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Im heutigen Papiergeldsystem sind alle Märkte politische Märkte. Das macht es so schwierig, sie wirklich zu beurteilen. Denn sie müssen nicht aus Marktsicht beurteilt werden, sondern aus politökonomischer Sicht. Und das ist eine andere Welt. Diese Welt ist nicht von Individuen und ihren Präferenzen geprägt, sondern von Gruppeninteressen und zentralem Handeln von Regierenden. Hier herrscht eine andere Logik.

Sie hat etwas damit zu tun, wie sich gut organisierte Gruppen gegenüber der Mehrheit durchsetzen. Kleine Gruppen können sich besser organisieren und gleichgerichtete Interessen besser bündeln als große. Daher können sie besser auf Regierungen und politische Entscheider einwirken. Große Gruppen sind dagegen zu indifferent und schaffen es daher meist nicht, ihre Positionen so zuzuspitzen, dass sie geballt und schlagkräftig auftreten können. Die Steuerzahler sind so eine große Gruppe. Ihnen gelingt es offenkundig nicht, sich für eine große Steuerreform oder Steuersenkungen zu organisieren und durchzusetzen. Wolfgang Schäuble weiß das und deshalb nimmt er entsprechende Forderungen des Bundes der Steuerzahler nicht sehr ernst. Dagegen gelingt es der Solarbranche, der Windenergieindustrie oder bald auch den Produzenten von Elektroautos, Hilfen, Subventionen oder anderweitige Erleichterungen durchzusetzen. Sie gehören alle einer kleinen Gruppe von Unternehmen an, die Sonderinteressen klar formulieren und daher auch durchsetzen können.

Das alles ist nicht neu. Bereits in den späten 1960er Jahren erkannte der Ökonom Mancur Olson die Bedeutung kleiner Gruppen und untersuchte deren Verhalten und Wirkung. Seine These war: Wenn sich kleine Gruppen von gleichgerichteten Interessen zusammenschließen, dann kann ihnen diese enge Beziehung eine Stärke geben, die sie in die Lage versetzt, wesentlich größere Gruppen auszubeuten.

Auf den Finanzmärkten heißt das: Die kleine Gruppe der Banken ist in der Lage, ihre Interessen gegenüber der Regierung viel besser zu bündeln und vorzutragen, als es dem Sparer oder Steuerzahler jemals gelingen wird. Denn alle Banken haben das gleiche Interesse: sie wollen ihre Überschuldungssituation auf die Sparer und Steuerzahler überwälzen. Spätestens seit dem Ausbruch der jüngsten Finanzkrise 2007/08 hatten die Banken mit ihren Erpressungsversuchen Erfolg. Sie stellten die Regierungen weltweit vor die Wahl: „Entweder ihr rettet uns oder ihr habt ein Problem, weil das Finanzsystem kollabiert.“ Als die eine oder andere Regierung zögerte zu intervenieren, ließ die Kleingruppe der Banken eine von ihnen Pleite gehen. Die Lehman-Pleite ist bis heute das Trauma jeder Regierung. Keine will ein zweites Lehman erleben. Seitdem wird gerettet was das Zeug hält. Entweder durch Geld der großen Gruppe der Steuerzahler oder durch billiges Geld der Notenbanken, das mittelbar die große Gruppe der Zinssparer bezahlen muss.

