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Politische Maßnahmen folgen häufig einer Wunschvorstellung. Sei es bei der Familienpolitik, der Drogenpolitik oder auch der Wirtschaftspolitik. Politiker und Politikerinnen haben eine fast schon bildliche Vorstellung davon, wie beispielsweise ein Idealtyp einer Familie oder eines Unternehmers aussehen muss. Nicht zuletzt zeigt sich diese Visualisierung der politischen Ideale alle paar Jahre, wenn Wahlen anstehen und die Straßen von Wahlplakaten gesäumt sind, auf denen die verheißene Idealwelt abgebildet wird. Von wohl kaum einem anderen Bereich besteht eine so ausgeprägte visuelle Vorstellung wie von der Landwirtschaft. Grasende Kühe, freilaufende Schweine, dort der Bauer, da die Bäuerin und am besten noch ein paar Hühner. Dass die Realität diesem kleinbäuerlichen Bullerbü nicht entspricht, muss nicht erwähnt werden. Politische Maßnahmen zielen jedoch auf dieses vermeintliche Idealbild ab. Die Subventionierung landwirtschaftlicher Betriebe hat in der Europäischen Union und insbesondere auch in Deutschland eine lange Tradition. Während es bei Einführung der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) darum ging, ausreichend günstige Lebensmittel zu produzieren und Landwirten ein gesichertes Einkommen zu garantieren, werden inzwischen die Subventionen immer mehr an Bedingungen geknüpft: Um Landwirte nach bestimmten Bewirtschaftungsformen arbeiten zu lassen oder auch, um bestimmte Strukturen aufrecht zu erhalten. Immerhin machen die Subventionen der GAP je nach Bundesland bis zur Hälfte des Einkommens aus.[1] Doch ist es richtig, einer ganzen Branche mehr oder weniger vorzugeben, wie sie zu wirtschaften hat? Ist es richtig, womöglich künstlich Geschäftsmodelle am Leben zu halten?

Mit dem Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine im Februar dieses Jahrs hat sich für den landwirtschaftlichen Sektor vieles verändert. Die Ukraine als eine der größten Exporteure für landwirtschaftliche Erzeugnisse leidet stark unter den Angriffen und viele Teile der landwirtschaftlichen Infrastruktur sind zerstört worden. Die Blockade der Seewege durch das russische Militär erschwert und verunmöglicht den Export. Infolgedessen sind die Weltmarktpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse stark angestiegen. Aber nicht nur auf den Agrarmärkten gab es Veränderungen, die Auswirkungen auf den Landwirtschaftssektor haben, sondern insbesondere auch auf den Energiemärkten. Denn neben der Produktion von Lebensmitteln zählt auch die Produktion von Energie zu einem Standbein der Landwirtschaft, welches das Potenzial hat, wesentlich zur Energieversorgung beizutragen. Ein konkretes Beispiel ist Dänemark. 30% des Methangases in Dänemark wird aus Biogas gewonnen. In Deutschland werden durch diese Form der Biogasnutzung nur etwa 1% des Methangases bereitgestellt. Wie kommt es zu dieser großen Differenz? Im Gegensatz zu Deutschland hat Dänemark auf Großanlagen gesetzt, während man in Deutschland auf Kleinanlagen und komplizierte Förderungen durch das EEG gesetzt hat. Nun zeigt sich, dass die Unternehmen in Dänemark, welche die Anlagen betreiben, über die Jahre deutlich größere Kapazitäten haben aufbauen können. In Deutschland hingegen flammt die Tank-statt-Teller-Diskussion einmal mehr auf und Vorbehalte gegen Biogasanlagen werden geschürt, indem ein undifferenzierter Vergleich von Brotgetreide und Energiepflanzen vorgenommen wird.

