Photo: Exosphere

Rad und Buchdruck, Auto und Internet – kaum eine der wichtigen Erfindungen der Menschheit entstand auf dem Reißbrett oder in einem Bürosessel. Erfindergeist braucht auch eine Unternehmernatur. Archimedes und Johannes Guttenberg, Rudolf Diesel und Margarete Steiff, Coco Chanel und Bill Gates – diese Menschen waren durch und durch innovativ. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit als Unternehmer und ihrer Kreativität. Beides erfordert Flexibilität und Mut. Eine Idee weiterzudenken, nicht aufzuhören bei den Grenzen des momentan Denkbaren und Vorstellbaren – das sind wesentliche Eigenschaften, die Unternehmer und Erfinder ausmachen.

Ein Unternehmer ist oft dann besonders erfolgreich, wenn er seiner Zeit einen Schritt voraus ist. Alle anderen denken noch: „So einen Unsinn braucht kein Mensch“ oder „Diese Erfindung bedroht die Welt, in der wir uns gerade so gut eingerichtet haben“. Der Unternehmer erkennt hingegen das Potential, das im Unbekannten der Zukunft liegt, und wagt sich ins Dunkle vor, das die meisten anderen erschreckt.

In den letzten hundert Jahren waren diese dunklen Räume die Luftfahrt und der Minirock, Wolkenkratzer und die Mikrowelle. Heute sind es andere dunkle Räume, vor allem solche im Netz und in der digitalen Welt. Vor zehn Jahren waren etwa 7 Millionen Menschen auf Facebook – heute ist jeder fünfte Erdenbewohner dort aktiv. Es ist offensichtlich, dass auf diesen Gebieten noch unentdeckte Welten vor uns liegen, die unerschöpfliche Möglichkeiten an erfinderischer und unternehmerischer Initiative zu bieten haben.

Die Fähigkeiten, die man braucht, um in diesen Welten Erfolg zu haben, lernt man in den allerseltensten Fällen im BWL- oder Informatikstudium. Die meisten Ideen und Fähigkeiten findet man im Selbststudium, im Experimentieren und insbesondere auch im Austausch mit anderen. Diese Möglichkeiten bietet in hervorragender Weise das Programm Exosphere Academy 2016. Es ist, im besten Sinne, ein Programm für Aussteiger, die Aufsteiger werden wollen.

In acht intensiven Wochen lernen die Teilnehmer an dem Programm viel über sich selbst und ihre Stärken und Potentiale und wie sie diese ausbauen können. „Exosphere Academy“ ist mehr als ein akademisches Programm. Es ist ein Ort, an dem die Teilnehmer das entfalten können, was den Kern von Unternehmertum und Erfindergeist ausmacht: Kreativität in Kooperation. Weil Exosphere nicht eingebunden ist in ein sich selbst erhaltendes und genügendes System wie etwa die Fachhochschule, können die Teilnehmer dort den Ursprung dessen erfahren, was mit Universität gemeint war: Das lateinische „universitas“ beschrieb den Blick über den Tellerrand und die Suche, die sich nicht vom Vorgegebenen einschränken lässt.

Wir freuen uns, mit der „Prometheus Scholarship“ einer jungen Unternehmerpersönlichkeit die Gelegenheit zu geben, an diesem Programm teilnehmen zu können. Zusätzlich zum reduzierten Preis wird die Teilnehmerin oder der Teilnehmer ein individuelles Coaching Programm mit den beiden Gründern von Prometheus, Frank Schäffler und Clemens Schneider, absolvieren können. Starten Sie Ihre Unternehmerkarriere jetzt und bewerben Sie sich für die „Prometheus Scholarship“!

