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Photo: David Holt from Flickr (CC BY-SA 2.0).

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

In den vergangenen Jahren kamen viele Zuwanderer nach Deutschland, darunter allein 1,2 Millionen Asylsuchende in den Jahren 2015 und 2016. Eine zügige Integration in den Arbeitsmarkt ist erstrebenswert – aufgrund des niedrigen Qualifikationsniveaus der meisten Zuwanderer ist das jedoch kein leichtes Unterfangen.

Die Bundesregierung gibt sich optimistisch und verweist auf jüngste Reformen. Doch neue Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) lassen vermuten, dass die in den letzten Jahren zugewanderten Flüchtlinge trotz Reformen und außergewöhnlich günstiger Arbeitsmarktlage eine noch schleppendere Arbeitsmarktkarriere erleben werden als frühere Flüchtlinge. Rosige Aussichten sind das nicht: Frühere Flüchtlingskohorten erreichten erst nach 15 Jahren eine Beschäftigungsquote von 70%, was der Beschäftigungsquote regulärer Zuwanderer in Deutschland nach 5 Jahren entsprach.

Die Bundesregierung sollte die niedrigen Beschäftigungsquoten der in den letzten Jahren zugereisten Flüchtlinge als Warnsignal sehen. Gelingt es nicht, die Arbeitsmarktintegration deutlich zu beschleunigen, kommen hohe Kosten auf die Steuerzahler zu. Um die Erwerbsquote der Flüchtlinge zügig zu heben, bietet es sich an, den Kündigungsschutz und den Mindestlohn mindestens für Flüchtlinge auszusetzen, den Regelbedarf für ALG II beziehende Flüchtlinge um 30% zu kürzen und Freibeträge beim Bezug von ALG II für alle Empfänger auszuweiten.

Arbeitsmarktintegration verläuft gewohnt schleppend

Eine neue Studie des IAB zeigt: Die Arbeitsmarktintegration der in den letzten Jahren zugewanderten Menschen aus den wichtigsten Asylherkunftsländern – Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria Pakistan, Somalia und Syrien – läuft nur schleppend an. Aufgeschlüsselt nach dem Einreisejahr konnte das IAB auf Basis einer repräsentativen Stichprobe die Erwerbstätigenquote – also den Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung an der erwerbsfähigen Bevölkerung (im Alter von 18 bis 64) -berechnen. Berücksichtigt werden sowohl geringfügige, Teil- und Vollzeit- als auch selbstständige Beschäftigung sowie betriebliche Praktika. Die Ergebnisse sind recht ernüchternd:

Die Erwerbstätigenquote unter den 2016 eingereisten Flüchtlingen lag Ende 2016 bei 6,2 %. 2015 eingereiste Flüchtlinge erreichten zum selben Zeitpunkt eine Quote von 9,9 %. Bei Flüchtlingen aus dem Jahre 2014 lag sie bei 22,2 % und von den erwerbsfähigen Flüchtlingen aus 2013 waren 30,8 % beschäftigt. Werden Praktika und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse nicht berücksichtigt, sinkt die Erwerbstätigenquote für alle Kohorten deutlich. 2013 eingereiste Flüchtlinge kommen dann auf eine Quote von 20,8 %.

 

 

Die neu zugewanderten Flüchtlinge fassen damit noch langsamer Fuß auf dem Arbeitsmarkt als frühere Flüchtlingskohorten. Zogen früher zugezogene Flüchtlinge nach 15 Jahren mit schneller integrierten, regulär eingewanderten Migranten gleich und erreichten eine Erwerbstätigenquote von 70%, so steht zu erwarten, dass die in den letzten Jahren zugezogenen Flüchtlinge dafür noch länger brauchen werden.

Zum Vergleich: Die Erwerbstätigenquote aller in Deutschland lebenden Personen zwischen 20 und 64 Jahren liegt bei 78 %.

