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Photo: Kecko from Flickr (CC BY 2.0)

Es gibt vielerlei, das verboten ist, oder wo der Ruf nach einem Verbot oder Gesetz immer wieder laut wird. Ein häufiger Denkfehler in dem Zusammenhang ist, dass man „legal“ mit „empfohlen“ verwechselt. Oder anders gesagt: Man muss nicht gleich alles verbieten, was einem nicht behagt.

Etwas vor dem Gesetz tun zu dürfen, heißt nicht, es auch tun zu müssen

Es gibt viele gute Gründe, sich für die Legalisierung von Marihuana einzusetzen. Zum Beispiel die Reduzierung von Kriminalität, die mit dem Verbot einhergeht. Aus einer Legalisierung oder zumindest Entkriminalisierung folgt jedoch nicht, dass von nun an der Konsum von Marihuana empfohlen wird. Man muss nicht damit rechnen, dass Menschen wie der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan oder der Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa, die sich für ein Ende des Kriegs gegen die Drogen einsetzen, bald mit der Crack-Pfeife im Mund der Weltöffentlichkeit von bewusstseinserweiternden Substanzen vorschwärmen.

Wenn die NPD nicht verboten wird, ist das keine implizite Wahlempfehlung der Verfassungsrichter. Wer gegen ein Verbot sexistischer Werbung ist, möchte nicht notwendigerweise die Innenstadt mit nackten Frauen plakatiert sehen. Das Tragen der Burka zuzulassen impliziert nicht den Wunsch, möglichst viele Frauen möchten sich für diese Mode-Variante entscheiden. Und man kann das Rauchen in Kneipen erlauben, ohne den Wirten nahezulegen, diese Möglichkeit zu nutzen. Etwas vor dem Gesetz tun zu dürfen, heißt nicht, es auch tun zu müssen oder zumindest zu sollen.

Was ist eigentlich der Zweck von Gesetzen?

Auch wenn das so nie von den Befürwortern von Verboten formuliert wird: es schwingen häufig genau diese unterschwelligen Botschaften mit. Wenn man es nicht verbietet, werden Leute sich aufgerufen fühlen, es zu tun. Durch das Verbot dagegen wird bei vielen Menschen das Gefühl hervorgerufen, das Problem, das dadurch adressiert wird, sei nun unter Kontrolle. Fakt ist: Unter Kontrolle ist es oft genug nicht. Die Drogenpolitik ist vielleicht das krasseste Beispiel dafür, wie ein Verbot vor allem neue Probleme verursacht ohne die alten zu lösen. Aber auch harmlosere Interventionen wie die Mietpreisbremse oder Verbote, nachts Alkohol zu verkaufen, bringen in der Regel eher neue Probleme hervor ohne die bestehenden in den Griff zu bekommen.

Alles fängt an mit einem grundlegenden Missverständnis: Was ist eigentlich der Zweck von Gesetzen? Anders als viele Politiker es kommunizieren und anders als viele Bürger es empfinden, ist ihr Sinn nicht, die Verbindlichkeit von Vorlieben festzuschreiben. In einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat wie dem unsrigen ist der Sinn von Gesetzen, die Freiheit der Bürger zu garantieren. Es widerspricht zutiefst dem Geist unseres Grundgesetzes und Gemeinwesens, persönliche Geschmacksurteile oder Meinungen mittels eines Gesetzes zum Maßstab für alle Bürger des Landes zu machen.

Dass das dennoch immer öfter passiert, führt eben auch zu dem Irrtum zu glauben, dass „legal“ gleichbedeutend mit „empfohlen“ sei. Wenn Gesetze und Verordnungen zunehmend zu einem (repressiven) Kommunikationsmittel über das gewünschte Verhalten werden, dann übermitteln sie eben nicht mehr bloß, was man nicht tun soll, sondern immer häufiger, was man tun soll. In letzter Konsequenz wird dann so viel geregelt, dass man davon ausgehen kann: Wenn etwas nicht verboten ist, sollte man es tun.