Die Prometheus Scholarship

Teilnahme an der Exosphere Academy 2016

Teilnahmegebühr ermäßigt um $ 1,000

Individuelles Coaching mit Frank Schäffler und Clemens Schneider

Weitere Informationen unter http://exosphe.re/application2016/

Photo: Thomas from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Wenn heute das Bundesverfassungsgericht abschließend über die Klage zum Anleihenkaufprogramm OMT der Europäischen Zentralbank beschließt, dann tut sie dies in bewegten Zeiten. Denn zahlreiche Institutionen, die über viele Jahrzehnte hohes und höchstes Ansehen genossen, kämpfen inzwischen um ihre Glaubwürdigkeit. Das ist in einem demokratischen Rechtsstaat bedenklich. Denn der Rechtsstaat setzt Vertrauen voraus, damit sich Bürger ebenfalls genötigt sehen, sich an Recht und Gesetz zu halten. Das sichert das friedliche Zusammenleben und schützt den Einzelnen vor Willkür. Das Schleifen von Regeln ist vielleicht kurzfristig opportun, um ein Problem vom Tisch zu wischen, es zerstört aber am Ende alles.

Deshalb ist es wichtig, dass das Verfassungsgericht seine Leitlinien, welche es beim Vorlagebeschluss für den Europäischen Gerichtshof im März 2014 aufgestellt hat, jetzt auch folgt. Im Jahr 2012 hat die EZB mit dem so genannten OMT-Beschluss angekündigt, unter bestimmten Voraussetzungen unbegrenzt Staatsanleihen aufkaufen zu wollen. Das Verfassungsgericht deutete in seinem Beschluss eine Überschreitung der Kompetenzen der EZB an, sollte die EZB die Ankäufe nicht auf ein Volumen begrenzen. Der EuGH sah diese Bedenken nicht, sondern wischte kürzlich diese beiseite. Sein Urteil war bereits eine schallende Ohrfeige für das Bundesverfassungsgericht. Doch jetzt ist das Karlsruher Gericht wieder am Zuge und müßte jetzt eigentlich der Bundesbank einen möglichen Vollzug untersagen.

Die andere Institution, die Vertrauen genießt, ist die Europäische Zentralbank. Doch hier muss man betonen, dass sie Vertrauen genoß. Inzwischen hat sie dieses Vertrauen, das durch die Bundesbank über viele Jahrzehnte aufgebaut wurde und seit der Euro-Einführung auf die EZB übertragen wurden, verspielt. Die EZB unter Mario Draghi hat inzwischen ihr höchstes Gut verspielt. Denn außer Vertrauen hat unsere Währung und ihre Zentralbank kein weiteres Asset. Die Währung ist an keinen realen Wert mehr gekoppelt, sondern sie basiert lediglich auf dem Recht und seiner Verläßlichkeit. Lange Zeit wurde unterstellt, dass die Beugung des Rechts notwendig sei, um Schlimmeres zu verhindern. Doch die Wirkung dieser Rechtsbrüche sehen wir heute.

Die EZB ist dabei, immer mehr und immer intensiver zu intervenieren. Jetzt kauft sie erstmalig in großem Stil auch Unternehmensanleihen auf, um die Finanzierungskosten von Unternehmen zu reduzieren. Sie hofft auf schnellere und bessere Finanzierungsmöglichkeiten, damit Unternehmen investieren. Doch tatsächlich führt dies zu einer Zweiteilung des Anleihenmarktes für Unternehmen. Große Unternehmen, die ein gutes Rating haben und Anleihen begeben können, profitieren. Kleine Unternehmen, die nur einen schlechten Zugang zum Anleihenmarkt haben, kommen aus zwei Richtungen unter Druck.

Erstens müssen sie sich über Banken refinanzieren, die aufgrund der Altlasten in ihren Bilanzen zurückhaltend sind, und daher höhere Zinsen verlangen oder gar keine Kredite an kleine und mittlere Unternehmen vergeben. Und zweitens bekommen die großen Unternehmen schneller und preiswerter frisches Geld und können damit die kleinen und mittleren Unternehmen mit dem Geld der EZB übernehmen. Staatlich gelenkte Oligopole und Monopole entstehen so. Gerade die oft kleinteilige deutsche Industrielandschaft ist davon besonders betroffen. Zu Beginn der 2000er Jahre sprach der damalige Arbeitsminister der SPD Frank Müntefering von Heuschrecken, die über die deutschen Unternehmen ziehen, sie aussaugen und dann wieder verschwinden. Diese Vergleiche wurden mit Recht kritisiert, sollte man Unternehmen doch nicht mit Tieren vergleichen, dennoch waren die 2000er Jahre nur ein zartes Lüftlein, wenn die Politik Draghis erstmal seine Wirkung entfaltet.

