Photo: Margaret Chase Smith presidential campaign from Wikimedia Commons (CC 0)

Margaret Chase Smith (1897-1995) war von 1940 bis 1949 Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus und von 1949-1973 Senatorin für den Bundesstaat Maine. 1964 war die moderate Republikanerin die erste Frau, die bei einer Nominierungsversammlung der beiden großen Parteien als Präsidentschaftskandidatin auf dem Wahlzettel stand. Sie hatte sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet und heiratete 1930 den deutlich älteren Politiker Clyde Smith, der 1936 ins US-Repräsentantenhaus gewählt wurde, und 1940 wenige Monate vor seinem Tod den Stab an seine Frau weiterreichte, die mit blendenden Ergebnissen über 60 Prozent immer wiedergewählt wurde. In ihren dreieinhalb Jahrzehnten auf dem Kapitol beschäftigte sie sich vor allem mit Fragen des Militärs und der Raumfahrt, war maßgeblich daran beteiligt, dass seit 1948 Frauen vollwertig in der US-Armee dienen konnten, und verdiente sich den Ehrentitel „der Teufel in Gestalt einer Frau“ aus dem Mund von Nikita Chruschtschow. Ihre wichtigste Rolle spielte sie allerdings in der Zeit der vorgeblichen Kommunistenverfolgung durch Joseph McCarthy. Sie war kaum ein Jahr im Amt, als sie sich entschloss, gegen den gerade erst beginnenden Feldzug ihres Parteikollegen aufzustehen. Sie sollte die erste aus den Reihen des US Congress sein, die den Mut dazu fand. Ihre „Declaration of Conscience“, die sie am 1. Juni 1950 veröffentlichte, klingt heute erschreckend aktuell. Hier ein paar Auszüge:

„Es ist klar, dass dieses Land weiter leiden wird, solange es von der derzeitigen ineffektiven demokratischen Administration regiert wird. Aber sie durch Republikaner zu ersetzen, die eine Agenda verfolgen, die weder politisch integer noch intellektuell ehrlich ist, wäre genauso schlimm für das Land. Die Nation braucht dringend einen Sieg der Republikaner. Aber ich möchte nicht, dass die Republikanische Partei ihren Sieg erringt mithilfe der vier apokalyptischen Reiter Angst, Ignoranz, Fanatismus und Diffamierung. …

Diejenigen von uns, die am lautesten ‚Americanism‘ beschwören, wenn sie andere diffamieren, sind allzu oft diejenigen, die durch ihre eigenen Worte und Taten einige der Grundprinzipien amerikanischer Identität missachten: Das Recht auf Kritik; Das Recht auf unpopuläre Meinungen; Das Recht auf Protest; Das Recht auf unabhängiges Denken. …

Als Amerikanerin bin ich schockiert darüber, wie Republikaner und Demokraten gleichermaßen dem kommunistischen Plan ‚verwirren, spalten und erobern‘ in die Hände spielen. Als Amerikanerin möchte ich genauso wenig eine demokratische Regierung, die Dinge ‚beschönigt‘ oder ‚vertuscht‘, wie ich eine republikanische Verleumdungskampagne oder Hexenjagd möchte.

Als Amerikanerin verurteile ich einen republikanischen ‚Faschisten‘ genauso wie einen demokratischen ‚Kommunisten‘. … Sie sind für Sie und mich und für unser Land gleichermaßen gefährlich. Als Amerikanerin möchte ich, dass unsere Nation die Stärke und Einheit zurückgewinnt, die sie einst hatte, als wir gegen den Feind gekämpft haben, anstatt gegen uns selbst.“

