wohlstandsvermehrung und zum sozialen Ausgleich von Glück und Unglück innerhalb einer langfristig ausgerichteten natürlichen Gemeinschaft dient. Das fürsorgliche private Sparen im Hinblick auf grössere Zeiträume und die treuhänderische Weitergabe innerhalb der jeweils „Nächsten“ soll durch die demotivierende, zwangsweise anonymisierende Umverteilung der Politik ersetzt werden. Die auf kollektivem Zwang beruhende Politik erhält so gegenüber der auf Tradition und Kultur beruhenden Familie den Vorrang. Der Staat macht aber erfahrungsgemäss nur zu oft das Gegenteil der vernünftigen Familie. Er lebt gerne auf Pump, er verschuldet sich zu Lasten der kommenden Generationen, um sich kurzfristig populär zu machen. Soll nun jene Organisation namens Familie, die sich in der Regel ökonomisch und sozial vernünftig und nachhaltig verhält, von jener Organisation namens Staat, die sich häufig verschwenderisch, sozial schädlich und ökonomisch demotivierend verhält, zwangsweise zur Kasse gebeten werden? Das ist ein zivilisatorischer, ökonomischer und sozialer Rückschritt.

Erstveröffentlichung in „Finanz und Wirtschaft“ am 8. April 2015.

Photo: U.S. Army Corps of Engineers Europe District

Am 24. Oktober 2014 erschien das “Ergänzte BMF-Schreiben zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts” und hat das bisher bekannte Reisekostenrecht grundlegend geändert. Mit der neuen Verordnung zum Geldwerten Vorteil der privaten Nutzung von dienstlichen Toiletten (Anlage T) führt nun das Bundesministerium der Finanzen, Gleichheit und sozialen Gerechtigkeit einen weiteren Großbuchstaben ein.

Demnach müssen Arbeitnehmer ab dem 01.04.2015 dienstliche Toilettengänge zu privaten Zwecken an ihrer ersten Tätigkeitsstätte mit dem neuen Sachbezugswert T bewerten. Die neue Verordnung unterscheidet hierbei zwischen dem kleinen Sachbezug (kleines t) und dem großen Sachbezug (großes T), wofür jeweils unterschiedliche Sachbezugswerte versteuert werden müssen. Anlage T muss dann am Ende des Jahres innerhalb der elektronischen Lohnsteueranmeldung (ELSTER) unter den Ziffern 28 und 29 ausgewiesen werden.

Der Redaktion der Seite Reisekosten.de liegt der finale Entwurf für die Anlage T exklusiv vor. Das noch streng vertrauliche Dokument können Sie unter http://www.reisekosten.de/wp-content/uploads/2015/03/BMF-Schreiben_01.04.2015-Anlage_T.pdf als PDF-Dokument downloaden.

Quelle: Reisekosten.de

Von Sascha Tamm, Mitarbeiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Kritische Anmerkungen aus einer freihändlerischen Perspektive

Die Verhandlungen zu TTIP werden in der Öffentlichkeit mit viel Kritik und Protesten begleitet. Vieles davon beruht auf nicht zu rechtfertigenden Ängsten und grundsätzlicher Skepsis gegen über wirtschaftlicher Freiheit im Allgemeinen und Freihandel im Speziellen. Die unsägliche Debatte über Chlorhühnchen ist nur ein Beispiel dafür. Protektionismus ist eine Idee, die Linke und Rechte zuverlässig vereinigt. Deshalb ist es richtig, immer wieder die grundsätzlichen Argumente für freien Handel in die öffentliche Debatte einzubringen und viele der Mythen der Freihandelsgegner zu entlarven. Das geschieht an vielen Stellen und soll hier nicht wiederholt werden. Zudem sollten sich die Befürworter von TTIP mit ihren Argumenten nicht auf das Niveau vieler Gegner herabbegeben. Sicher wird es neue Chancen für Unternehmen geben, und damit Wachstumsimpulse. Doch es wird auch Verlierer geben, Unternehmen, die im intensiveren Wettbewerb nicht bestehen. Das ist übrigens auch gut so.