Ausland macht ähnliche Erfahrungen

Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass es in mit Deutschland vergleichbaren Staaten ähnliche Probleme bei der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen gibt. Die Erwerbstätigenquote von Flüchtlingen, die vor bis zu vier Jahren eingewandert sind, liegt im EU-Durchschnitt bei nur 27%. In der Gruppe der vor fünf bis neun Jahren Eingereisten liegt die Quote bei 39 %. Flüchtlinge, die seit 10 bis 14 Jahren im jeweiligen Land leben, erreichen eine Quote von 56 %. Migranten, die aus anderen Gründen eingereist sind, erreichen im EU-Durchschnitt deutlich früher höhere Erwerbstätigenquoten.

Eine wachsende Zahl von Länderstudien, etwa für die Schweiz oder Schweden, bestätigt den Befund. In den USA lebende Flüchtlinge erreichen dagegen deutlich schneller eine mit Inländern und regulären Migranten vergleichbare Erwerbsquote. Die beobachtbare Eingliederung in den US-Arbeitsmarkt suggeriert, dass die Arbeitsmarktintegration nicht so schleppend wie in Deutschland und anderen europäischen Ländern laufen muss.

Bisherige Arbeitsmarktreformen reichen nicht

Flüchtlinge weisen im Vergleich zu ähnlich qualifizierten und demografisch zusammengesetzten Arbeitsmigranten systematisch geringere Arbeitsmarkterfolge auf. Das deutet darauf hin, dass sie sich hinsichtlich weiterer Eigenschaften mit Folgen für ihre Beschäftigung von regulären Migranten unterscheiden.

Einige Hürden für den Arbeitseinstieg für Flüchtlinge wurden in Deutschland in den letzten Jahren abgebaut, darunter das temporäre Arbeitsverbot und die Vorrangprüfung. Andere Hürden bestehen fort, so etwa die Unsicherheit über den zukünftigen Aufenthaltsstatus vieler Flüchtlinge, der ein Investment in ihr Humankapital für Arbeitgeber unattraktiv macht. Neue Hürden kamen dazu, wie der Mindestlohn im Januar 2015.

Wenngleich die jüngsten barriereabbauenden Reformen der Bundesregierung begrüßenswert sind, legt die anhaltend niedrige Erwerbstätigenquote unter neu zugereisten Flüchtlingen nahe, dass deren Effekt gering ausfiel.

Glücklicherweise stehen dem Gesetzgeber weitere Mittel zur Verfügung, die geeignet sind, die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen zu beschleunigen – ohne den Einstieg in dauerhaft kostspielige Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu riskieren.

Kündigungsschutz und Mindestlohn aussetzen

Als bedeutendste Hürde für niedrigqualifizierte und sprachlich-kulturell kaum integrierte Flüchtlinge erweisen sich hohe Lohnkosten, die sich durch vorgeschriebene implizite Lohnbestandteile wie den Kündigungsschutz erhöhen.

Die Aussetzung des Kündigungsschutzes für Flüchtlinge würde die mit ihrer Einstellung verbundenen Risiken reduzieren, die Kosten für den Arbeitgeber senken und so eine Beschäftigung attraktiver machen.

Selbst wenn beidseitig lohnende Arbeitsbedingungen gefunden werden, kann der allgemeine Mindestlohn deren Zustandekommen verhindern, solange der ausgehandelte Bruttostundenlohn unter 8,84 € liegt. Die selektive Aussetzung des Mindestlohns könnte folglich genutzt werden, um die Beschäftigungsquote von Flüchtlingen anzuheben.

Auch einheimische Niedrigqualifizierte leiden unter hohen Lohnkosten und könnten von der Aussetzung des Kündigungsschutzes und des Mindestlohns profitieren. Angesichts der starken politischen Lobby für diese Arbeitsmarktregulierungen, erscheint deren selektive Aussetzung für Flüchtlinge jedoch der politisch realistischere Weg zu sein.