Argumente nicht durch Vorschriften ersetzen

Wenig überraschend werden sich dennoch viele Menschen nicht daran halten. Wer wirklich etwas verändern will, muss einen anderen Weg als den der Gesetze wählen. Wenn zum Beispiel auch nur ein Teil der enormen Summen, die heute in Strafverfolgung wegen kleinerer Drogendelikte gesteckt werden, in Aufklärung über die Schädlichkeit von Rauschmitteln gesteckt würden, könnte man nachhaltiger Veränderungen bewirken – und das ohne die negativen Nebenwirkungen eines Gesetzes. Das Thema Rauchen ist da ein gutes Beispiel: Die stetig sinkende Zahl der Raucher hat wohl eher mit verstärkter Aufklärung und gewachsenem gesellschaftlichen Bewusstsein zu tun als mit den erst in der Folge eines veränderten Bewusstseins aufgetretenen Nichtraucherschutzgesetzen und abstoßenden Bildern auf Zigaretten-Packungen.

Es gibt sehr gute und überzeugende Argumente dafür, vieles nicht zu tun, was heute verboten, illegal und sanktioniert ist. Diese Argumente sind ein viel wirksameres Mittel, um nachhaltig und langfristig Menschen davon abzuhalten als Verbote und Gesetze. Wer ein Gesetz einführt, hat damit noch keinen Menschen überzeugt. Die Tendenz, über Gesetze die eigenen moralischen Urteile durchzusetzen, ist nicht nur wenig effizient. Sie erodiert auch über die Zeit hinweg unseren Rechtsstaat, indem sie ihn in einen Gesetzstaat transformiert. Gerade in einer Demokratie, die sich aus der Urteilsfähigkeit der Bürger heraus begründet, darf das Argument nicht durch die Vorschrift ersetzt werden.

Photo: Eli Christman from Flickr (CC BY 2.0)

Von Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus und dem Cato Institute in Washington D.C.

Noch vor einigen Monaten wurde die Präsidentschaftskandidatur Donald Trumps von der ganzen Welt belächelt. Der Immobilienmogul war mit seiner eigenen Reality Show nicht viel mehr als eine Kuriosität im amerikanischen Vorwahlkampf. Doch er hat das scheinbar Unmögliche geschafft: Er hat alle republikanischen Konkurrenten eindrucksvoll aus dem Rennen befördert und ist nun der Präsidentschaftskandidat der „Grand Old Party“. Man stelle sich einen rassistischen Robert Geiss vor, der Angela Merkel als CDU Spitzenkandidat ablösen würde.

Eine CNN Umfrage vom Anfang des Monats sieht Hillary Clinton klar in der Favoritenrolle in der kommenden Präsidentschaftswahl. Sie erhält 42 Prozent Zustimmung während Donald Trump mit nur 34 Prozent rechnen kann. Bemerkenswert ist, dass der Kandidat der Libertarian Party, Gary Johnson, mit ganzen 11 Prozent gelistet wird. Doch wenn es nach den Demoskopen gehen würde, wäre „Low Energy Bush“ Präsidentschaftskandidat der Republikaner geworden … In den wichtigen „Swing States“ Ohio, Florida und Pennsylvania liefern sich Trump und Clinton in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Clinton ist bei den Amerikanern äußerst unbeliebt. Selbst langjährige Demokraten können ihre Abneigung gegen die ehemalige First Lady kaum verbergen. Sie steht für die abgehobene Washingtoner Politikwelt, ohne jeden Realitätsbezug, ist opportunistisch und unglaubwürdig. Aus der Zeit als Außenministerin macht ihr außerdem eine E-Mail-Affäre zu schaffen. Das FBI ermittelt und die ganze Welt kann auf Wikileaks lesen, was die ehemalige Außenministerin Clinton alles so geschrieben hat. (Stöbern lohnt sich!)

Donald Trumps Erfolg ist zu einem großen Teil der Unzufriedenheit über genau diesen Politikertyp geschuldet. Trump ist der Anti-Clinton in jeglicher Hinsicht: Er spricht eine einfache Sprache und er kann Menschen begeistern. Er verkörpert, wenn auch auf eine etwas schräge Art und Weise, den „American Dream“. Er lässt sich, anders als „die da“ in Washington nicht durch Lobbyisten kaufen: Er hat selbst schon genug Geld.