So führt die Intervention in die Finanzmärkte zu einer immer größeren Abhängigkeit der Regierungen von den Banken. Denn der Preis jeder einzelnen Rettung ist eine noch stärkere Kontrolle und Regulierung der Banken. Denn, so die Argumentation, wenn diese angeblich eine systemische Gefahr darstellten, dann sei es nur recht und billig, sie stärker an die Kandare zu nehmen. Doch die Wirkung einer kürzeren Leine für die Banken ist nicht eine größere Stabilität des Finanzsystems, sondern das Gegenteil. Der Markteintritt wird durch regulatorische und bürokratische Hürden erschwert. Fusionen werden durch die erhöhten Anforderungen erzwungen. Und die Konzentration im Finanzmarkt nimmt weiter zu. Schon heute ist es fast unmöglich, eine neue Bank auf der grünen Wiese zu gründen. Wer dies anstrebt, kauft sich einen „Bankenmantel“, um hinein zu schlüpfen. Und schon heute haben es kleinere Privatbanken, Genossenschaftsbanken oder Sparkassen schwer, mit den steigenden Berichtspflichten gegenüber BaFin, Bundesbank, EZB, EBA und wie sie alle heißen zurechtzukommen. Die Folge ist, dass der Kostenapparat steigt. Gleichzeitig sinken die Erträge dieser kleineren Institute. Sie sind darauf angewiesen, Zinsgewinne zu erwirtschaften. Doch wo es keine Zinsen mehr gibt, kann auch nichts erwirtschaftet werden. Die Ertragskraft bricht den Sparkassen und Volksbanken durch die langanhaltende Niedrigzinsphase weg. Ihr kostenintensiver Filialbetrieb lässt sich auf Dauer mit Festgeldern und Sparbüchern ohne Zinsen und Zinsmargen nicht mehr finanzieren. Es wird in den nächsten Jahren ein massives Filialsterben und eine Arbeitsplatzabbau geben, weit über das ohnehin angestrebte Maß hinaus. Die Folge werden weniger und größere Banken sein. Ihr Erpressungspotential gegenüber den Regierenden wird daher noch steigen – und so geschieht dann das Gegenteil dessen, was die Regulierer eigentlich wollten.

Nicht anders geht es den Versicherungen in Deutschland. Auch sie sind auf Zinsmargen angewiesen. Dabei ist es fast schon egal, ob es sich um Kranken-, Lebens- oder Sachversicherung handelt. Alle müssen ihre Beitragsgelder überwiegend in Zinspapieren anlegen. Zumindest Kranken- und Lebensversicherungen können ihre Zinserträge nicht einfach auf Null zurückfahren, denn die gesetzlich zugesagten Garantiezinsen müssen erfüllt werden. Zwar wurde der Garantiezins für das Neugeschäft bei Lebensversicherungen auf 1,25 Prozent gerade reduziert, jedoch liegt der durchschnittliche Garantiezins immer noch um die 3 Prozent, die mit herkömmlichen Staatanleihen nicht mehr zu erwirtschaften sind. Ein Gros der Lebensversicherungen stammt aus einer Zeit zwischen 1994 und 2000, als die Versicherer ihren Kunden noch einen Garantiezins von 4 Prozent zusagten. Doch insbesondere die Lebensversicherungen werden noch durch ein zusätzliches Problem belastet: Sie sind auf das Neugeschäft angewiesen. Ohne Neugeschäfte kann der interne Kostenapparat nicht finanziert werden. Das klassische Lebensversicherungsgeschäft ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Viele Lebensversicherer, wie die Talanx-Gruppe, stellen daher ihr Neugeschäft gänzlich ein. Es drohen in Deutschland japanische Verhältnisse. Anfang des Jahrtausends gingen dort sieben Lebensversicherer Pleite, weil sie aufgrund der langanhaltendenden Niedrigzinspolitik der japanischen Notenbank ihr Garantieversprechen nicht mehr erfüllten konnten. Anschließend senkte die japanische Regierung rückwirkend den Garantiezins für bestehende Verträge. Es war eine direkte Enteignung der Lebensversicherungssparer.

Doch die Lebensversicherer sind eine ebenso kleine wie mächtige Gruppe. Auch sie sind in der Lage, als kleine Gruppe, ihre Interessen gezielt zu bündeln und durchzusetzen. Bereits jetzt haben sie Vorsorge getroffen, um ihre Anlagemöglichkeiten zu erweitern. Erst kürzlich hat die Bundesregierung die Anlagevorschriften für Lebensversicherungen erweitert. Jetzt kann die Assekuranz leichter in die Energiewende investieren. Hier trifft es sich gut, dass der eine stark regulierte Bereich auf den anderen, mindestens genauso stark regulierten Bereich trifft. Durch die regulierten Netzentgelte kann damit faktisch eine Mindestverzinsung für das Anlagekapital der Lebensversicherungen garantiert werden. So kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Lebensversicherungen retten und die Energiewende.

