Photo: Tambako The Jaguar from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Bis 2020 sollte in Deutschland der Ausstoß klimaschädlicher Gase um 40 % gegenüber 1990 sinken, so der 2007 beschlossene Plan von Kanzlerin Merkel. Nachdem sich in den letzten Jahren abzeichnete, dass dieses Ziel deutlich verfehlt wird, erklärte die neue schwarz-rote Bundesregierung den Klimaplan Anfang des Jahres für gescheitert.

Umweltpolitiker und Interessengruppen schlagen Alarm. Vielleicht sei das ursprüngliche Einsparungsziel tatsächlich nicht mehr zu halten, aber das könne nur bedeuten, dass künftig noch mehr Anstrengungen für den Klimaschutz zu unternehmen seien – durch neue Subventioneneinen schnelleren Kohleausstieg und gesetzliche Anreize zur Emissionsminderung.

Ein naheliegender Alternativvorschlag findet in der Diskussion dagegen wenig Gehör: Über das EU-weite Emissionshandelssystem ETS kann die Bundesregierung Verschmutzungsrechte erwerben. Lässt sie diese ungenutzt, trägt sie effektiv zum Klimaschutz bei, da die Gesamtmenge der Verschmutzungsrechte limitiert ist.

Deutschlands Emissionsziele

Es gibt drei wesentliche staatliche Mechanismen zur Emissionsreduzierung:

(1) Über das Emissionshandelssystem ETS wird der Ausstoß klimaschädlicher Gase in rund 45 % der EU-weiten Emissionsquellen reguliert. In jeder mehrjährigen Handelsperiode stellt die EU eine fixe Menge an zum Ausstoß klimaschädlicher Gase berechtigenden Zertifikaten bereit. Alle partizipierenden Unternehmen müssen anschließend eine ihren Emissionen entsprechende Menge an Zertifikaten vorweisen, die sie teils unentgeltlich erhalten, teils per Auktion ersteigern müssen. Über die Menge der in jeder Handelsperiode ausgegebenen Verschmutzungsrechte gibt die EU das Tempo der Emissionssenkungen in Europa – und damit auch in Deutschland – vor.

(2) Für die nicht im ETS integrierten Emissionsquellen – im Wesentlichen Verkehr, Gebäudeenergie und Landwirtschaft – gibt die EU im Rahmen der Lastenteilungsentscheidung länderspezifische Einsparziele vor. So soll Deutschland seine Emissionen in diesen Bereichen zwischen 2005 und 2020 um 14 % senken – ein Ziel, das zunehmend unrealistisch erscheint.

(3) Darüber hinaus gibt sich die Bundesregierungen Selbstverpflichtungsziele, aktuell etwa im Klimaschutzplan 2050. Frühere Ziele wie die sogenannten Meseberger Beschlüsse konnten nicht eingehalten werden. Ein wichtiger Grund für das Scheitern ist die unerwartet gute Konjunktur der letzten Jahre, die zu höheren Emissionen geführt hat.

Konventionelle Klimapolitik: Ineffizient und inflexibel

Vor diesem Hintergrund wird der Ruf nach zusätzlichen Subventionen und gesetzlichen Anreizen zur Emissionsreduktion wieder lauter. Doch Subventionen haben unerwünschte Umverteilungseffekte und sind teuer: Zu den direkt für die Steuerzahler anfallenden Kosten kommen indirekte durch Marktverzerrung entstehende Kosten hinzu. So zahlen deutsche Stromkunden schon heute auch aufgrund der EEG-Umlage europaweit mit die höchsten Strompreise.

Subventionsgetriebene Klimapolitik ist nicht nur teuer, sondern auch inflexibel. So ist eine 2018 ersonnene Subvention aufgrund langwieriger Gesetzgebungsverfahren kaum in der Lage, Emissionen schon zwei Jahre später effektiv zu senken. Einmal eingeführt, ist es allerdings schwer, eine Subvention wieder abzuschaffen, wenn ihre ursprüngliche Begründung längst weggefallen ist.

Ein weiteres Problem entsteht aus der Interaktion zwischen nationaler Klimapolitik und EU-weitem Emissionshandel: Da die in jeder Handelsperiode zur Verfügung stehende Menge an Verschmutzungsrechten EU-weit fixiert ist, führt jede aufgrund einer Subvention in Deutschland eingesparte Tonne lediglich zur Emission einer zusätzlichen Tonne in einem anderen europäischen Land – jedenfalls in den knapp 45 % der Emissionen umfassenden Sektoren, die derzeit im ETS integriert sind. Zwar verpuffen Subventionen so nicht gänzlich, doch ihr Einsparpotenzial wird damit relativ zu den durch sie verursachten Kosten eingeschränkt.