Nicht dass skandinavische Staaten dafür bekannt sind, Unternehmen möglichst frei von Staatseingriffen zu halten.[2] Aber in Bezug auf das typische Idealbild der Landwirtschaft und den Innovationsgrad der dort angesiedelten landwirtschaftlichen Unternehmen besteht ein deutlicher Unterschied zwischen Deutschland und Dänemark, welcher nun zeigt, dass kleinbäuerliche Strukturen nur mit höherem Aufwand in der Lage sind, gebündelt zu agieren, um eine ähnliche Rolle in der Energieversorgung zu spielen. Insbesondere dann, wenn aufgrund politischer Ideale Innovationen und Expansion nicht gewollt ist, weg vom russischen bzw. fossilen Erdgas zu kommen, indem mehr Biogas in das Netz eingespeist wird.

Was hätte also besser gemacht werden können? Unternehmen sollten nicht danach gefördert werden, ob sie einem politischen Idealbild entsprechen. Im Gegenteil: Unternehmerische Vielfalt, auch in der Landwirtschaft, fördert den Wettbewerb. Dabei ist es zweitrangig, wie groß das Unternehmen, wie alt dieses ist oder ob es die bestehenden Strukturen aufbricht und Neues wagt. Vielmehr sollte ein ebenbürtiges Spielfeld geschaffen werden, auf dem sich sowohl neue und bestehende Akteure begegnen können, sodass der/die Bessere gewinnen möge. Dazu gehört auch, dass es Verlierer geben muss, die eine Niederlage akzeptieren und ihr Feld räumen, anstatt dass politische Ideale künstlich am Leben gehalten werden.


[1] https://www.agrarheute.com/management/finanzen/direktzahlungen-subventionen-bekommen-bauern-meisten-581147#:~:text=Nach%20den%20Daten%20des%20BMEL,des%20b%C3%A4uerlichen%20Einkommens%20aus%20Subventionen.

[2] Sanandaji, Nima, Scandinavian Unexceptionalism: Culture, Markets and the Failure of Third-Way Socialism (June 23, 2015). Institute of Economic Affairs, Monographs, Available at: http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3895124.

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Die Preise für Lebensmittel sind im vergangenen Monat um 11,1 Prozent gestiegen. Wir spüren das beim Kauf von Butter, Milch und anderen Grundnahrungsmitteln. Natürlich ist die Grundlage für diese Inflation bei der Geldpolitik zu suchen. Ansonsten würden ja bei gleicher wirtschaftlicher Lage die Preise an anderer Stelle sinken. Doch das tun sie nicht. Die Preise steigen insgesamt an. Der breite Warenkorb des Statistischen Bundesamtes hat im vergangenen Monat einen Anstieg von 7,9 Prozent errechnet. Daher ist klar, dass die Pandemie und der Ukraine-Krieg zwar die Lieferketten unterbrochen haben, aber dies nicht die Ursachen der Inflation sind. Die Ursache liegt im aufgestauten Geldüberhang der EZB, der jetzt auf eine Angebotsverknappung trifft. So kommt der Geldüberhang bei den Konsumgüterpreisen an und trifft die breite Masse der Bevölkerung.

Doch was kann in einer solchen Situation getan werden? Natürlich muss die EZB, so bitter diese Entwicklung für die am Tropf der billigen Zinsen hängenden Banken, Industrie und Häuslebauer ist, die Zinswende einleiten. Sie hätte es längst tun müssen. Aber auch andere können etwas tun. Die EU-Kommission könnte einseitig die Zölle auf Milcherzeugnisse, Fleisch, Getreide und Zucker abschaffen oder zumindest aussetzen. Trotz drohender Versorgungsprobleme durch den Ukraine-Krieg erhebt die EU Zölle von über 50 Prozent auf diese wichtigen Lebensmittel und verteuert damit zusätzlich die Preise. Gleichzeitig sorgt die EU mit ihrem Flächenstilllegungsprogramm in der Landwirtschaft dafür, dass auf 3 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen nicht mehr angebaut werden kann. Deutschland hat dies sogar auf 4 Prozent ausgeweitet. Der Abbau von 4 Prozent landwirtschaftlicher Fläche beträgt umgerechnet rund 4 Millionen Hektar Produktionsfläche. Dies entspricht dem Importbedarf an Weizen von Ägypten, Äthiopien, Marokko, Südafrika und Tunesien, der in der Vergangenheit im Wesentlichen aus Russland und der Ukraine bedient wurde. Jetzt droht in Afrika eine Hungerkatastrophe.

