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Von Justus Lenz, Leiter Haushaltspolitik bei Die Familienunternehmer/Die Jungen Unternehmer

Deutschland hat ein Problem. Jedenfalls dann, wenn die zunehmende Regeldichte und der mit ihr einhergehende Erfüllungsaufwand nicht als selbstverständlich angesehen werden. So gute Gründe es auch für viele einzelne Regeln geben mag – in der Summe hat die Belastung längst überhand genommen. Betroffen sind natürlich alle Bürger im Land. Besonders hart trifft es viele Unternehmer, die immer mehr Zeit und Geld in die Erfüllung bürokratischer Auflagen stecken müssen. Noch einmal besonders betroffen sind Gründer: Eigentlich müssten sie jede freie Minute in den Aufbau ihres Geschäftsmodells und die Akquirierung neuer Kunden stecken. In der Realität verbringen sie einen erheblichen Teil ihres Zeitbudgets mit Bürokratie.

Unbekannt ist das Problem wirklich nicht. Das Thema gehört vielmehr zum Standardrepertoire der Sonntagsreden. Nur in der Realität kommt trotzdem immer noch eine Schippe drauf. Nach den Mindestlohndokumentationspflichten und der Datenschutzgrundverordnung geht es aktuell um ein Rückkehrrecht aus Teil- in Vollzeit. Offensichtlich gelingt es uns in Deutschland nicht, auf neue Regeln zu verzichten. Aus ordnungspolitischer Sicht ist ein Rahmen für die wirtschaftlichen Aktivitäten der Marktteilnehmer unerlässlich. Bei vielen Regeln darf aber zumindest ein Zweifel angebracht sein, ob sie wirklich noch Spielregeln sind, oder nicht vielmehr in die Marktergebnisse eingreifen. Diese Diskussion müssen wir führen. Kurzfristig werden wir so aber nicht zum Ziel kommen, die bürokratischen Lasten zu senken.

Wenn man auf der Ebene der Regelsetzung nicht weiterkommt, bietet sich noch der Versuch an, den Erfüllungsaufwand zu reduzieren. Zum Glück bringt die Digitalisierung neue technische Möglichkeiten, an diesem Punkt anzusetzen. Für die staatlichen Verwaltungskosten hat der Normenkontrollrat in einem Gutachten 2015 berechnet, dass sich 30 Prozent der Kosten durch eine konsequente Umsetzung von E-Government-Lösungen einsparen lassen würden. Auf Seite von Unternehmern und Bürgern wären die Einsparungen sicher ebenfalls enorm. So geht die Bundesregierung laut der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP beispielsweise davon aus, dass deutsche Arbeitnehmer mit einfachen Steuererklärungen rund 54 Millionen Stunden Arbeitsaufwand haben, um diese auszufüllen und abzugeben.

Das Beispiel von Estland zeigt, dass es auch anders geht. Normale Steuererklärungen brauchen dort nur wenige Minuten. Estland beweist, wie sehr eine konsequente Digitalisierung der Verwaltung das Leben für Bürger und Unternehmen vereinfachen kann.

Umso bedenklicher ist es, dass Deutschland auch bei der Verwaltungsdigitalisierung nicht vorankommt. Eine hohe Regeldichte, bei gleichzeitig hohen Kosten der Regeldurchsetzung und -erfüllung, ist eine äußerst schlechte Kombination. Bürger und Unternehmen werden so maximal belastet. Dabei ist die Reduzierung des Erfüllungsaufwandes eigentlich der Minimalkonsens, der sich zwischen Liberalen, Konservativen, Sozialdemokraten und Grünen beim Thema Bürokratie erzielen lassen müsste. Doch leider bleibt es bisher, trotz aller Ankündigungen, bei halbherzigen bis katastrophalen Versuchen. Dabei zeigt Estland, dass es technisch und organisatorisch geht – was in Deutschland fehlt, ist anscheinend der politische Wille.

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Die Sozialdemokraten haben zweifellos ein sehr grundsätzliches Problem. Da ist nicht nur das historisch schlechteste Ergebnis in Bayern, wo sie mit 9,7 Prozent nur noch fünftstärkste Kraft sind, sondern auch das drohende Debakel in Hessen. Dort waren sie früher staatstragend. Am übernächsten Sonntag rutscht sie vielleicht sogar hinter die Grünen unter 20 Prozent.