Alternative: Regierung kauft Verschmutzungsrechte

Als Alternative zur teuren und inflexiblen Subventionspolitik bietet sich die Beteiligung der Bundesregierung am europäischen Emissionshandel an. Kauft die Bundesregierung Unternehmen Zertifikate ab und lässt diese anschließend ungenutzt verfallen, entspricht dies einer durch die deutschen Steuerzahler finanzierten Reduktion der weltweiten Emissionen.

Auch zertifikatebasierte Klimapolitik ist nicht billig. Das Recht zur Emission einer Tonne CO2 kostet im ETS derzeit rund 16 Euro (Stand Juni 2018). Würde die Bundesregierung eine Großorder aufgeben, so würde dieser Preis steigen. Im Vergleich zur konventionellen Klimapolitik verspräche eine zertifikatebasierte Klimapolitik den Steuerzahlern dennoch substantielle Entlastungen, da die Verzerrungskosten herkömmlicher Subventionen vermieden würden. In europaweiter Perspektive würde zudem dafür gesorgt, dass die Einsparungen effizient vorgenommen werden.

Einsparungsziele durch Zertifikatekauf realisierbar

Auch das 2007 formuliert Ziel, Deutschlands Emissionen bis 2020 relativ zu 1990 um 40 % zu senken, könnte mittels eines entsprechenden Zertifikatkaufs erreicht werden. 2017 wurden in Deutschland etwa 904,7 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt. Um die Differenz zu den ab 2020 nur noch erlaubten 751 Millionen Tonnen zu überbrücken, wäre der Kauf von 153 Millionen Zertifikaten nötig – eine solche Order kostet zu heutigen Preisen 2,4 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat im Jahr 2016 Kosten von rund 22 Milliarden Euro verursacht.

Die Verpflichtung gegenüber der EU ließe sich über den Zertifikatekauf dagegen nicht vertragsgenau einhalten, schließlich beziehen sich die darin formulierten Einsparungsziele auf jene Emissionsquellen, die nicht vom ETS abgedeckt werden. Das ist bedauerlich, da effizienter zu realisierende Einsparungen in durch das ETS abgedeckten Emissionsquellen nicht gegen weniger effiziente Einsparungen in Nicht-ETS-Emissionsquellen aufgerechnet werden können. Solange diese Emissionsquellen nicht integriert sind, sollte die EU erwägen, es Regierungen zu erlauben, etwaige Lücken gegenüber den Zielvorgaben durch den Kauf von ETS-Zertifikaten zu schließen. Für den Klimaschutz spielt es keine Rolle, in welchen Industrien die Einsparungen vorgenommen werden.

Ein unmoralischer Ablasshandel?

Kritiker bezeichnen Unternehmen, die ihren Kunden klimaneutrale Produkte per Zertifikatekauf anbieten als „moderne Ablasshändler“. Der Kritik liegt die Vorstellung zugrunde, dass jeder Emittent für den durch ihn angerichteten Schaden moralisch verantwortlich ist und diesen daher selbst zu beheben hat – selbst, wenn es effizienter wäre, andere für eine klimaäquivalente Schadensbehebung zu bezahlen. Auch die Bundesregierung träfe die Kritik, sich „freizukaufen“, sollte sie die Klimapolitik zukünftig auf den Kauf von Zertifikaten beschränken und Unternehmen somit dafür bezahlen, weniger Emissionen auszustoßen.

Derartige Kritik übersieht allerdings, dass auch die heutige Subventionspolitik einem „Ablasshandel“ entspricht. Der Übergang zu einer zertifikatebasierten Klimapolitik würde lediglich bewirken, dass die Steuerzahler zusätzlich zu inländischen Unternehmen auch ausländische Unternehmen für Emissionsreduktionen bezahlen.

Emissionshandel stärken

Schwerwiegendere Kritik am Vorschlag einer zertifikatebasierten Klimapolitik speist sich aus der derzeit nur eingeschränkten Reichweite des ETS. Nur wenn möglichst viele wichtige Emissionsquellen in das ETS einbezogen werden, bewirkt dieses eine EU-weite Priorisierung von Emissionseinsparungen in jenen Bereichen, in denen diese am kostengünstigsten sind.

Zwar werden die Reichweite des ETS steigernde Reformen bereits diskutiert. Doch der Einbezug von Privathaushalten (ca. 10 % der Emissionen), Dienstleistungssektor (ca. 4 %) sowie Verkehrssektor (ca. 17,7 %) würde zu erheblichen Transaktionskosten führen. Zwar ist vorstellbar, dass die europäischen Regierungen den notwendigen Zertifikatekauf stellvertretend für ihre Bürger vornehmen, etwa auf Basis einer jährlichen Schätzung der aus diesen Quellen entsprungenen Emissionen. Eine solche Stellvertreterlösung würde jedoch zu Trittbrettfahrerverhalten einladen und die Effizienz des ETS mindern.