Die Wandlung des schrägen und lauten Vorwahlkämpfers Trump zum Präsidentschaftskandidaten Trump hat längst begonnen. So vermeidet er es neuerdings, Mexikaner pauschal als Verbrecher und Vergewaltiger zu beleidigen. Auch die geplante Mauer zu Mexiko tritt zunehmend in den Hintergrund. Der 69-jährige Milliardär bewegt sich zunehmend auf die politische Mitte zu. Am Ende könnte er sogar Unterstützung aus dem Bernie Sanders-Lager gewinnen. Protektionistische Wirtschaftspolitik und der Frust über die Washingtoner Politikelite ist auch dort zuhause. Auch in gesellschaftlichen Fragen wurde Donald Trump in der Vergangenheit eine deutlich Demokraten-nahe Position nachgesagt. Sobald er seine Rhetorik des Vorwahlkampfs abgelegt hat, kann er beispielsweise mit den Themen Gleichberechtigung von Homosexuellen und Abtreibung in der Wählerschaft der Demokraten wildern.

Langsam dämmert es vielen, dass ein Präsident Trump nicht nur möglich ist, sondern auch zunehmend wahrscheinlicher wird. Clinton wird auf jeden Fall eine leichterer Gegner sein als viele hoffen. Das bringt uns zu dem eigentlichen Gegenspieler von „The Donald“: Thomas Jefferson. Der Gründungsvater und dritte Präsident der Vereinigten Staaten steht wie kein anderer für die Ideen der amerikanischen Unabhängigkeit und Verfassung. Am 4. Juli 1776 erklärte der zweite Kontinentalkongress die Unabhängigkeit von Großbritannien. Zusammen mit der amerikanischen Verfassung bildet die Unabhängigkeitserklärung das Fundament der Vereinigten Staaten von Amerika: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.“

Die ersten Zeilen der Unabhängigkeitserklärung sind nicht nur ein nettes Vorwort, sie fassen das moralische Selbstverständnis der Gründungsväter und Millionen Amerikaner zusammen. Nicht die Regierung verleiht den Menschen gewisse Rechte, sondern jeder Mensch ist von Natur aus mit unveräußerlichen natürlichen Rechten geboren. Diese Rechte auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück bedeuten, dass jeder sein Leben führen kann wie er es für richtig hält. Die Grenzen sind die natürlichen Rechte der Anderen. Um diese natürlichen Rechte zu sichern, konstituierten die Gründer den jungen Staat. Dieser erhält seine gerechte Legitimation durch die Zustimmung der Beherrschten. Regierungshandeln ist daher auf die Bereiche beschränkt, in welchen die Menschen der Regierung entsprechende Kompetenzen verliehen haben. Auch der Regierung und einem Präsidenten Trump sind im Verständnis der Gründungsväter der USA klare Machtgrenzen gesetzt.

Die legislativen Befugnisse werden in Artikel 1 der Verfassung dem Kongress zugesprochen: „All legislative Powers herein granted shall be vested in a Congress of the United States, which shall consist of a Senate and House of Representatives.“ Die Idee, dass die Menschen von Natur aus mit Rechten geboren wurden und nur gewisse Befugnisse an den Staat abgegeben haben, finden sich auch in diesem Satz wieder. So wird keine generelle Befugnis erteilt in dem vom „Power“ gesprochen wird, sondern nur die durch die Menschen abgetretenen „Powers“ werden dem Kongress übertragen. Die amerikanische Verfassung ist mit vielen „Checks and Balances“ ausgestattet. Die vom Kongress verabschiedeten Gesetze können durch den Präsidenten mit einem Veto blockiert werden. Das Veto kann durch eine „Supermajority“ ausgehebelt werden, wenn zwei Drittel beider Kammern des Kongresses es beschließen.

