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Unternehmergeist hat enorm viel mit Frustrationstoleranz zu tun. Wer das exemplarisch vorgelebt hat, ist der amerikanische Unternehmer Cyrus W. Field (1819-1892). Er hatte eine abenteuerliche Infrastruktur-Vision. Wo heutzutage und hierzulande Unternehmen so eine Aufgabe gleich an Vater Staat weiterreichen, war für Field klar, dass er sich diesen Schuh selber anziehen würde. Ihn bewegte die komplett außerweltliche Idee, Europa und die USA mit einem Telegraphenkabel zu verbinden. Das bedeutete ein Ausmaß an Risiko und einen Kapitalaufwand, den heute kaum ein Unternehmen mehr alleine in Angriff nehmen würde.
Field begann mit viel Begeisterung und Wagemut. Der technische Aufwand, der damit verbunden war, wird, auch für Laien verständlich, wunderbar geschildert in einer der Erzählungen in Stefan Zweigs „Sternstunden der Menschheit“. Ebenso anschaulich erfährt die Leserin von den drei Anläufen, die es brauchte. Auch nach dem zweiten Anlauf ließen Field und seine Mitstreiter sich nicht beirren, so dass am 16. August 1858 das erste Telegramm den Atlantik überquerte.
Rund zwei Wochen dauerte es bis zu diesem Zeitpunkt, um eine Nachricht über den Atlantik zu schicken, oft auch mal länger. Und natürlich noch einmal genauso lang, bis die Antwort eintraf. Nun war der Austausch eine Sache von wenigen Augenblicken! Was für ein gigantischer Schritt, der die Welt zusammenbrachte: Diplomatie und Außenpolitik wurde deutlich erleichtert und von Fallstricken befreit. Menschen in den unterschiedlichen Teilen der Welt konnten rascher mitbekommen, was woanders los war und was andere bewegte. Und die Weltwirtschaft erhielt natürlich einen gigantischen Booster, weil Geschäftspartner sich viel schneller und auch präziser absprechen konnten. Field ist einer der ganz großen Helden der Globalisierung und auch der Völkerverständigung gewesen. Nicht als jemand, der labert, sondern als jemand der macht.
Und auch für unsere Arbeit kann er ein wunderbares Vorbild sein: Schließlich halten viele auch unser Bemühen für utopisch. Und schließlich wollen auch wir uns nicht beirren lassen, wenn etwas nicht klappt, sondern laufen in sturem Enthusiasmus weiter unserer Vision hinterher!

Wie können wir den Liberalismus in Deutschland und weltweit wieder nach vorne bringen? Auch wenn sich Geschehenes nicht wiederholt, so kann der Blick in die Vergangenheit lehrreich sein. Ein Autor, der diesen Blick gewagt hat, ist John H. Hallowell. In seinem Werk „The Decline of Liberalism as an Ideology – With Particular Reference to German Politico-Legal Thought“ fokussiert der politische Theoretiker die deutsche Entwicklung und natürlich den Niedergang des Liberalismus im 20. Jahrhundert. Sehr kritisch setzt sich Hallowell mit einem formalistischen Rechtsverständnis auseinander. Dieses, so Hallowell, untergrabe entscheidend die ideellen Fundamente einer liberalen Gesellschaft. Vielmehr benötige es aber auch ein moralisches Fundament, um die liberale Demokratie am Leben zu erhalten, wie Hallowell in einem späteren Werk („The Moral Foundation of Democracy“) darlegt. Dieses Buch befindet sich auch in unserer Bibliothek des Liberalismus:

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Mein Lieblingsökonom der Gegenwart, Tyler Cowen, unterscheidet gerne zwischen „überbewerteten“ und „unterbewerten“ Denkern und Konzepten.
Am 29. Juli hatte einer der am meisten unterbewerteten liberalen politischen Theoretiker des 19. Jahrhunderts Geburtstag: Alexis de Tocqueville wäre am Montag 219 Jahre alt geworden.
Der Franzose schrieb kritisch über die Französische Revolution und verglich auf dieser Basis verschiedene demokratische Modelle auf empirische Art miteinander. Besonders eindrucksvoll ist seine Beschreibung der damals noch jungen Vereinigten Staaten. In „Über die Demokratie in Amerika“ zeigte er, warum die amerikanische Revolution so erfolgreich war: lokale Selbstbestimmung, eine freie Markwirtschaft und das Selbstbewusstsein einer starken Bürgerschaft. Von allen drei Ideen kann sich auch die heutige Bundesrepublik einiges abschauen. Der beste Geburtstagsgruß an Alexis: Ein Blick in diesen Klassiker des liberalen Denkens.