ALG II: Regelsatz kürzen, Hinzuverdienst erleichtern

Die Öffnung des Niedriglohnsektors für Flüchtlinge entfaltet vor allem dann eine beschäftigungs- und integrationsfördernde Wirkung, wenn sich niedrigentlohnte Arbeit relativ zum Bezug von Sozialleistungen lohnt. Derzeit liegt das nach Abzug von Mietkosten verfügbare Monatseinkommen eines zum Mindestlohn beschäftigen Vollzeitarbeitnehmers nur etwa 300 € über den ALG II-Leistungen – das entspricht einem Mehreinkommen von unter 2 € pro Stunde. Bei den für viele Flüchtlinge realistischeren Stundenlöhnen unter 8,84 € schrumpft der Abstand zum durch ALG II erreichbaren Einkommen weiter.

Der Gesetzgeber sieht die Kürzung des Arbeitslosengeldes vor, wenn sich der Bezieher nicht angemessen um einen Arbeitsplatz bemüht – i.d.R. um zunächst 30%, also auf ca. 286 € monatlich für einen erwachsenen Alleinstehenden. Um den Anreiz zur Arbeitsaufnahme zu fördern, könnte der an Flüchtlinge ausgezahlten ALG II-Satz pauschal um 30 % gemindert werden. Die Ungleichbehandlung gegenüber einheimischen Beziehern ist in Hinblick auf den besonderen Aufenthaltsstatus von Flüchtlingen vertretbar.

Unabhängig von einer Kürzung des Regelsatzes bieten sich langsamer abschmelzende Freibeträge für ALG II-Empfänger an. Werden Arbeitseinkommen nur teilweise auf Sozialleistungen angerechnet, wird auch bei niedrigen Löhnen der Anreiz zur Arbeitsaufnahme verstärkt. Neu ist diese Idee nicht, doch angesichts der Flüchtlingsmigration erhält sie neue Relevanz. Die teilweise Subvention von niedrigentlohnten Arbeitsverhältnissen ist aus Sicht der Steuerzahler lohnenswerter als die dauerhafte Finanzierung von Massenarbeitslosigkeit. Den Zuwanderern bietet sie zugleich eine Chance, produktive Mitglieder der Gesellschaft zu werden und ihren Lebensunterhalt in weiten Zügen eigenständig zu finanzieren.

Integration erfolgt über den Arbeitsmarkt

In Deutschland herrscht seit Jahren nahezu Vollbeschäftigung. Dennoch fällt die Erwerbsquote unter den jüngst zugereisten Flüchtlingen niedriger aus als dies für frühere Flüchtlingskohorten in den Jahren unmittelbar nach ihrer Einreise der Fall war.

Die Arbeitsmarktpolitik sollte auf den Abbau von Barrieren für die Schaffung neuer Arbeitsplätze ausgerichtet sein. Als geeignete Mittel kommen in Frage die Aussetzung des Kündigungsschutzes und des Mindestlohns sowie reduzierte ALG II-Bezüge für Flüchtlinge. Darüber hinaus empfehlen wir, erzielte Einkommen in geringerem Maße als aktuell auf die ALG II-Ansprüche aller Leistungsempfänger anzurechnen.

Erstmals erschienen bei IREF.

Vielfach wird in der Europäischen Union darüber geklagt, dass die gemeinsame Währung, der Euro, nicht zur Konvergenz der Wirtschaften im Währungsgebiet geführt hat, wie das viele seiner Väter damals angenommen hatten. Das stimmt. Die Target II-Salden der Euro-Staaten zeigen es. Sie sind das in Zahlen gefasste Auseinanderfallen der Eurozone. Allein die Deutsche Bundesbank hatte im Juni Target-Forderungen von 860 Mrd. Euro gegenüber anderen Notenbanken in der Eurozone. Die italienische Notenbank dagegen hatte zur gleichen Zeit Verbindlichkeiten von 413 Mrd. Euro. Man muss keine prophetischen Gaben haben, um festzustellen, dass die Zukunft des Euro an der weiteren Entwicklung Italiens festgemacht werden kann.