Trotz dieser Schwierigkeiten stellt das ETS für die Bundesregierung bereits heute ein vielversprechendes Instrument zur Realisierung selbstgesteckter Einsparungsziele dar. Die Vorteile gegenüber der konventionellen subventionsbasierten Klimapolitik – eine geringere Verzerrungswirkung und flexiblere Anwendungsmöglichkeiten – wachsen in dem Maße, in dem es zukünftig gelingt, weitere Emissionsquellen in das ETS einzubeziehen. Statt auf die Einführung neuer Subventionen hinzuwirken, sollten am Klimaschutz interessierte Interessengruppen und Umweltpolitiker daher auf die Ausweitung des ETS und die Nutzung des Zertifikatekaufs als klimapolitische Maßnahme durch die Bundesregierung pochen.

 

Zuerst veröffentlicht bei IREF.

Photo: Alex Knight from Unsplash (CC 0)

Von Matthias Still, Unternehmer und PR-Berater, Fackelträger bei Prometheus.

Schon wieder eine Woche rum und der Elektriker hat sich nicht gemeldet! „So ein Mist“, denke ich mir. Allmählich nervt es, ihm hinterher zu telefonieren und zu -mailen. Was war passiert? Vor einem halben Jahr bin ich mit der Familie umgezogen. Die Wohnung ist größer, die Gegend grüner und – hurra! – wir sind jetzt Immobilienbesitzer. Alles prima soweit. Aber es ist dann doch noch nicht alles ganz fertig. Hier und da fehlt ein passendes Möbelstück und – jetzt kommt der Elektriker ins Spiel – die Lampen im Flur neben dem Spiegel müssen noch angebracht werden. Bei einem solchen Auftrag kann der Elektriker natürlich im Anschluss keine dicke Rechnung schreiben, sondern eher eine dünne. Und weil er das weiß, meldet er sich nicht und macht erst einmal die Aufträge mit den dicken Rechnungen. Rein betriebswirtschaftlich kann ich ihm das nicht verübeln, aber die Lampen im Flur, die fehlen einfach!

So wie mir geht es derzeit vielen Tausend anderen Menschen in Deutschland, die auf die Idee kommen zu bauen, zu sanieren, zu renovieren oder einfach nur ein paar Kleinigkeiten von Handwerkern erledigen zu lassen. Denn es geht ihnen gut wie nie. Wer schrauben, hämmern oder sägen kann, wird reich. Zumindest ein bisschen. Der Grund dafür ist der Immobilien-Boom: Alle kaufen wie verrückt Häuser und Wohnungen. Und ein Grund dafür sind wiederum die niedrigen Zinsen, aber das ist ein Extra-Thema.

Weil nun derzeit alle ihr Geld in Immobilien stecken, können sich Handwerker gar nicht retten vor Aufträgen. Der Fachkräftemangel hat sie voll erwischt. Diese Erfahrung ist im Handwerk neu – bei Ingenieuren, Programmierern, Alten- oder Krankenpflegern kennt man das schon länger. Die, die schon da sind, sind ausgelastet und gute Nachwuchskräfte sind so selten wie Rohdiamanten.

Und was besonders unglücklich ist: Das wird sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern. Ganz im Gegenteil! Warum das so ist, ist recht schnell erklärt: Es gibt immer mehr ältere Menschen in Deutschland und immer weniger junge. Auch wenn die Zahl der Geburten derzeit minimal nach oben geht, ändert das am Gesamttrend nichts. Zumal rund die Hälfte der Deutschen im nachwuchsproduzierfähigen Alter gar kein Interesse an Kindern hat, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung herausgefunden hat.

Die Folge davon: Es gibt schlichtweg viel zu wenig junge Menschen, die Programmierer, Ingenieure, Alten- oder Krankenpfleger werden könnten. Oder eben Handwerker. Heute ist das schon so und morgen wird sich das wohl nicht ändern. Auch die Zuwanderung durch Flüchtlinge seit 2015 dreht den Trend nicht, bestenfalls wird er verlangsamt.

Fachkräftemangel überall – und kein Ausweg. Oder? Doch! Es gibt Licht am Ende des Tunnels und zwar elektrisches Licht. Es sind die freundlich strahlenden Augen eines Roboters, die da glühen – denn genau er wird uns aus der Patsche helfen. Warum? Das wollen wir uns einmal genauer ansehen.