Die Folge der Politisierung der Finanzmärkte ist, dass sie sich auf nichts mehr verlassen können. Rechnen Sie damit, dass die Regierung direkt oder indirekt einen Zugriff auf Ihr Vermögen plant. Die Zeit des billigen Geldes wird noch eine ganze Zeit anhalten und damit die Preise von Vermögensgütern weiter aufblähen. Und das wird dann bei Politikern Begehrlichkeit wecken, davon etwas abzuschöpfen. Höhere Steuern werden wohl die Folge sein. Bei den Immobilien ist das bereits zu spüren. Hebesätze von 1000 Punkten bei der Grundsteuer und 6,5 Prozent bei der Grunderwerbsteuer sind erst der Anfang. Das Buch von Thomas Piketty „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ ist für die Umverteiler in den Parteien die Blaupause. Er fordert hohe Vermögensteuern und eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 82 Prozent. Gleichzeitig wird der Goldpreis von den Notenbanken gedrückt. Denn ein steigender Goldpreis wäre der Indikator für die nächste Krise. Das will keiner in den Elfenbeintürmen der Notenbanken und so werden sie den Goldpreis mit immer noch mehr Papiergold manipulieren.

Wer das alles ändern will, muss an die Wurzel des Übels heran – das Geldsystem. Die Produktion von Geld aus dem Nichts, durch die Notenpresse auf der einen Seite und die Geldschöpfung der Banken durch die Kreditvergabe auf der anderen Seite, ist die Ursache für die Übertreibungen an den Märkten für Vermögenspreise und das Erpressungspotential der Banken. Um diesen Teufelskreis zu überwinden, bedarf es Alternativen. Alternativen des Geldes. Das staatliche Geldmonopol muss durch Geldwettbewerb ersetzt werden. Dann, und nur dann, ist eine Hinwendung zu gutem Geld und zu realem Wirtschaften möglich.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Informationsbrief „Sicheres Geld“.

Von Gordon Kerr und John Butler unter Mitwirkung von Enrico Colombatto.

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Einige Zentralbanker spielen mit dem Gedanken, das Bargeld abzuschaffen, um negative Zinsen setzen zu können. Die negativen Folgen einer solchen geldpolitischen Maßnahme wären maßgeblich und zahlreich. Am Ende würde sie vor allem Armen und Sparern Schaden zufügen.

Lösung der Krise: Negative Zinsen und Bargeldabschaffung?

Auch wenn sich Kritik an ihrer Politik zaghaft ausnimmt, führende Zentralbanker wissen, dass ihre lockere Geldpolitik gescheitert ist. Auf die Frage, was er für das größte Risiko für die Finanzstabilität halte, antwortete Andrew Haldane von der Bank of England vor einem Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments 2013 mutig: „Lassen Sie uns ehrlich sein. Wir haben absichtlich die größte Staatsanleihenblase der Geschichte herbeigeführt.“ Daraufhin hin wurde er zurechtgewiesen und von seinem Posten als Head of Financial Stability der Bank of England abberufen.

Am 18. September 2015 – nunmehr zurück als Chefökonom der Bank of England – machte Haldane in seiner Analyse eine Rolle rückwärts und schloss sich einer wachsenden Gruppe globaler Finanzkoryphäen an, die „die Lösung der Krise“ in einer Kombination aus negativen Zinsen und der Abschaffung von Bargeld sehen. Seit Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff im April 2014 ein Paper veröffentlichte, indem er das Für und Wider einer Abschaffung des Bargeldes diskutierte, sprachen sich andere bekannte Ökonomen wie Willem Buiter, Chefökonom der Citygroup, Nobelpreisträger Paul Krugman oder auch Peter Bofinger, Mitglied des deutschen Sachverständigenrates, für eine Abschaffung des Bargeldes aus.