Doch den Takt in der EU gibt aktuell Emmanuel Macron an. Der neue französische Präsident lässt so langsam erkennen, welche wirtschaftspolitischen Vorstellungen er tatsächlich hat. Hier ist durchaus Vorsicht geboten. Jetzt hat er sich gegen „Sozialdumping“ durch die EU-Entsenderichtlinie ausgesprochen und quasi ein „Equal Pay“ für alle Arbeitnehmer, die in Frankreich arbeiten vorgeschlagen. Er will sogar eine Entsendung auf 12 Monate beschränken. Damit outet er sich als Sozialdemokrat, der den Arbeitsmarkt noch mehr verriegeln und verrammeln will. Er verkennt dabei, dass die Probleme des französischen Arbeitsmarktes nicht mit noch mehr Regulierung gelöst werden können. Die Zahlen in Frankreich sind dramatisch. Die Zahl der französischen Arbeitslosen ist inzwischen auf ein historisches Hoch von 6,2 Mio. Menschen angestiegen (saisonbereinigte Zahl der registrierten Arbeitslosen und Unterbeschäftigten, Mai 2017). Eine riesige Zahl bei 67 Millionen Einwohnern. Auch bei der Jugendarbeitslosigkeit liegt Frankreich mit einer Quote von 21,4 Prozent sehr hoch.

Die Frage ist: Wie kommt ein Land aus dieser negativen Entwicklung heraus? Sicherlich nicht, indem Macron den Arbeitsmarkt weiter zuschnürt und die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie weiter einschränkt. Die Zahlen in Frankreich sprechen auch hier für großen Handlungsbedarf. Noch immer liegt die französische Industrieproduktion 12 Prozent unter dem Hoch von 2008, das Baugewerbe liegt sogar um 21,8 Prozent darunter. Und auch im Juni schrumpfte die Industrieproduktion zum Vormonat um 1,1 Prozent. In dieser Situation hat Macron seine angekündigte Steuerreform erstmal verschoben und erhöht stattdessen die Steuern. Auch ein Signal.

In dieser Situation braucht es in Frankreich eigentlich eine Agendapolitik Schröderscher Prägung. Viele können sich daran nicht mehr erinnern. Es ist immerhin schon 14 Jahre her, seitdem in Deutschland grundlegende Reformen durchgeführt wurden. Die Situation war durchaus vergleichbar mit der Frankreichs heute. 2003 war Deutschland der kranke Mann Europas, mit 5 Millionen Arbeitslosen und einer Wachstumsschwäche. Zunehmende Finanzierungsprobleme in den Sozialversicherungen und den öffentlichen Haushalten verstärkten den Abwärtstrend. Schröders Agenda sah im Wesentlichen eine Befreiung des Arbeitsmarktes und eine Änderung der Sozialhilfe durch Fördern und Fordern vor.
Die Einführung von Zeitarbeit, die stärkere Begrenzung des Arbeitslosengeldes und die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe waren die entscheidenden Momente für jene Trendwende. Viele Maßnahmen von damals hat die große Koalition inzwischen wieder zurückgenommen oder erneut reguliert. Dennoch wirken die Reformen bis heute und sind der eigentliche Grund für das „Beschäftigungswunder“ in Deutschland. Die jetzige Regierung ruht sich auf dieser Entwicklung aus. Die Reformmüdigkeit liegt wie Mehltau über dem Land.

Kein Wunder, dass sich Emmanuel Macron und Angela Merkel so gut verstehen. Sie ticken gleich. Beide scheuen Schrödersche Reformen und sind verliebt in die Allmacht des Staates – Macron will sogar eine europäische Arbeitslosenversicherung schaffen. Da trifft es sich gut, wenn die Bundesagentur für Arbeit über 10 Milliarden Euro Rücklagen der Beitragszahler gebunkert hat, die man dann für französische, italienische oder griechische Arbeitsbeschaffungsprogramme nutzen kann. Nein, so wird das nichts. Wer Wachstum und Arbeit in Europa schaffen will, muss die Arbeitsmärkte liberalisieren und flexibler machen. Er muss die Entsenderichtlinie entbürokratisieren und vereinfachen. Nicht weniger Personenfreizügigkeit in Europa schafft Wohlstand für alle, sondern mehr davon. Dafür muss sich eine neue Regierung in Europa einsetzen. Ansonsten kämpfen wir bald nicht nur außerhalb Europas gegen Protektionismus, sondern verstärkt auch innerhalb des gemeinsamen Marktes, mit fatalen Folgen für uns alle.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: xflickrx from flickr.com (CC BY-SA 2.0)

Von Dr. Hubertus Porschen, Bundesvorsitzender des Wirtschaftsverbands Die Jungen Unternehmer.

Wohin geht es mit Deutschland?

Wir werden immer älter. Wir bekommen weniger Kinder. Der demographische Wandel und die Alterspyramide zeigen: Deutschland ist ein Land der Alten, welches immer älter wird. Für den einzelnen ist das nicht dramatisch. Im Gegenteil, der medizinische Fortschritt führt zu einer längeren Lebenserwartung und auch dazu, dass sich ältere Menschen länger fit fühlen. Die Digitalisierung vereinfacht den Alltag und auch das Berufsleben, sodass Menschen länger arbeiten können. Was jedoch bedenklich ist, ist die Verschiebung der gesellschaftlichen Prioritäten zugunsten der Älteren. Junge Menschen wählen den Fortschritt, den Wandel und die Zukunft. Alte Menschen sind da kritischer. Neue Technologien werden mit Argwohn betrachtet und langfristige Projekte, die das Leben kurzzeitig einschränken und langfristig die Lebensqualität stark erhöhen, kommen nicht in Frage. Große Veränderungen in der Infrastruktur, wie Flughäfen oder Windparks, sind solche Beispiele. Sicher, es nicht bei jedem so, doch wer sich die Änderung des Wahlverhaltens im Alter und Teilnehmer von bestimmten Demos anschaut oder sich einfach selbst reflektiert, sieht: Wir werden mit dem Alter konservativer und treffen weniger mutige Entscheidungen.

Wie reagiert die Politik?

Den großen Parteien bleibt – besonders in Wahljahren – diese Entwicklung nicht verborgen. Anstatt die Fragen, die der demographischen Wandel aufwirft, mutig anzugehen und beispielsweise das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln, wird die zuverlässigste und größte Wählergruppe mit Rentengeschenken im Wahlkampf umgarnt. So geschah es vor vier Jahren mit der abschlagsfreien Rente mit 63 und der Mütterrente. Nach dem Motto: „Ich will Oma nicht die Rente kürzen“ oder „Das Thema Rente ist noch soweit weg“, schauen die Jüngeren entweder zu, oder dürfen noch nicht wählen, weil sie unter 18 Jahren sind. Nur wenige lehnen sich auf. Es bleibt unbeachtet, dass die Parteien zu Lasten der künftigen Generationen die Staatsschulden so sehr in die Höhe treiben, dass Zukunftsthemen, wie Digitalisierung, Infrastruktur und Bildung, völlig untergehen. Die Parteien brauchen wieder Anreize, um solche Themen in Angriff zu nehmen und kommenden Generationen einen stabilen Haushalt zur freien Entfaltung in der Gesellschaft zu bieten.

Was fordern Die Jungen Unternehmer?