Das ist wahrlich dramatisch. Doch es ist nicht ungewöhnlich. Überall in Europa verlieren sozialdemokratische Parteien. In Italien waren die Sozialdemokraten 2008 noch bei 33 Prozent, bei der jüngsten Parlamentswahl mussten sie sich mit 18,7 Prozent zufrieden geben. In Frankreich waren die Sozialisten der PS 2012 noch mit 29,35 Prozent stärkste Partei. Bei der Parlamentswahl im letzten Jahr erreichten sie nur noch 7,44 Prozent. In Spanien sind die Sozialdemokraten der PSOE 2008 noch mit 43,85 Prozent ins Parlament eingezogen, 2011 waren es dann 28,76 Prozent und 2015 dann nur noch 22 Prozent. Und in Griechenland waren die Sozialdemokraten über viele Jahre die dominierende Kraft im Lande. 2003 erreichten sie noch 40,55 Prozent. 2015 marginalisierte sich die PASOK auf 6,28 Prozent. Das 21. Jahrhundert ist bislang wahrlich kein sozialdemokratisches.

Wenn jetzt Finanzminister Olaf Scholz den Einstieg in eine Arbeitslosenversicherung der EU vorschlägt, dann macht er das nicht ohne eine weitergehende Absicht. Er will sich warmlaufen für eine mögliche Kanzlerkandidatur. Das mag sich heute noch etwas lächerlich anhören, doch Sozialdemokraten sind Optimisten. Ob dieser Vorschlag ihn seinem Ziel näher bringt, lässt sich jedoch bezweifeln. Denn sein Vorschlag eines Rückversicherungssystems für die nationalen Arbeitslosenversicherungen ist eigentlich ein Schlag ins Gesicht der Arbeitnehmer im eigenen Land. Warum sollen Arbeitnehmer in Deutschland mit ihren Arbeitnehmerbeiträgen das Arbeitslosengeld in Italien, Griechenland oder Spanien finanzieren?

Die Arbeitslosenquoten in Griechenland (20,1 Prozent), in Spanien (15,3 Prozent) und in Italien (10,8 Prozent) sind ja nicht vom Himmel gefallen. Sie sind vielmehr ein Ergebnis falscher politischer Rahmenbedingungen. Auf diese Rahmenbedingungen haben die deutsche Regierung, der Deutsche Bundestag oder die Sozialversicherungsträger in Deutschland keinen Einfluss. Warum sollen sie dann dafür geradestehen?

Früher wären sozialdemokratische Spitzenpolitiker niemals auf die Idee gekommen, für sachfremde Leistungen die Arbeitslosenversicherung zu plündern. Sie hätten sich auch nicht für eine Kollektivierung aller Risiken in Europa ausgesprochen. Sie hätten sich um die Menschen im eigenen Land gekümmert. Was der Sozialdemokratie heute abgeht, sind Aufsteigergeschichten. Und Personen, die diese Aufsteigergeschichten glaubhaft vertreten können. In den 1970er Jahren haben die Sozialdemokraten für die Durchlässigkeit in der Gesellschaft gekämpft. Im Bildungssystem sollten auch Arbeiterkinder Abitur machen und anschließend studieren können. Gerhard Schröder war dann der letzte Sozialdemokrat und glaubhafte Repräsentant dieser Aufsteigergeneration. Er stammte aus ärmlichsten Verhältnissen, machte sein Abitur über den 2. Bildungsweg, studierte anschließend und schaffte es später sogar bis zum Bundeskanzler. Mehr Aufstieg geht nicht!

Mit ihrem Abstieg hinterlassen die Sozialdemokraten im deutschen Parteienspektrum eine Lücke, die hochinteressant ist. Es handelt sich dabei nämlich um die Menschen, die etwas schaffen wollen, die aufsteigen wollen und die aus ihren Verhältnissen ausbrechen wollen. Diese Gruppe will wie in den 1970er Jahren den Bildungsaufstieg schaffen, sie will eigenen, bescheidenen Wohlstand schaffen. Sie arbeitet dafür, dass sie im Alter nicht von der Fürsorge abhängig ist und sie will ihren Kindern eine bessere Zukunft hinterlassen. Eigentlich ist es doch ein gesellschaftlicher Skandal, dass ein Normalverdiener es heute nicht mehr schafft, sein eigenes Pflegerisiko ausreichend abzusichern. Nicht mehr nur die Geringverdiener müssen daher im Alter auf staatliche Transferleistungen vertrauen, sondern auch die Normalverdiener. Diese Ziele finden im deutschen Parteienspektrum nur einen rudimentären Niederschlag. Das ist bedauerlich und gleichzeitig eine Chance für eine Partei, die die Aufsteiger in den Blick nimmt. Das erfordert nicht mehr Intervention des Staates, sondern, ganz im Gegenteil, mehr Freiräume. Aufsteigen kann man nur, wenn Hürden abgebaut werden, wenn eine Gesellschaft durchlässiger wird und wenn mehr finanzieller Spielraum beim Arbeitnehmer und beim Einzelnen bleibt. Nur dann hat dieser die Chance, seine Wünsche und Lebensziele selbstständig zu erreichen.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

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Das Problem an der Bildungspolitik ist die Bildungs-Politik. Erziehung endet nicht mit der Einschulung und kann auch nicht an der Wahlurne stattfinden. Ein Plädoyer für mehr Elternverantwortung.

Die Bildung dominiert die Politik

Es gibt Landtagswahlen, und ganz Deutschland blickt gespannt auf die Trends, die die Wahlen in Hessen und Bayern aussenden. Unabhängig davon, dass die Volksparteien seit Jahrzehnten stetig schrumpfen, scheint jede Wahl ihre eigene Dynamik und vor allem ihre eigenen Themen zu haben. Könnte man meinen. Denn nicht etwa die Migrationspolitik oder die drohende Ausweitung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge sind für die meisten Wähler entscheidend, sondern die Schul- und Bildungspolitik. Umfragen zeigen, dass sowohl in Bayern (52 Prozent) als auch in Hessen (33 Prozent) die Bildung als wichtigstes Kriterium für die Wahlentscheidung gilt. Die Bildungspolitik ist nicht nur wahlentscheidend. Sie kann ganze Landesregierungen zu Fall bringen. Wie jene jene Ole von Beusts in Hamburg, der 2010 nach einem Volksentscheid gegen die schwarz-grüne Schulreform zurücktrat.

Und sie ist wohl die verlässlichste Quelle von Empörung und Streit, egal ob es um G8 geht, um Kitaplätze, um Inklusion oder um das Zentralabitur. All das ist vor allem Symptom einer massiven Überbewertung und Überlastung der Schulen. Sicher, Schulen sind vermutlich diejenigen staatlichen Einrichtungen, in denen wir die meiste Zeit unseres Lebens verbringen – Tendenz steigend. Nichtsdestotrotz wird das Bildungssystem als Institution mit viel zu vielen und vollkommen falschen Erwartungen überladen. Im Idealfall sollten Schulen alle sozialen Unterschiede nivellieren, den Eltern die nervige Erziehung abnehmen und nebenbei noch die Integration hunderttausender minderjähriger Flüchtlinge schaffen. Absurd, oder?

Sind deutsche Schulen wirklich nicht durchlässig?

Stichwort soziale Unterschiede: Als Indiz für die Ineffizienz der deutschen Bildungssysteme wird immer wieder die mangelnde sogenannte soziale Durchlässigkeit genannt. Damit gemeint ist vor allem die Rate von Kindern aus „Nicht-Akademiker-Haushalten“, die das Abitur machen und zur Universität gehen. Ganz abgesehen von der unsäglichen Überbewertung der akademischen Ausbildung, entbehrt dieser Vorwurf letztlich auch jeder Grundlage. Die staatlichen Schulen sind in Deutschland kostenfrei. Darüber unterstützt der Staat 2,5 Millionen bedürfte Kinder mit Bildungs- und Teilhabeleistungen. Davon abgedeckt sind u.a. Schulmittagessen, Schulbedarf, Schulausflüge und sogar Nachhilfe. Und selbst die stetig wachsende Anzahl an Privatschulen erhebt zumeist einkommensabhängige Schulgelder, und vergibt gar bis zu einem Drittel der Schulplätze über Stipendien.

Eltern machen einen Unterschied und das sollten sie auch

Nicht die Drei- oder Zweigliedrigkeit des Schulsystems, nicht G8 oder G9 sind dafür verantwortlich, dass Kinder unterschiedliche Interessen, Ideen, Ziele und Fertigkeiten haben. Es sind die Eltern. Und das ist eigentlich auch gut so. Es ist richtig, dass das Elternhaus die eigenen Kinder prägt, Normen vermittelt, Werte anbietet und vor allem Neugier auf die Welt schafft. Die Erziehung ist in erster Linie eben nicht die Aufgabe eines Lehrers oder gar des Staates. Dafür ist das starre, unflexible und letztlich auch unpersönliche Schulsystem nicht geschaffen. Sicher, Schulen können einen wertvollen Beitrag leisten. Sie sind wichtig für die Sozialisation und die standardisierte Wissensvermittlung- und Überprüfung, und es ist ein großes Glück, wenn motivierte Lehrer die „extra Meile gehen wollen“ um mit ihren Schülern mehr zu erreichen als der Lehrplan vorgibt.

Doch auch wenn die Erziehung für viele heute mit der Einschulung endet, ändert dies nichts am Einfluss der Eltern. Das zeigen schon die Berichte von Grundschullehrern über die weit auseinander gehenden Fähigkeiten von Erstklässlern. Nun könnte man nach verpflichtenden Vorschulen rufen und immer weiter an der Interventionsspirale drehen, um Kinder am besten gar nicht mehr dem Elternhaus auszusetzen. Das Gegenteil sollte geschehen. Eltern müssen sich ihrer Bedeutung für die eigenen Kinder bewusst werden. Das jedoch geschieht umso seltener, je mehr „dem Schulsystem“ die komplette Verantwortung für die Erziehung übertragen wird. Das auch und gerade zu Lasten der Lehrer, die immer häufiger unter den übermäßigen Erwartungen zusammenbrechen. Ein realistischeres Bild der Institution Schule wäre nicht zuletzt auch ein probates Mittel gegen Lehrerknappheit.

Auch arme Eltern sind gut für ihre Kinder

Am Ende wird die Überfrachtung der Schule vor allem von denjenigen betrieben, die sich nicht vorstellen können, dass arme oder „bildungsferne“ Eltern auch gute Eltern sein können. Das verkennt die Leistung all jener Eltern von Bildungsaufsteigern, die unsere Gesellschaft in den letzten 100 Jahren geprägt haben. Zumeist getrieben von der Überzeugung, dass es die eigenen Kinder einmal besser haben sollten, haben sie ihre Kinder unter viel schwierigeren Bedingungen als heute unterstützt und motiviert. Das ist eine Aufgabe, die kein Schulsystem der Welt zu leisten im Stande ist.

Im bildungspolitischen Verantwortungsvakuum hingegen, „versagen“ Lehrer weil sie der vermeintlichen Aufgabe nicht ansatzweise gerecht werden können. Und Eltern denken, sie könnten die Erziehung ihrer Kinder an der Wahlurne abgeben. Der beste Beitrag für ein sozial gerechtes Schulsystem wäre es, die Schule von der Verantwortung für die soziale Gerechtigkeit freizusprechen. Dann würden sich die Eltern ihrer Bedeutung vielleicht wieder etwas bewusster werden.

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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre.

Als „CSR“ oder auch Corporate Social Responsibility wird die unterstellte unternehmerische Verantwortung gegenüber der sie umgebenden Gesellschaft bezeichnet. Die Entscheidung eine solche Unternehmenspolitik einzuführen, sollte in den Händen der Unternehmensführung liegen, und nicht über staatlichen Zwang forciert werden.

„Tue Gutes und sprich darüber“ ist seit dem letzten Jahr mit der Umsetzung der europäischen CSR-Richtlinie für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern verpflichtend. Das Stichwort ist Corporate Social Responsibility. Die Unternehmen sind verpflichtet, jährlich über ihr freiwilliges Engagement zu berichten. CSR-Regeln sollen dafür sorgen, dass sich Unternehmen freiwillig über gesetzliche Bestimmungen hinaus für Sozial- und Umweltbelange einsetzen. Der Staat sollte sich jedoch auf seine Hauptaufgabe beschränken, Regeln zu definieren und durchzusetzen, die ein friedliches Zusammenleben ermöglichen. Eine Rechenschaftspflicht über „freiwillige“ wohltätige Verhaltensweisen gehört nicht dazu.

Was ist CSR?

Als Corporate Social Responsibility (CSR) wird die Verantwortung von Unternehmen für die Auswirkungen ihrer Handlungen auf die Gesellschaft bezeichnet. Darunter werden sowohl soziale als auch ökologische und ökonomische Aspekte des unternehmerischen Handelns verstanden. Viele Unternehmen verwenden den Begriff CSR und Nachhaltigkeit synonym. Das Engagement der Unternehmen geht dabei über die gesetzlichen Vorschriften hinaus. Die Aktivitäten sind vielfältig und reichen von Mitarbeiterzufriedenheit, Energieeffizienz oder Mindeststandards in der Lieferkette bis hin zu Spendenaktionen für Bedürftige.

Doch um eine ausschließlich freiwillige Übernahme von Verantwortung handelt es sich nicht mehr. Unternehmen müssen nicht mehr nur über ihre freiwilligen nicht-finanziellen Tätigkeiten berichten. Seit der letzten Reform des Vergaberechts im Jahr 2016 können CSR-Kriterien zudem in Vergabeanforderungen öffentlicher Ausschreibungen aufgenommen werden.

CSR: Billige und motivierte Mitarbeiter

Mit CSR-Aktvitäten verfolgen Unternehmen andere Ziele als zusätzliche Gewinne – so die Idee. Allerdings können CRS-Aktivitäten Nebenwirkungen haben, die nicht im Sinne der CSR-Idee sind.

So haben drei amerikanische Ökonomen den Effekt von CSR auf das Verhalten von Angestellten untersucht. Zunächst gründeten sie eine Firma und schalteten auf einem Internetportal verschiedene Jobangebote mit unterschiedlichen Lohnangaben. Zudem versahen die Wissenschaftler manche Jobbeschreibungen mit dem Zusatz, dass die Einnahmen der Firma dafür verwendet werden, unterprivilegierten Kindern den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Dieses Statement führte zu gut 33 Prozent mehr Bewerbungen im Vergleich zu normalen Jobanzeigen. Die gleiche Anzahl an Bewerbern konnte mit einem 27 Prozent geringeren Lohn gefunden werden.

Außerdem waren Bewerber auf Stellen mit CSR-Beschreibung anschließend 10 bis 25 Prozent produktiver. Möglicherweise signalisieren CSR-Regeln, dass ein Unternehmen ein angenehmer Arbeitgeber ist und sie veranlassen motivierte Bewerber dazu, einen geringeren Lohn zu akzeptieren. Es ist jedoch fraglich, ob geringere Löhne für besonders engagierte Personen von den politischen Unterstützern der CSR-Regeln beabsichtigt sind.

CSR: Lizenz für unmoralisches Verhalten?

Lassen sich durch CSR die Lohnkosten senken, spricht aus Unternehmenssicht einiges für CSR-Regeln. Doch ein Experiment von zwei amerikanischen Wissenschaftlern zeigt anschaulich, dass die Einführung von CSR-Regeln in einem Unternehmen unerwünschte Effekte auf die Qualität der Arbeit von Mitarbeitern haben kann.

Die Wissenschaftler gründeten ebenfalls eigens für das Experiment ein Unternehmen und warben auf einer Onlineplattform 3.000 Arbeitnehmer an, die eine relativ einfache Aufgabe erledigen sollten. Die amerikanischen Forscher fotografierten Seiten aus deutschen Büchern, die die amerikanischen Angestellten abtippen sollten. Dabei bestand die Möglichkeit, den Arbeitgeber zu betrügen. Wenn die Mitarbeiter den Text für unleserlich hielten, konnten sie das betreffende Foto überspringen und wurden trotzdem bezahlt. Die Texte waren alle leserlich. Wenn die Angestellten also ein Bild nicht abtippen, betrogen sie ihren Arbeitgeber.

Der Anteil der Betrugsfälle lag um 20 Prozent höher in der Gruppe der Mitarbeiter, die dachte, sie würde für einen sozial verantwortlichen Arbeitgeber arbeiten.

Dieses Phänomen wird auch als „moral-licensing“ bezeichnet. Menschen die überzeugt sind, in einem Bereich etwas Gutes getan zu haben, fühlen sich bei anderen Aktivitäten weniger zu moralischem Verhalten verpflichtet.

Verdeckter Lobbyismus

Zudem ist zweifelhaft, ob Unternehmen mit ihren CSR-Aktivitäten tatsächlich wohltätige Ziele verfolgen. Einige Firmen scheinen unter dem Deckmantel sozialer Aktivitäten Lobbyismus zu betreiben. Dies zeigen vier amerikanische Ökonomen in einem aktuellen Papier. Unternehmen spenden vor allem an gemeinnützige Organisationen in Kongressbezirken in den USA, deren Vertreter in einem für das Unternehmen wichtigen Ausschuss sitzen.

Aufgabe von Unternehmen und Aufgaben des Staates

In einer Marktwirtschaft hält der Wettbewerb unter Anbietern sie dazu an, ihren Kunden ein möglichst attraktives Produkt zu einem niedrigen Preis anzubieten und Ressourcen möglichst effizient einzusetzen – also nicht zu verschwenden. Das ist ihre primäre Aufgabe.

Wie die Unternehmen, sollte sich auch der Staat auf Aufgaben konzentrieren, die er relativ gut wahrnehmen kann. Zu seinen Kernaufgaben gehört, einen Regelrahmen zu setzen und durchzusetzen, der ein friedliches Zusammenleben ermöglicht. Schadhaftes Verhalten einzelner soll er unterbinden. Es gehört nicht zu den Staatsaufgaben, erwünschtes Verhalten beispielsweise in Form von CSR-Aktivitäten einzufordern.

Verantwortliches Handeln: Viele Gesichter

Für manche Unternehmen gilt die alte Weisheit, dass sie Gutes tun und darüber sprechen sollten – etwa, wenn Kunden diese Aktivitäten honorieren. Andere Unternehmen können zu der Überzeugung kommen, dass „Tue Gutes und schweig“ die richtige Strategie ist. Schließlich mögen einige Unternehmen gänzlich auf CSR verzichten, da für sie die Nachteile die Vorteile überwiegen.

Diese vielfältigen Entscheidungen sollte der Gesetzgeber im Falle unternehmerischer Entscheidungen ebenso respektieren wie im Falle individueller privater Entscheidungen. Unterschiedliche Entscheidungen bedeuten nicht, dass die einen verantwortlich handeln und die anderen nicht.

Für und Wider CSR gibt es gute Gründe. Eine staatlich verordnete Hochglanzbroschüre ist für verantwortliches unternehmerisches Handeln gewiss nicht nötig.

 

Zuerst erschienen bei IREF.

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Die Schwäche der Europäischen Union liegt auch in ihren Institutionen begründet. Sie sind im Zuge der Erweiterung der EU vielfach zu schnell gewachsen. Aber nicht nur. Es sind auch prinzipielle Konstruktionsfehler, die ein „Checks and Balances“ zwischen Kommission, Rat und Parlament der EU und den Organen der Mitgliedstaaten verhindern. In wesentlichen Fragen stehen Parlament und Kommission gemeinsam gegen die Mitgliedstaaten. Es geht ihnen um mehr Macht, um gegenüber den Mitgliedstaaten, deren Parlamenten und Regierungen mehr Rechte und Einfluss zu gewinnen. Dies geschieht nicht durch die Änderung der EU-Verträge, sondern meist durch eine großzügige Auslegung der Verträge. Das ist eigentlich nicht verwunderlich. In einer Demokratie gibt es immer ein Spannungsfeld zwischen Regierung und Parlament um Einfluss und Macht. Auch zwischen den staatlichen Ebenen in Deutschland findet diese Auseinandersetzung statt. Die Bundesebene strebt aktuell nach mehr Einfluss in der Bildungspolitik. Über Umwege hat der Bund in der Vergangenheit die baulichen Investitionen an Schulen gefördert, obwohl dafür eigentlich die Länder zuständig sind. Jetzt will der Bund das Grundgesetz ändern, um noch stärker in die Bildungsfinanzierung einsteigen zu können. Eine Machtverschiebung zugunsten des Bundes geht damit einher.

Auf EU-Ebene kommt jedoch noch eine weitere Institution in den Blick, die die Zentralisierungstendenz entscheidend fördert. Gemeint ist der Gerichtshof der EU in Luxemburg. In Fragen der gemeinsamen Währung, des Euro, wird es immer wieder deutlich, dass das Gericht alles durchwinkt, was die Europäische Zentralbank an unorthodoxer Geldpolitik beschließt und durchführt. So hat der EuGH den OMT-Beschluss zum unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen bestimmter Mitgliedsstaaten gebilligt und auch beim jüngsten Anleihenkaufprogramm der EZB über 2,5 Billionen Euro zeichnet sich eine Billigung des EuGH ab, nachdem Generalanwalt Melchior Wathelet in einem Gutachten das Ankaufprogramm gutgeheißen hat. Viele andere Beispiele für diese Tendenz sind seit Jahren bekannt. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter und spätere Bundespräsident Roman Herzog beklagte vor Jahren, dass der EuGH mit immer erstaunlicheren Begründungen den Mitgliedstaaten ureigene Kompetenzen entziehe und massiv in ihre Rechtsordnungen eingreife.

Der Grund für diese Zentralisierungstendenzen und die Unterstützung des EuGHs liegt auch in der Zusammensetzung und der Auswahl des EuGH. Die Organe des EuGH bestehen derzeit aus dem Gerichtshof und dem Gericht. Jeder Mitgliedsstaat kann derzeit einen Richter an den Gerichtshof und ab 1.10.2019 sogar zwei Mitglieder an das Gericht entsenden. Für die Richter ist das durchaus auch wirtschaftlich attraktiv. Ein verheirateter Richter mit zwei Kindern erhält am Gerichtshof ein Grundgehalt von 21.322,52 Euro, eine Haushaltszulage von 598,53 Euro, eine Kinderzulage von 751,18 Euro, einer Erziehungszulage von 509,66 Euro, eine Residenzzulage von 3.199,88 Euro und eine Aufwandsentschädigung von 607,71 Euro. Summa summarum macht dies eine Vergütung von 26.999,48 Euro. Bei den Richtern am Gericht liegt die vergleichbare Vergütung nur unwesentlich niedriger bei 25.060,15 Euro. Die besondere steuerliche Behandlung bei Beschäftigten von EU-Institutionen macht das Ganze zusätzlich attraktiv. Ein Richteramt in Luxemburg ist nicht nur für Juristen aus den Schwellenländern Malta, Zypern, Griechenland oder Rumänien attraktiv. Aber Richter aus diesen Ländern können in Luxemburg ein Vielfaches dessen verdienen, was sie sonst am Verfassungsgericht ihres Landes bekämen.

Wer es einmal geschafft hat, dort Richter zu werden, will es auch bleiben. Anders als beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, wo die Amtszeit 12 Jahre beträgt und Richter nicht wiedergewählt werden können, ist die Wiederernennung der Richter am Gericht und am Gerichtshof nach sechs Jahren Amtszeit möglich. Dies führt dazu, dass beispielsweise der Luxemburger Marc Jaeger seit 1996 dem Gericht angehört und der Finne Allan Rosas seit 2002 dem Gerichtshof.

Wer die EU-freundlichen Urteile des EuGH ändern will, muss daher an der Auswahl und der Institution an sich ansetzen. Besser wäre es, wenn der EuGH sowohl am Gerichtshof als auch am Gericht, lediglich Richter einsetzt, die von den nationalen Verfassungsgerichten und den obersten Gerichten der Mitgliedsstaaten für eine bestimmte Zeit entsandt werden. Sie sollten also am nationalen Gericht angesiedelt sein, dort auch vergütet werden und gegebenenfalls über eine Zulage den erhöhten Aufwand in Luxemburg erstattet bekommen. Gleichzeitig sollte eine Wiederernennung der Entsendung ausgeschlossen werden, um die Unabhängigkeit der Richter und des Gerichts zu stärken. Wer die Zentralisierungstendenz in der EU bremsen will, muss auch hier ansetzen.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.