Der „Supreme Court“ hat eine entscheidende Rolle in der amerikanischen Verfassung. Er wacht darüber, dass der amerikanische Gesetzgeber und der Präsident ihre durch die Verfassung definierten Befugnisse nicht überschreiten. Die Richter werden zudem vom Präsidenten im Einvernehmen mit dem Kongress auf Lebenszeit ernannt. Anfang 2016 verstarb der oberste Richter Antonin Scalia. Der nächste Präsident wird durch die Wahl eines neuen Richters die Auslegung der Verfassung auf Jahrzehnte bestimmen können. Antonin Scalia galt als ein konservativer Richter, welcher die Verfassung nahe am Text und daher im Geist der Gründerväter auslegte. Derzeit sind vier Richter im Amt, die durch republikanische Präsidenten ernannt wurden, und ebenso viele, die durch demokratische Präsidenten ihren Posten erhielten. Die nächste Nominierung ist daher entscheidend für das Machtverhältnis im obersten Gericht.

Die Verfassung sieht vor, dass der Kongress mit seinen beiden Kammern das Machtzentrum der amerikanischen Demokratie sein soll. Dem Präsidenten bleibt nach der Ausführung der Beschlüsse des Kongresses nur das Feld der Außenpolitik. Insbesondere ist der Präsident der Oberbefehlshaber der Streitkräfte und entscheidet über deren Einsatz, inklusive des Kernwaffenarsenals. Trump gibt sich als „Non-Interventionist“ und kritisiert die Außenpolitik von George W. Bush scharf, doch es bleibt zu befürchten, dass seine impulsive Art zu gefährlichen Situationen führen wird.

Seit dem Inkrafttreten der Verfassung hat sich das Machtgefüge zugunsten des Präsidenten verschoben. Vor allem Obama benutzt exekutive Anordnungen, um den regulären Gesetzgebungsprozess im Kongress zu umgehen. Man könnte hoffen, dass der Kongress seine Kompetenzen wieder zurückholen würde und die Macht der Exekutiven wieder einschränkt, wenn Donald Trump gewählt werden würde. Das wäre allerdings ein sehr optimistisches Szenario, denn es verkennt die tatsächliche Machtbalance zwischen der Exekutive und dem Kongress.

Die amerikanische Verfassung gibt dem Kongress die Möglichkeit, Donald Trump in die Schranken zu weisen. Sie kann der Unberechenbarkeit des Donald Trumps aber wohl nichts entgegensetzen. Die Gründungsdokumente sind beeindruckende Meilensteine der Freiheit, doch sie sind nicht „self-enforcing“. Das Wirken hängt von dem Respekt und dem tatsächlichen Leben der Verfassung ab. Wenn sich mehr Amerikaner der Bedeutung ihrer liberalen Gründungsdokumente vergegenwärtigen würden, könnte Druck auf den Kongress entstehen, seine ursprüngliche Verantwortung wieder zu übernehmen. Vor allem würde dann aber ein prinzipienloser Populist, der mit fast jeder Aussage die liberalen Grundwerte der Gründerväter mit Füßen tritt, erst gar nicht gewählt werden.

Tagung des Prometheus-Instituts im Würth Haus Berlin

Über das Thema „Europa zwischen Zentralität und Pluralität“ diskutierten auf Einladung des Prometheus-Instituts am gestrigen Abend Karl von Habsburg und Prof. Thomas Mayer in der Repräsentanz der Würth-Gruppe in Berlin. Von Habsburg ist Präsident der Paneuropa-Bewegung Österreich. Die Paneuropa-Bewegung wurde nach dem ersten Weltkrieg 1922 von Richard von Coudenhove-Kalergie gegründet und gilt als älteste Europabewegung. Von Habsburg warb für einen europäischen Föderalismus und betonte, dass Europa größer sei als die Europäische Union. Dieser Unterschied werde in Brüssel immer wieder negiert.
Der ehemalige Europaabgeordnete betonte, dass die EU, trotz ihrer Schwächen, in anderen Teilen der Welt als moderne Errungenschaft verstanden werde. Insbesondere in Afrika sehe man dies so. Für die westafrikanischen Staaten, die sogenannten ECOWAS-Staaten, sei die EU mit dem Schengen-Raum und der gemeinsamen Währung ein Vorbild, das diese nachbilden würden. Er forderte ein stärkeres außenpolitisches Engagement der EU. Auf die USA könne man derzeit nicht setzen, da bis in das Frühjahr des nächsten Jahres hinein, wegen des Präsidentschaftswahlkampfes und der dann folgenden Neusortierung der US-Regierung, keine Initiativen zu erwarten seien. Dies sehe er in Hinblick auf die Rolle Russlands mit Sorge.
In der Flüchtlingspolitik forderte er eine europäische Lösung. Es gebe keinen deutschen oder österreichischen Weg. Bis 2025 sei mit rund 12 Millionen Migranten zu rechnen, die sich unabhängig von der Schließung der Balkanroute ihren Weg nach Europa suchen würden. Es müsse daher eine Angleichung der Behandlung von Flüchtlingen geben. Solange dies nicht existiere, seien Kontingente wirkungslos.
Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute und Kuratoriumsvorsitzender von Prometheus, zog den Schluss, dass die Gründung des Euro zwangsläufig zu mehr Zentralismus in der EU führe. Die Gründerväter des Euro wollten die immer engere Union damit erzwingen. Er warb jedoch für die Idee eines konföderalen Europas. Hierzu hat er bereits im November gemeinsam mit Prof. Stefan Kooths, Prof. Justus Haucap und Frank Schäffler ein Manifest veröffentlicht. Darin sprechen sich die Autoren für die Idee eines Staatenverbundes aus. Am Beispiel der Asyl- und Flüchtlingspolitik zeige sich, dass sich Konsens in der EU nicht durch Gemeinschaftsinstitutionen ersetzen lasse, sondern dass sich das, was gemeinschaftlich koordiniert geschehen soll, am Konsens orientieren müsse. Deutschland dürfe seine Vorstellungen nicht zum Maßstab erklären, um dann von den Partnern zur Bewältigung der damit verbundenen Lasten Solidarität einzufordern.
Im Hinblick auf die Euro-Schuldenkrise ist die Spaltung Europas nur durch eine Entpolitisierung des Euros möglich. Der Euro-Raum müsse zu einer offenen Hartwährungsunion entwickelt werden, die den Austritt ermöglicht und andere Währungen parallel zulässt.
Prometheus-Geschäftsführer Frank Schäffler betonte, dass in Europa die Tradition eines Primates von Recht und Freiheit herrschen müsse. Das seien die Wurzeln der europäischen Idee. Sie zu hegen und zu pflegen, sei Auftrag einer offenen Gesellschaft. Manfred Kurz, Repräsentant der Würth-Gruppe, unterstrich die Wichtigkeit freiheitlicher Ideen, die in Deutschland vom Prometheus-Institut und Frank Schäffler vertreten würden.

Photo: dierk schaefer from Flickr (CC BY 2.0)

Es gibt sie noch: die Helden der Gegenwart. Sieglinde Baumert ist so eine. 61 Tage saß sie in Erzwingungshaft, bis der MDR ein Einsehen hatte. Er zog seinen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zurück, so dass das Amtsgericht Bad Salzungen ihn aufhob. Die Rundfunkgebührenverweigerin hat keinen Fernseher, soll aber dennoch Zwangsgebühren von 17,50 Euro pro Monat bezahlen. Das sah sie nicht ein und ging deshalb lieber ins Gefängnis. Eigentlich soll die Erzwingungshaft, wie der Name schon sagt, eine Zahlung erzwingen, doch Sieglinde Baumert hat nicht gezahlt und wird wohl auch künftig nicht zahlen. Das nötigt einem Respekt ab. Über die Öffentlich-Rechtlichen sagt der Vorgang aber sehr viel aus. Ihnen ist jedes Mittel recht, selbst der Freiheitsentzug.

Sieglinde Baumert ist die Speerspitze einer Protestbewegung, die die Öffentlich-Rechtlichen eigentlich zum Nachdenken veranlassen sollte. 4,5 Millionen Beitragskonten waren 2014 auf einem „Mahnstatus“. Das sind rund 10 Prozent aller Beitragskonten. Für 2015 wurden wahrscheinlich 2,2 Millionen Vollstreckungsersuchen durch den „Beitragsservice“ von ARD und ZDF bei den Städten und Gemeinden beantragt. Die Konsequenz ist die Pfändung oder die Abnahme der Vermögensauskunft.

