Photo: j.e.mcgowan from Flickr. (CC BY 2.0)

David Cameron ist ein wahrer Europäer. Mit seiner Rede beim renommierten Londoner Think Tank „Chatham House“ über seine Vorschläge für eine Reform der Europäischen Union hat er an das appelliert, was Europa stark gemacht hat – seine Vielfalt. „Vor allem muss Europa flexibel wie ein Netzwerk operieren, nicht starr wie ein Block. Vielfalt ist Europas größte Stärke,“ so der britische Premier. So spricht kein Nationalist, der neue Grenzen aufbauen will. So spricht ein europäischer Realist, der eine evolutorische Zusammenarbeit in Europa anstrebt, der aber die demokratische Legitimation nicht permanent durch einen zersetzenden Pragmatismus aushebelt.

Netzwerk der Vielfalt

Er spricht sich für einen intensiveren Binnenmarkt aus, für mehr Wettbewerb, für fiskalische Selbstverantwortung, für Bürokratieabbau, Deregulierung und gegen den wachsenden europäischen Zentralismus. Und er stellt ein Dogma infrage – die immer engere Union, die unumkehrbar sei. Er will sich nicht durch die Eurokrise immer weiter in den Schuldensumpf hineinziehen lassen. Diejenigen im Euroraum, die immer neue Institutionen und Abhängigkeiten schaffen, sollen diese auch verantworten.
Es ist nicht nur eine Abwehrrede, wie ihm leicht unterstellt werden kann. Er will eine intensivere Zusammenarbeit beim freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital. Er reduziert die EU nicht nur auf das Ökonomische. Auch in Sicherheitsfragen will er stärker kooperieren.

Den Verfall Europas stoppen

Seine Rede kommt zum richtigen Zeitpunkt. Denn die EU steckt in einer tiefen Sinnkrise. In der Eurokrise ist der Verfall der Sitten tagtäglich spürbar. Aus bislang guten Nachbarn werden Schuldner und Gläubiger, die sich gegenseitig mißtrauen, hintergehen und erpressen. In der Flüchtlingskrise scheitert gerade die Idee der Personenfreizügigkeit zwischen souveränen Staaten, weil die deutsche Kanzlerin, ihre Vorstellung in der Asylpolitik allen anderen Staaten in Europa oktroyieren will und die Außengrenzen offen sind wie ein Scheunentor.
Großbritannien ist unendlich wichtig für ein Europa der Vielfalt. Seine große Rechtstradition mit der Magna Charta und der Bill of Rights, seine große Tradition an Freiheitsdenkern wie Adam Smith, John Stuart Mill und Edmund Burke und die Weltoffenheit des Vereinigten Königreichs als Wegbereiter des Freihandels und der Marktwirtschaft ist unersetzlich für ein freiheitliches Europa. Das Ausscheiden der Briten aus der EU würde das Koordinatensystem in Richtung noch stärkerer Umverteilung, Rechtsbeugung und Zentralismus verschieben. Das wäre fatal. Es würde den Bürokraten in Brüssel in die Hände spielen. Es ist schon bezeichnend, dass der Frage des Verbleibs von Griechenland und Zypern eine viel größere Aufmerksamkeit in Brüssel zuteil wird, als dem Verbleib Großbritanniens. Wahrscheinlich wären viele in der EU-Kommission froh, wenn die ewigen Querulanten aus London endlich gingen. Doch das sollte uns mißtrauisch machen.