Wirft man das Stichwort „Digitalisierung“ in eine politische Diskussions-Runde, dann wachsen anwesenden Berufs-Pessimisten noch während der Debatte graue Haare: Oh Schreck, diese ganze Automatisierung! Und die Arbeitsplätze, die dann wegfallen! Und die ganzen Arbeitslosen! Und dann geht das alles auch noch so schnell! Schließlich ist die eine oder andere Prognose in Umlauf, die zunächst einmal ganz nüchtern besagt, dass durch die Digitalisierung in Unternehmen ein bestimmter Prozentsatz an Arbeitsplätzen verloren geht. Tja, und was ganz besonders gemein ist: Das sind nicht nur die ollen Fließband-Jobs, die da wegfallen, sondern auch hoch qualifizierte Tätigkeiten: Piloten gehören beispielsweise dazu. Sogar manch ein Richter schlottert unter seiner Robe schon wie ein Zitterrochen, denn es soll auch ihn treffen, sagt zumindest die wohl bekannteste Studie zur Digitalisierung der Arbeitswelt, „The Future of Employment“. Denn Rechtsurteile können zukünftig auch von Algorithmen getroffen werden und das sogar zuverlässiger als von Juristen.

Lässt man einmal die extremen Vorhersagen außer Acht, dann gehen Experten wie zum Beispiel das für Deutschland wichtige Forschungsinstitut IAB davon aus, dass rund 15 Prozent unserer derzeitigen Beschäftigungsverhältnisse von Robotern und anderen digitalen Arbeitskräften übernommen werden. Das macht nach derzeitigem Beschäftigungsstand rund 7 Millionen Jobs.

Und das ist auch gut so. Denn der Roboter ist damit unsere schlagkräftigste Waffe gegen den Fachkräftemangel! Das Schließen der Fachkräftelücke wird in vielen Branchen nicht mehr durch junge Berufseinsteiger zu schaffen sein. Aber durch Robotik und Künstliche Intelligenz durchaus. Schon heute haben Roboter einen beachtlichen Anteil an der industriellen Wertschöpfungskette. Der digitale Fortschritt vollzieht sich in Quantensprüngen, so dass eine Übernahme von Tätigkeiten auch in vielen anderen Wirtschaftssektoren wahrscheinlich ist. Und das hat gleich mehrere positive Effekte: Nicht nur, dass die Robos die vielen offenen Stellen besetzen. Sie sorgen auch dafür, dass Arbeitsprozesse schneller und effizienter sind: Schließlich machen die Kollegen aus Blech und Stahl keine Pausen, keinen Urlaub und sie arbeiten rund um die Uhr. Dadurch werden viele Produkte und Dienstleistungen wesentlich billiger als sie heute sind. Und das hat wiederum zur Folge, dass wir mehr Geld für andere Ausgaben zur Verfügung haben.

In der Berufswelt könnte der Siegeszug der Digitalisierung eine weitere, bislang völlig unbeachtete Folge haben: Roboter und Algorithmen sind für logisch-rationale Aufgaben ideal. Mit sozialer und emotionaler Intelligenz haben sie aber nichts am Hut. Als Erzieher im Kindergarten, als Sozialarbeiter oder Seelsorger sind sie ungeeignet. Dass die derzeit oft schlecht bezahlten Berufstätigen im sozialen Bereich oder im Bildungssektor auf Dauer nicht ersetzt werden, kann zu ihrer deutlichen Aufwertung führen.

Ein Grund mehr, warum wir uns darauf freuen können, wenn Kollege Roboter zum Job antritt.

Photo: Kid Circus from Unsplash (CC 0)

Die Zurückweisung des italienischen Haushaltsplanes durch die EU-Kommission klingt nach einem formalen Akt. Man empört sich, dass die italienische Regierung ein Budgetdefizit von 2,4 Prozent für 2019 plant. Auf den ersten Blick wirkt das etwas verwirrend. Liegt das Defizitkriterium im Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) doch bei 3 Prozent. Somit ist Italien unter der vereinbarten Grenze geblieben. Zwar liegt die gesamtstaatliche Verschuldung in Italien bei über 130 Prozent zur Wirtschaftskraft und damit über dem 60 Prozentkriterium im SWP, doch auch Frankreich, Spanien und selbst Deutschland liegen darüber.

Mit der Reform des SWPs im Jahr 2011 wurden durch das sogenannte Six-Pack die Regeln jedoch verschärft. Dabei steht die Erreichung eines strukturell ausgeglichenen Haushalts im Mittelpunkt. Unterschieden wird zwischen einem präventiven und einem korrektiven Arm des SWP. Der präventive Arm sieht vor, dass bei einer Verfehlung des geplanten Haushaltsziels die Kommission eine Abbaupfad verlangen kann. Weicht der Mitgliedsstaat davon erheblich ab, dann können die Euro-Finanzminister in letzter Konsequenz Strafen verhängen, die bis zu 0,2 % des Bruttoinlandsproduktes betragen können. Das wären für Italien maximal 3,4 Milliarden Euro.

Als korrektiver Arm enthält der SWP das „Verfahren bei einem übermäßigen Defizit“. Dieses Verfahren wird eingeleitet, wenn der Mitgliedsstaat die 3-Prozentgrenze über das Budgetdefizit reisst oder die Staatsverschuldung, wenn diese oberhalb der 60 Prozentgrenze liegt, nicht mindestens um ein Zwanzigstel jährlich abbaut. Auch hier können Sanktionen verhängt werden, die im Extremfall 0,5 Prozent des BIP betragen können.