Einige Staaten ergreifen erste Maßnahmen

Die Möglichkeit einer Bargeldabschaffung muss ernst genommen werden. Eine Reihe von Regierungen strebt die Abschaffung bereits an. Dänemark hat angekündigt, es Tankstellen, Geschäften und Restaurants zu erlauben, Bargeld zu verweigern und auf elektronische Zahlungen zu bestehen.

Viele Länder haben die maximal zulässige Grenze für Cash-Transaktionen gesenkt. Frankreich nutzte die Charlie Hebdo Gräueltaten dieses Jahres als Vorwand, um die Grenze zulässiger Bargeldtransaktionen von 3.000 auf 1.000 Euro zu senken, weil die Terroristen teilweise mit Barmitteln finanziert wurden.

Negative Zinsen: Fortsetzung der gescheiterten Geldpolitik

Die Argumente für negative Zinsen sind ziemlich offensichtlich. Nach fast 7 Jahren Niedrigzins- und Nullzinspolitik, die nicht zur erhofften wirtschaftlichen Erholung geführt haben, ist klar, dass mehr getan werden muss. So lautet jedenfalls das scheinbar weitverbreitete Credo. Deshalb bräuchte man nun negative Zinsen.

US-Daten zeigen nämlich, dass die erhoffte Erholung keineswegs sicher eingesetzt hat. Das reale BIP pro Kopf stieg von 49.500 US-Dollar in 2007 (4. Quartal) nur auf 50.900 US-Dollar im Jahr 2015 (2. Quartal). Der Anteil beschäftigter Männer im Alter von 25 bis 54 sank von 87,3% im Jahr 2007 (4. Quartal) auf 84% im Jahr 2014 (4. Quartal). Diese Daten deuten auf das Scheitern der Niedrigzins- und Nullzinspolitik hin und implizieren, dass eine Negativzinspolitik eine letzte, verzweifelte geldpolitische Maßnahme ist.

Viele Beobachter scheinen eine negative Zinspolitik jedoch als natürliche Entwicklung zu akzeptieren. In einigen Ländern haben Banken bereits negative Zinsen auf Bankeinlagen erhoben – dies aber nur auf einem sehr bescheidenen Niveau. So führte eine Reihe Schweizer Banken im Januar Gebühren (negative Zinsen) von etwa 0,7% pro Jahr auf Einlagen von über 100.000 Franken ein.

Idee negativer Zinsen bedarf Abschaffung des Bargeldes

John Butler hat sich 2012 unter Berufung auf Forschungsergebnisse aus der New Yorker Federal Reserve über die möglichen unbeabsichtigten und schädlichen Folgen negativer Zinsen geäußert. Er beschreibt die Tendenz zur Negativzinspolitik als ein „pathologisches Element“. Denn Zentralbanker wissen in der Tat, dass es einen Punkt gibt, an dem Anleger der Negativzinspolitik widerstehen. Nehmen wir an, die Zinsen fallen auf -5%. Dann werden sich Unternehmen finden, die eine Art Verwahrservice für große Bargeldguthaben mit einer Gebühr von nur 4% anbieten.

Banken werden dann reihenweise scheitern, weil ihre Kunden ihre Depositen abziehen würden. Dies wäre gleichbedeutend mit einem Run auf Banken, da die Banken angesichts ihres derzeitigen Leverages und der (zeitlichen) Inkongruenz von Vermögenswerten und Schulden nicht in der Lage wären, den Wünschen ihrer Kunden nachzukommen. Die Zentralbanker wissen deshalb, dass sie eine Negativzinspolitik nur dann wirklich umsetzen können, wenn es kein Bargeld mehr gibt.

Bargeldabschaffung hätte vielfältige negative Folgen

Kevin Dowd erklärt in seinem neuesten Paper, dass eine Negativzinspolitik deshalb nicht nur makroökonomischer Unsinn wäre, sondern die sozialen und wirtschaftlichen Folgen einer einhergehenden Abschaffung von Bargeld erschreckend wären. Sollte eine solche Politik umgesetzt werden, hätte sie massive negative Auswirkungen auf die Wohlfahrt, Eigentums- sowie Bürgerrechte und würde die Beziehung zwischen dem Individuum und dem Staat grundlegend verändern.