Dass viele Gegner von TTIP prinzipielle Gegner des Freihandels sind und oft unsinnige Argumente vertreten, sollte jedoch nicht dazu führen, dass die Befürworter freien Handels, oder besser: der Freiheit zu handeln, die derzeit geplante Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union einfach kritiklos verteidigen und begleiten. Es gibt Punkte, die aus einer dezidiert pro-marktwirtschaftlichen Perspektive zu kritisieren sind. Bestimmte Weichenstellungen im geplanten Abkommen können zu mehr oder weniger wirtschaftlicher Freiheit führen – vor allem in langfristiger Perspektive. Das betrifft sowohl den handelspolitischen Teil als auch die Investitionspartnerschaft.

Hier sollen beispielhaft zwei Problemfelder kurz diskutiert werden: die Harmonisierung der Regulierungen und der Investitionsschutz durch nichtstaatliche Gerichte. Eine Bemerkung vorab: Natürlich wäre für viele Regulierungen auf beiden Seiten des Atlantik die gebotene Lösung die Abschaffung. Die folgenden Argumente sollen jedoch Denkanstöße geben, wie in der gegebenen Welt Fortschritte in Richtung von offeneren Märkten und damit mehr Freiheit erreicht werden können, wie also TTIP freiheitlicher gemacht werden kann.

Harmonisierung

Schaut man auf den gigantischen Umfang, den die Regulierung aller Bereiche der Wirtschaft heute angenommen hat, wird schnell klar: Ein „ideales“ Freihandelsabkommen, das vielleicht auf einer Seite Platz hätte und einfach allen Produkten und Dienstleistungen aus dem einen Land freien Zutritt zum Markt des anderen geben würde, ist heute kaum noch denkbar. Zu komplex und zu verschieden sind die Regulierungen, zu groß und wirkungsmächtig die organisierten Interessen, die von den jeweiligen Regulierungen profitieren. Gegenseitige Anerkennung wäre unter den gegebenen Umständen die aus freihändlerischer Sicht gebotene Lösung, eine Kennzeichnungspflicht als Ergänzung wäre weitgehend unproblematisch. Stattdessen zielt das geplante Abkommen in vielen Bereichen auf eine Harmonisierung – und diese ist gefährlich, gerade weil sie so gut klingt.

Das naive Argument, das vielen sofort einleuchtet und auch von vielen Vertretern der Wirtschaft pro Harmonisierung vorgebracht wird, geht ungefähr so: Wenn es nur noch eine einheitliche Regulierung für bestimmte Güter bzw. Gütergruppen gibt, sinkt der Verwaltungsaufwand der Unternehmen. Das spart Kosten. Das ist in kurzfristiger Perspektive vielleicht richtig, allerdings werden gern die Umstellungskosten auf neue Standards und Regeln ignoriert.

Langfristig sprechen zwei Gründe gegen Harmonierung vieler Regulierungen – die sich natürlich auch gegen viele Harmonisierungen in der EU vorbringen lassen. Erstens wird der Raum für institutionellen Wettbewerb eingeengt. Auf vielen Feldern ist es überhaupt nicht klar, welche Regulierung (wenn überhaupt eine) sinnvoll ist. Der einzige Weg, hier etwas zu lernen, ist das Ausprobieren, und damit der offene Wettbewerb der Regulierungen. Harmonisierung bedeutet Erstarrung und weniger Chancen für Deregulierung.

Das führt zum zweiten Punkt, der gegen Harmonisierung spricht. Er ist sozusagen politökonomisch: Lobbying und politischer Einflussnahme werden immer lohnender, je größer der regulierte Raum wird. Hier zeigt sich auch wieder einmal, dass Unternehmen und insbesondere ihre Verbände nicht die besten Verteidiger freier Märkte sind – sie sind viel eher bereit, Geld dafür auszugeben, dass Regeln günstig für die selbst und ungünstig für ihre Konkurrenten und insbesondere für potentielle neue Konkurrenten sind, als dafür, dass Regulierungen wegfallen.

Man kann sicher noch darüber diskutieren, in welchen Bereichen Regulierungen mehr oder weniger schädlich für die Offenheit von Märkten sind. Die Grundrichtung sollte für die Verteidiger einer freien Wirtschaft jedoch klar sein: Abschaffung von Regulierungen. Wenn das nicht durchsetzbar ist: gegenseitige Anerkennung von Regeln anstatt Harmonisierung.

