Photo: Christopher Czermak from flickr.com (CC BY 2.0)
Henning Lindhoff ist Redakteur beim Institut für Vermögensentwicklung IFVE.
Die Konjunktur in Deutschland gewinnt weiter an Fahrt. Für 2017 rechnet das Research-Team der DZ Bank mit einem Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent. Im kommenden Jahr sollen es 1,8 Prozent werden – nicht zuletzt auch durch vermehrten privaten und staatlichen Konsum.
Und auch die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte werden in diesem und im kommenden Jahr leicht wachsen – nach Schätzungen der DZ Bank um 2,9 bzw. 3,0 Prozent.
Alles Friede, Freude, Eierkuchen also? Nicht ganz. Während die Bürger immer mehr Gelegenheit bekommen, ihre Arbeitskraft gegen Geld zu tauschen, wird das Feld der lukrativen Anlagemöglichkeiten stetig übersichtlicher.
Mit den Zinseinnahmen der Sparer geht es kontinuierlich bergab. Die Verzinsung ihrer Einlagen, Rentenpapiere und Versicherungen wird in diesem Jahr auf unter 60 Mrd. Euro sinken – rund 50 Prozent weniger als noch vor 10 Jahren. Und das, obwohl die Gesamtsumme der Investments seit 2008 um mehr als 36 Prozent gestiegen sind.
Da in den kommenden Monaten noch einige Rentenpapiere mit relativ hohen Zinsen fällig werden, kann durchaus mit weiter fallenden Zinseinkünften im kommenden Jahr gerechnet werden.
In den letzten Monaten haben Sparer und Anleger immer neue historische Tiefstände bei den Zinsen für Geldanlageprodukte hinnehmen müssen. Laut einer aktuellen Studie der DZ Bank, für die sie das zurückliegende Jahr in ihre Betrachtung einbezog, addierte sich der Zinsverlust der deutschen Privathaushalte zwischen 2010 und 2016 auf fast 344 Milliarden Euro.
Vor allem bei Bankeinlagen verloren Anleger: 188,6 Milliarden Euro. Aber auch Rentenpapiere (-55,7 Milliarden Euro) und Lebensversicherungen (-99,3 Milliarden Euro) konnten ihre Versprechen auf Vermögenswachstum nicht mehr in dem zuvor gewohnten Maße einhalten.
Und diese Talfahrt lässt noch kein Ende erkennen. Auf der einen Seite wird die Europäische Zentralbank ihre Politik des leichten Geldes zukünftig sicherlich eindämmen. Auf der anderen Seite wird es allerdings noch einige Jahre dauern, bis sich die Zinsen für Kredite und Geldanlageprodukte wieder spürbar erholt haben werden.
Hinzu kommen negative Effekte durch die in den letzten Monaten wieder leicht steigenden Inflationsraten. Für das Jahr 2017 rechnet die DZ Bank daher mit einem negativen Realzins von -0,8 Prozent. Dieser allein lässt einen Vermögenswertverlust im mittleren zweistelligen Milliardenbereich vermuten.
Doch trotz aller Widrigkeiten sparen die deutschen Haushalte weiter.
Mit Blick auf die demographische Entwicklung ist dies sicherlich eine positive Nachricht. Allerdings ist diese deutsche Sparsamkeit noch von zu großer Risikoscheu geprägt.
Nur 14 Prozent aller Bürger haben hierzulande Aktien in ihrem Portfolio. Statt auf Unternehmensbeteiligungen setzen sie auf unsichere Versprechen der Lebensversicherer, auf verfallende Geldwerte wie Sparbücher und Tagesgelder.
Das Vermögensbarometer 2016 veranschaulicht die Verunsicherung der deutschen Sparer. Im Auftrag der Sparkassen wurden hier mehr als 1.800 Bürger befragt. Die Ergebnisse machen deutlich, dass viele Deutsche, trotz sinkender Zinsen für Anleihen, weiter auf die vermeintliche Zuverlässigkeit der festverzinsichlichen Wertpapiere setzen. 57 Prozent der Befragten nannten „Sicherheit‟ als wichtigstes Kriterium für ihre Anlageentscheidung. „Rendite‟ rangiert nur auf dem fünften Platz. Und eine Umfrage der Postbank zeigt, dass sich 47 Prozent der Deutschen lieber mit dem zinslosen Girokonto zufrieden geben als sich mit vermeintlich riskanten Aktien zu beschäftigen. Nur 532 Milliarden Euro halten deutsche Anleger aktuell in Form von Unternehmensanteilen. Diese trugen immerhin rund 44 Mrd. Euro zum Vermögenszuwachs der Deutschen im Jahr 2016 bei.
Doch dies ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Mit ihrem falschen Anlageverhalten betrügt sich die deutsche Mittelschicht selbst.
Unsere europäischen Nachbarn freuen sich derweil über sehr viel höhere Renditen. Abzulesen ist dies am Netto-Geldvermögen (das Vermögen abzüglich der Schulden) pro Einwohner, das in vielen Ländern mit sehr viel niedriger Sparquote deutlich höher ist als in Deutschland. In den Niederlanden (80.182 Euro pro Kopf im Jahr 2015) und selbst im wirtschaftlich gebeutelten Italien (53.494 Euro) haben die Bürger mehr auf der hohen Kante als die Deutschen (47.681 Euro).
Der Grund: Die Italiener, Niederländer und viele andere legen ihr Geld sehr viel effektiver an. Laut einer Studie der Allianz-Versicherung erwirtschafteten sie zwischen 2012 und 2015 ein Plus von 4,6 Prozent.
Aktien im Portfolio verbriefen die Teilhaberschaft an einem realen Unternehmen. Weniger „German Angst“ bedeutete in Sachen Geldanlage also vor allem auch ein Mehr an unternehmerischem Selbstverständnis. Es ist zu hoffen, dass fallende Zinsen die deutschen Anleger diesem Mindset näher bringen werden.
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