In der Praxis würde das Fehlen von Bargeld vor allem den Armen und Mittellosen Schaden zufügen. Die Idee einer bargeldlosen Welt geht davon aus, dass jeder die erforderlichen digitalen Technologien und Fähigkeiten besitzt, die zur Nutzung notwendig wären. Es wird weiterhin davon ausgegangen, dass das digitale System fehlerfrei arbeitet. Mit beidem ist jedoch nicht zu rechnen. Auf Almosen Angewiesene wäre zudem gewiss nicht geholfen. Wer heute einen Euro in bar gibt, wäre vermutlich weniger dazu geneigt, wenn für die Transaktion zunächst digitale Koordinaten ausgetauscht werden müssten.

Negativzinspolitik macht Sparen weniger attraktiv

Auch relativ gutgestellte Mitglieder der Gesellschaft wären betroffen. Eine der Bargeldabschaffung folgende Negativzinspolitik würde Anreize setzen, mehr zu konsumieren und somit weniger zu sparen. Wir sollen essen, trinken und fröhlich sein; zumindest wenn es nach den Zentralbanken geht.

Die Aufmerksamkeit für die Idee der Bargeldabschaffung mit dem Ziel negativer Zinsen mag aber auch Vorteile haben, wie Alistair McLeod von GoldMoney schreibt: „Die Negativzinspolitik macht monetäre Inflation als versteckte Steuer, der sich die Gesellschaft im Allgemeinen nicht bewusst ist, sehr deutlich. Bereits die Nullzinspolitik hat hohe nicht-finanzierte Pensionsverpflichtungen geschaffen … aber wie sollen Pensionsverpflichtungen bei negativen Zinsen überhaupt bewertet werden? Sparern, also der Mehrheit der Verbraucher, steht eine böse Überraschung bevor.“

Dieser Beitrag erschien zuerst bei dem Institute for Research in Economic and Fiscal issues.

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„Not macht erfinderisch.“ So geht es auch dem einen oder anderen Gesetzgeber. Die Hamburger Bürgerschaft beispielsweise hat Anfang Oktober aus der Not, Asylbewerber unterbringen zu müssen, sogar eine Tugend machen wollen. Das Parlament der freien Hansestadt kreierte im „Gesetz für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ einen neuen Paragraphen. Dieser erlaubt dem Senat, unter bestimmten Voraussetzungen private Grundstücke und Gebäude zur Flüchtlingsunterbringung „sicherzustellen“. Sicherstellen meint enteignen. Der Enteignung sind in unserer Rechtsordnung verfassungsmäßige Grenzen gesetzt. Sie ist „nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“ (Art. 14, Abs. 3, Satz 1 GG).

Auf den ersten Blick unterscheidet uns dies von einem Willkürstaat. Doch was ist das „Wohl der Allgemeinheit“, das „Gemeinwohl“ oder „öffentliches Interesse“? Kann es das überhaupt geben? Die Ideengeschichte ist voll von Definitionen und Interpretationen. Heute verstehen viele darunter die „positive“ Gewalt der Exekutive gegenüber dem Einzelnen. „Positiv“ meint: die Regierung definiert was dem Allgemeinwohl dient und setzt es im Zweifel mit Polizeigewalt durch.

Das ist gefährlich. Denn kein Regierung, kein Parlament und kein Beamter kann wissen, was Millionen Menschen für Ideen, Wünsche und Vorstellungen haben. Wer Wohnungen heute enteignet, weiß morgen nicht, welche Wirkungen dies auf Investoren in den Wohnungsbau, auf den Eigentümer selbst oder auf das räumliche Umfeld der Wohnung hat. Vielleicht führt es dazu, dass der private Wohnungsbau zum Erliegen kommt, weil die Investoren glauben, die Regierung würde auch sie enteignen – wer weiß? Das Gesetz würde dann nur auf den ersten Blick sein Ziel erreichen.