Liberale fordern häufig, dass Hilfe für Schwache nicht durch den Staat, sondern von der Zivilgesellschaft organisiert werden sollte. So richtig praktisch Solidarität organisieren, das machen weite Teile der liberalen Zivilgesellschaft jedoch oft nicht. Ganz anders war das bei Max Hirsch. 1832 geboren, hat Hirsch Genossenschaften organisiert, liberale Bildungsvereine für Arbeiter gegründet und als Gegner stattlicher Interventionen praktische Solidarität unter Arbeitern durch eigenes Engagement ermöglicht. Das verbindet ihn mit Hermann Schulze-Delitzsch, mit dem er die „Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung“ ins Leben rief, und mit Franz Duncker, der mit ihm die „Hirsch-Dunckersche Gewerkvereine“ gründete. Von 1869 bis 1893 war Hirsch zudem Abgeordneter im Reichstag des Norddeutschen Bundes und im Reichstag des Kaiserreiches, zunächst für die Fortschrittspartei, dann für die Freisinnigen. Noch bis kurz vor seinem Tod, 1905, hat er die Geschicke seiner liberalen Gewerkschaft gelenkt. Ich bin auf Max Hirsch gestoßen, als ich nach der Geschichte liberaler Volkshochschulen gesucht habe. Denn Hirsch hat 1871 mit der „Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung“ den Verein für liberale Volkshochschulen und Arbeiterbildungsvereine mitgegründet. Die Idee dahinter war, durch Selbsthilfe und gemeinschaftliche organisierte Vorträge das eigene Wissen zu erweitern und Aufklärung zu erlangen – ohne auf die Obrigkeit angewiesen zu sein. Einige Jahre später rief Hirsch dann auch die Humboldt-Akademie in Berlin ins Leben. Sie sollte Menschen, die eine Universität nicht oder nicht mehr besuchen konnten, Zugang zu den Fortschritten der sich damals rapide entwickelnden Wissenschaften bieten. Heute gibt es staatliche Schulbildung, verpflichtend bis zum 16. Lebensjahr, dann staatlich geregelte Ausbildungs- oder Studiengänge für alle. Arbeiterbildungsvereine scheint es also keine mehr zu brauchen. Und doch hat die Idee von selbstorganisierter Bildung für Erwachsene noch ihren Reiz. Ziel war nie, nur das zu erlernen, was sich wirtschaftlich rechnet. Sondern breite Schichten der Gesellschaft den Zugang zu politischen Debatten, wissenschaftlichen Ideen und anspruchsvollem Kulturgut zu ermöglichen. Nicht vorgekaut und aufgezwungen, sondern aus eigenem Interesse und selbst organisiert. Bei alledem, was uns häufig an staatlicher Schulbildung stört, stellt sich die Frage: Wer hindert uns eigentlich daran, heute unsere eigene Gesellschaft für die Verbreitung von Volksbildung zu gründen? Vielleicht dann mit einem neuen Namen.

Es ist ein wiederkehrendes Thema: Wenn im 20. Jahrhundert richtig was für die Freiheit gewuppt wurde, konnte man in der Regel darauf wetten, dass Menschen mit jüdischen Wurzeln beteiligt waren. Man hätte den gegenwärtigen Liberalismus einfach in die Tonne kloppen können ohne Leute wie Hannah Arendt, Ludwig von Mises, Ayn Rand, Isaiah Berlin, Karl Popper, Milton Friedman, Michael Polanyi, Murray Rothbard, Raymond Aron … Eine Institution wie das Institute of Economic Affairs wäre ohne Arthur Seldon nicht denkbar gewesen. Seit über 50 Jahren schwingt Henryk M. Broder gegen Totalitarismen verschiedensten Ursprungs seine Wortpeitsche. Und zuletzt hat sich ganz besonders Wolodymyr Selenskyj als Glücksfall für die Freiheit erwiesen.

Joe Simon (1913-2011) und Jack Kirby (1917-1994) teilen mit all diesen Persönlichkeiten die Herkunft. Ihre Eltern hatten sich als jüdische Migranten aus Europa über den Atlantik aufgemacht in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft für ihre Familien. In den späten 30er Jahren begegneten sich die beiden Comic-Zeichner und entwickelten 1940 die ikonische Figur des Captain America. Der Superheld, der zu den bekanntesten und beliebtesten seiner Gattung gehört, erfüllte eine zentrale kulturelle Funktion, indem er einem damals noch sehr isolationistischen Amerika das positive Bild eines wertegeleiteten und selbstlosen Helden als typisch amerikanisch vor Augen führte. Die Ostküstenjuden ersetzten den lange Zeit vorherrschenden Archteyp des Amerikaners als eines einsam die Weiten des Westens erobernden Siedlers, Cowboys oder Rangers durch den des Retters der globalen Zivilisation. Im Kampf gegen Nationalsozialismus und Kommunismus war Captain America ein absoluter Top-Motivator. Später diente er auch dazu, rassistische Vorurteile gerade bei den jungen Lesern abzubauen. Ende der 1960er Jahren bekam er mit Falcon einen afroamerikanischen Partner bei der Bekämpfung des Bösen. Und er war der starke Fels im Kampf gegen den Big State im Inneren: ob Techno- oder Autokraten die Macht übernehmen wollten – Captain America stand immer bereit, die Verfassung zu verteidigen. Seit 85 Jahren ist er das mahnende Exempel, das Amerikaner an ihre eigentlichen Werte und Ideale erinnern sollte.