Klar ist: Italien verstößt gegen den präventiven Arm des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Klar ist aber auch: Frankreich hatte 2013 noch ein gegenüber dem Vorjahr erhöhtes Defizit von 3,7 Prozent gemeldet. Es gab Proteste, aber am Ende drückte die EU-Kommission beide Augen zu. Erst in diesem Jahr wurde Frankreich aus dem Defizitverfahren entlassen. Die Verschärfung des SWP ist und war ein stumpfes Schwert. Er funktioniert nicht, da die Kommission auf die großen Volkswirtschaften zu viel Rücksicht nimmt, und im zuständigen Rat der Finanzminister (ECOFIN) keine Krähe der anderen ein Auge aushackt.

Aus dem Blick gerät aber völlig der seit 2012 bestehende Fiskalvertrag. Er ist ein gegenseitiger völkerrechtlicher Vertrag aller Euro-Mitgliedsstaaten zuzüglich Bulgarien, Dänemark und Rumänien. Bis 2014 waren alle Vertragspartner verpflichtet, eine Regel für einen ausgeglichenen Haushalt mit dauerhafter und verbindlicher Natur in nationales Recht umzusetzen. Vorbild dieser Regelung war die Schuldenbremse im deutschen Grundgesetz, die faktisch einem Neuverschuldungsverbot gleichkommt. Inzwischen haben alle Vertragsstaaten die Regelung umgesetzt. Sie ist die andere Seite des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Die Mitgliedsstaaten, die dem ESM beitraten, verpflichteten sich gleichzeitig, eine Schuldenbremse im nationalen Recht zu verankern. Das eine sollte es nur mit dem anderen geben.

Jetzt schert sich Italien nicht um den Fiskalpakt. Die Regierung verstößt gegen die eigenen Haushaltsregeln. Dagegen können nur das Parlament in Italien selbst, das italienische Verfassungsgericht oder der Staatspräsident Italiens vorgehen. Dennoch ist der Verstoß nicht nur ein unfreundlicher Akt, sondern auch ein Bruch der Vertragsgrundlagen des ESM. In einem Erwägungsgrund des ESM-Vertrags wird die Gewährung von Finanzhilfen an die Ratifizierung des Fiskalvertrags, das Erreichen eines ausgeglichenen Haushalts und die Einführung einer Schuldenregel gebunden. Im Fiskalvertrag wird die Bedeutung der Einrichtung des ESM ausdrücklich hervorgehoben. Allen Seiten war dieser Zusammenhang bewusst, auch Italien. Die italienische Regierung bricht diese Regeln jetzt auf offener Bühne. Das darf eine deutsche Bundesregierung nicht einfach laufen lassen und sich einfach hinter der EU-Kommission verstecken. Der ESM-Vertrag und der Fiskalvertrag sind völkerrechtliche Verträge, deren Geschäftsgrundlagen jetzt von einem Vertragspartner gebrochen wurden. Völkerrechtliche Verträge können gekündigt werden, wenn wesentliche Voraussetzungen entfallen sind oder sich geändert haben. Dies ist hier der Fall. Deutschland sollte daher den ESM wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kündigen und wieder verlassen.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

 Photo: Victor Kallenbach from Unsplash (CC 0)

Ist der Bundestag mit 709 Abgeordneten zu groß? Eigentlich sieht der Deutsche Bundestag eine Sitzzahl von 598 vor. 299 Wahlkreismandate werden über eine relative Mehrheitswahl im jeweiligen Wahlkreis vergeben und 299 Mandate über eine bundesweite Verhältniswahl nach Landeslisten der Parteien verteilt. Jeder Wähler hat zwei Stimmen. Die erste Stimme ist für den Wahlkreis, die zweite Stimme ist die Stimme für eine Partei und deren Repräsentanz im Parlament. Erreicht eine Partei mehr Wahlkreismandate als ihr über die zweite Stimme relativ im Parlament an Sitzen zusteht, gibt es Überhangmandate. Die Zusammensetzung des Bundestages entspricht dadurch nicht mehr dem Zweitstimmenergebnis. Seitdem das Bundesverfassungsgericht die hohe Anzahl der Überhangmandaten 2012 als verfassungswidrig erklärt hat, hat der Gesetzgeber einen Vollausgleich durch so genannte Ausgleichsmandate beschlossen.

Dabei muss die Anzahl der Mandate so weit erhöht werden, bis der Vorteil der Überhangmandate bei der Zusammensetzung des Parlaments verschwindet. Dies führte bereits 2013 dazu, dass der Bundestag 631 Abgeordnete hatte. 5 Überhangmandate führten dabei zu 28 Ausgleichsmandaten. Vier Jahre später waren es bereits 709. 49 Überhangmandate mussten mit 62 Mandaten ausgeglichen werden. Dies Entwicklung setzt sich in der aktuellen Sonntagsfrage fort.

