Mit der Rückkehr Trumps, dem Kotau-Reigen der Social-Media-Mogule in Mar-a-Lago und natürlich auch dem hiesigen Wahlkampf wird wieder intensivst über Phänomene wie Fake News gesprochen und die Rolle sozialer Medien ausführlich kommentiert. Eine angenehme Erdung zu all diesen Themen ermöglicht der uns schon sehr lange freundschaftlich verbundene Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Christian Hoffmann von der Universität Leipzig in einem Podcast der Uni.
Fünf junge, wache Menschen, fünf unterschiedliche Lebensgeschichten, fünfmal geballter Wissensdurst, fünf Abschlussarbeiten – ein Bootcamp. Das Prometheus Research Fellow Programm präsentiert sich 2025 in neuem Gewand: Während der dreimonatigen Förderlaufzeit durchlaufen unsere fünf Fellows ein gemeinsames Bootcamp in Berlin.
Die erste Winter-Kohorte traf sich vom 15. bis 18. Januar 2025 in der Heimat der Freiheit. Im Fokus: Die persönliche Karriereentwicklung und wissenschaftliche Nachwuchsförderung.
Die Fellows erkundeten Publikations- und Fördermöglichkeiten in der “Karrierewerkstatt”, während Pioneer-Journalist Michael Bassewitz sie in die Kunst der verständlichen Wissenschaftskommunikation einführte. Im Prometheus Studio setzen sie das Gelernte direkt um und pitchten ihre Forschungsarbeiten vor der Kamera (die Ergebnisse folgen in Kürze!). Den Höhepunkt bildete das erste “Prometheus Research Fellow Kolloquium” in der Bibliothek des Liberalismus. Dort präsentierten die Fellows ihre Arbeiten vor Freunden des Hauses und erhielten wertvolles Feedback und neue Denkanstöße.
Zwischen Workshops, gemeinsamen Kochabenden und Ausflügen ins politische Berlin entstanden nicht nur wertvolle Kontakte, sondern vielleicht sogar neue Freundschaften.
Ein vielversprechender Auftakt für unser neu konzipiertes Fellowship-Programm – dafür danken wir allen Unterstützern sowie natürlich unseren Fellows:
Amélie Baumgärtner (Bachelor: Sozio-Ökonomik, Universität Kiel)
„Der Einfluss wirtschaftlicher Wahrnehmungen auf die Demokratiezufriedenheit“
María Ferreres (Master: Economics, Information Economics and Networking Systems, Albert-Ludwig-Universtität Freiburg)
„Finanzpolitik, Inflation und Bonitätsratings“
Emilian Gores (Master: Philosophie, Universität Hamburg)
„Was ist die Rolle des ‚weil‘ in Handlungserklärungen?“
Robert Jexenflicker (Bachelor: Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftsuniversität Wien)
„Geldtheorie der Österreichischen Schule“
Ema Kumi (Master: Technology and Management, TU München)
„Von Ablenkung zur Aktion: Der Einfluss von Notfalltraining auf die Reaktionszeit von Fahrern semi-autonomer Fahrzeuge“
Photo: Mehr Demokratie from Flickr (CC BY-SA 2.0)
Von Martina Maria Wozniok, Research Fellow bei Prometheus im Januar 2024. Martina ist Masterstudentin der Philosophie an der Universität Hamburg, lebt ihre feministische Haltung sowohl in ihrem ehrenamtlichen Engagement als auch in ihrer Forschung aus. Sie beschäftigt sich in ihrem Masterstudium mit den politischen Auswirkungen vermeintlich negativer Emotionen.
Im Frühjahr 2024 erschien das Buch Radikal emotional – Wie Gefühle Politik machen von Maren Urner, Neurowissenschaftlerin und Professorin für Medienpädagogik. Urner beschreibt, dass Emotionen nicht aus der Politik wegzudenken seien. Das, worüber wir uns streiten, wenn es um den Klimawandel, Einwanderungspolitik, Steuererhöhungen oder gendergerechte Sprache geht, hänge unweigerlich mit unseren Emotionen zusammen.
Dass es in politischen Debatten lediglich um das rationale Abwägen von objektiven Fakten gehe, kann niemand ernsthaft behaupten. Ob es überhaupt objektive Fakten geben kann, ist schon strittig in der Philosophie. Denn jedes Wissen, das wir erlangen, kommt von jemandem, der oder die es herausgefunden, niedergeschrieben und weitergegeben hat. Wie sich diese Person in der Welt bewegt, wie sie diese wahrnimmt, welche Schlüsse sie aus ihren Eindrücken und Erfahrungen zieht, ist abhängig von der gesellschaftlichen Stellung, die sie einnimmt. Ein weißer, wohlhabender Mann bewegt sich anders durch die Welt als eine arme, schwarze Frau. Es sind andere Hürden, die er überwinden muss, andere Gefahren, die auf ihn lauern, andere Sorgen, die ihn betreffen, andere Dinge, die seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Würde die Wissenschaft objektiv mit Fakten umgehen und diese unvoreingenommen verbreiten, hätte Leonie Schöler ihr Buch „Beklaute Frauen“ gar nicht schreiben müssen – ein Buch, in dem die Historikerin über Frauen schreibt, die in der Geschichtsschreibung ausgelassen worden sind, obwohl sie Großes bewirkt haben. Unser Wissen ist nicht objektiv. Fakten sind nicht objektiv. Lösungen sind nicht objektiv. Und was Rationalität ausmacht, erst recht nicht.
Frauen wird häufig die Disposition zugeschrieben, emotional zu sein, während Männer als rational eingeordnet werden. Das ist eine Unterscheidung, die einerseits sehr stereotypisch, andererseits nicht besonders hilfreich ist. Was soll es heißen, emotional zu sein? Und was soll es heißen, rational zu sein? Warum soll das eine besser als das andere sein? Und warum kann man nicht beides gleichzeitig sein?
Der Begriff der Emotionalität wird häufig auf Frauen angewendet. Und damit wird ihnen zugleich ihre Rationalität abgesprochen. Eine Frau, die ihre Trauer oder Wut zum Ausdruck bringt, wird häufig als hysterisch bezeichnet – es wird so getan, als müsse ihr nicht zugehört werden, sie solle sich erstmal beruhigen. Andererseits wird von Frauen erwartet, dass sie empathisch, fürsorglich und zum Wohl der Familie selbstlos sind. Das sind Eigenschaften, die den Zugang zu Emotionen und die Fähigkeit, mit ihnen umzugehen, voraussetzen. Ich fasse zusammen: Emotionalität ist etwas Gutes bei Frauen, wenn es sich um das Familienleben Zuhause handelt. Emotionalität ist aber etwas Schlechtes bei Frauen, wenn sie sie ausleben, um Ungerechtigkeiten aufzuzeigen und politische Debatten einzuleiten – da macht es sie unzurechnungsfähig oder unglaubwürdig.
Woher kommt der Irrglaube, dass Emotionalität Irrationalität bedeutet? Wenn jemand im Lotto gewinnt, ist Glück eine vollkommen passende Emotion. Wenn jemand stirbt, der mir nahesteht, würden wir behaupten, dass Trauer eine angemessene Reaktion ist. Und wenn jemand systematisch Ungerechtigkeiten erfährt, ist Wut eine angebrachte Reaktion darauf. Wenn ein Geschehen eine angemessene Reaktion hervorruft, sollten wir dann nicht davon sprechen, dass es rational ist, so zu reagieren? Wäre es nicht eher irrational, bei dem Tod der eigenen Mutter Freude zu empfinden oder gar nichts zu spüren? Philosoph:innen argumentieren, dass der Ausdruck von Emotionen als etwas Gutes gelten kann, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Die Emotion sowie das Ausmaß des Ausdrucks dieser Emotion müssen eine angemessene Reaktion auf das Geschehen sein. Und das Geschehen muss die Welt tatsächlich widerspiegeln. Stellen wir uns vor, dass ich wütend auf meine Freundin bin oder von ihr enttäuscht bin, weil sie meinen Laptop geklaut hat. Das ist eine angemessene Reaktion auf das Geschehen. Wenn sich aber herausstellt, dass sie ihn gar nicht geklaut hat, sondern ich ihn in der Uni vergessen habe, dann war die emotionale Reaktion unangemessen. Wenn ich darauf wütend bin, dass Männer mit der Gleichberechtigung von Frauen schlechtere berufliche Perspektiven haben, kann das eine angemessene Reaktion auf ein empfundenes Unrecht sein. Doch spiegelt das Objekt der Wut ein tatsächliches Unrecht wider bzw. ein Geschehen, das die Welt tatsächlich widerspiegelt? Nein. Bei gleicher Eignung werden auch Männer weiterhin gute berufliche Perspektiven haben. Das heißt, Wut ist in dieser Situation keine angemessene Reaktion auf das Geschehen.
Wenn ich davon spreche, dass Emotionalität etwas Gutes ist, meine ich damit, dass angemessene und gerechtfertigte Emotionen etwas Wünschenswertes sind. Diese Art der Emotionalität stellt keineswegs einen Gegensatz zur Rationalität dar und ist keine Bedrohung für die Gesellschaft. Im Gegenteil, der bewusste und angemessene Ausdruck von Emotionen kann Debatten erhellen, gegenseitiges Verständnis stärken und konstruktive Problemlösungen befördern.
Nun sind es in politischen Debatten nicht immer angemessene und gerechtfertigte Emotionen, die die politische Haltung bestimmen. Wenn ich Angst davor habe, dass durch die Aufklärung über Queerness in Schulen die Kinder reihenweise schwul und lesbisch werden, ist es eine Angst, die die Welt nicht tatsächlich widerspiegelt. Genauso wie die undifferenzierte Wut gegen Vermögende aus der Überzeugung heraus, ihr Reichtum sei stets auf Ungerechtigkeiten gebaut und stehe ihnen nicht zu. Sollten wir solche unangemessenen Emotionen nicht einfach loswerden? Leider ist das leichter gesagt als getan. Fest steht: Wir gewinnen keinen Diskurs, indem wir Menschen ihre Emotionen absprechen und versuchen, sie rein faktenbasiert zu überzeugen. Ihre Emotionen müssen gesehen, anerkannt und zum Diskussionsthema gemacht werden.
In jeder politischen Entscheidung, in jeder Debatte, in jedem Problem stecken Emotionen, die wir nicht ausklammern dürfen. Wir müssen uns mit genau diesen Emotionen auseinandersetzen, damit wir fruchtbare Diskussionen und zufriedenstellende Lösungen finden können. Für eine liberale Gesellschaft müssen wir auch die Freiheit der Emotionen zulassen und sie feiern. Sie ernst nehmen. Nur dann können wir wirklich auf den Grund unserer politischen Haltungen gehen und Probleme konstruktiv lösen. Mut zur Emotionalität! Für Frauen, für Männer, für alle!
Photo: Wikimedia Commons (CC0)
Die Möglichkeit zur Identifikation ist ein entscheidendes Momentum dabei, sich als Individuum auszubilden. Traditionell dienen dazu Eltern, Geschwister und andere Familienmitglieder, Freundinnen und Lehrer, und irgendwann auch mal Arbeitskollegen oder Vorgesetze. Darüber hinaus suchen wir uns aber auch – gerade wenn die Pubertät einsetzt – Figuren, die uns nicht mehr durch Umstände vorgegeben sind, sondern solche, die wir frei wählen, weil sie unserem Charakter und Selbstbild entsprechen. Heutzutage haben wir eine unüberschaubare Zahl an Identifikationsoptionen – von Billie Eilish bis Jordan Peterson, von Arya Stark bis Armand Duplantis. Doch das war nicht immer so. Wer vor tausend Jahren lebte, der kannte ein paar Sagen- und Märchengestalten und einige Personen der Bibel. Das war’s.
Es waren Menschen wie Giovanni Bocaccio (1313-1375), die das Identifikationsuniversum erweiterten und damit eine ganz neue Kunstform begründeten, die uns heute noch maßgeblich prägt. Sein Hauptwerk „il Decamerone“ versammelt 100 Novellen, also frei erfundene Erzählungen mitten aus dem Leben. Bis dahin war es undenkbar gewesen, dass jemand so persönlich als Urheber einer Geschichte auftritt – und dass diese Geschichten nicht von Königen
oder Heiligen handelten, sondern von normalen Menschen. Die klassische Literatur, wie wir sie im Abendland kennen, hat in diesem Umfeld ihren Anfang genommen. Die Erzählfreude von Boccaccio und den unzähligen von ihm inspirierten Autoren ist ganz wesentlich dabei gewesen, in der Gesellschaft das Verständnis des Individuums heranwachsen zu lassen, das eigene Entscheidungen fällt, das sich selbst definiert und das so zur Entstehung von immer mehr Vielfalt und Innovation beiträgt. An der Wiege der Moderne steht an prominenter Stelle der unehelich geborene Kaufmannsgeselle und Jurastudent, der dann alle ihm offen stehenden gesellschaftlichen Erfolge links liegen ließ, um das zu tun, was seine Leidenschaft war: erzählen.
„Es ist fraglich, ob der der Mitte zugeneigte Charakter der Deutschen sich hätte so entscheidend radikalisieren lassen, wenn nicht ein anderes Bild vor Augen getreten wäre, dessen Lockung er in zunehmendem Maße unterlag: Die Faszination durch die Regierungsführung der Diktatur. … Die Abdankung der Selbstentscheidung, die Ausschaltung der freien Selbstbestimmung zugunsten des Führerideals ist die Reflexwirkung jener Überspannung des Politischen, die seit bald zwei Jahrzehnten die gegenwärtige Generation in Atem hält.“
Klingt alles recht bekannt, oder? Diese Beobachtungen stammen aus dem Anfang der 1930er Jahre entstandenen Buch „Apologie des liberalen Staatsdenkens“ des Juristen und Politiktheoretikers Karl Loewenstein (1891-1973), das im letzten Jahr erschienen ist, nachdem der Münsteraner Nachwuchswissenschaftler Michael Kubitschek es aus Archivtiefen in Massachusetts gezogen und anschließend editiert hat. Der erfolgreiche Rechtsanwalt Loewenstein, der seit 1931 als Privatdozent an der Universität in München lehrte, wurde als Jude im Herbst 1933 aus dem Unibetrieb ausgeschlossen und verließ Deutschland im Winter des gleichen Jahres in Richtung USA. Dort wirkte er wissenschaftlich und aktivistisch und entwarf unter anderem das Konzept der „militant democracy“, der streitbaren oder wehrhaften Demokratie. Wie in einem Brennglas finden sich auch heute höchst aktuelle Fragen in seiner Streitschrift wieder, die schmal genug ist, um sie an einem Nachmittag sorgfältig durchzulesen, und dicht genug, um noch lange Zeit darüber nachzudenken.