Was viele Zwangsbeitragszahler fassungslos macht, ist nicht zuletzt die Ausgabementalität der Sender. Jüngstes Beispiel ist das neue heute journal-Studio des ZDF. Nein, so etwas kostet nicht eine Million, auch nicht zwei Millionen, sondern gleich 30 Millionen Euro. Nicht der Neubau des gesamten ZDF auf dem Lerchenberg in Mainz, sondern nur ein Studio, das einmal am Tag für eine halbe Stunde genutzt wird. Vielleicht wird auch noch die eine oder andere heute-Sendung dort ausgestrahlt? Mag sein. Aber 30 Millionen Euro? Schon wird wieder über den Rundfunkbeitrag hinter den Kulissen gefeilscht. Beitragskontinuität ist das Stichwort. Zwar nimmt der „Beitragsservice“ sehr viel mehr Geld ein als geplant, dennoch soll es für die üppigen Pensionen zurückgelegt werden. Immerhin 8,3 Milliarden Euro pro Jahr kommen für 23 Fernsehkanäle und 63 Radiosender rein. Deutschland hat mit Abstand den teuersten und umfangreichsten öffentlichen Rundfunk der Welt. Dabei gibt es überhaupt keinen Mangel an Informationen. Allein 400 TV-Sender sind in Deutschland empfangbar. Das Internet hat eine Revolution an unabhängiger Information geschaffen.

Deshalb hat sich diese Art der Rundfunkfinanzierung überholt. Da können die Rundfunkanstalten noch so oft die Urteile des Bundesverfassungsgerichts aus 1994 und 2007 rauskramen. Damals war es eine andere Welt. Die Digitalisierung fegt die traditionelle Informationsgewinnung per Tagesschau oder heute journal hinweg. Wieso sollen die Bürger dann mit einem Zwangsbeitrag dafür bezahlen müssen, dass immer weniger es sehen wollen, aber immer mehr bezahlt werden muss? Sie können ja nicht einmal über Programm und Ausgaben mitreden. Selbst so verstaubte Institutionen wie die Deutsche Rentenversicherung, die ebenfalls beitragsfinanziert ist, lässt ihre Zwangszahler mitreden – über Inhalte und Ausgaben. Nur bei ARD und ZDF landet man im Zweifel im Gefängnis. Damit bekommt die vom WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn so bezeichnete Rundfunkgebühr als „Demokratieabgabe“ eine ganz neue Bedeutung. Etwas überspitzt ausgedrückt: Wer gegen die Rundfunkgebühr ist, stellt sich gegen die Demokratie und muss deshalb ins Gefängnis. Aber wenigstens fallen dort für die Inhaftierten keine Zwangsbeiträge an, wenn sie früh morgens das Morgenmagazin anschauen. Was sollen sie dann auch sonst machen?

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Beim Widerstand gegen die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung im Euro-Club ist Finanzminister Wolfgang Schäuble inzwischen auf dem Rückzugsgefecht. Die Schlacht wurde letzte Woche durch eine weitere Niederlage besiegelt. Medien berichten, dass der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Rates die von der Europäischen Kommission gewählte Rechtsgrundlage durchwirken wird. Die Kommission bezieht ihren Vorschlag auf eine Rechtsgrundlage in den Europäischen Verträgen, die mit einer qualifizierten Mehrheit angenommen werden kann. Die deutsche Regierung hat dagegen bislang argumentiert, dass jedes Land ein Veto gegen den Kommissionsvorschlag habe. Somit hätte Deutschland alleine eine gegenseitige Einstandspflicht für Sparguthaben in der EU verhindern können. Denn darauf zielt eine einheitliche Einlagensicherung im Euro-Raum ab. Die bisher selbständigen Einlagensicherungssysteme sollen sich gegenseitig in einer Schieflage helfen müssen. Doch sie sind schon heute brüchig und löchrig. Alle versprechen mehr, als sie halten können. Jetzt sollen die maroden Systeme zu einem noch maroderen System zusammengefasst werden.In letzter Konsequenz führt die Vergemeinschaftung dazu, dass Einlagen spanischer oder italienischer Sparer bei dortigen Banken durch die Einlagen deutscher oder niederländischer Sparer gesichert werden. Das ist von vornherein der Plan der europäischen Technokraten gewesen. Sie wollten mit der Bankenunion eine noch stärkere gegenseitige Abhängigkeit schaffen. Aus guten Nachbarn sollten Schuldner und Gläubiger gemacht werden, die sich immer stärker umarmen, bis sie gegenseitig keine Luft mehr bekommen. Der Start dieser Bankenunion war der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM, der die Staatsschulden im Euroraum sozialisierte, die dann geschaffene einheitliche Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB und der einheitliche Abwicklungsmechanismus für Banken vergemeinschaftete die Entscheidung, welche Banken in einer Schieflage wie behandelt werden.