Investitionsschutz

Die wesentliche Kritik am geplanten Investitionsschutzabkommen ist, dass hier zu wenig Demokratie und Transparenz herrschen würde. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn auch aus meiner Sicht nicht der wesentliche Punkt, an dem es anzusetzen gilt. Demokratie und Transparenz führen nicht automatisch zu mehr Marktwirtschaft, gerade wenn es um sehr detaillierte Regulierungen geht.

Die Verteidiger des Investitionsschutzes führen im Wesentlichen zwei Gründe an: Erstens sollen Unternehmen vor schlecht funktionierenden Rechtssystemen in einzelnen Ländern geschützt werden, zweitens gibt es ohnehin schon viele Investitionsschutzabkommen, die Deutschland mit anderen Ländern geschlossen, sie sind also nichts Besonderes. Dazu kommt noch, dass nichtstaatliche Gesetze für Marktwirtschaftler einen nicht geringen Charme haben. Sie sollten sich allerdings auf Fälle beschränken, bei denen sich Unternehmen vertraglich auf diese einigen. Das ist hier nicht der Fall.

Doch wichtiger ist die Frage: Sollen ausländische Unternehmen besser gestellt werden als einheimische, und warum? Sollen sie durch staatliche Verträge vor den Folgen staatlichen Handelns geschützt werden, wie es im ersten Argument gefordert wird? Staaten können sich von einem Teil der Kosten befreien, die ihre unvollkommenen Rechtssysteme der eigenen Wirtschaft auferlegen und ausländische Investoren bevorzugen. Das ist ungerecht und fördert weitere Ungerechtigkeit.

Beim vorgeblichen Kampf gegen die Diskriminierung von ausländischen Investoren handelt es sich (wenigstens auch) um eine Diskriminierung von inländischen Unternehmen, die nicht zu rechtfertigen ist. Zudem gehen so Anreize für institutionelle Reformen im jeweiligen Land verloren. Die Förderung von Investitionen im Ausland ist kein besonders freiheitliches Ziel. Solche Investitionen sollten ohne Einschränkungen von Seiten des Herkunftslandes möglich sein. Die Risiken in den Ländern, in denen sie investieren, sollten jedoch Unternehmen selber tragen und sich dagegen absichern. Wenn es denn ein Investitionsschutzabkommen gibt, und damit ist zu rechnen, sollten Anhänger der Marktwirtschaft deshalb auf zwei Punkte drängen: Die Regelungen sollten sich ausschließlich mit Diskriminierungen von Investoren beschäftigen, und sie sollten auch für die jeweiligen Inländer gelten.

Das zweite Argument hilft nur begrenzt weiter – es gibt viele Dinge, insbesondere viele Gesetze und Regelungen, die schon lange gelten und (angeblich) wenig Schaden anrichten. Eine Bewertung muss andere, unabhängige Kriterien heranziehen. Deshalb hilft auch die Feststellung wenig, dass sich europäische Unternehmen selbst oft an derartige Gerichte wenden, öfter als amerikanische, deren Klagewut ja als Schreckgespenst an die Wand gemalt wird.

Ausblick

Die beiden gerade diskutierten Punkte sind nur ein kleiner Teil der Problemfelder, auf denen Verteidiger der Marktwirtschaft TTIP etwas tun sollten. Eine andere notwendige Stoßrichtung ist etwa die Ausdehnung von TTIP auf möglichst viele Bereiche, die derzeit noch stark protektionistischen Zwängen unterliegen wie Luftfahrt, Finanzsektor etc.

Auch die Idee, dass TTIP ein Vorbild für die ganze Welt werden soll, die oft vorgebracht wird, ist wenigstens zweifelhaft. Viele sogenannte Sozialstandards beispielsweise sind ein Instrument des Protektionismus zugunsten der wohlhabenden Länder, Unternehmen und Menschen gegenüber denjenigen, die sich Wohlstand erst erarbeiten wollen.

TTIP ist aus meiner Sicht immer noch ein unterstützenswertes Projekt. Es wird mehr Möglichkeiten für freien Handel und damit freies Handeln schaffen. Die Alternativen der Gegner sind freiheitsfeindlich, etatistisch und protektionistisch. Doch sollte von denjenigen, denen die Freiheit wichtig ist, alles getan werden, damit TTIP so weit wie möglich zu einem freiheitlichen Projekt wird. Die Diskussion hat gerade erst begonnen.

Photo: Stewart Black from Flickr