Mit der marktwirtschaftliche Ordnung, die Ludwig Erhard und sein Vordenker Walten Eucken im Sinn hatte, hat dies nichts zu tun. Sie wollten Institution, die Vertrauen durch einen Ordnungsrahmen schaffen, der bestimmte Unternehmer nicht lenkt und bevorteilt, sondern in dem jeder seines Glückes Schmied ist. Diesem Ordnungsrahmen wieder Glaubwürdigkeit einzuhauchen, kann das Verfassungsgericht mit seinem Urteil leisten. Man sollte nie die Hoffnung aufgeben.

Erstmals veröffentlicht in der Fuldaer Zeitung am 18. Juni 2016.

Photo: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen from Flickr (CC BY 2.0)

So unterschiedlich kann die Welt sein: In Venezuela gehen die Menschen aktuell auf die Straße, weil sie hungern, in Deutschland demonstrieren die Landwirte, weil sie meinen, dass die Nahrungsmittelpreise zu niedrig sind. Anschaulicher kann man der Unterschied zwischen einer sozialistischen Planwirtschaft und der Marktwirtschaft nicht darstellen. Das sozialistische Experiment in Venezuela ist rein hausgemacht. Denn Preiskontrollen, Verstaatlichungen und Enteignungen sind nicht vom Himmel gefallen oder von Diktatoren durchgesetzt worden, sondern wurden von einer Mehrheit der Bevölkerung immer wieder demokratisch legitimiert. Jetzt gibt es fast nichts mehr zu kaufen, weder Medikamente noch Nahrungsmittel. Im Sozialismus Venezuelas können sich die Nomenklatura und die Reichen nach wie vor alles leisten, nur die Armen leiden unter der Mangelverwaltung.

Anders bei uns. Hier existieren noch kleine Nischen der Marktwirtschaft. Sie finanzieren den wachsenden Sozialismus an anderer Stelle des Staates. In dieser Marktwirtschaft sinken die Preise deshalb, weil Unternehmer fortwährend versuchen, ihr Produkt noch effizienter und damit besser zu machen, damit sie wirtschaftlich überleben. Der Konsument ist König. Er entscheidet, was sich am Markt durchsetzt und was nicht. Diese Marktwirtschaft hat in ihrer Geschichte gerade für den kleine Mann enorme Fortschritte und den Zugang zu früheren Luxusgütern gebracht. Er kann sich Produkte leisten, die in früheren Jahrzehnten nur den Reichen vorbehalten waren. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts konnten nur Vermögende regelmäßig Fleisch oder Milchprodukte kaufen. Vegetarisches Leben war damals nicht Ausdruck eines Lebensstils, sondern eine Frage der Einkommensklasse. Wer arm war, war zum Vegetarier verdammt, ob er wollte oder nicht. Für ihn gab es bestenfalls an Weihnachten mal Fleisch. Er aß altes Graubrot und trank abgestandenes Wasser. Wer reich war, konnte jeden Tag Schnitzel oder Filet zu sich nehmen, Butter aufs Weißbrot schmieren und Milch oder Kaffee zum Frühstück trinken.