zu Tocqueville im Freiheitslexikon

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Am Sonntag jährt sich zum 150. Mal der Geburtstag des Philosophen Ernst Cassirer. Von 1919 an lehrte er als Professor an der Universität Hamburg, bis er 1933 aufgrund seiner jüdischen Herkunft das Land verließ und nach Großbritannien, Schweden und schließlich in die USA weiterzog, wo er 1945 in New York starb.
Er war der letzte Vertreter der sogenannten Marburger Schule des Neukantianismus, die die Gedankenwelt Immanuel Kants in ihre Zeit übersetzen wollten. Cassirer bewegte sich geländesicher in den Nachbarwissenschaften der Philosophie wie Psychologie und Soziologie und hatte zugleich ein scharfes Auge für andere Ausdrucksformen des Menschen, die er unter den Begriffen Symbol und Mythos zu verstehen versucht. In seinem für ein breiteres Publikum verfassten „Essay on Man“, das 1944 erschien, stellt er sein anthropologisches Grundverständnis vor: „Im ganzen genommen könnte man die Kultur als den Prozeß der fortschreitenden Selbstbefreiung des Menschen beschreiben. Sprache, Kunst, Religion und Wissenschaft bilden unterschiedliche Phasen in diesem Prozeß. In ihnen allen entdeckt und erweist der Mensch eine neue Kraft, die Kraft, sich eine eigene ‚ideale‘ Welt zu errichten.“
Kurz vor seinem Tod vollendete er das Buch „Vom Mythus des Staates“, das in einer Reihe steht mit den großen Werken, die versuchen, die ideologischen Ursachen der globalen Katastrophe des 20. Jahrhunderts zu verstehen wie José Ortega y Gasset mit „Der Aufstand der Massen“ (1929), Friedrich August von Hayek mit „Der Weg zur Knechtschaft“ (1944), Ludwig von Mises mit „Omnipotent Government“ (1944), Karl Popper mit „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ (1945) und Hannah Arendt mit „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ (1951). An Kants Vorstellung der Freiheit als einer Aufgabe für den Menschen anknüpfend schreibt Cassirer am Ende des Buchs: „Die Freiheit ist kein natürliches Erbe des Menschen. Um sie zu besitzen, müssen wir sie schaffen. Wenn der Mensch bloß seinen natürlichen Instinkten folgen würde, würde er nicht für die Freiheit kämpfen; er würde eher die Abhängigkeit wählen. … Hier hakt der totalitäre Staat und der politische Mythus ein. Die neuen politischen Parteien … unterdrücken und zerstören den Sinn für Freiheit selbst; aber gleichzeitig befreien sie den Menschen von jeder persönlichen Verantwortung.“

Cassirer in der Bibliothek des Liberalismus

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Individualismus und Selbstverantwortung sind Konzepte, die uns vertraut sind und ganz selbstverständlich gelebt werden, auch weit über das liberale Umfeld hinaus. Aber sie mussten erst langsam entstehen. Der Homo Sapiens musste sich freistrampeln und differenzieren, nachdem er die allerlängste Zeit seiner Existenz in kleinen, geschlossenen und streng hierarchischen Gruppen sein Dasein gefristet hatte. Der wichtigste Träger bei diesem Wandel war Kultur – im weitesten Sinne, also Narrative, die in einer Gesellschaft verbreitet werden.
Ziemlich am Anfang des Prozesses steht die Figur der Antigone, die der griechische Dichter Sophokles in seinem gleichnamigen Drama verewigt hat. Sie bricht aus den traditionellen Gepflogenheiten aus und stellt sich demonstrativ gegen die Mächtigen und ihre Ungerechtigkeiten. Damit ist sie ein Urbild für das, was sich später zum Beispiel als Gewissensfreiheit und ziviler Ungehorsam herausbilden wird. Seit meinen Schulzeiten begleitet mich diese Figur in meiner Sicht auf die Welt, in meinem Pflichtgefühl und auch als Vorbild, wenn der Dichter ihr die Worte in den Mund legt: „Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da.“

Antigone auf Wikipedia