Die Politik muss die Jugend ernst nehmen, um selbst ernst genommen zu werden. Das politische Selbstvertrauen der jungen Generation ist auf einem Tiefstand: Das Brexit-Veto, die U.S.-Wahl und auch das Referendum zum Präsidialsystem Erdogans in der Türkei, wurden von vielen jungen Wählern verpasst. Mal aus Desinteresse, mal bewusst aus Politikverdrossenheit. Der Glaube, etwas in der Politik bewegen zu können, schwindet. Daran ist auch die Klientelpolitik für Leute ab 50 plus verantwortlich. Zukunftsthemen bleiben auf der Strecke. Die Jugend muss Politik mitgestalten, sonst geht Deutschland bald am Stock. Wir möchten als Verband das Kernthema unseres politischen Handels, Generationengerechtigkeit, im Grundgesetzt verankert sehen. Politiker haben keinen Anreiz jetzt sparsam zu sein. Wir sollten Sie mit dieser Maßnahme die Regierenden in aller Regelmäßigkeit an die Verantwortungen für die nächsten Generationen erinnern.

Unsere Aktion im Wahljahr

Um das politische Selbstbewusstsein der Jugend zu wecken und auch die Verdrossenheit gegenüber der Politik in Zeiten Trumps, Erdogans und des Brexit zu bekämpfen, haben Die Jungen Unternehmer die Aktion „Germany´s next Bundeskanzler/in“ gestartet. Hier wird die Stimme der jungen Generation gesucht, die die Interessen der Erst- und Zweitwähler am besten vertritt. Die Aktion soll junge Wähler für Politik begeistern. Politik muss wieder erkennen, dass es neben den Interessen der Alten noch die der Jungen gibt. Die politische Agenda braucht neue Prioritäten.

Photo: majka czapski from Flickr (CC BY-NC-ND 2.0)

Es gibt sie doch, die Erfolgsgeschichte der Europäischen Union. Leider sind zwar weder die wirtschaftliche Entwicklung in Portugal, Italien noch erst recht in Griechenland wirklich vorzeigbar. Ein eindrucksvoller Erfolg ist aber mit der erfolgreichen Integration der osteuropäischen Staaten nach dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs gelungen. Die EU-Osterweiterung kann sich wirklich sehen lassen. Sie ist eine historische Leistung! Vor 20 Jahren wurde die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen von den damals 15 Mitgliedsstaaten der EU beschlossen. 2004 traten die zehn „neuen“ den „alten“ EU-Staaten bei. 2007 folgten Bulgarien und Rumänien. Die Verhandlungen waren nicht einfach. Ängste überwogen. Die einen wollten ihren Arbeitsmarkt vor billigen Arbeitskräften schützen, die anderen ihre Landwirtschaft und wieder andere waren nicht bereit, noch mehr Geld in den EU-Haushalt zu bezahlen.

Doch letztlich profitierten alle Seiten vom EU-Beitritt. Die Basis des ökonomischen Erfolgs in den osteuropäischen Staaten war und ist der gemeinsame Markt. Von 2004 bis 2013 erhöhte sich die Wirtschaftskraft in den zwölf neuen Mitgliedsstaaten von 577 Milliarden Euro auf 1.026 Milliarden Euro (+77 %). Die Direktinvestitionen aus den „alten“ Länder in den „neuen“ Ländern erhöhte sich in dieser Zeit von 173 Milliarden auf 564 Milliarden Euro. Seit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus hat sich eine enorme wirtschaftliche Prosperität ergeben. Lag das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 1999 in Bulgarien und Rumänien noch bei 1.500 Euro, so liegt es heute bei 6.600 bzw. 8.600 Euro (2016). Estland lag bei 3.900 Euro und liegt heute bei 15.900 Euro. Die Slowakei lag bei 3.600 Euro und liegt heute bei 14.900 Euro. Tschechien bei 5.900 Euro und heute bei 16.700 Euro.

 

In unserem Nachbarland Tschechien herrscht heute Vollbeschäftigung! In Polen hat sich die Arbeitslosenquote von 19,1 (2004) auf 6,2 Prozent (2016) gedrittelt. In allen osteuropäischen Ländern gibt es sowohl bei der Wirtschaftsleistung pro Kopf als auch bei der Arbeitslosenquote eine positive Entwicklung. Diese wirtschaftliche Entwicklung ist nicht selbstverständlich und auch nicht überall gleich ausgeprägt, denn nicht überall wurde der Rechtsstaat konsequent eingeführt und Investoren eingeladen zu investieren. Wie brüchig das Vertrauen in den Rechtsstaat ist, sehen wir aktuell in Polen und Ungarn. Dabei ist für den wirtschaftlichen Fortschritt Vertrauen notwendig, nur dann wird dauerhaft investiert.