Was bisher die Aufgabe der nationalen Aufsichten war, wurde jetzt an die Technokraten in Brüssel und bei der EZB in Frankfurt übertragen. Der krönende Abschluss wäre jetzt die vergemeinschaftete Einlagensicherung. Erst hier kam der Widerstand der deutschen Regierung. Bis dahin hatte sie alles durch gewunken. Doch jetzt ist es womöglich zu spät.

Denn bei einer qualifizierten Mehrheit auf EU-Ebene müssen mindestens 55 % der Staaten, also mindestens 15 bei 28 Staaten mit mindestens 65 % der Gesamtbevölkerung der EU zustimmen. Für eine Sperrminorität sind die Stimmen von mindestens 4 Ratsmitgliedern, die mindestens 93 Stimmen im Rat aufbringen müssen, notwendig. Dies gelingt nur, wenn sich ein Teil der bevölkerungsreichen Staaten Frankreich, Spanien oder Italien dem deutschen Widerstand anschließen. Das ist schon deshalb nicht zu erwarten, weil gerade diese Länder auf eine schnelle Umsetzung der Vergemeinschaftung der Einlagensicherung drängen. Alle diese Länder leiden noch unter der Finanzkrise 2007/2008. Italiens Banken stehen vor besonders schweren Zeiten. Seit 2008 steigt deren Volumen an faulen Krediten im Privatsektor von Monat zu Monat an und hatten im Januar 2016 einen historischen Höchststand von 201,6 Mrd. Euro. Der Anteil der mit mehr als 90 Tagen im Zahlungsverzug befindlichen Kredite an italienische private Haushalte und Unternehmen kletterte auf ein neues Hoch von 12,24 Prozent.Die Probleme Spaniens sind neben großen Strukturproblemen die Folgen des Platzens der Immobilienblase 2008. Von diesem Einschnitt hat sich weder das spanische Bankensystem noch die spanische Industrie erholt. Letztere ist immer noch über 21,8 Prozent vom Hoch 2008 entfernt. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte Spaniens war noch nie so hoch. Wenn die Regionen mit eingerechnet werden, liegt sie wohl fast bei 150 Prozent der Wirtschaftsleistung. In Frankreich sieht es nicht ganz so schlimm aus, aber auch hier liegt man über 14 Prozent unter der Wirtschaftsleistung aus der Vorkrisenzeit, ohne nennenswerte Wachstumszahlen vorweisen zu können.

Jetzt will Schäuble sein Gesicht wahren und die anderen Staaten in die Pflicht nehmen. Er beklagt nunmehr, dass Verträge in der EU nicht eingehalten würden und dass die Bail-In-Regelung im Rahmen des Bankenabwicklungsmechanismus in Italien jüngst nicht angewandt wurde. Sie besagt, dass bevor staatliche Hilfe für Banken gewährt werden, erst Eigentümer und Gläubiger der Bank herangezogen werden. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch wie man in den Wald hineinruft, so kommt es zurück. Es war Deutschland, das die Nichtbeistandsklausel außer Kraft gesetzt hat, es war Deutschland, das die einheitliche Bankenaufsicht vorangetrieben hat. Und man muss auch nicht nur bei der Bewältigung der Euro-Schuldenkrise bleiben: es war Angela Merkel, die das Dubliner Abkommen im September 2015 ausgesetzt hat. Zu einem Europa des Rechts und der Vertragstreue kommt man am besten dadurch, dass man vor der eigenen Haustüre kehrt.

Erstmals veröffentlicht bei Tichys Einblick.