Freizügigkeit: Die Achillesferse der EU

Diese Kreise wollen ein anderes Europa. Sie wollen den europäischen Superstaat durch die kalte Küche erzwingen, ohne dafür demokratisch legitimiert zu sein. Die Eurokrise ist das beste Beispiel. Ein lokales Problem wird zentral gelöst, ohne dafür substanziell die Vertragsgrundlagen zu ändern. Das Recht wird geschoben und gebogen bis es zur Unkenntlichkeit entstellt ist.
Die Personenfreizügigkeit ist die Archillesferse der Cameronschen Rede. Diese will er für neue EU-Mitglieder aussetzen, bis sie ökonomisch aufgeschlossen haben. Hier spricht der Konservative Cameron, der sich vor mehr Wettbewerb im Arbeitsmarkt fürchtet. Doch seine Lösung, EU-Bürger von sozialen Leistungen in Großbritannien für einige Jahre auszuschließen, ist dagegen konsequent und richtig. Europa braucht auch im Blick auf die Sozialsysteme Wettbewerb, bei dem die verschiedenen Systeme mit unterschiedlichen Beitrags- und Leistungsbündeln ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen können und sich langfristig die leistungsstärksten durchsetzen und Vorbildcharakter annehmen.
Der damalige EU-Kommissar Ralf Dahrendorf hat 1971 unter dem Pseudonym Weiland Europa eine scharfe Kritik am damaligen Zustand der Europäischen Gemeinschaft geübt. Im Spiegel schrieb er dazu: „Es ist nicht alles in Europa schon darum gut, weil es europäisch ist. Ein europäisches Europa ist vielmehr auch ein differenziertes, buntes, vielfältiges Europa. Es ist ein Europa, in dem gemeinsam getan und gleichartig geregelt wird, was auf diese Weise besser, ja vielleicht nur auf diese Weise sinnvoll getan und geregelt werden kann.“ So hat es damals der Liberale Dahrendorf und so ähnlich hat es jetzt auch der Konservative Cameron formuliert. Es war und ist der Weg eines freiheitlichen Europas.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Tichys Einblick.

Photo: Will Folsom from Flickr. (CC BY 2.0)

Die Rettung der überschuldeten Staaten und Banken in Südeuropa ist die Ursache der Euro-Krise. Denn damit wurde aus lokalen Problemen ein Problem der Währung gemacht. Nichts ist abwegiger als der Glaube, in einem Währungsraum dürfe kein Staat oder keine Bank pleitegehen. In den USA ist das gang und gäbe. Wenn Kalifornien seine Beamten nicht mehr bezahlen kann, dann springt dort nicht die Notenbank oder Washington ein, sondern die dortige Regierung schickt die Beamten und Angestellten des Staates in den Zwangsurlaub. Seit dem Platzen der Immobilienblase 2007 in den USA sind dort weit über 100 marode Banken vom Markt verschwunden. Und auch in der kleinen Schweiz führt die Zahlungsunfähigkeit einer Gemeinde oder eines Kantons nicht dazu, dass die Zentralregierung in Bern mit dem Steuerkoffer anrückt. Beide Fälle werden vor Ort gelöst. Entweder werden die Einnahmen erhöht oder die Ausgaben reduziert. Wenn dies nicht alleine gelingt, setzt man sich mit den Gläubigern zusammen und verhandelt über eine Umschuldung. Das ist ein bewährtes Modell, das tagtäglich in der Wirtschaft praktiziert wird.

Wenn dies jedoch nicht geschieht und fortlaufend vom Euro-Club oder der Zentralbank interveniert wird, dann wird aus einer Überschuldungskrise einzelner, plötzlich die Krise der gemeinsamen Währung, und damit die Krise aller. Die Retter haben dadurch die Schulden auf eine neue Ebene gehoben – auf die europäische. Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM ist letztlich nichts anderes, als die Vergemeinschaftung der Schulden des Euro-Clubs. Dass dies so ist, kann man an der Angleichung der Zinsen der Euro-Staaten beobachten. Neben der fortlaufenden Intervention der EZB in den Anleihenmarkt ist der ESM die Garantie für die Gläubiger, dass im Zweifel jedes Land im Euroclub herausgeboxt wird.

Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass die Bankenaufsicht nicht mehr national verantwortet wird, sondern jetzt bei der EZB angesiedelt ist. Das soll den Gläubigern suggerieren, dass nicht mehr gehadert und getrickst wird. Doch jetzt wollen sie auch noch an das Geld der Sparer in Deutschland. Mit der Vergemeinschaftung der Einlagensicherung wird den Sparer insbesondere in Südeuropa die Botschaft ausgesandt, dass ihr Geld auf dem Konto einer spanischen oder griechischen Bank genauso sicher ist, wie auf dem Konto einer deutschen. Denn wenn die Einlagensicherungseinrichtungen in Deutschland im Zweifel für die Einlagen bei spanischen, italienischen oder griechischen Banken haften, dann ist es egal, wo man sein Sparbuch führt, ob in Madrid oder Rostock.

Doch spätestens jetzt bildet sich Widerstand. 14 von 28 Euro-Staaten haben bisher noch nicht einmal die Einlagesicherungsrichtlinie der EU umgesetzt, die Einlagen bis zu 100 000 Euro garantieren soll. Die Einlagensicherungseinrichtungen in Deutschland haben Rücklagen gebildet, was sie von anderen in Europa wesentlich unterscheidet. Das ist der Grund, wieso Sparkassen, Volksbanken, aber auch die Privatbanken in Deutschland bei den Plänen der EU-Kommission für ein gemeinsames Einlagesicherungssystem im Dreieck springen.