 

Doch nicht nur die Neumitglieder haben profitiert: beiden Seiten hat die Öffnung der Märkte für Waren und Dienstleistungen geholfen. Deutsche Unternehmen konnten Produktionen in die unmittelbare Nachbarschaft verlagern und dortige Lohnvorteile nutzen. Dies wurde vielfach als verlängerte Werkbank bezeichnet. Das klingt despektierlich, ist es aber nicht. Die Direktinvestitionen der Autobauer aus Deutschland in Tschechien, Ungarn, Polen und der Slowakei haben die Wettbewerbsfähigkeit von BMW, Daimler und VW enorm erhöht, und gleichzeitig zum Wohlstand der Beschäftigten dort beigetragen. Es ist eine klassische Win-Win-Situation. Beide profitieren von der grenzüberschreitenden Arbeitsteilung. Es sind die Mitgliedsstaaten selbst, die diese Vorteile teilweise wieder gefährden. So ist die Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie in den einzelnen Mitgliedsstaaten zum Bürokratiemonster geworden.

Wer als deutsches Unternehmen seine Werkzeugmaschinen mit deutschen Mitarbeitern in Frankreich oder Österreich aufbauen oder warten lassen will oder auch nur seine Mitarbeiter zu einem Seminar in Frankreich schicken will, muss vorab eine Entsendeerklärung erstellen. Für Frankreich überwindet die Deutsch-Französische Handelskammer diesen Bürokratiewust für 250 Euro pro Arbeitnehmer. Besonders doll treibt es die Alpenrepublik an der Donau. Hier muss jede Entsendung eines Mitarbeiters eines deutschen Unternehmens nicht nur von Beginn bis zum Ende der Tätigkeit mitgeteilt werden, sondern eine Kopie des Arbeitsvertrages, ein Entgeltnachweis und Arbeitszeitaufzeichnungen beigefügt werden. Kafka lebt. Immerhin sehen die Österreicher bei der Teilnahme an Messen und Tagungen davon ab. Wahrscheinlich wird es in Deutschland in Zeiten eines gesetzlichen Mindestlohns, eines Arbeitszeitgesetzes und einer Betriebsstättenverordnung nicht wesentlich anders gehandhabt.

Die Vorteile der Arbeitsteilung werden damit durch Protektionismus innerhalb des Binnenmarktes aufs Spiel gesetzt. In viele Bereichen mischt sich die EU ein, wo es nicht ihre Aufgabe ist oder wo sie ihre Rolle überinterpretiert. Die Grundfreiheiten von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen sind der Kern des europäischen Zusammenwachsens. Auf deren Durchsetzung sollte sich die EU-Kommission konzentrieren. Denn wenn es noch eines Beweises bedarf, dass Freihandel nicht nur Wohlstand für alle schafft, sondern auch friedensstiftend ist, dann ist die Osterweiterung der EU das beste Beispiel dafür.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Ed Everett from Flickr (CC BY 2.0)

Wer 60 Jahre alt ist, gehört zu den jungen Alten. Er hat meist den Großteil seines Erwerbslebens hinter sich. Erste Zipperlein machen sich bemerkbar und die Ärzte raten dazu, auf die eigene Gesundheit zu achten. Die eine oder andere Gewohnheit, das eine oder andere Laster und die eine oder andere chronische Krankheit nagen an einem. Man befindet sich aber heutzutage dennoch in der Blüte des Lebens, das noch viele Jahre vor sich haben kann.

