Am 3. Oktober 1919 wurde der US-amerikanische Ökonom James Buchanan geboren. Für seine gemeinsam mit Gordon Tullock in Virginia entwickelte Public Choice Theorie erhielt er 1986 den Wirtschaftsnobelpreis. Ich beziehe mich oft und gerne auf Buchanan, denn seine Arbeit hat wesentlich dazu beigetragen, das moderne demokratische System zu entzaubern. Viel weniger als Überzeugungen sind es Angebot, Nachfrage und persönlicher Nutzen, die das Ergebnis (partei-)politischer Prozesse bestimmen; eine Erkenntnis, an die sich gerade Liberale in der heutigen Zeit erinnern sollten. Wer langfristig das politische Angebot verändern will, muss in die Köpfe der Nachfrager – also der Bevölkerung – vordringen.
Photo: Wikimedia Commons (CC 0)
Den Begriff „Rosinenbomber“ kennen viele. Aber wer hat schon einmal den Namen Gail Halvorsen gehört? Dabei ist er die Person, die den Anstoß gab zu diesem äußerst wirkmächtigen Sinnbild, das der Westbindung der Bundesrepublik mit den Weg bereitete. Fast elf Monate lang mussten 1948 und 1949 die West-Berliner mit einer Luftbrücke versorgt werden. Zu Beginn dieser Zeit kam der Airforce-Pilot Gail Halvorsen auf die Idee, den in Flughafennähe beobachtenden Kindern Süßigkeiten zukommen zu lassen, indem er das Naschwerk an Fallschirme band, die er aus Taschentüchern gebastelt hatte, und es beim Anflug herabsegeln ließ. In Windeseile wurde diese Idee auch von seinen Vorgesetzten aufgegriffen und zur offiziellen Policy gemacht. Insgesamt segelten rund 23 Tonnen an Süßigkeiten an einer Viertelmillion Fallschirmchen auf den Westen Berlins nieder.
Taten sprechen lauter als Worte. Das Signal, das die amerikanischen Soldaten an die Kinder in der belagerten Stadt, aber auch in die ganze deutsche Nachkriegsgesellschaft hinein sandten, war von entscheidender Bedeutung beim Herausbilden eines positiven Bildes der Siegermacht auf der anderen Seite des Atlantiks. Das freiheitlich-demokratische Deutschland ruht nicht nur auf den weisen Worten des Grundgesetzes oder dem Einsatz der ersten Politikergeneration, sondern auch auf solchen Versöhnungsgesten einfacher Menschen. Später berichtete Halvorsen von einer Begegnung mit den Kindern. Die Worte, die er aus seiner Erinnerung hervorkramte, spiegeln die damalige Haltung wieder – unabhängig davon, ob sie wirklich ein kleines Berliner Gör ausgesprochen hat oder ob sie nur in der Erinnerung des idealistischen Wohltäters entstanden sind: „When the weather gets so bad that you can’t land, don’t worry about us. We can get by on a little food, but if we lose our freedom, we may never get it back.”
In Zeiten eines zunehmenden Antiamerikanismus, der natürlich auch mit einer Feindschaft gegenüber der offenen Gesellschaft einhergeht, sind solche Erinnerungen besonders wertvoll.
Photo: Wikimedia Commons (CC 0)
Natalia Ginzburg zählt zu den bedeutendsten italienischen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts. Ginzburgs Leben war geprägt von Judenverfolgung, Faschismus und Krieg – Themen, die auch den düsteren zeitgeschichtlichen Hintergrund ihres Werks ausmachen. Ihr autobiographischer Bestsellerroman „Familienlexikon“, 1963 veröffentlicht, machte sie auch über Italien hinaus bekannt. Ginzburg reflektiert darin ihre familiären Erinnerungen während des Kriegs, des Faschismus und der Wirren der Nachkriegszeit.
Ginzburg wurde 1916 in Palermo in eine jüdische Familie hineingeboren und wuchs in Turin auf. Während des Kriegs lebte sie mit ihrem ersten Mann, Leone Ginzburg, Slawist und einer der Anführer des antifaschistischen Widerstandes, und ihren drei Kindern in der Verbannung in einem abgelegenen Bergdorf in den Abruzzen. Dort schrieb sie weiterhin unter Pseudonym. Als die Deutschen einmarschierten, wurde Leone verhaftet und starb 1944 an den Folgen der Folter durch die Gestapo.