Wer die aktuelle Umfrage von INSA vom 23.10.2018 betrachtet und dies als Maßstab für die Zusammensetzung des nächsten Bundestages heranzieht, ist bereits bei 831 Mitgliedern. Und sollten CDU/CSU bei der nächsten Bundestagswahl, nicht wie in der INSA-Umfrage prognostiziert, 26 sondern bei gleichen Bedingungen nur noch 20 Prozent erreichen, dann würde das Parlament auf 1002 Mitglieder anwachsen. Die Entwicklung ist also auch ein Spiegelbild der zurückgehenden Wahlerfolge von Union und SPD. Sie würden zwar noch viele Direktmandate gewinnen, stürzen aber bei der Zweitstimme ab.

Ein Parlament, das möglicherweise doppelt so groß ist, wie es der Gesetzgeber eigentlich vorgesehen hat, stößt zwangsläufig an seine Grenzen. Nicht nur was die Arbeitsfähigkeit und die Ausgaben betrifft. Auch ist die Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Regierung dann nur noch schwer möglich. Aber entscheidend ist die öffentliche Akzeptanz des Deutschen Bundestages. Ein Parlament mit 800 oder 900 Abgeordneten würde dem Vorwurf der Reformunfähigkeit des politischen Systems Vorschub leisten. Es hat dem Deutschen Bundestag bislang nicht gutgetan, dass in der letzten Legislaturperiode keine Reform gelungen ist. Und auch in dieser Legislaturperiode tut sich derzeit wenig. Das ist bedauerlich, denn diese Untätigkeit trägt zur Politikverdrossenheit in der Gesellschaft bei.

Sicherlich ist das Wahlrecht ein vermintes Gelände. Es hat historisch schon oft zu Verwerfungen im Regierungssystem geführt. Das wohl bekannteste Beispiel ist der Regierungswechsel der FDP in NRW im Jahr 1956. Als Bundeskanzler Konrad Adenauer ein Grabenwahlrecht einführen wollte, wechselte die FDP in Nordrhein-Westfalen von einer CDU-geführten zu einer SPD-geführten Regierung und vereitelte den Plan dadurch mittelbar in der großen Koalition in Bonn. Damals wollte Adenauer, dass die Direktmandate nicht auf die Verhältniswahl (Zweitstimmenergebnis) angerechnet werden. Es hätte die FDP bei gleichem Ergebnis halbiert und der Union die absolute Mehrheit beschert. Mit dem Regierungswechsel in Düsseldorf war das Ansinnen Adenauers tot, aber gleichzeitig auch der Beginn einer sozialliberalen Ära auf Bundesebene eingeleitet.

Zahlreiche Veränderungen sind im Wahlrecht denkbar. Doch wer nicht das gleiche Schicksal der 1950er Jahren erleben will, sollte behutsam an das Wahlrecht herangehen. Denn das Wahlsystem ist nicht beliebig veränderbar. Es folgt einer Tradition und höchstrichterlicher Rechtsprechung. Daher wäre der Gesetzgeber klug beraten, am bisherigen System von Erst- und Zweitstimme festzuhalten. Folgt man diesem Gedanken, dann böte sich eine Reduktion der gesetzlichen Mitgliederzahl von 598 Abgeordneten an. So könnte das Parlament in zwei Schritten von 498 auf 398 reduziert werden. Dies würde bedeuten, dass die Wahlkreise von 299 auf 249 und dann 199 reduziert werden. Gleichzeitig würden auch die Listenmandate entsprechend reduziert.  Die Reduzierung der Wahlkreise um ein Drittel würde dazu führen, dass ein Wahlkreis im Durchschnitt nicht mehr einen Bevölkerungsanteil von 275.000 Einwohnern repräsentieren, sondern rund 410.000. Dies wäre innerhalb der Bundeswahlgesetzes zulässig, da so immer noch die Ländergrenzen eingehalten werden könnten und die Wahlkreise ein zusammenhängendes Gebiet umfassen würden. Sicherlich wären die Wahlkreise dann in vielen Teilen Deutschlands landkreisübergreifend. Doch das ist heute schon in vielen Regionen Süd- und Ostdeutschlands so. Größere Wahlkreise wären der Preis für eine Reform. Er wäre aber tragbar, weil es dafür eine Mehrheit im Parlament geben könnte. Eine Diskussion darüber muss jetzt endlich beginnen.

Photo: Wendy Scofield from Unsplash (CC 0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre.

Der Gesetzgeber hat mit der Übertragung des Versorgungsauftrags auf die etablierte Ärzteschaft den Bock zum Gärtner gemacht. Hätten die Ärzte freie Standortwahl und würde jede Leistung an gesetzlich Versicherten finanziell honoriert, wären vor allem gesetzlich Versicherte besser versorgt als heute.