Heute wird dieser großartige Fortschritt kritisiert. In dieser Woche beklagten sich führende Vertreter der Grünen über diesen Zustand. Es herrschten Dumpingpreise für Fleisch. Deren Agrarexperte Ostendorff beklagte sogar, dass 70 Prozent der Fleischmenge im Supermarkt verramscht würde. Deshalb schlug der Grüne gleich die Rezepte der Planwirtschaft vor: Mindestpreise. Sein Parteikollege Hofreiter geht auch den Weg Venezuelas. Er nennt diesen Weg nicht Enteignung, es kommt aber auf das Gleiche raus. Er will durch Produktionsauflagen die Landwirte zu „nachhaltiger Produktion“ zwingen. Was nachhaltig für den Landwirt und dessen Kunden ist, definiert jedoch Hofreiter höchstselbst. Wer auf ihn nicht hören will, muss fühlen. Die Folge dieser „nachhaltigen Produktion“ durch Zwang sind höhere Preise.

Damit diese Absicht nicht so auffällt, will er die größten Härten abfedern und den Armen durch einen Zuschlag beim Hartz IV-Satz helfen. Doch im Kern schlägt er vor, wieder die alte Ordnung zu schaffen, wie sie Anfang des letzten Jahrhunderts bei uns herrschte. Es soll eine Frage des Einkommens sein, wer sich wann und wie oft Fleisch leisten kann und wer nicht. Dahinter steckt ein großer Plan. Dieser große Plan folgt einem großen Vorbild: Der so genannten Energiewende. Ihr soll die Ernährungswende folgen. Zwar sollen die Bürger noch bei Landtags- und Bundestagswahlen wählen können, was sie wollen. Jedoch bei der Ernährung gilt das bald nicht mehr. Wir essen zu viel Fleisch, zu viel Zucker, zu wenig Bio und insgesamt zu viel von allem. Appelle scheinen hier nicht mehr zu helfen, sondern oktroyierende Maßnahmen für Unternehmen und Bürger müssen jetzt her, ansonsten steigen die Folgekosten für die Sozialkassen, das Bildungssystem und die Natur. Und was kommt nach der Energiewende und der Ernährungswende? Na klar, die Verkehrswende. Individualverkehr ist schlecht, das Auto ist des Teufels und Radfahren und zu Fuß gehen, ist die Zukunft. Was lernen wir daraus? Die Chávezisierung schreitet auch bei uns unaufhörlich voran.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

Wir nehmen die bevorstehende Abstimmung in Großbritannien zum Anlaß, Ihnen ausnahmsweise, aber aus gutem Grund, unsere heutige Kolumne auf Englisch zu präsentieren.

There is a lot of speculation going on about the economic advantages or disadvantages of a Brexit. But beyond tossing around numbers there are some more fundamental arguments in favour of Britain either leaving or staying. One of them is that Europe is a mess.

The Brussels Band playing on the deck of the sinking ship?

People are upset about the European Union all across the continent: Southern Europeans grumble about austerity programs; Eastern Europeans don’t want to be involved in accommodating or even passing through refugees; Germans reject the ECB’s current policy; and virtually everybody is complaining about the two B’s: Brussels & bureaucracy. The EU seems like an annoying old uncle living in your house whom nobody really likes. You will not throw him out nor move out yourself because he’s in charge of the savings – and nobody actually knows when or how one might benefit. So you just keep on grunting.

From Nicosia to Belfast and from Helsinki to Seville people are fed up with the mess the EU is producing. And even the most ardent advocates of the European Union admit that there is such a mess – even though they might slightly differ on who the culprits are. Obviously sixty years of muddling and cherry picking, of conceiving regulations and whirling money around, did not fail to leave their mark. It all gets so annoying that just leaving all of this behind seems the best option – even considering the possible negative consequences. You might feel as if you were taking a chance with the lifeboat while the rest of the sinking ship carries on listening to the Brussels Band …

Life is not a musical request program

But reality rarely re-enacts Hollywood movies. You might enjoy envisioning yourself as Kate Winslet. You aren’t. For all its faults the European Union is still something different from a sinking ship. Free movement of goods, capital, services, and persons remain the fundamental pillars of the EU, and they have provided considerable economic and social benefits. Granted, these freedoms can be conceived to exist independent from a bureaucratic and state-like organisation. But still, one would have to negotiate and organise. Britain will not be able to avoid rotten compromises, undesirable side-effects, and painful concessions.

