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Die Feinde der liberalen, offenen Gesellschaft wollen den Liberalismus zerstören, weil sie die individuelle Freiheit zerstören wollen. Sie kommen von Links und Rechts. Letztlich eint sie, dass sie ihre Lebensvorstellungen, ihre individuellen Pläne und ihre Glücksvorstellungen anderen oktroyieren wollen. Der glaubensfanatische Islamist unterscheidet sich im Denken dabei nicht wesentlich vom orthodoxen Klimakleber oder verblendeten Nationalisten. Alle akzeptieren nur ihre eigenen Wertvorstellungen und Überzeugungen. Nicht nur das. Sie erklären diese auch als absolute Wahrheiten, die unumstößlich und einzig und alleine richtig sind. Der Liberalen ist dies fremd. Sie hat auch eigene Ideale und Überzeugungen, doch sie setzt diese niemals absolut und will sie erst recht nicht anderen vorschreiben. Daher ist die Liberale immer eine Suchende, die sich selbst überprüft und hinterfragt.

Die Toleranz kennt in einer liberalen, offenen Gesellschaft aber auch Grenzen. Intoleranz erfährt in einer offenen, liberalen Gesellschaft Widerstand. Liberale sind keine Naivlinge, die sich widerstandslos in ihr Schicksal ergeben und freiwillig zusehen, wie die liberale, offene Gesellschaft zerstört wird. Ganz so wie es Ludwig von Mises 1927 in seinem Buch „Liberalismus“ festgestellt hat: „Der Liberalismus aber muss unduldsam sein gegen jegliche Art von Unduldsamkeit … Weil er Duldung aller Meinungen … verlangt, muss er alle in ihre Schranken zurückweisen, wenn sie mit Intoleranz hervortreten.“ Der Widerstand kommt aber nicht durch staatlichen Zwang, sondern aus der offenen, liberalen Gesellschaft selbst. Einzelne widersprechen und widersetzen sich und weisen diejenigen in die Grenzen, die die offene, liberale Gesellschaft zerstören wollen. Solange keine individuellen Freiheitsrechte anderer verletzt werden, braucht es keinen staatlichen Zwang, sondern eine aufgeweckte Bürgergesellschaft.

Der liberale Staat ist ein wehrhafter Staat. Er ist nicht interventionistisch, nicht aggressiv und auch nicht moralisch überhöhend. Der liberale Staat ist nicht naiv. Er kann sich gegenüber äußeren und inneren Feinden wehren. Der liberale Staat kann auch Bündnisse bilden, die seine eigene Wehrhaftigkeit erhöhen und zur Abschreckung dienen. Diese Bündnisse sind aber, wie die Nato, Verteidigungsbündnisse. Im Inneren ist der liberale Staat ebenfalls wehrhaft gegen diejenigen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung, also die liberale Gesellschaft zerstören wollen. Der liberale Staat bekämpft sie jedoch mit rechtstaatlichen Mitteln und mit gesellschaftlichem Druck der Bürgergesellschaft.

Zurück zum Anfang. Linke und Rechte wollen eine Gesellschaft in ihrem Sinne formen, die letztlich einer Familie oder kleinen Gruppe ähnelt. Immer wenn Sie von Solidarität in der Gesellschaft reden, dann übertragen sie letztlich den Solidaritätsbegriff der Familie oder im Kleinen auf die gesamte Gesellschaft. Gerade dieses konstruktivistische Staats- und Gesellschaftsverständnis ist so fatal. Friedrich August von Hayek sieht darin den Weg in den Totalitarismus, wenn er in seinem Buch „Recht, Gesetz und Freiheit“ schreibt: „Alle Versuche, die Große Gesellschaft nach dem Vorbild der vertrauten kleinen Gruppe zu formen oder sie dadurch in eine Gemeinschaft zu verwandeln, daß man die Individuen auf gemeinsame, sichtbare Zwecke hinlenkt, müssen eine totalitäre Gesellschaft hervorbringen.“

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Von Vincent Klass, Praktikant bei Prometheus, studierte an der Universität Passau Staatswissenschaften.