Ärzte, die in Deutschland gesetzlich Versicherte behandeln wollen, müssen Mitglied in einer Kassenärztlichen Vereinigung sein. Die Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen sind dabei in einer ungewöhnlichen Situation. Sie können beeinflussen, wie viel Konkurrenz sie von anderen Ärzten bekommen. Die Rechnung der etablierten Ärzteschaft ist recht simpel: Je mehr neue Praxen es gibt, desto weniger Geld bekommen die bestehenden Praxen.

Bedarfsplanung

Es gibt 17 kassenärztliche Vereinigungen. Für jedes Bundesland ist eine Kassenärztliche Vereinigung zuständig, nur in Nordrhein-Westfalen gibt es zwei. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind für die Versorgung der gut 72,2 Millionen gesetzlichen Versicherten verantwortlich. Unter anderem planen die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen, wie viele Arztpraxen eines bestimmten Fachgebiets es in einer Region geben soll.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nach dem fünften Sozialgesetzbuch dazu verpflichtet, die Versorgung der gesetzlich Versicherten sicher zu stellen. Seit 1992 gibt es für die ambulante Behandlung eine Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigungen. Diese basiert auf der Annahme, dass die Versorgung gewährleistet ist, wenn in einer Region ein bestimmtes Arzt-Einwohner-Verhältnis sichergestellt ist. Für Hausärzte zum Beispiel gilt, dass ein Arzt im Idealfall 1.671 Einwohner versorgt.

Für andere Fachärzte gilt kein bundesweites Verhältnis, sondern regionalspezifische Verhältniszahlen. So gelten beispielsweise in „stark mitversorgenden“ Regionen, zu meist Städte, 2.405 Kinder pro Kinderarzt als angemessen. In „stark mitversorgten“ Regionen dagegen gilt ein Verhältnis von 4.372 Kinder pro Kinderarzt als ausreichend. Die Verhältniszahlen werden nicht auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse ermittelt, sondern spiegeln die Versorgungsverhältnisse eines bestimmten Stichtages wieder. Das Arzt-Einwohner-Verhältnis des 31.12.1990 gilt daher als „optimal“.

Liegt der Arzt-Einwohner-Quotient über 110 Prozent des „optimalen“ Niveaus, gilt eine Region als überversorgt. Liegt der Quotient unter 50 Prozent, beziehungsweise bei Hausärzten unter 75 Prozent, gilt eine Region als unterversorgt. In Regionen, in denen derart definiert eine Überversorgung herrscht – zumeist in städtischen Regionen – dürfen grundsätzlich keine neuen Ärzte ihre Dienste gesetzlich Versicherten zur Verfügung stellen. Die Region gilt für den überversorgten Fachbereich als gesperrt. Nur durch die Übernahme einer bereits bestehenden Praxis oder per Antrag auf Sonderbedarf kann ein Arzt sich in einer gesperrten Region niederlassen.

Keine direkte Abrechnung mit Kassen

Kassenärzte rechnen Leistungen für gesetzlich Versicherte nicht direkt mit deren Krankenkassen ab. Jede Kassenärztliche Vereinigung verhandelt einen fixen Betrag mit den Krankenkassen, der von ihr auf ihre jeweiligen Mitglieder verteilt wird. Die Kassenärztlichen Vereinigungen zahlten im Jahr 2015 über 35 Milliarden Euro an ihre Mitglieder aus.

Die jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen verteilen die fixe Summe mit Hilfe eines Punktesystems an ihre Mitglieder. Erbringt ein Arzt eine Leistung, erhält er dafür entsprechende Punkte. Jedes Quartal wird der Wert eines Punktes in Euro festgelegt. Die Punkte können allerdings nur bis zu einer gewissen Obergrenze abgerechnet werden. Diese Obergrenze wird als Regelleistungsvolumen bezeichnet und berechnet sich im Wesentlichen aus der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal. Wird das Regelleistungsvolumen überschritten, erhalten die Ärzte nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Punktwerts.

Auch Ärzte freuen sich nicht über Konkurrenz. Die Verteilung eines fixen Budgets führt jedoch dazu, dass die Ärzte einer Kassenärztlichen Vereinigung neuen Niederlassungen in ihrer Region noch kritischer gegenüberstehen.

Bedarfsplanung und Privatpatienten

Doch Kassenpatienten sind für Ärzte nicht die einzige Einnahmequelle. Auch Privatpatienten werden behandelt. Zudem können Ärzte bei Privatpatienten für identische Leistungen höhere Beträge in Rechnung stellen. Privatpatienten sind also besonders attraktive Patienten – finanziell gesehen.