Aus den Erlebnissen dieser Zeit hat Ginzburg ein Werk geschaffen, das mehr als dreitausend Seiten umfasst – Romane, Theaterstücke und Erzählungen, die von einer nüchternen Erzählweise geprägt sind. Sie gehört zu jenen Schriftstellerinnen, die sich gegen die pompöse Rhetorik des Faschismus mit Schweigen wehrten. In einem Essay über das Schweigen von 1951 schreibt sie:
„Wenn unsere Personen anfangen sollten zu reden, wird uns das tiefe Schweigen bewußt, das sich in uns verdichtet hat. Schon als Kinder schwiegen wir, wenn unsere Eltern bei Tisch mit ihren alten pompösen und blutigen Worten sprachen. Wir schwiegen aus Protest und Verachtung. Wir schwiegen, damit unsere Eltern begreifen sollten, daß wir mit diesen pompösen Worten nichts mehr anfangen konnten. Unser Schweigen war unser Reichtum. Jetzt sind wir ratlos und verzweifelt, weil wir das Elend des Schweigens kennen, von dem wir nicht mehr losgekommen sind. Jene pompösen Worte, die unsere Eltern verwendeten, sind Münzen außer Kurs, die niemand mehr annimmt. Die neuen Worte aber, das mußten wir erfahren, haben keinen Wert; man kann mit ihnen nichts kaufen.“
Photo: Wikimedia Commons (CC 0)
Unternehmergeist hat enorm viel mit Frustrationstoleranz zu tun. Wer das exemplarisch vorgelebt hat, ist der amerikanische Unternehmer Cyrus W. Field (1819-1892). Er hatte eine abenteuerliche Infrastruktur-Vision. Wo heutzutage und hierzulande Unternehmen so eine Aufgabe gleich an Vater Staat weiterreichen, war für Field klar, dass er sich diesen Schuh selber anziehen würde. Ihn bewegte die komplett außerweltliche Idee, Europa und die USA mit einem Telegraphenkabel zu verbinden. Das bedeutete ein Ausmaß an Risiko und einen Kapitalaufwand, den heute kaum ein Unternehmen mehr alleine in Angriff nehmen würde.
Field begann mit viel Begeisterung und Wagemut. Der technische Aufwand, der damit verbunden war, wird, auch für Laien verständlich, wunderbar geschildert in einer der Erzählungen in Stefan Zweigs „Sternstunden der Menschheit“. Ebenso anschaulich erfährt die Leserin von den drei Anläufen, die es brauchte. Auch nach dem zweiten Anlauf ließen Field und seine Mitstreiter sich nicht beirren, so dass am 16. August 1858 das erste Telegramm den Atlantik überquerte.
Rund zwei Wochen dauerte es bis zu diesem Zeitpunkt, um eine Nachricht über den Atlantik zu schicken, oft auch mal länger. Und natürlich noch einmal genauso lang, bis die Antwort eintraf. Nun war der Austausch eine Sache von wenigen Augenblicken! Was für ein gigantischer Schritt, der die Welt zusammenbrachte: Diplomatie und Außenpolitik wurde deutlich erleichtert und von Fallstricken befreit. Menschen in den unterschiedlichen Teilen der Welt konnten rascher mitbekommen, was woanders los war und was andere bewegte. Und die Weltwirtschaft erhielt natürlich einen gigantischen Booster, weil Geschäftspartner sich viel schneller und auch präziser absprechen konnten. Field ist einer der ganz großen Helden der Globalisierung und auch der Völkerverständigung gewesen. Nicht als jemand, der labert, sondern als jemand der macht.
Und auch für unsere Arbeit kann er ein wunderbares Vorbild sein: Schließlich halten viele auch unser Bemühen für utopisch. Und schließlich wollen auch wir uns nicht beirren lassen, wenn etwas nicht klappt, sondern laufen in sturem Enthusiasmus weiter unserer Vision hinterher!
Wie können wir den Liberalismus in Deutschland und weltweit wieder nach vorne bringen? Auch wenn sich Geschehenes nicht wiederholt, so kann der Blick in die Vergangenheit lehrreich sein. Ein Autor, der diesen Blick gewagt hat, ist John H. Hallowell. In seinem Werk „The Decline of Liberalism as an Ideology – With Particular Reference to German Politico-Legal Thought“ fokussiert der politische Theoretiker die deutsche Entwicklung und natürlich den Niedergang des Liberalismus im 20. Jahrhundert. Sehr kritisch setzt sich Hallowell mit einem formalistischen Rechtsverständnis auseinander. Dieses, so Hallowell, untergrabe entscheidend die ideellen Fundamente einer liberalen Gesellschaft. Vielmehr benötige es aber auch ein moralisches Fundament, um die liberale Demokratie am Leben zu erhalten, wie Hallowell in einem späteren Werk („The Moral Foundation of Democracy“) darlegt. Dieses Buch befindet sich auch in unserer Bibliothek des Liberalismus: