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Von Matthias Still, Unternehmer und PR-Berater, Fackelträger bei Prometheus.

Schon wieder eine Woche rum und der Elektriker hat sich nicht gemeldet! „So ein Mist“, denke ich mir. Allmählich nervt es, ihm hinterher zu telefonieren und zu -mailen. Was war passiert? Vor einem halben Jahr bin ich mit der Familie umgezogen. Die Wohnung ist größer, die Gegend grüner und – hurra! – wir sind jetzt Immobilienbesitzer. Alles prima soweit. Aber es ist dann doch noch nicht alles ganz fertig. Hier und da fehlt ein passendes Möbelstück und – jetzt kommt der Elektriker ins Spiel – die Lampen im Flur neben dem Spiegel müssen noch angebracht werden. Bei einem solchen Auftrag kann der Elektriker natürlich im Anschluss keine dicke Rechnung schreiben, sondern eher eine dünne. Und weil er das weiß, meldet er sich nicht und macht erst einmal die Aufträge mit den dicken Rechnungen. Rein betriebswirtschaftlich kann ich ihm das nicht verübeln, aber die Lampen im Flur, die fehlen einfach!

So wie mir geht es derzeit vielen Tausend anderen Menschen in Deutschland, die auf die Idee kommen zu bauen, zu sanieren, zu renovieren oder einfach nur ein paar Kleinigkeiten von Handwerkern erledigen zu lassen. Denn es geht ihnen gut wie nie. Wer schrauben, hämmern oder sägen kann, wird reich. Zumindest ein bisschen. Der Grund dafür ist der Immobilien-Boom: Alle kaufen wie verrückt Häuser und Wohnungen. Und ein Grund dafür sind wiederum die niedrigen Zinsen, aber das ist ein Extra-Thema.

Weil nun derzeit alle ihr Geld in Immobilien stecken, können sich Handwerker gar nicht retten vor Aufträgen. Der Fachkräftemangel hat sie voll erwischt. Diese Erfahrung ist im Handwerk neu – bei Ingenieuren, Programmierern, Alten- oder Krankenpflegern kennt man das schon länger. Die, die schon da sind, sind ausgelastet und gute Nachwuchskräfte sind so selten wie Rohdiamanten.

Und was besonders unglücklich ist: Das wird sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern. Ganz im Gegenteil! Warum das so ist, ist recht schnell erklärt: Es gibt immer mehr ältere Menschen in Deutschland und immer weniger junge. Auch wenn die Zahl der Geburten derzeit minimal nach oben geht, ändert das am Gesamttrend nichts. Zumal rund die Hälfte der Deutschen im nachwuchsproduzierfähigen Alter gar kein Interesse an Kindern hat, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung herausgefunden hat.

Die Folge davon: Es gibt schlichtweg viel zu wenig junge Menschen, die Programmierer, Ingenieure, Alten- oder Krankenpfleger werden könnten. Oder eben Handwerker. Heute ist das schon so und morgen wird sich das wohl nicht ändern. Auch die Zuwanderung durch Flüchtlinge seit 2015 dreht den Trend nicht, bestenfalls wird er verlangsamt.

Fachkräftemangel überall – und kein Ausweg. Oder? Doch! Es gibt Licht am Ende des Tunnels und zwar elektrisches Licht. Es sind die freundlich strahlenden Augen eines Roboters, die da glühen – denn genau er wird uns aus der Patsche helfen. Warum? Das wollen wir uns einmal genauer ansehen.

Wirft man das Stichwort „Digitalisierung“ in eine politische Diskussions-Runde, dann wachsen anwesenden Berufs-Pessimisten noch während der Debatte graue Haare: Oh Schreck, diese ganze Automatisierung! Und die Arbeitsplätze, die dann wegfallen! Und die ganzen Arbeitslosen! Und dann geht das alles auch noch so schnell! Schließlich ist die eine oder andere Prognose in Umlauf, die zunächst einmal ganz nüchtern besagt, dass durch die Digitalisierung in Unternehmen ein bestimmter Prozentsatz an Arbeitsplätzen verloren geht. Tja, und was ganz besonders gemein ist: Das sind nicht nur die ollen Fließband-Jobs, die da wegfallen, sondern auch hoch qualifizierte Tätigkeiten: Piloten gehören beispielsweise dazu. Sogar manch ein Richter schlottert unter seiner Robe schon wie ein Zitterrochen, denn es soll auch ihn treffen, sagt zumindest die wohl bekannteste Studie zur Digitalisierung der Arbeitswelt, „The Future of Employment“. Denn Rechtsurteile können zukünftig auch von Algorithmen getroffen werden und das sogar zuverlässiger als von Juristen.

Lässt man einmal die extremen Vorhersagen außer Acht, dann gehen Experten wie zum Beispiel das für Deutschland wichtige Forschungsinstitut IAB davon aus, dass rund 15 Prozent unserer derzeitigen Beschäftigungsverhältnisse von Robotern und anderen digitalen Arbeitskräften übernommen werden. Das macht nach derzeitigem Beschäftigungsstand rund 7 Millionen Jobs.

Und das ist auch gut so. Denn der Roboter ist damit unsere schlagkräftigste Waffe gegen den Fachkräftemangel! Das Schließen der Fachkräftelücke wird in vielen Branchen nicht mehr durch junge Berufseinsteiger zu schaffen sein. Aber durch Robotik und Künstliche Intelligenz durchaus. Schon heute haben Roboter einen beachtlichen Anteil an der industriellen Wertschöpfungskette. Der digitale Fortschritt vollzieht sich in Quantensprüngen, so dass eine Übernahme von Tätigkeiten auch in vielen anderen Wirtschaftssektoren wahrscheinlich ist. Und das hat gleich mehrere positive Effekte: Nicht nur, dass die Robos die vielen offenen Stellen besetzen. Sie sorgen auch dafür, dass Arbeitsprozesse schneller und effizienter sind: Schließlich machen die Kollegen aus Blech und Stahl keine Pausen, keinen Urlaub und sie arbeiten rund um die Uhr. Dadurch werden viele Produkte und Dienstleistungen wesentlich billiger als sie heute sind. Und das hat wiederum zur Folge, dass wir mehr Geld für andere Ausgaben zur Verfügung haben.

In der Berufswelt könnte der Siegeszug der Digitalisierung eine weitere, bislang völlig unbeachtete Folge haben: Roboter und Algorithmen sind für logisch-rationale Aufgaben ideal. Mit sozialer und emotionaler Intelligenz haben sie aber nichts am Hut. Als Erzieher im Kindergarten, als Sozialarbeiter oder Seelsorger sind sie ungeeignet. Dass die derzeit oft schlecht bezahlten Berufstätigen im sozialen Bereich oder im Bildungssektor auf Dauer nicht ersetzt werden, kann zu ihrer deutlichen Aufwertung führen.

Ein Grund mehr, warum wir uns darauf freuen können, wenn Kollege Roboter zum Job antritt.

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