Wenig überraschend zeigt eine Untersuchung der Universität München, dass sich Kassenärzte bevorzugt in Regionen niedergelassen haben, in denen ein hoher Anteil privat Versicherter wohnt. Dies sind vor allem urbane Gegenden – Regionen die von den Kassenärztlichen Vereinigungen häufig als überversorgt eingestuft werden. Neue Arztpraxen, die sowohl Kassenpatienten als auch Privatpatienten versorgen, können in den als überversorgt ausgewiesenen Regionen nicht mehr eröffnet werden. Dabei mag der Bedarf für weitere Arztpraxen dort sehr wohl bestehen, denn bei der Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung bleiben die privat versicherten Einwohner der Region unberücksichtigt. Erfreuliche Nebenwirkung für die etablierten Ärzte: Sie sind unter dem Deckmantel der Bedarfsplanung vor weiterer lästiger Konkurrenz geschützt.

Das Kartell wehrt sich

Scheren Mitglieder aus der Monopollogik aus, etwa indem sie versuchen, sich in gesperrten Gebieten mit Hilfe eines Sonderbedarfsantrags niederzulassen, können diese von den Kassenärztlichen Vereinigungen mit einer besonders intensiven Honorarprüfung sanktioniert werden.

Auch Krankenhäuser können niedergelassenen Ärzten Konkurrenz machen. Bieten Krankenhäuser ambulante Behandlungen an, reduziert dies die Auslastung umliegender Praxen. So ging die Berliner Kassenärztliche Vereinigung juristisch gegen ambulante Angebote von Berliner Krankenhäusern vor, darunter auch gegen Angebote des Deutschen Roten Kreuz. Die Berliner Kassenärztliche Vereinigung zwang schließlich das Rote Kreuz drei medizinische Behandlungszentren zu schließen. Einer besseren Versorgung der Patienten ist damit sicher nicht geholfen.

Freie Standortwahl: Versorgungssicherheit nicht gefährdet

Das Verhalten der Kassenärztlichen Vereinigungen ist schwerlich mit Hinweis auf die Interessen der Patienten zu erklären. Doch angesichts der Anreize, denen die Kassenärztlichen Vereinigungen und ihre Mitglieder ausgesetzt sind, verwundert ihr Gebaren nicht. Die Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigungen sollte daher abgeschafft werden: Ärzten sollte es freistehen, Praxen am Ort ihrer Wahl zu eröffnen.

Die Befürworter der Bedarfsplanung würden gegen die freie Standortwahl einwenden, dass es dann zu einer Unterversorgung in manchen Gebieten käme. Die Erfahrung mit Zahnärzten und Apotheken spricht gegen diese Befürchtung. Seit April 2007 können Zahnärzte ohne Beschränkungen auf Grund von Bedarfsplänen ihren Standort frei wählen. Auf eine noch längere Erfahrung können Apotheken zurückblicken. Auch wenn der Apothekenmarkt nach wie vor hoch reguliert ist, dürfen sich Apotheker seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1958 am Ort ihrer Wahl niederlassen. Auch die Grundversorgung mit lebensnotwendigen Nahrungsmitteln hängt nicht von einer zentralen Bedarfsplanung der etablierten Lebensmittelgeschäfte ab.

Finanzielle Anreize zum Wohl der Patienten

Die 17 Kassenärztlichen Vereinigungen sollten zudem von der Aufgabe befreit werden, eine zuvor von den gesetzlichen Krankenkassen erhaltene Verteilungsmasse als Honorare unter der Ärzteschaft zu verteilen.

Die Arzthonorare könnten zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ausgehandelt und von den Ärzten direkt mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Dies ist schon jetzt gängige Praxis bei den privaten Krankenkassen. So wären die Umsätze einer Praxis nicht direkt abhängig von Obergrenzen oder dem Behandlungsvolumen bzw. der Anzahl anderer Ärzte der gleichen Kassenärztlichen Vereinigung.

Die gesetzlichen Krankenkassen könnten in einem solchen Rahmen Verhandlungsergebnisse anstreben, die mittels finanzieller Anreize dafür sorgen, dass die gewünschte Versorgung in allen Regionen gewährleistet ist – zum Beispiel durch höhere Honorare in ausgewählten Regionen. Den privaten Krankenkassen scheint der Einsatz finanzieller Anreize seit Jahren erfolgreich zu gelingen. Ärzte lassen sich gerne in Regionen mit vielen Privatpatienten nieder.

Den Bock zum Gärtner gemacht

Der Gesetzgeber hat mit der Übertragung des Versorgungsauftrags auf die etablierte Ärzteschaft den Bock zum Gärtner gemacht. Die regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen nutzen ihre Planungshoheit hinsichtlich der Anzahl der Arztpraxen, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Hätten die Ärzte freie Standortwahl und würde jede Leistung an gesetzlich Versicherten finanziell honoriert, wären vor allem gesetzlich Versicherte besser versorgt als heute.

Erstmals erschienen bei IREF.