Eine Antwort auf diese Entwicklung ist also der Abbau von Handelsbeschränkungen. Dies muss ohne Tabus und Partikularinteressen erfolgen. Wir brauchen mehr Freihandel und mehr Globalisierung. Deutschland könnte damit anfangen und endlich das bilaterale Handelsabkommen mit Kanada (CETA) ratifizieren und gleichzeitig der Welthandelsorganisation WTO neues Leben einhauchen. Der Westen muss mit mehr Kooperation untereinander auf die Zeitenwende durch den Angriffskrieg Putins auf die Ukraine reagieren. Ansonsten sind die ökonomischen und humanitären Folgen verheerend.

Vielleicht sollte sich der Westen am ersten Freihandelsabkommen der Neuzeit ein Beispiel nehmen. 1860 haben Frankreich und England das erste Freihandelsabkommen geschlossen, bei dem England einseitig auf alle Zölle und Handelsbeschränkungen verzichtet hat. Der Initiator dieser Freihandelsbewegung, der Liberale Richard Cobden, schaffte es, diese Freiheitsidee nicht nur in England zu verbreiten, sondern in der ganzen Welt. Ohne ihn hätte es die Globalisierung, die internationale Arbeitsteilung und den wachsenden Wohlstand des späten 19. Jahrhunderts in dem Ausmaß nicht gegeben. Bei allen Rückschlägen, die wir aktuell durch den Angriffskrieg auf die Ukraine erfahren, ist die Idee des Freihandels aktueller denn je. Die Abschottung und die Rückabwicklung führen nicht zu einer friedlicheren Welt, ganz im Gegenteil. Und deshalb ist das, was Richard Cobden bereits im April 1842 schrieb, immer noch richtig. „Der Freihandel wird unweigerlich, indem er die wechselseitige Abhängigkeit der Länder untereinander sichert, den Regierungen die Macht entreißen, ihre Völker in den Krieg zu stürzen.“

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Von Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Florian Rösch, Masterstudent Money and Finance an der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt.

Entgegen dem weit verbreiteten Eindruck, dass die Erwerbstätigkeit immer mehr den gesamten Alltag bestimmt, nimmt die Erwerbstätigkeit heute weniger Zeit in Anspruch als in der nahen und fernen Vergangenheit.

Vier-Tage-Woche oder gleich ein bedingungsloses Grundeinkommen? Die Forderung nach einer Verkürzung der Erwerbszeit, am besten bei vollem Lohnausgleich, darf in keinem Wahlkampf fehlen.

Aber arbeiten wir tatsächlich immer mehr, sodass unsere Familien und Hobbies leiden und es einer politischen Reduzierung des Erwerbsumfangs bedarf? Zwar mag für einige der Umfang der Erwerbstätigkeit sehr hoch sein, doch lässt sich diese Beobachtung nicht verallgemeinern, wie ein Blick auf verschiedene Statistiken zur Zeitverwendung zeigt.

Deutschland: Ein genauerer Blick

Das Statistische Bundesamt führt in großen Abständen Befragungen über die Zeitverwendung der Bevölkerung durch. Die Erhebung untersucht wie Menschen die 24 Stunden eines Tages verwenden. Für die Zeit nach der Wiedervereinigung liegen bisher zwei Erhebungen vor, die in den Jahren 1990/91 und 2012/13 durchgeführt wurden.

Während 1990/91 jeder Deutsche im Durchschnitt 3 Stunden und 14 Minuten eine Erwerbstätigkeit ausübte, sind es 2012/13 nur noch 2 Stunden und 43 Minuten – eine Reduzierung von 16 Prozent. Männer sind 1990/91 im Durchschnitt 4 Stunden und 25 Minuten ihrer Erwerbstätigkeit nachgegangen. 2013/14 sind es noch 3 Stunden und 19 Minuten. Das entspricht einem Rückgang von fast 25 Prozent.

Im Vergleich zu Männern ist die durchschnittliche Zeit, die Frauen mit Erwerbstätigkeit verbringen, nahezu gleichgeblieben, mit einem leichten Rückgang von 2 Minuten auf 2 Stunden und 9 Minuten. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Frauenerwerbsquote im Vergleich zu der der Männer seit 1991 deutlich stärker angestiegen ist. Trotz der gestiegenen Erwerbsbeteiligung bei Frauen ist für die Bevölkerung als Ganzes ein Trend zu weniger Erwerbszeit pro Tag auszumachen.

Schlafen und ein „bisschen“ Haushalt

Doch womit verbringen wir unsere Zeit, wenn wir nicht gegen Bezahlung arbeiten? Die Erwerbstätigkeit macht zumindest nur einen kleinen Teil aus und ist erst die viertgrößte Position.

Die meiste Zeit des Tages verbringen die Deutschen schlafend. Im Durchschnitt schlafen wir knapp 8,5 Stunden am Tag. Nach dem Schlaf nehmen die Haushaltsführung und Betreuung der Familie die meiste Zeit des Tages in Anspruch. Für die Haushaltsführung wenden die Deutschen im Durchschnitt 3 Stunden und 7 Minuten am Tag auf. Das ist deutlich weniger als 1990/91, als die Haushaltsführung täglich noch gut eine halbe Stunde mehr in Anspruch nahm. Auf die Haushaltsführung folgt die Mediennutzung mit gut 3 Stunden, die im Vergleich zu 1990/91 um eine halbe Stunde anstieg. Diese Entwicklung trifft Männer und Frauen im ähnlichen Maße.

Die Zeit, die wir mit Sport, Hobbys und Spielen verbringen, ist leicht von 1 Stunde und 8 Minuten auf 59 Minuten gesunken. Diese unerwartete Entwicklung kann mit der deutlich intensiveren Mediennutzung erklärt werden. Die Nutzung von Medien wie Handys oder Computer in der frei verfügbaren Zeit hat deutlich an Bedeutung gewonnen.

Die Zeit, die die Befragten mit Bildungsaktivitäten zubringen, liegt nach wie vor stabil bei etwa einer halben Stunde am Tag. Zusammenfassend verbringen wir mehr Zeit mit angenehmen Dingen wie Hobbys oder dem sozialen Leben und weniger Zeit mit der Arbeit oder der Haushaltsführung.

Erwerbstätigkeit historisch niedrig – nicht nur in Deutschland

Ein Blick auf einen längeren Zeitraum lässt erkennen, dass der Trend zu weniger Erwerbszeit außerhalb des eigenen Haushalts pro Tag in Deutschland nicht erst seit den 1990er Jahren besteht. Seit 1870 gingen die jährlichen Erwerbsstunden von Vollzeitbeschäftigten um fast 60 Prozent zurück.

Eine ähnliche Entwicklung kann auch in anderen Staaten beobachtet werden. In Frankreich gingen die jährlichen Erwerbsstunden seit 1870 um mehr als 50 Prozent zurück. Im Unterschied zu Deutschland stagnieren dort die Zahlen seit dem Jahr 2000. In den USA kam es seit 1870 zu einem Rückgang von über 40 Prozent. In allen drei Ländern ist die Erwerbszeit historisch niedrig. Im selben Zeitraum stieg das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Deutschland um mehr als das 15-Fache, in Frankreich um mehr als das 12-Fache und in den USA um mehr als das 11-Fache. Die Reduktion der Erwerbszeit ging also mit einem starkem Anstieg des Wohlstandes einher.

Der Rückgang der jährlichen Erwerbsstunden von Vollzeitbeschäftigten wird nicht nur durch einen Rückgang der wöchentlichen Erwerbszeit begleitet, sondern auch durch einen Anstieg der erwerbsfreien Tage, wie Urlaubs- und Feiertage. Die Anzahl der freien Tage stieg vor allem in Deutschland und Frankreich stark an. Während 1870 im Durchschnitt in Deutschland jeder Vollzeitbeschäftigte nur 13 freie Werkstage hatte, waren es 43 Tage im Jahr 2000.

Die Arbeit – Lebensmittelpunkt unseres Alltags?

Entgegen dem weit verbreiteten Eindruck, dass die Erwerbstätigkeit immer mehr den gesamten Alltag bestimmt, nimmt die Erwerbstätigkeit heute weniger Zeit in Anspruch als in der nahen und fernen Vergangenheit. Wir arbeiten weniger und haben mehr freie Tage.

Trotz weniger Erwerbszeit stieg der materielle Wohlstand deutlich. Diese Erkenntnis lässt hoffen, dass auch in Zukunft Wohlstandsgewinne mit weniger Erwerbszeit zu erreichen sein werden. Politischen Handlungsbedarf, um einem vermeintlichen Trend zu immer längeren Erwerbszeiten entgegenzuwirken, scheint es jedenfalls nicht zu geben.

Erstmals erschienen bei IREF.

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Kurz vor der Bundestagswahl sind die Wahlaussagen der Parteien überall präsent. Auf Plakat, im Fernsehen oder im Netz. Kandidatinnen und Kandidaten sprechen Sie an, was sie alles können und wollen, was sie ermöglichen und verändern werden. Einiges davon stimmt. Bei einigem wird vielleicht auch Augenwischerei betrieben. Das ist Ihnen bestimmt auch klar.

 

Was Abgeordnete, oder jene, die es werden wollen, Ihnen aber vielleicht nicht erzählen werden, ist, was Politiker nicht können. Und was sie womöglich auch gar nicht können sollten. Und da möchte ich Ihnen aus meiner Erfahrung als Politiker seit einigen Jahrzehnten und seit 2005 in der Bundespolitik doch gerne darlegen, wo die Politik aus meiner Sicht an ihre Grenzen kommt: Wenn es darum geht, die großen Linien zu prägen, die wichtigen Themen zu setzen.

 

Wir regulieren, besteuern – im besten Fall entlasten. Aber wir sind in der Regel auch darauf angewiesen, dass wir dafür Zustimmung finden. Wir können nicht lange gegen gesellschaftliche Trends arbeiten. Deswegen hat eine rot-grüne Regierung die wichtigsten Reformen seit Ludwig Erhard angestoßen – die Hartz-Reformen. Deswegen ist eine schwarz-gelbe – trotz meiner Gegenstimme – aus der Atomenergie ausgestiegen.

 

Als mir das klar wurde, habe ich mir irgendwann gesagt: Wir brauchen so einen Spieler wie Prometheus. Wir brauchen Akteure, die auch mal langfristiger denken als bis zur nächsten Wahl. Wir müssen unsere Ideen, Werte, Überzeugungen, Ideale in die Gesellschaft hineintragen, auf die Straße, in die Köpfe und Herzen der Menschen. Wir müssen erreichen, dass die Gesellschaft, dass der Wähler Erwartungen formuliert, die von dem geprägt sind, was für uns wichtig ist. Wir müssen erreichen, dass wie etwa vor vierzig Jahren in Großbritannien eine überzeugte Liberale wie Margaret Thatcher mit einer klaren Reformagenda von der Mehrheit der Bevölkerung gewählt werden kann.

 

Die Linken verstehen das schon lange. Die Jahrzehnte lange, unermüdliche Arbeit von Organisationen wie Greenpeace und Attac hat die Debatten und Lösungsvorschläge zu Themen wie Umweltschutz, Ungleichheit, Enteignung, Wachstumsstop geprägt, die wir heute führen. Einer Organisation wie Campact ist es gelungen, ein Land wie Deutschland, das über Jahrzehnte der Exportweltmeister war, so zu verdrehen, dass Menschen hier mehrheitlich gegen Freihandelsabkommen waren und zu Tausenden auf die Straße gingen.

 

Ich sage es Ihnen ganz klar: an diesen Großtrends waren Politiker nur insofern beteiligt, als sie darauf reagiert haben und sie dann im Detail umgesetzt haben. Nicht einmal die größten Alpha-Tiere in der Politikarena können sich gegen die öffentliche Meinung stemmen.

 

Wer etwas verändern will – langfristig –, der muss den Weg wählen, der ohne den Applaus beim Parteitag auskommt; ohne Diäten und Fahrbereitschaft; ohne Ausschussposten und Neujahrsempfänge. Wer etwas verändern will, der muss junge Menschen ansprechen, die noch offene Köpfe und Herzen haben. Der muss eine Investition in die Zukunft machen: Die Leute ansprechen und begeistern, die in zehn fünfzehn oder zwanzig Jahren stellvertretende Chefredakteure, Professoren, Buchautoren und Institutsdirektoren sein können.

 

Die Linken haben das verstanden. Darum sehen in vielen Teilen des Landes Lehrpläne an Schulen und Universitäten so aus wie sie aussehen. Darum wählen die Volontäre der ARD zu 92 Prozent grün-rot-rot. Darum fühlen sich Meinungsmacher in unserem Land moralisch ermächtigt, mit Fakten kreativ umzugehen „um der guten Sache willen“.

 

Wir Freunde der Marktwirtschaft und der Freiheit, wir Liberalen – das muss man so offen und schonungslos sagen: wir haben da ganz schön versagt. Wir haben dieses Gebiet sträflich vernachlässigt. Wir haben gedacht, dass es reicht, wenn man genug Prozente bei einer Wahl und genug Stellen in einer Regierung hat. Das ist nicht so. Das hätten wir schon in der Vergangenheit sehen müssen. Das sehen wir jetzt. Und am Sonntag wahrscheinlich auch.

 

Wir bei Prometheus sind überzeugt, dass wir besser werden müssen. Und dass wir besser werden können. Wir können mithalten mit den linken Meinungsmachern. Wir müssen nicht sang- und klanglos das Feld räumen. Und in den über sechs Jahren unseres Bestehens haben wir auch schon oft genug gesehen, dass das funktionieren kann. Wer heute für die Freiheit brennt, findet den Weg zu uns. Gerade die jungen Menschen, die dem Land in der Zukunft ein Gesicht geben werden. Als Gäste bei unseren Veranstaltungen, als Praktikanten und Research Fellows. Als Teil eines wachsenden Netzwerks. Und so werden wir mehr und mehr zur Stimme der Freiheit. Egal, wem Sie am Sonntag Ihre Stimme geben – sie können davon ausgehen, dass wir immer der Freiheit eine Stimme geben werden. Darauf können Sie sich verlassen – und wir freuen uns, wenn wir uns auf Ihre Unterstützung auch verlassen können bei dieser zentralen Aufgabe für unsere Gesellschaft.

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Die Pandemie und die Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft werden auch in diesem Jahr eine prägende und dominierende Rolle spielen. Es wird hoffentlich nicht von Dauer sein, dass Staat und  Regierung meinen, alles finanzieren und regeln zu können. Die Grenzen der Wirksamkeit staatlichen Handelns sind deutlich sichtbar. Bald ein Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie in Deutschland haben sich staatliche Behörden nur unzureichend auf neue Herausforderungen eingestellt. Wie viel schneller waren da im letzten Frühjahr und Sommer die Supermärkte und Cafés! Infektionszahlen werden von den Gesundheitsämtern teilweise noch per Fax gemeldet, Impfstoffe zu spät bestellt, die Verteilung schlecht organisiert und Mutationen erst Wochen nach dem Auftauchen auf ihre Verbreitung untersucht. Von den Katastrophen im Bildungsbereich ganz zu schweigen. Man muss nicht die große Keule des DDR-Sozialismus herausholen, um festzustellen, dass staatliche Planung und Planerfüllung eklatant auseinanderfallen.