Bislang wehrt sich die Bundesregierung noch gegen diese EU-Pläne. Doch dieser Widerstand erinnert sehr an die Bockigkeit des Finanzministers Schäuble gegen das eine oder andere Griechenlandpaket. Am Ende ist er doch immer umgefallen. Das ist auch hier zu erwarten. Schon signalisiert Schäuble Gesprächsbereitschaft, sobald alle Mitgliedsstaaten die Richtlinie umgesetzt haben. Das ist schnell gemacht. Die EU ist bislang nicht daran gescheitert, dass zu wenig Richtlinien und Verordnungen verabschiedet wurden. Gescheitert ist sie bislang immer daran, dass sich anschließend keiner daran gehalten hat. Die Europäische Union ist eben keine Rechtsgemeinschaft. Wenn sie das nicht wird, dann ist all das, was derzeit vom Zaun gebrochen wird, der Mühe nicht wert.

 
Dieser Artikel erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung am 7.11. 2015.

Photo: Mike Poresky from Flickr. (CC BY 2.0)

Von Timm Kloevekorn, Investor Verlag.

Die schleichende Abschaffung des Bargelds schreitet weiter voran. Teils offen wie in Skandinavien oder aber versteckt wie in vielen EU Ländern. So gilt z.B. in Frankreich seit September eine Obergrenze für Bargeldzahlungen von nur noch 999 €.

Auch in Deutschland planen Politiker gegen das Bargeld vorzugehen. NRW Finanzminister Walter Borjans will ein Verbot von Bargeldzahlungen über 3.000 €, und der Wirtschaftsweise Peter Bofinger spricht sich für die völlige Abschaffung von Bargeld aus. Er steht damit in einer Reihe mit dem Chefökonomen der Bank of England. Dieser forderte vor kurzem eine komplette Abschaffung, um negative Zinsen durchsetzen zu können. Auch die EU stellt mit der Geldwäsche-Richtlinie alle Bürger unter Generalverdacht, die Barzahlungen bevorzugen.

Klammheimliche Auflösung unserer bürgerlichen Freiheit

Ein bargeldloses Finanzsystem bedeutet, dass das sichere Bargeld der Zentralbanken wegfällt. Die Ersparnisse der Bürger liegen dann ausnahmslos in Form von elektronischem Buchgeld auf den Konten. Die Verbraucher können sich also ihre Sparguthaben nicht mehr einfach in sicheres Bargeld auszahlen lassen. Somit können die Zentralbanken mit negativen Zinsen die Anleger dazu zwingen, ihr angelegtes Geld für den Konsum auszugeben. Wer das Bargeld abschaffen möchte, entzieht mündigen Bürgern auch deren finanzielle Autonomie und ebnet den Weg in ein Überwachsungssystem. Alle finanziellen Transaktionen hinterlassen dann digitale Spuren. Egal ob beim Brötchenkauf am Sonntagmorgen oder beim Bier in der Stammkneipe. Die Anonymität und „geprägte Freiheit“ des Bargeldes sind dann Vergangenheit und weichen einem total durchleuchteten und überwachten Geldverkehr. Aus dem mündigen Konsumenten wird eine gläserne Marionette eines übermächtigen Überwachungsstaates. In Schweden und Dänemark zirkulieren schon konkrete Pläne, das Bargeld komplett abzuschaffen. Die dänische Zentralbank will überhaupt kein Bargeld mehr zu drucken. Die Pflicht zur Bargeldannahme von Tankstellen und Restaurants wurde bereits aufgehoben.

Wir fordern: Bargeldabschaffung unterbinden und Freiheitsrechte der Bürger garantieren!

Von den angeblichen Vorteilen eines bargeldlosen Geldsystems profitieren nur Finanzdienstleister und staatliche Behörden. Sie können dann sämtliche Finanzströme – und damit auch Sie selbst – ausnahmslos kontrollieren und überwachen. Die Verbraucher, die sich laut einer Umfrage mehrheitlich für den Bargeldkauf und gegen den elektronischen Zahlungsverkehr aussprechen, bleiben hingegen auf der Strecke. Ihre Freiheitsrechte werden bereits jetzt durch EU-Regularien systematisch zurückgedrängt. Eine Abschaffung des Bargeldes verstärkt diese gefährliche Entwicklung noch weiter und ebnet endgültig den Weg zum gläsernen und unmündigen Bürger. Politische Entscheidungsträger müssen daher jetzt entschieden handeln und sich gegen die Abschaffung des Bargeldes positionieren – und damit die Freiheitsrechte der Bürger garantieren!

Zeichnen Sie daher hier unsere Petition gegen die Abschaffung des Bargelds!

Über 41.000 Menschen unterstützen die Petition bereits! Bitte informieren Sie auch Ihre Familie, Freunde und Bekannte über die Petition, damit wir die größtmögliche Zahl an Unterstützern erreichen können!

Photo: Hugo Chisholm from Flickr. (CC BY-SA 2.0)

Insbesondere in Krisenzeiten für Europa werden zwei Forderungen oft wiederholt: „Hin zum Bundesstaat“ und „Zurück zum Nationalstaat“. Beides wird dem eigentlichen Wesen Europas nicht gerecht, das in der Wertschätzung von Individuum und Vielfalt besteht.

Zurück zu den Nationalstaaten oder hin zum Bundesstaat?

Ob Griechenland, Großbritannien oder Flüchtlinge. Ganz offensichtlich sind die gemütlichen Zeiten vorbei, in denen die EU einen sanften, aber stetigen Integrationskurs nahm: immer tiefer und immer breiter. Vorbei die Zeiten, in denen sich die Intellektuellen in den Feuilletons den Kopf darüber zerbrachen, wie die EU demokratisiert werden könne. Vorbei die Zeiten, in denen sich der ganze Kontinent zu freuen schien, dass nun schon wieder ein neues Mitglied in den Club aufgenommen wurde. Vorbei auch die Zeiten, in denen kritische Stimmen sich hauptsächlich mit Überregulierung und dem „Bürokratiemonster“ Brüssel herumschlugen. Seit ein paar Jahren stellen sich der EU ganz andere, fundamentalere Herausforderungen.

Die Antwort auf diese Herausforderungen sehen die allenthalben gestärkten Rechtspopulisten und Nationalisten darin, den grundsätzlichen Fehler einer Europäischen Union zu korrigieren – durch einen Austritt oder zumindest durch eine deutliche Rückführung von Souveränität zum Nationalstaat. Auf der anderen Seite der Debatte stehen enthusiastische Anhänger der EU, die in den heutigen Krisen eine historische Chance sehen, nun endlich den konsequenten Weg zu einem europäischen Bundestaat zu Ende zu gehen. In ihrer Rhetorik und manchen ihrer Argumenten ähneln sie freilich bisweilen den Wegbereitern moderner Nationalstaaten: Man müsse nun zusammenhalten, die Bedrohung von außen sei nur gemeinsam zu bewältigen, das europäische Bewusstsein müsse sich endlich auch institutionell niederschlagen.

Für ein Europa der Kooperation

Dabei stand am Beginn der Europäischen Bewegung eigentlich ein anderer Gedanke: Der historische Fehler des Nationalismus sollte korrigiert und der Nationalstaat überwunden werden. Der Blick auf die Geschichte Europas zeigt: Seine Stärke lag niemals im Einheitlichen, Monolithischen. Ganz im Gegenteil: die wesentlichen Fortschritte Europas, sowohl im Blick auf die Herausbildung einer freiheitlichen Kultur, als auch im Blick auf seinen hohen Wohlstand, wurden durch Flexibilität, Vielfalt und Wettbewerb erreicht. Das Verständnis für den hohen Wert des Individuums, das unsere freiheitliche Kultur hervorgebracht hat, ist entstanden in einem politischen und sozialen Umfeld, in dem eine Vielzahl an Lebensweisen und Religionen miteinander im Wettstreit standen. In einem Umfeld, in dem der Ausbau der eigenen Fähigkeiten im Kontext von Arbeitsteilung gewaltige ökonomische Fortschritte zeitigte.

Wenn Europa sich selbst treu bleiben soll und wenn es sich weiterhin frei und prosperierend entwickeln soll, dann darf es um keinen Preis seine Vielfalt und Buntheit zugunsten von Einheit und Zusammenhalten aufgeben. Mag auch die Versuchung noch so groß sein, in einer Gemeinschaft Schutz zu suchen vor den Herausforderungen und Gefährdungen, die sich immer wieder stellen. Dass dann jeder nur für sich kämpft, ist allerdings mitnichten die einzige Alternative zu einem europäischen Bundesstaat mit zentralistischen Tendenzen. Die europäische Alternative muss heißen: Kooperation. Denn die Kultur der Vielfalt war nur deshalb erfolgreich, weil sie mit der Bereitschaft einherging, sich auf andere einzulassen und mit ihnen zu kooperieren. Vielfalt heißt nicht Vereinzelung und Abschottung. Vielfalt heißt Ergänzung und Kooperation.

Konsens und Kooperation, Flexibilität und Vielfalt – das Erfolgsrezept Europas

Das Europa der Zukunft muss eine Europa sein, das sich auf diesen Kernbestand seiner Identität zurückbesinnt anstatt die Fehler des 19. Jahrhunderts zu wiederholen. Konkret kann das etwa heißen, die immer mal wieder auftauchende Idee des Europas der Regionen aufzugreifen und das Prinzip der Subsidiarität konsequent durch zu deklinieren. Möglichst kleine Einheiten mit einem möglichst hohen Maß an Autonomie können dann im Sinne der Clubtheorie selber entscheiden, welchen gemeinsamen Projekten sie sich anschließen – freilich stets auch mit der Möglichkeit, die Projekte wieder zu verlassen. Unterschiedliche Problemlösungsansätze können so miteinander in Wettbewerb treten und voneinander lernen. Konsens und Kooperation, Flexibilität und Vielfalt sind zentraler Steuerung und allgemeinverbindlichen Entscheidungen weit überlegen. Sie waren schon immer das Erfolgsrezept in Europa.

Die Aufgabe der Europäischen Union wäre in einem solchen Europa nicht zentrale Steuerung, sondern Garant zu sein für die Einhaltung und Durchsetzung allgemeiner Regeln, insbesondere im Blick auf den Schutz von Freiheit und Eigentum. Zweck europäischer Institutionen wäre die Begleitung von Kooperation, ein Forum des Austausches zu sein – und eben nicht ein Instrument zur Durchsetzung nationaler Egoismen. Die Zukunft Europas hängt wesentlich davon ab, dass es sich auf sein Erfolgsrezept zurückbesinnt: Das Maß aller Dinge ist das Individuum. Freiheit und Wohlfahrt gedeihen dort am besten, wo das Individuum den größten Spielraum hat – sowohl bei der Selbstentfaltung als auch bei der Auswahl seiner Kooperationspartner. Nicht konkrete politische Ziele dürfen im Mittelpunkt des Projekts Europa stehen, sondern der Schutz von Flexibilität, Wettbewerb und Vielfalt. Jean Monnet, einer der Vordenker der Europäischen Union, fasste diesen Grundgedanken einmal zusammen mit den Worten: „Wir einigen keine Staaten. Wir verbinden Menschen.“

In der heutigen FAZ erscheint das von unseren Kuratoriumsmitgliedern verfasste „Manifest für ein konföderales Europa“. Es ist der Auftakt einer langfristigen Kampagne von Prometheus, die unter dem Motto „Europa der Bürger“ die Debatte über die Zukunft Europas im Sinne der Freiheit beeinflussen möchte.

Photo: Lucélia Ribeiro from Flickr. (CC BY-SA 2.0)

Von vielen wird die digitale Währung Bitcoin nicht ernst genommen. Für die einen ist sie ein gigantisches Schneeballsystem, das irgendwann in sich zusammenbrechen wird. Für die anderen sind Bitcoins so etwas wie eine geheime Erfindung des Chaos Computer Clubs, bei der irgendwelche langhaarigen Nerds sich einen Spaß daraus machen, eine Pizza damit zu bezahlen. Beides ist Bitcoin nicht: weder ist es ein Schneeballsystem, noch eine Erfindung des Chaos Computer Clubs.

Unter Ökonomen galt die private Währung als eine Schnapsidee. Nur staatliches Geld sei gutes Geld. Die Idee, staatliche und private Währungen im Wettbewerb miteinander konkurrieren zu lassen, stammt vom Ökonomienobelpreisträger Friedrich August von Hayek. Hayek vertrat die Auffassung, dass die Geldpolitik der Notenbanken und das staatliche Geldmonopol ursächlich für die immer wiederkehrenden Finanzkrisen verantwortlich seien. Diese Krisen ließen sich nur durch die Zulassung privater Währungen verhindern. In einer Wettbewerbssituation würde sich gutes, also privates Geld, durchsetzen und damit auch das staatliche Geld disziplinieren. Denn kein Mensch würde freiwillig schlechtes Geld halten wollen, wenn er es jeder Zeit in gutes Geld umtauschen könnte. Doch selbst bekennenden Anhängern der Marktwirtschaft ist das zu viel des Guten.

Für die Kritiker ist auch die junge Entwicklungsgeschichte der Cyber-Währung ein Beleg für die mangelnde Tauglichkeit. 2013 betrug der Bitcoin-Kurs fast 900 Euro. Anschließend schmierte er auf 200 Euro ab. Der Hype war vorbei. Seitdem herrscht Ruhe im Blätterwald. Lediglich Betrugsfälle, wie der der japanischen Bitcoin-Börse Mt. Gox im Februar 2014 machte nochmals richtig Schlagzeilen. Neuigkeiten über die private Währung findet man seitdem nur noch in Blogs oder kleinen Zeitungsmeldungen. Seit Oktober bekommt die Cyber-Währung jedoch wieder neuen Schwung und erreichte in dieser Woche einen Kurs von fast 400 Euro.

Es gibt viele Spekulationen um den erneuten Aufschwung. Sehr wahrscheinlich ist, dass eine größere Rechtssicherheit die schnellere Verbreitung fördert und daher auch den Kurs beeinflusst. Bitcoins sind zwar unreguliert, dennoch treffen sie, sobald sie an Börsen gehandelt oder damit spekuliert wird, auf diverse rechtliche Problemstellungen. Wie ist die steuerliche Situation? Und wie werden die Handelsplätze reguliert? In Deutschland sind Kursgewinne von Bitcoins nach einem Jahr steuerfrei. Seit wenigen Tagen ist nach einem Urteil des EuGH auch klar, dass der gewerbliche Verkauf von Bitcoin nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Das hat dem Kurs sicherlich nicht geschadet. Lange Zeit war unterstellt worden, dass auf dem wichtigen chinesischen Markt Bitcoins verboten oder zumindest von der dortigen Regierung diskriminiert werden. Jetzt gibt es erste Stimmen der Entwarnung, was auch den Kurs beflügeln könnte. Und wahrscheinlich ist auch die Prognose, dass voraussichtlich am 25.07.2016 das Schürfen neuer Bitcoins um die Hälfte reduziert wird, für Anleger ein Anreiz, jetzt zuzuschlagen. Denn die maximale Anzahl von Bitcoins ist auf 21 Millionen beschränkt.

Doch neben der Vereinfachung des Zahlungsverkehrs und der Spekulation auf Kursgewinne ist die eigentliche Faszination vieler Marktteilnehmer die dahinterliegende Technologie. Dieses als Blockchain-Technologie bezeichnete Verschlüsselungssystem ist eben nicht nur zum Kauf einer Pizza geeignet, sondern eröffnet in der Zukunft vielfältige Möglichkeiten, um Prozesse, Verträge, Eigentumsverhältnisse und vieles andere mehr rechtssicher abzuwickeln und zu dokumentieren. Dafür bedarf es keiner Behörde oder staatlicher Aufsicht, sondern die Transaktion wird in einem öffentlichen Protokoll im Internet abgelegt, das von allen kontrolliert werden kann.

Faszinierende Möglichkeiten können sich dadurch in der Zukunft eröffnen. In Ländern mit korrupten staatlichen Strukturen könnten Grundbücher, Handelsregister oder Standesämter überflüssig werden, denn all deren Aufgaben können rechtssicher auch über die Blockchain abgebildet werden. In Griechenland müsste man beispielsweise nicht mehr bis zum Sankt-Nimmerleinstag auf ein Grundbuch warten, das Millionen kostet und doch nie kommt. In Afrika könnten Unternehmensgründungen oder –käufe rechtssicher auch ohne die Einrichtung eines staatlichen Handelsregisters erfolgen. Und in China könnten Eheschließung über die Blockchain für alle dokumentiert werden.

Inzwischen gibt es viele Startups, die Produkte und Anwendungen der Blockchain-Technologie entwickeln. Viel Risikokapital wird dafür in Amerika und Großbritannien zur Verfügung gestellt. Hayeks visionäre Idee verband er mit einem Aufruf: „Was wir nun brauchen, ist eine Freigeld-Bewegung, die der Freihandels-Bewegung des 19. Jahrhunderts vergleichbar ist.“ Diese neue Bewegung sollte Deutschland nicht verpassen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Tichys Einblick.