Whenever you deal with people you have to concede eventually. As Germans say: life is not a musical request program. Leaving the European Union will not be equivalent to autonomy, it will just change the processes by which the UK and the EU communicate and bargain. In some respects, you might gain a stronger position, in some others it might become more difficult to obtain your requests. But one thing will not happen: you will not be the one who sets the rules and gets to be the one in charge. You will, as you are now, win on one day and loose on another.

There is a misconception underlying the Brexit cause. This misconception is not an argument but an image in people’s minds – maybe even more than an image: a deep desire. It consists in the wish to finally get rid of the mess politics create; the wish to finally make one’s own decisions. (Trump says hello …) However, as it is, the problem of others deciding over you did not begin with the European Union and will not end with Britain leaving. The same dynamics that are hurting you will just go on: inside Britain and every time you deal with the European Union. Actually, you’re trapped …

Don’t just back off, rush in! Remain! Reform!

Politics are messy and rarely produce satisfying results. Politicians might suggest otherwise. But rest assured: neither Martin Schulz’ nor Boris Johnson’s promises will bring you where you wish to be. Paradise is not waiting for you in the European Union. It’s not waiting for you outside either. To create mess, problems, and discomfort is not a unique prerogative of the EU. It happens everywhere. If you really want to change something don’t run from the mess but rather get involved. Don’t just back off, rush in! Changing something for the better is a lot easier if you stay inside and if you are an occasional voice for sanity. (For that matter, Britain’s politicians might as well try to be smarter about forging alliances inside the EU.)

The mess is there and it is not going away. The odd thing is: it’s not all bad. The mess is a result of democracy where not only one person decides but everyone participates in the decision-making process. The result is mess. The result of the balance of power, of checks and balances, of parliamentary procedures, and of party politics is – mess. Regardless of whether Britain stays or leaves, it will have to deal with the EU. So you might as well stay in and try to contain the mess. Obviously the EU needs reforms desperately. You have the chance of leading this process if you form the right coalitions. The alternative would be you standing by and watching. Let’s roll up our sleeves and dive into the mess. Then the Schulz’ and Junckers will finally meet their match; and we can make this mess less uncomfortable. If Eurocrats can mould the mess and use it to their advantage so can the British (and all others opposed to a centralised European state). Remain! Reform! And bless the mess!

Photo: Dave Kellam from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Prof. Dr. Thomas Mayer, Kuratoriumsvorsitzender von “Prometheus” und Gründungsdirektor des “Flossbach von Storch Research Institute”.

In seinem Klassiker „Der Wohlstand der Nationen“ verglich Adam Smith die Briten mit einer „Nation von Krämern und Ladenbesitzern“. Daran hatte später Napoleon seinen Spaß. Heute poliert David Cameron das alte Klischee neu auf. Er hofft, eine „Notbremse“ für Sozialleistungen für Immigranten aus den EU-Ländern, eine Ausnahme bei der „immer engeren Integration“, die Einschränkung der Brüsseler Bürokratie und ein Vetorecht der Mehrheit nationaler Parlamente gegen EU-Bestimmungen könnten ein Votum der Briten für den EU-Austritt noch abwenden. Von seinen Gegnern erntet er dafür nur Hohn und Spott. Dabei böten die britischen Ansprüche eine solide Grundlage für eine dringend notwendige Neuorientierung der Union. Statt um Kleingeld zu feilschen, hätte Cameron zum Kampf für eine Reform der EU aufrufen sollen. Hier ist mein Vorschlag:

„Der liberale Rechtsstaat ist eine der größten Errungenschaften unserer Geschichte. Während sich der europäische Kontinent im siebzehnten Jahrhundert auf den Weg in den Absolutismus begab, hielten wir die Herrschaft des Rechts hoch. Für Ludwig IV. galt: „Der Staat bin ich“. Dem hielt unser Parlament damals entgegen, dass es sein Hauptanliegen sei, „die Freiheit des Volkes vor der Willkür der Regierung zu schützen“. John Locke stellte fest, dass auch nicht der Gesetzgeber willkürlich handeln darf. Auch er ist „verpflichtet, nach öffentlich verkündeten, stehenden Gesetzen …für Gerechtigkeit zu sorgen“. Regeln und Gesetze schützen die Mitglieder der Gesellschaft und ihr Eigentum gegen die Willkürherrschaft der Regierung, selbst wenn sich diese auf eine parlamentarische Mehrheit stützen kann. Das britische Konzept des liberalen Rechtsstaats war die Grundlage, auf der die amerikanischen Föderalisten die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten.

Auch die Europäische Union bekennt sich zur liberalen Rechtsstaatlichkeit. Aber sie ist mit den Jahren auf Abwege geraten. Die Übertragung wesentlicher hoheitlicher Rechte ohne effektive parlamentarische Kontrolle hat zur Herrschaft der Bürokratie geführt. Für die Bürokratie heiligt der Zweck die Mittel, auch wenn dadurch das Recht umgangen wird. Wohin das führt, konnten wir in der Währungsunion und im Schengenraum sehen. Zur Rettung des Euro wurden das vertraglich vereinbarte Verbot gegenseitiger finanzieller Haftung und das Verbot monetärer Finanzierung von Staatshaushalten durchlöchert. Im Schengenraum wurden die vertraglichen Vereinbarungen zur Sicherung der gemeinschaftlichen Außengrenzen und Zuwanderung missachtet. Wo war das Europäische Parlament als das Recht gebeugt wurde? Hat es das Volk vor der Willkür der Regierenden geschützt, indem es auf der Herrschaft des Rechts bestanden hätte?

Unsere Vorgänger haben die Gefahren des Euro und des Schengenraums bei Zeiten erkannt. Großbritannien ist weder bei der Währungs- noch der Grenzgemeinschaft Mitglied. Wir lassen uns auch nicht in eine Sozial- oder Fiskalgemeinschaft drängen, in der sich einzelne Staaten aus ihrer finanziellen Verantwortung schleichen können. Wir wollen keinen europäischen Wohlfahrtsstaat und keine „Bankenunion“, in der wir für die Fehlentscheidungen in anderen Staaten haften. Wir wollen, dass diejenigen, die entscheiden, dafür auch die Verantwortung tragen, und wir wollen, dass das Recht über der Herrschaft der Regierungen und der Bürokratie steht.

Aber wir können uns über geografische Gegebenheiten nicht hinwegsetzen. Wir sind ein Teil Europas, das auf uns angewiesen ist, so wie wir auf Europa angewiesen sind. Die Europäische Union ist eine große Errungenschaft der europäischen Völker. Sie hat einem über Jahrhunderte zutiefst zerstrittenen Europa Frieden gebracht und damit Großbritannien Sicherheit und Wohlstand in einem friedlichen Europa ermöglicht. Wir müssen am Gelingen dieser Union interessiert sein, denn ihr Scheitern wäre auch für uns eine Katastrophe. Würden wir jetzt austreten, wo die EU von innerem Streit zerrissen ist und vom Weg der liberalen Rechtsstaatlichkeit abzukommen droht, wären wir für ihr Scheitern mit verantwortlich.

Statt der EU den Rücken zu kehren müssen wir mit all unserer Kraft darauf drängen, dass sie zu ihren Grundprinzipien der Freiheit und Rechtsstaatlichkeit zurückkehrt. Wir wollen freien Handel, freien Kapitalverkehr und die Freizügigkeit der Personen innerhalb eines rechtlichen Rahmens, der Verantwortlichkeiten klar definiert. Wir haben nichts gegen die europäische Währung, aber sie ist kein goldenes Kalb, um das die EU-Mitgliedstaaten tanzen müssen. Wir stehen mit unserer Absicht zu Reformen der EU nicht allein. Wir haben Verbündete und werden mehr dazugewinnen. Wir werden in der EU für eine bessere Union kämpfen und den Kampf gewinnen.“