Man merkt Captain America die biblische Prägung an, die seinen Schöpfern so vertraut war wie ihrer Leserschaft: Er ist der unwahrscheinliche Held wie Jakob, Joseph oder David. Er ist der Gerechte wie Noah, Elijah, Daniel und viele andere Propheten. Zugleich umweht ihn die Luft stoischen Pflichtbewusstseins, die von den großen Gründungsgestalten der USA durch die Geschichte weht. Captain America ist zusammen mit der Freiheitsstatue wohl die wirkmächtigste Werbegestalt, die der Liberalismus je hatte.

Photo: gage skidmore from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Wer sich mit liberalen Tugenden beschäftigt, kommt an einer außergewöhnlichen Denkerin nicht vorbei: Die 1942 geborene Deirdre McCloskey ist Ökonomin, Literaturwissenschaftlerin, Philosophin und eine der produktivsten Stimmen des Liberalismus unserer Zeit. Mit 25 Büchern und mehreren hundert Artikeln hat sie wie kaum eine andere in den letzten Jahrzehnten intellektuell gewirkt. Sie hat herausgearbeitet, wie liberale Ideen und Tugenden den Lauf der Weltgeschichte geprägt und den Alltag der Menschheit aus der Armut gehoben haben. Nach ihrer Promotion in Harvard arbeitete sie zunächst einige Jahre sehr erfolgreich quantitativ als Ökonomin an der University of Chicago und forschte zu Ökonometrie. Nach und nach jedoch hinterfragte sie den ökonomischen Mainstream und widmete sich dem Einfluss von Rhetorik in den Wirtschaftswissenschaften, der Wirkung von Ideen und den Grundlagen des Liberalismus. Im Zentrum ihres Werkes steht die Trilogie Bourgeois Virtues, Bourgeois Dignity und Bourgeois Equality. Darin sucht sie die Frage zu beantworten, was Gesellschaften gedeihen lässt. Ihre Antwort: Neben ökonomischen Entwicklungen vor allem Ideen, Innovation und moralische Tugenden. Entgegen der üblichen Meinung sieht sie den Markt nicht als kalte Effizienzmaschine, sondern als Ort des moralisch wertvollen Austauschs. McCloskey identifiziert sieben Tugenden der westlichen Tradition, die aus ihrer Sicht die erfolgreichen Entwicklungen der letzten Jahrhunderte ermöglicht haben. Den Liberalismus als moralisch wertvolles und wirtschaftlich erfolgreiches Projekt verteidigt sie auch in vielen neueren Büchern – etwa Why Liberalism Works. Damit weicht sie in vielerlei Hinsicht vom Mainstream ab und tut dies auf sehr lesenswerte Weise. Den Mut zur Abweichung vom Mainstream beweist sie auch in ihrem privaten Leben. In einer anderen Zeit und wissenschaftlich erfolgreich in einer konservativen Disziplin, lebte sie bis zu ihrem 53. Lebensjahr als Mann. 1995 entschied sie sich, als Frau zu leben. Über die Umstände und Auswirkungen dieser Entscheidung hat sie in ihrem Buch Crossing: A Transgender Memoir berichtet. McCloskey verbindet intellektuelle Tiefe mit liberaler Neugier. Ihr Werk ist ein eindrucksvoller Beitrag zur Verteidigung des Liberalismus – als ökonomisches System, als kulturelle Haltung und als ethisches Versprechen.

In Hochzeiten von Zöllen und Handelsbeschränkungen wollen wir an die große Tradition der Freihandelsbewegung in Deutschland erinnern. Als Wegbereiter in Deutschland gilt hier John Prince-Smith (1809-1874). Er gründete den ersten Deutschen Freihandelsverein und den Kongress der deutscher Volkswirte. Durch die Übersetzung der Schriften von Frederic Bastiat brachte er die Freihandelsidee aus England und Frankreich nach Deutschland. Sein Credo war: „Der Freihandel ist nicht nur ein wirtschaftliches Prinzip, sondern ein moralisches Gebot, das die Freiheit des Individuums gegen die Willkür des Staates schützt.“