We know only too well that war comes not when the forces of freedom are strong, but when they are weak. It is then that tyrants are tempted.“ Ronald Reagan

Eine der wichtigsten Lektionen der konfliktreichen Geschichte des 20. Jahrhunderts ist, dass es zur Bewahrung des Friedens nicht nur geschickter Diplomatie, sondern auch der beständigen Aufrechterhaltung eines robusten militärischen und zivilen Abschreckungspotenzials bedarf. Wie die historische Erfahrung zeigt, ist der Westen immer dann einem schweren Konflikt am nächsten gekommen, wenn er als schwach wahrgenommen wurde und es versäumt hat, seinen Gegnern glaubhaft zu vermitteln, wo seine roten Linien liegen. Anstatt Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, sollten wir aus ihnen lernen und mit Stärke und Entschlossenheit unsere Werte verteidigen.

Nie war die Welt dem Ausbruch eines Dritten Weltkrieges so nahe wie im Oktober 1962. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Sowjetunion Mittelstreckenraketen auf Kuba stationiert, unmittelbar vor den Toren Amerikas. Eine Aktion, die sich als schwerwiegende strategische Fehlkalkulation herausstellte. Anders als von Moskau erwartet, reagierten die Vereinigten Staaten mit Härte auf die sowjetische Provokation und verhängten eine Blockade über die Karibikinsel. Eine Eskalation des Konfliktes drohte. Vorausgegangen waren dem viele Jahre westlicher außenpolitischer Zurückhaltung. Während der Suez-Krise von 1956 entschieden sich die USA aus Sorge vor einer Annäherung der arabischen Staaten an die Sowjetunion dazu, ihren Alliierten Großbritannien, Frankreich und Israel keine militärische Unterstützung zukommen zu lassen. Als im selben Jahr der Ungarische Volksaufstand von der sowjetischen Besatzungsmacht gewaltsam niedergeschlagen wurde, überließ der Westen die Revolutionäre ihrem Schicksal und bewies zur Zufriedenheit des Kremls, dass man Osteuropa vollends der sowjetischen Einflusssphäre überlassen hatte. Schließlich begann die DDR 1961 auf Anweisung Moskaus mit dem Mauerbau. Über viele Jahre hinweg zeigte die westliche Welt innere Zerrissenheit, Verbündete wurden im Stich gelassen, über Menschenrechtsverletzungen wurde hinweggesehen. All dies geschah aus der Angst vor einem Atomkrieg. Doch trotz aller Zugeständnisse an Moskau befand sich die Welt im Jahr 1962 am Rande einer nuklearen Eskalation. Die Sowjetunion ging davon aus, dass der Westen abermals nicht auf ihre Provokation reagieren würde. Man täuschte sich. Die Kubakrise zeigte eindrücklich, dass unklare Kommunikation und die fehlende Bereitschaft, mit Entschlossenheit der Aggression seiner Gegner entgegenzutreten, strategische Fehlkalkulation begünstigen und den Weg für Situationen mit hohem Eskalationspotenzial ebnen.

Ein Rückblick auf das Jahr 1980 verdeutlicht, dass es auch anders gehen kann. Damals sah sich die freie Welt erneut der wachsenden Aggression autokratischer Kräfte gegenüber. Im November 1979 besetzen Ajatollah-treue Studenten im Zuge der Islamischen Revolution die amerikanische Botschaft in Teheran und nahmen 52 Diplomaten als Geiseln. Nur einen Monat darauf marschierte die Sowjetunion in den blockfreien Staat Afghanistan ein. Unterdessen erschienen die USA verwundbar: Ihre Wirtschaft befand sich in einer Rezession und ihr Militär war unterfinanziert. Die Gegner des Westens sahen die Zeit gekommen, ihre Truppen in Bewegung zu setzen. Als Ronald Reagan im Jahr 1980 zum Präsidenten gewählt wurde, lautete seine Antwort daher: „Peace through strength“. Die Vereinigten Staaten erhöhten ihre Verteidigungsausgaben und begannen den Feinden des freien Westens entschlossen die Stirn zu bieten. Unter der Devise „rollback Soviet gains“ wurden anti-kommunistische Widerstandsbewegungen weltweit unterstützt. Nicht jede Aktion entpuppte sich als Erfolg und die Legitimität von destabilisierenden Aktionen gegen völkerrechtlich anerkannte Regierungen lässt sich zweifellos kontrovers diskutieren. Dennoch hatte diese Herangehensweise einen maßgeblichen Anteil daran, dass das geschwächte „Evil Empire“, wie Reagan die Sowjetunion nannte, letztendlich zusammenbrach und dass der Westen als Sieger aus dem Kalten Krieg hervorging.

Wie sich herausstellen sollte, bedeutete der Untergang der Sowjetunion jedoch keineswegs einen ideologischen Endsieg der liberalen Demokratien. Im Gegenteil, die freie internationale Ordnung wird heutzutage mehr denn je von einer neuen neoimperialistischen Achse aus Russland, China und dem Iran bedroht. Während China um Taiwan herum in der Luft und zur See Kriegsspielchen veranstaltet und der Iran und Katar Terrorismus im Nahen Osten verbreiten (lassen), ziehen Putins Großmachtfantasien blutige Spuren durch die Ukraine.  Diese Entwicklungen offenbaren auf eindrucksvolle Weise die gegenwärtige Schwäche des Westens. Das Versagen, den russischen Angriffskrieg zu verhindern, hätte vielen westlichen Regierungen Anlass genug geben sollen, ihre bisherige außen- und sicherheitspolitische Strategie zu überdenken. Haben wir nicht bemerkt, wohin uns Jahre der Appeasement-Politik und der wirtschaftlichen Verflechtungen mit Autokratien geführt haben? Zwei Jahre nach Kriegsausbruch zeigt sich, dass nur geringfügige Lernfortschritte erzielt wurden, wie man exemplarisch am jüngsten Kanzlerbesuch in China erleben musste. Europa sollte endlich sein chronisch unterfinanziertes Militär auf Vordermann bringen und Schritte einleiten, um sich von seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von China zu lösen. Der Ukraine sollte man die notwendigen Mittel bereitstellen, um sich auf dem Schlachtfeld zu behaupten. Die zögerliche und bruchstückhafte Hilfe des Westens hat bisher lediglich dazu beigetragen, das Kräfteverhältnis mit Russland zu wahren und den Krieg in die Länge zu ziehen. Die Länder Europas sollten daher von der Illusion ablassen, dass der Konflikt durch Diplomatie vorzeitig beendet werden könne. Kriege werden primär auf dem Schlachtfeld entschieden, bevor Verhandlungen in Betracht gezogen werden. Solange Russland keinen Anreiz sieht, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, wird der Konflikt weiterhin andauern. Daher sollte ein zentrales strategisches Ziel der westlichen Welt darin bestehen, der Ukraine zu einem militärischen Sieg zu verhelfen. Das Land muss die Möglichkeit erhalten, sich nicht nur zu verteidigen, sondern Russland proaktiv die Fähigkeit zu verweigern, anzugreifen. Die freie Welt muss Einigkeit demonstrieren und darf ihre Verbündeten nicht im Stich lassen. Ein Erfolg der Ukraine wäre ein Zeichen der Stärke des Westens und eine klare Botschaft an China, keine aggressiven Schritte in Bezug auf Taiwan, das Südchinesische Meer und die freie Welt zu unternehmen.