Es ist zu befürchten, dass dieses schlechte Management die ökonomische Situation und die vielen Begleiterscheinungen der Krise bis weit in den Herbst hinein und darüber hinaus verschlechtert. Dabei kann eine Krise eigentlich auch eine große Chance sein, bisheriges Handeln zu hinterfragen und sich wieder stärker an Grundsätzen zu orientieren.

Hier gibt es eine große Tradition, auf die es sich aufbauen ließe. Walter Eucken, der am 17. Januar 130 Jahre alt geworden wäre, hat in seinen „Grundsätzen der Wirtschaftspolitik“ Prinzipien formuliert, die eine gute Wirtschaftspolitik ausmachen. Wie schaut es heute mit der Einhaltung dieser Prinzipien aus? Ist dieses Land auf Kurs oder spielen diese ordoliberalen Grundsätze keine Rolle mehr?

Als konstitutiv sah Eucken ein funktionierendes Preissystem ohne Eingriff des Staates durch Mindest- oder Höchstpreise an. Mietendeckel, Mindestlohn und weite Teile der Energiepolitik widersprechen diesem Prinzip eklatant. Eucken wollte eine unabhängige Notenbank, die der Geldwertstabilität verpflichtet ist.  Die Deutsche Bundesbank kam diesem Idealbild Euckens sehr nahe. Die Entwicklung der Deutschen Mark und ihre Stärke war dafür ein Beleg.  Heute verzerrt das billige Geld der EZB das Preissystem, erzeugt Blasen an den Immobilien- und Aktienmärkten, und die Präsidentin der EZB sitzt wie eine aktive Politikerin mit am Tisch, wenn sich die Staats- und Regierungschefs in Europa auf neue Schulden verständigen. Geprägt von den bedrückenden Erfahrungen der Kartelle und Monopole in der Weimarer Republik war Eucken für eine strenge Monopol- und Kartellkontrolle. Heute interveniert der Staat in die Wirtschaft, um unliebsame Investoren aus dem Ausland zu verhindern.  Eucken war ein Freund offene Märkte. Heute ist der Freihandel auf dem Rückzug. Innerhalb der EU wird mit der Entsenderichtlinie die Dienstleistungsfreiheit immer weiter eingeschränkt und gegenüber Importeuren in die EU werden tarifäre und nicht-tarifäre Handelsbarrieren hochgezogen. Das Privateigentum und die Vertragsfreiheit werden durch die zunehmende „Demokratisierung“ der Wirtschaft, sei es durch Frauenquoten in Vorständen, durch Corporate Governance-Vorgaben oder die Verpflichtung zur nachhaltigen Anlage in der Vermögensbildung immer weiter ausgehöhlt. Von der Durchsetzung des Haftungsprinzips ganz zu schweigen.

Euckens Credo: „Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen“ hat schon in der Finanzkrise 2008/2009 und auch in der Eurokrise ab 2010 keine Rolle gespielt. Es ist zu befürchten, dass auch nach der Pandemie dieser Grundsatz weiter verletzt wird. Eine Marktwirtschaft ohne Haftung ist keine Marktwirtschaft. Und auch die Konstanz der Wirtschaftspolitik ist gerade in Pandemiezeiten essentiell. Weite Teile der Wirtschaft, des Gewerbes und des Handels können heute nicht mehr ausreichend planen, weil die Regierung durch wöchentlich geänderte Pandemiebestimmungen Planungen unmöglich machen. Dies hat verheerende Folgen für weite Teile der Wirtschaft. Nur wenn Unternehmen Investitionen verlässlich planen können, investieren sie in ihre Zukunft. Nur wenn Bürgerinnen und Bürger einen mittelfristigen Horizont überblicken können, investieren sie in eine neue Immobilie.

Es steht also schlecht um die tragenden Grundsätze einer Marktwirtschaft. Deutschland entfernt sich immer mehr von diesen Idealen. Dies liegt auch daran, dass die Orientierung an ökonomischen Prinzipien aktuell zu wenig Freunde und Unterstützer hat. Das muss sich ändern, wenn sich in diesem Land etwas ändern soll.