Die Durchsetzung des „Gemeinwohls“ durch Regierung und Parlament führt deshalb unweigerlich und zwangsläufig zu Fehlentscheidungen, Ungerechtigkeit und Despotie. Und es trägt die freie Gesellschaft zu Grabe. Denn die Existenz einer freien Gesellschaft setzt zwingend voraus, dass die Regierung und das Parlament sich eben nicht als allwissend begreifen und nicht Normen und Ziele vorgeben, die sie mit planwirtschaftlicher Akribie durchsetzen.

Es trägt die freie Gesellschaft zu Grabe, weil deren zwingende Voraussetzung die auf privatem Eigentum basierende marktwirtschaftliche Ordnung ist. Denn nur dort kann der Einzelne seine individuellen Ideen, Wünsche und Vorstellungen realisieren. Diese erfüllen sich nicht in jedem Fall, sondern es werden auch immer wieder Fehlentscheidungen getroffen. Doch diese Entscheidungen werden selbst verantwortet, andere lernen daraus und vermeiden diese Fehler. Diese Lernkurve durchleben der Staat und seine Handelnden nicht. Im Gegenteil: funktionieren die Maßnahmen nicht und erreichen sie das definiert Ziel nicht, dann wird noch eine Schippe draufgelegt, mehr Geld in die Hand genommen und noch mehr in individuelle Recht eingegriffen.

Wenn die Regierung die freiheitliche Ordnung durch einen immer stärkeren Eingriff in das Eigentum aushöhlt und am Ende nur noch eine leblose Hülle, ein leerer Pappkarton oder eine abgegraste Allmende übrig bleibt, dann ist am Ende niemand geholfen. Es hilft auch nicht den Asylbewerbern, wenn die Grundlage für den Wohlstand des Landes nur noch zombiehaft vorhanden ist.

Begriffe wie „Gemeinwohl“ oder „Wohl der Allgemeinheit“ können in einer freien Gesellschaft deshalb nie vom Ergebnis her definiert werden, sondern nur als abstrakte Ordnung, die sich eben gerade nicht an konkreten Zielen ausrichtet, sondern dem Einzelnen Chancen ermöglicht, aus seinen Fähigkeiten das Beste zu machen. Daraus ergibt sich die von Friedrich August von Hayek beschriebene spontane Ordnung. Deren Bedeutung liegt darin, „dass sie eine friedliche Zusammenarbeit zum wechselseitigen Nutzen der Menschen über den kleinen Kreis derjenigen hinaus ermöglicht, die dieselben konkreten Ziele verfolgen“.

Deshalb kommt in einer freien Gesellschaft der Regierung nicht die Kompetenz zu, Recht durch Zwang zu ersetzen, sondern nur, eine abstrakte und zweckunabhängige Ordnung zu schaffen. Innerhalb dieser Ordnung verfolgen Menschen ihre individuellen Lebenspläne, die mal erfolgreich und mal weniger erfolgreich sind. Diese freie Gesellschaft hat jedoch die Kraft und die Fähigkeit, sich zu entwickeln.

Die Flucht vor Krieg und Elend im Nahen Osten, Nordafrika oder Afghanistan ist auch eine Flucht aus geschlossenen und daher rückständigen Gesellschaften. Deren Methoden sollten wir in Deutschland nicht übernehmen.

Die Börsen-Zeitung ist sicherlich die teuerste Tageszeitung in Deutschland. 4,40 Euro kostet das Einzelexemplar. Qualität hat seinen Preis. Die kleine, aber feine Frankfurter Postille gehört zweifelsohne zum Besten was der deutsche Zeitungsmarkt zu bieten hat. Deshalb verwundert es nicht, wenn deren Chefredakteur Claus Döring in der vergangenen Woche in Berlin den Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik erhalten hat. Seit Jahren schreibt Döring kompromisslos für die Marktwirtschaft ohne Rücksicht auf die Großen.

In seiner Dankesrede hat er sich mit dem Volkswagen-Konzern und seiner aktuellen Krise beschäftigt. Seine These ist, dass der große Einfluss des Staates und der Gewerkschaften bei VW ein Umfeld geschaffen hat, das Kungeleinen des Vorstands mit den Gewerkschaften und dem Betriebsrat zu Lasten der privaten Eigentümer möglich machte und damit ein Klima des „Wegschauens“ erzeugte. Da ist sicherlich was dran.

Denn ohne die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat geht bei VW nichts. Beschlüsse zu Errichtung und Verlagerung von Produktionsstätten bedürfen einer 2/3-Mehrheit im Aufsichtsrat. Die Arbeitnehmerseite hat damit ein Vetorecht für alle diese Entscheidungen. Das lässt sie sich teuer bezahlen. Das Einkommen des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden, Bernd Osterloh, wird beispielsweise auf 240.000 Euro geschätzt. Die aktuelle Manipulation muss auch im Kontext der 2005 bekanntgewordenen Bestechungsaffäre um den damaligen Personalvorstand Peter Hartz und den früheren Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert gesehen werden. Beide sind inzwischen rechtskräftig verurteilt. Volkert soll über Hartz von 1994 bis 2005 zusätzlich zu seinem Gehalt 1,95 Millionen Euro erhalten haben.

Doch vielleicht ist VW nur die Spitze des Eisbergs? Vielleicht ist die Verbrüderung des Vorstandes mit der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat gegen die Eigentümer nicht nur bei VW von Bedeutung? Vielleicht wird auch in anderen großen Aktiengesellschaften nachgeholfen und die Betriebsräte besser bezahlt? Vielleicht sind alle kleine VWs? Vieles spricht dafür.

Es ist der falsche Ordnungsrahmen der eine solche Entwicklung fördert. Der Ordnungsrahmen wurde in den 1970er Jahren zulasten der Eigentümer und zugunsten der Arbeitnehmer verändert. Seitdem gilt, dass bei großen Aktiengesellschaften die Arbeitnehmerseite die Hälfte der Aufsichtsräte stellt. Lediglich den Vorsitzenden kann die Kapitalseite durchsetzen. Entscheidend ist aber, dass im Normalfall die Vorstände mit einer 2/3-Mehrheit berufen werden. Das heißt, die Arbeitnehmerseite wird immer gebraucht. Die Aktionärsseite als Eigentümerin des Unternehmens wird so immer stärker an die Seite gedrängt. Die Basis dieser Regeln ist das Mitbestimmungsgesetz von 1976. Es war und ist ein schwerer Eingriff in die Eigentumsordnung.

Unternehmen mit Staatsbeteiligung, wie die Deutsche Bahn und VW, oder mit starker kommunaler Beteiligung wie RWE, sind deshalb besonders anfällig für Vetternwirtschaft. In diesen Unternehmen ist es üblich, dass Gewerkschaftsführer oder Betriebsratsvorsitzende über den Aufsichtsrat in den Vorstand wechseln. Norbert Hansen bei der Bahn oder Uwe Tigges bei RWE sind nur die prominentesten Beispiele. In solch einem Umfeld sind die Produktivität, die Höhe der Dividende oder der Aktienkurs zwar wichtige strategische Ziele, aber nicht die entscheidenden.

Es verwundert nicht, dass nicht nur VW, sondern auch RWE aktuell Probleme hat. Die Deutsche Bahn hat es dagegen leichter. Sie steht als hundertprozentiges Staatsunternehmen nur indirekt im Wettbewerb mit Fernbussen oder Autos und hält kleinere Bahnanbieter durch den beherrschenden Einfluss auf das Netz fern. In diesem Umfeld ist es noch einfacher, Politik und Gewerkschaften einzukaufen.

Das Grundübel ist ein Auseinanderfallen von Eigentum und Verantwortung durch das Gesetz. Nicht die Eigentümer entscheiden, was mit ihrem Vermögen passiert, sondern sie werden von den angestellten Managern mit Hilfe der Gewerkschafts- und Betriebsratsfunktionären in den Aufsichtsräten ausgetrickst. Das Mitbestimmungsgesetz unterstellt, dass die Interessen der Eigentümer, der Vorstände, der Gewerkschaften sowie der Betriebsräte identisch seien. Doch das ist natürlich nicht so. Schon deshalb gibt es Betriebsräte in den Betrieben, die als gewählte Arbeitnehmervertretung die Interessen gegenüber dem Unternehmen vertreten sollen. Doch das Mitbestimmungsgesetz sorgt dafür, dass Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter auf beiden Seiten des Tisches sitzen – auf der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite.

Natürlich wäre es im ersten Schritt richtig und notwendig, die Staatsbeteiligung an VW und der Deutschen Bahn und die kommunale Beteiligung an Energieversorgern endlich zu beenden, doch des Pudels Kern ist das Mitbestimmungsgesetz. Es erlaubt, oder besser ausgedrückt: es fördert die Korruption in großen mitbestimmten Unternehmen. Betriebsräte werden über das gesetzliche Maß hinaus von der Arbeit freigestellt, besser bezahlt und anschließend in den Vorstand gehoben, nur um Ziele der angestellten Manager im Vorstand durchzusetzen.

So ein gesetzliches Umfeld erzeugt keine unternehmerisch denkenden Menschen, die mutige strategische Entscheidungen treffen, sondern Eunuchen, die nach allen Seiten offen sind und am Ende sagen, sie hätten von nichts gewusst …

 

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

Photo: Mike Licht from Flickr

Sprache ist manchmal entlarvend. Manchmal kommt es sogar vor, dass diejenigen, die sie benutzen, das gar nicht merken. Seit Monaten geistert die Idee der Kulturstaatssekretärin Monika Grütters für eine Kulturgutschutznovelle durch die Feuilletons. Jetzt hat die Berliner CDU-Frau die Begründung nachgeliefert: Man wolle verhindern, dass „Artefakte aus Raubgrabungen, mit deren Verkauf zum Beispiel der IS seine Terrorherrschaft finanziert, nach Deutschland eingeführt und hier illegal gehandelt werden.“ Und ich dachte bisher immer, dass der IS wichtige Kulturgüter zerstören würde. So kann man sich irren… Da hätte man doch mal die Chance, welche zu retten! In der Pressemitteilung Nr. 319 vom 15. September 2015 der Bundesregierung schreibt die Jeanne d’Arc des deutschen Kulturgutes über die wesentlichen Inhalte des Gesetzentwurfes. Derzeit sei bereits nach EU-Recht eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich, wenn entsprechende Kulturgüter ins außereuropäische Ausland, also etwa in die wichtigen Kunsthandelsländer USA oder Schweiz (deren außereuropäische Kolonien?) ausgeführt werden solle. Soweit zum Verständnis der Kulturstaatssekretärin der Deutschen Bundesregierung zum Kulturraum Europa.

Mann oh Mann, wie soll ich meinem Sohn in Erdkunde die Hauptstädte und Länder Europas einbläuen, wenn die eigene Bundesregierung bei den Geographiekenntnissen die Schweiz in Afrika vermutet? Okay, wenn Claudia Roth Kulturstaatssekretärin wäre, dann hätte ich ja noch ein gewissen Verständnis, denn sie musste sicherlich in ihrer Schulzeit die Hauptstädte und Länder Europas tanzen. Aber dennoch ist es erschreckend, wenn die eigene Regierung in den Grundlagen der Geographie nicht versetzungsfähig ist.

Grundsätzlich muss man sich ohnehin fragen, was das Ganze soll. Mit welchem Recht greift der Staat in das Eigentum Einzelner ein? Ist es schlimm, wenn Kunstgegenstände irgendwo anders gezeigt werden oder in ausländischem Besitz sind? Der Bestand des Pergamonmuseums auf der Berliner Museumsinsel stammt sicherlich auch nicht aus dem Bayerischen Wald. Vielleicht ist es auch ganz gut, wenn diese Schätze in Berlin gezeigt und nicht vom IS zerstört werden. Am Ende eignet sich die Regierung wieder einmal etwas an, was ihr nicht gehört. Hier hilft eine gute Faustregel: Verlangt der Staat nach „Kulturgütern“, lauf um dein Leben, achte auf dein Portemonnaie und auf das Gemälde, das dir deine Großmutter vermacht hat …

Dieser Beitrag erschien zuerst im Magazin „eigentümlich frei“.

Photo: Lucas Film