Besonders vor dem Hintergrund der wiederholten Drohungen Russlands, Atomwaffen in der Ukraine einzusetzen, ist es entscheidend, dass der Westen klare rote Linien zieht und eine glaubwürdige Kommunikation über die Konsequenzen eines solchen Handelns führt. Mahnende Worte, die nicht mit militärischer Stärke untermauert sind, werden weder Moskau noch Peking von einer Eskalation abhalten. Klar definierte strategische Ziele, robuste militärische Fähigkeiten, verlässliche Unterstützung seiner Verbündeten und die Entschlossenheit, seine Werte zu verteidigen, sind die Instrumente, zu denen die freie Welt heute zurückfinden muss, um der Bedrohung durch Russland, China und dem Iran zu begegnen. Der Westen braucht erneut eine außenpolitische „Reagan Revolution“. Denn, wie der spätere Präsident schon 1961 in einer Rede sagte: „Die Freiheit ist nie mehr als eine Generation vom Aussterben entfernt.  Wir haben sie nicht mit dem Blut an unsere Kinder weitergegeben.  Der einzige Weg, wie sie die Freiheit erben können, die wir kennen, besteht darin, dass wir für sie kämpfen, sie schützen, sie verteidigen und sie dann an unsere Kinder weitergeben, zusammen mit der Lektion, dass sie in ihrem Leben das Gleiche tun müssen.  Und wenn Sie und ich das nicht tun, dann werden Sie und ich vielleicht unseren Lebensabend damit verbringen, unseren Kindern und Kindeskindern zu erzählen, wie es einst war, als die Menschen frei waren.“

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„Stadtluft macht frei!“ ist ein klassischer Schulsatz. Aber er ist nicht komplett. Für uns versprechen Städte nicht nur Freiheit, sondern auch Wohlstand und Schönheit: von den Stadtstaaten Italiens über den frühen Kapitalismus in Amsterdam und London zu den atemberaubenden Wolkenkratzern von New York und Shanghai.

Viele deutsche Städte halten dieses Versprechen nicht mehr: Die Preise für Mieten und Eigentum steigen in schwindelerregende Höhen und halten ambitionierte junge Menschen vom Zuzug ab. Das Wirtschaftswachstum der Städte, einst Motoren des Fortschritts, stockt. Und wenn gebaut wird, sind die neuen Stadträume oft hässlich.

Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt: Auf die Politik ist kein Verlass, um das überkommene große Versprechen der Städte einzuhalten. Wir müssen selbst anpacken. Genau deshalb haben wir Hekaton Cities ins Leben gerufen. Angelehnt an unser Flaggschiffprogramm Hekaton fördern wir die besten urbanen Ideen mit Geld, Skills und unserem Netzwerk.

Aber warum ausgerechnet Städte?

Wir sind überzeugt: Es sind Menschen in Städten, die seit Jahrhunderten die Freiheit vorantreiben: von der Befreiung aus dem Joch des Feudalismus über die Abschaffung der Sklaverei bis zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten – Emanzipation vom und Widerstand gegen den Staat entwickelte sich oft als erstes in den Städten.

Aber die Stadt steht auch am Anfang der Marktwirtschaft. Als Wegmarken an deren Geschichte finden wir die italienischen Stadtstaaten der Renaissance, die ersten Unternehmen im modernen Sinne im Amsterdam des 17. Jahrhunderts, die industriellen Massenproduktionen in London, Manchester, Liverpool und Belfast, den Finanzkapitalismus in New York und die Techies im Silicon Valley heute. Wenn Menschen sich friedlich nah sind, ist es einfacher, sich Arbeit und Ideen zu teilen, und so voneinander und für andere zu profitieren und die Welt zu verändern.

Für Freiheit und Wachstum ist es in deutschen Städten aber immer schwieriger geworden. Seit den 1960ern kennen die Preise für knappen Wohnraum in der Stadt nur die steile Richtung nach oben und verschließen so vielen ambitionierten jungen, nach Freiheit strebenden Menschen den Weg in den Fortschrittsdschungel. Das Wachstum stockt, weil die deutschen Großstädte immer mehr zu einem Vergnügungspark für die bräsigen bereits-Reichen werden und nicht mehr für die künftig-reichen Fachleute und Unternehmer. Außerdem sprechen Neubauviertel wie die Europaviertel in Frankfurt, Stuttgart und Berlin Bände für die Lustlosigkeit und Hässlichkeit modernen Städtebaus.

Bei Prometheus glauben wir an lebendige Zivilgesellschaft, dezentrale Lösungen und individuelles Unternehmertum – auch in Städten. Deshalb fördern wir bei Hekaton Cities, diejenigen, die die Probleme der Stadt von der Graswurzel angehen wollen.

Dabei können wir auf das Vertrauen und die Unterstützung der Rising Tide Foundation setzen: Sie teilt unsere Vision von besseren Städten und zivilgesellschaftlicher Initiative und unterstützt uns mit 100.000 Euro.

Mit Hilfe dieses Fundings fördern wir Projektideen, die konkret und umsetzbar und das Potenzial haben, Städte nachhaltig zu verändern.

Ihr habt Ideen, wie wir die Kraft von Individuen, Zivilgesellschaft und Marktwirtschaft nutzen können, um Mieten zu senken, Wachstum anzukurbeln oder ganze Viertel schöner zu machen? Dann ist Hekaton Cities der perfekte Ansprechpartner.

Erfolgreiche Bewerber bekommen bis zu 10.000 Euro für die Umsetzung ihrer Projektidee, individuelle Förderung von unserem Direktor Hekaton Cities, Justus Enninga, die Möglichkeit bei unserem Skill-Bootcamp mit vielen anderen Projekten teilzunehmen, und sie bekommen Zugang zu unserem exklusiven Netzwerk aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Bei uns steht die Kraft des Individuums im Mittelpunkt. Deshalb sind auch keine endlos langen Bewerbungstexte und frisierten Lebensläufe erforderlich. Stattdessen wollen wir  von Eurem Projekt, Euren Zielen und Eurer Motivation hören. Schaut vorbei bei Hekaton Cities, bewerbt Euch mit weniger als 1000 Worten und begebt Euch mit uns auf den Weg, das Versprechen der Stadt einzulösen.

Photo: Revan Ramishvili from Flickr (PDM 1.0 DEED)

Vergangene Woche jährte sich der Geburtstag Friedrich August von Hayeks zum 125. Mal. Von Linken wird er gern in eiskalten Farben gezeichnet, und Konservative vereinnahmen ihn, weil er Anzugträger war. Wer tiefer in sein Leben und Werk vordringt, entdeckt ihn hingegen vor allem als einen leidenschaftlichen Kämpfer für seine Überzeugungen. Gäbe es doch heute mehr davon!

Der Einfluss, den Vordenker wie Hayek und Friedman auf das „neoliberale“ Zeitalter von Thatcher bis Schröder ausgeübt hatten, lässt sie für ihr Gegner oft als dominierende Giganten erscheinen. Als Männer, die den akademischen und politischen Diskurs unangefochten beherrschen. In den 80er Jahren mag sogar etwas an dieser Wahrnehmung dran gewesen sein. Das Verständnis, das Ordoliberale, Vertreter der Österreichischen Schule und der Schule von Chicago davon hatten, wie Staat, Wirtschaft und Gesellschaft funktionieren sollen, wurde damals bis weit in den Mainstream hinein geteilt und prägte auch die Politik von Sozialdemokraten wie Clinton und Blair.

Aber zu der Zeit war Hayek ein greiser Mann von über 80. Der große Teil dieser Entwicklungen war nicht mehr auf seine unmittelbaren Aktivitäten zurückzuführen, sondern Ergebnis von vielen Jahrzehnten. Es war ein Ideenkosmos entstanden und eine ganze Generation von Vordenkern beeinflusst worden, so dass Berater von chilenischen Militärdiktatoren wie von neuseeländischen Sozialdemokraten sich auf ein und dieselbe intellektuelle Tradition berufen konnten. Hayek hatte damals nicht mehr die Fäden in der Hand, sondern konnte vielmehr aus seiner Freiburger Altersresidenz darauf blicken, wie sein Jahrzehnte währendes Investment Früchte trug.

Wie anders hatte die Lage ausgesehen, als er sich 1938 in Großbritannien hatte einbürgern lassen, weil seine österreichische Heimat in die Hände der Faschisten gefallen war. Oder nach dem Zweiten Weltkrieg, als der globale Trend Richtung Planwirtschaft ging, selbst in Staaten wie den USA und dem Vereinigten Königreich. Die meisten Menschen hätten in einer solchen Lage vermutlich traurig resigniert die Waffen gestreckt. Wie sollte man sich gegen eine solche Meinungsübermacht durchsetzen? Doch Hayek war, wie man im Englischen sagt „not a quitter“, nicht einer, der einfach hinschmeißt, wenn eine Herausforderung zu groß erscheint.

Seine Positionen vertrat Hayek nicht nur, wie das gar nicht so selten ist bei Akademikern, weil er sich irgendwann einmal auf bestimmte Prämissen und Thesen eingelassen hatte und sie nun um der (scheinbaren) Konsistenz willen für den Rest seines Lebens behielt. Hayek war von der moralischen Wucht seiner Ideale überzeugt. Der Kampf gegen die jeden Menschen und alles Menschliche zerschmetternden Totalitarismen seiner Zeit war ihm ein wesentlicher Motor. Und seine Begeisterung für die Marktwirtschaft und die freie Gesellschaft speisten sich nicht daraus, dass er sich davon persönliche Vorteile erhoffte, sondern weil er diese Formen des Zusammenlebens für diejenigen hielt, die dem Menschen gerecht werden und seine Würde stärken.

In seinem Vorwort zu „Der Weg zur Knechtschaft“, das vor 80 Jahren erschien, umschreibt Hayek recht deutlich seinen Ethos: „Obwohl dies ein politisches Buch ist, so steht es für mich doch fest, dass die darin ausgesprochenen Überzeugungen nicht durch meine persönlichen Interessen bestimmt sind. Ich kann beim besten Willen nicht einsehen, warum diejenige Gesellschaftsform, die ich mir wünsche, mir größere Vorteile als der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung bieten sollte. … Zum Nutzen derjenigen, die, der heutigen Mode folgend, in jeder Äußerung einer politischen Meinung ein Interesse wittern, darf ich vielleicht hinzufügen, dass ich jeden nur denkbaren Anlass hätte, dieses Buch nicht zu schreiben oder nicht zu veröffentlichen. Es wird bestimmt viele vor den Kopf stoßen, mit denen ich gut auskommen möchte … und vor allem wird es sicherlich zur Folge haben, dass die Resultate meiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit, zu der mich meine ganze Neigung treibt, in Zukunft eine weniger günstige Aufnahme finden werden.“

Freiheit hat einen Preis, mitunter einen sehr hohen. Dass sich in der Geschichte der Menschheit am Ende die Freiheit immer wieder einen Weg gebahnt hat, liegt ganz besonders daran, dass Menschen bereit waren, diesen Preis zu entrichten. In der vordersten Reihe stehen natürlich diejenigen, die wirklich bereit waren, Leib und Leben einzusetzen. Doch auch wer nur so weit gehen musste, berufliche Nachteile aus sich zu nehmen, auf Beifall und Ruhm zu verzichten und sich gegen eine Mehrheit zu stemmen, hat die Leidenschaft für ein Ideal an die erste Stelle gesetzt und damit die Freiheit vorangebracht. Hayek – und viele seiner Mitstreiter – haben in sich die Kraft gefunden, ein solches Opfer zu bringen.

In seiner Rede „Das moralische Element in der Unternehmerwirtschaft“ aus dem Jahr 1961 sagt Hayek: „Freilich ist es weniger verdienstvoll, idealistisch zu sein, wenn man die Beschaffung der materiellen Mittel, die für die idealistischen Ziele nötig sind, einem anderen überlässt. Nur dort, wo einer selbst beschließen kann, ein materielles Opfer für ein nicht-materielles Ziel zu bringen, verdient er Achtung.“ Diese Aussage, die sich auf Solidarität in Form von Spenden bezieht, auf die „materiellen Opfer“, lässt sich selbstverständliche erweitern auf die Bereitschaft, Lebenszeit einzusetzen. Und Hayek hat das vorbildlich vorgelebt, indem er die Ressource seines Lebens investiert hat in Ideale, von denen er überzeugt war. Dass diese Investition Rendite abwerfen würde, durfte er erst gegen Ende seines Lebens erfahren.

Wenn sich der Liberalismus in den nächsten Jahrzehnten gegen die freiheitsfeindlichen Ideale von Links und Rechts durchsetzen und wieder Prägekraft entfalten soll, dann ist neben der intellektuellen Erneuerung der entscheidende Schlüssel, dass sich genügend Menschen finden, die wie Hayek bereit sind, ihr Leben einzusetzen für die Werte und Ideale, die uns am Herzen liegen. Menschen, die bereit sind, „ein materielles Opfer für ein nicht-materielles Ziel zu bringen“, indem sie auf Karriereoptionen und Gehaltssteigerungen verzichten, indem sie als Ideenunternehmerin Risiken eingehen und indem sie durch ihren eigenen Einsatz anderen glaubwürdig vermitteln, welchen Wert jene Ideen haben, für die sie so brennen. Vielleicht mehr noch als in seinen einzelnen Gedanken und Beobachtungen ist Friedrich August von Hayek darin ein überzeugender Lehrmeister: Ein lebendiger Liberalismus braucht Herzblut!

Wer ein Buch mit einem Zitat von Ludwig Erhard beginnt, der ist meist kein Vertreter des Wohlfahrtsstaates oder gar ein Sozialist. Das ist auch hier so: Gunther Schnabl, der als Professor an der Universität in Leipzig lehrt und zu Deutschlands einflussreichsten Ökonomen zählt, ist Vertreter einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Er ist nah bei Ludwig Erhard und den Ökonomen der Freiburger Schule und noch näher beim Klassisch-Liberalen Friedrich August von Hayek. Jüngst ist von ihm ein sehr lesenswertes Buch über die ökonomische Lage Deutschlands erschienen.

Vor einigen Jahren wäre er für seine Analyse noch als Neoliberaler verschrien worden, was im damals wie heute wahrscheinlich nichts ausgemacht hätte. Doch der Zeitgeist ändert sich. Die Zeit der unbeschwerten Schuldenmacherei und der Umverteilung scheint zu Ende zu sein. Deutschland ist wieder der kranke Mann Europas. Die Wachstumsrate sind mau, die Innovationskraft lahmt und der Staat ist dysfunktional, was wir an der maroden Infrastruktur und der überbordenden Bürokratie merken.

Das war schon einmal so. 1999 nannte der Economist Deutschland „the sick man of the euro“.  Und vor einem guten Jahr fragte das Wirtschaftsmagazin: „Is Germany once again the sick man of Europe?“. Die Lage ist ernst. Deshalb passt Schnabls Buch in die heutige Zeit. Denn es stellt sich die Frage: Warum schwächelt dieses Land? Die Antwort Schnabls geht über einfache Lösungen hinaus. Die Wachstumsschwäche Deutschlands zu erfassen, ist eine komplexe Angelegenheit. Das ist kein Spaziergang, sondern eher ein Dauerlauf, vielleicht sogar ein Marathon.

Schnabl fängt in der Nachkriegsgeschichte an, zeichnet das Wirtschaftswunder unter Ludwig Erhard nach und seine Erfolgsfaktoren, deren Grundlagen durch Walter Eucken und andere schon Jahre vor Ende des Krieges skizziert wurden.  Das vermeintliche Wunder war Ergebnis einer Wirtschaftstheorie, die auf eine konsequente Ordnungspolitik fußte und auf eine verlässliche und stetige Wirtschaftspolitik setzte. Verbunden mit der Einführung der Deutschen Mark entstand so der Wohlstand der Nachkriegszeit, zumindest in Westdeutschland.

Der Übergang von der Deutschen Mark zum Euro ist der erste Bruch dieser Entwicklung. Schnabl sieht in der Einführung des Euro einen wesentlichen Konstruktionsfehler, denn „eine Währungsunion kann nur dann auf Dauer reibungslos funktionieren, wenn sie auch eine gemeinsame Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik hat.“ Dieser Mangel zeichnete sich von Anbeginn des Euro 1999 ab. Die Zinsen der südeuropäischen Staaten sanken, eine leichtere Schuldenaufnahme der Staaten, Unternehmen und privaten Haushalte war plötzlich möglich. Kapital floss vom Norden in den Süden Europas. Dies nutzte auch der deutschen Exportwirtschaft, die blühende Zeiten erlebte.

Ein erster fundamentaler Einschlag war die drohende Zahlungsunfähigkeit Griechenlands im Zuge der Schuldenkrise in den 2010er Jahren.  Die Folge war die Intervention der Europäische Zentralbank in den Zins, um letztlich die Überschuldung von Staaten im Euro-Raum zu verhindern. Durch ihren Ankauf von Staatsanleihen erhöhte sich die Bilanzsumme der EZB zwischen 1999 und Ende 2022 von 700 Milliarden Euro auf 9000 Milliarden Euro. Europa erlebte eine Verschuldung der Notenbank aus dem Nichts, um letztlich die Refinanzierungsfähigkeit der südeuropäischen Staaten zu sichern. Letztlich ist und war dies aber nur ein Spiel auf Zeit. Eigentlich hätte diese Entwicklung schon viel früher zu einer sichtbaren Entwertung der Konsumentenpreise führen müssen. Doch die Öffnung Chinas diente als beständiger Wachstumsmotor für Deutschland und verhinderte zunächst, dass die Inflation einschlug. Auch hier ist die Abhängigkeit Deutschlands groß: Die chinesische Wirtschaft hängt am Tropf von Subventionen und billigem Geld der chinesischen Notenbank. Eine veritable Immobilienblase droht zu platzen, gleichzeitig drohen „die Verteilungswirkungen der Geldpolitik den Nährboden für eskalierende Handelskonflikte“ zu werden. Sowohl China als auch Deutschland können daran kein Interesse haben.

Was schlussfolgert Schnabl daraus? Deutschland muss sich wieder auf Ludwig Erhard und weniger auf John Maynard Keynes berufen. Also, mehr auf eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, die auf Privateigentum, Wettbewerb, Geldwertstabilität und Konstanz der Wirtschaftspolitik setzt. Gleichzeitig muss unser Land auf schuldenfinanzierte Staatsausgaben verzichten, die Staatsschulden steigen lassen. Schnabl entwirft ein klassisch liberales Programm, das der derzeitigen Umwelt-, Energie- und Klimapolitik eine Absage erteilt, die letztlich nur Wohlstandsverluste erzeugt und keinen Effekt auf die Klimakrise hat. Gleichzeitig sieht er im Arbeitskräftemangel, bei der wuchernden Bürokratie und der wachsenden Zentralisierung der Europäischen Union die entscheidenden Hemmschuhe für unseren künftigen Wohlstand. Am Ende des Buches fragt Gunther Schnabl „Wo ist der neue Ludwig Erhard und was soll er tun?“ Ja, wo ist er denn? Er wäre so nötig.