So ist es auch mit dem zusammenwachsenden Europa. 60 Jahre nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge zeigt sich, dass die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und in der Folge die Europäische Union in die Jahre gekommen sind. Die Anfangseuphorie ist verflogen, der jugendliche Unternehmergeist ist dahin und Nüchternheit kehrt ein. Gewohnheiten und Laster haben sich über die Jahre breitgemacht, die teilweise auch zu chronischen Krankheiten ausgeartet sind. Der Brexit, die Euro-Schuldenkrise und die Flüchtlings- und Migrationskrise sind Ausdruck dieser Entwicklung.

Wahrscheinlich können nur grundlegende Verhaltensänderungen ein langes und gesundes Leben versprechen. Der Brexit, dessen Verhandlungsphase in dieser Woche formell durch die britische Premierministerin Theresa May eingeleitet wurde, ist so ein grundsätzliches Momentum, das Verhaltensänderungen auf Seiten der Europäischen Union erfordert.

Der damalige Präsident des Parlaments der Europäischen Union, Martin Schulz, sagte vor dem Brexit-Referendum, für Großbritannien gebe es nur „alles oder nichts“. Er meinte damit, dass ein Zugang der Briten zum Binnenmarkt nur möglich sei, wenn Großbritannien auch die Personenfreizügigkeit des gemeinsamen Marktes akzeptieren würde.

Diese Drohung hat die Briten nicht davon abgehalten, für den Austritt aus der Europäischen Union zu stimmen. Vielleicht haben sogar die Muskelspiele aus Brüssel dazu entscheidend beigetragen, dass die knappe Mehrheit zustande kam. In Brüssel wird offensichtlich befürchtet, dass zu viel Entgegenkommen dazu führt, dass ein Domino-Effekt stattfindet und die EU zerfällt.

Doch wie wahrscheinlich ist es, dass die Entwicklung der Renationalisierung in Europa durch eine Unnachgiebigkeit der EU aufgehalten werden kann? Sehr unwahrscheinlich, denn die Ursache liegt ja gerade darin, dass sie oft nur die Alternativen des alles oder nichts bietet. Die EU ist kein offenes System, sondern kennt nur eine Wahrheit. Doch wenn sie dauerhaft Akzeptanz und neue Anziehungskraft in den Ländern Europas finden will, muss sie flexibler und durchlässiger werden. Sie muss atmen können. Und sie muss offen sein für neue Formen der Kooperation.

Ein Schritt dahin wäre es, wenn die Europäische Union den britischen Bürgern einseitig die Personenfreizügigkeit in der EU anbieten würde – ohne Bedingungen und ohne finanzielle Verpflichtungen. Das wäre kein Geschenk an die britische Regierung, sondern im Interesse der Unternehmen in der verbleibenden EU. Sie suchen qualifizierte Mitarbeiter, Akademiker und Handwerker. Sie würden daher zum Wohlstand innerhalb der EU beitragen, wenn britische Staatsbürger ohne den bürokratischen Aufwand des dortigen Landes arbeiten könnten. Das wäre nicht völlig neu:: das deutsche Aufenthaltsrecht kennt bereits eine ähnliche Möglichkeit für Staatsangehörige aus Australien, Israel, Japan, Kanada, Südkorea, Neuseeland und den USA. Die EU müsste das Rad also nicht völlig neu erfinden, sondern lediglich mit neuer Offenheit überraschen.

Dazu könnten sich die verbliebenen 27 Länder an die Präambel des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, als Teil der Römischen Verträge, vor 60 Jahre erinnern, die als Einladung zur Kooperation zu verstehen ist. Darin heißt es: „Entschlossen, durch diesen Zusammenschluss ihrer Wirtschaftskräfte Frieden und Freiheit zu wahren und zu festigen, und mit der Aufforderung an die anderen Völker Europas, die sich zu dem gleichen hohen Ziel bekennen, sich diesen Bestrebungen anzuschließen …“ Diese neue, zu Kooperation bereite Europäische Union hätte die Chance auf ein langes Leben und darauf, auch im Alter noch agil und attraktiv zu sein.