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Wenn sich Liberale und ihre Kritiker auf eines einigen können, dann darauf: Privates Eigentum ist ein zentrales Element des liberalen Denkens. Zumindest war es das in der Welt von gestern – einer Welt, in der Eigentum etwas war wie Häuser oder Kleidung, Druckerpressen oder Bücher. Die Welt von morgen dagegen ist digital oder zumindest digitalisiert. Digitale Bücher, Filme oder Musik, smarte Waschmaschinen und Druckerpatronen mit Chips. Eigentum ist Liberalen auch in dieser Welt wichtig, sagen wir. Doch was uns gar nicht auffällt: In der digitalen Welt verschwindet leise unser Eigentum. Das beginnt schon bei Haushaltsgeräten. Wer in der Schweiz manche neue Spülmaschine, Waschmaschine oder einen Trockner der Firma V-Zug erwirbt, erhält nicht einfach ein Gerät mit vollem Funktionsumfang, sondern muss die sanfte Wäsche oder den besonderen Schleudergang zusätzlich abonnieren. Was früher mit dem Kauf vollständig dem Nutzer gehörte, ist heute in Teilen nur noch zeitweise freigeschaltet – gegen eine monatliche Gebühr. In den USA geht HP sogar noch weiter: Ganze Drucker werden dort im Abo-Modell angeboten – inklusive Tintenpatronen. Doch endet das Abo, endet auch die Nutzung: Der Drucker muss zurückgegeben werden, und selbst vorhandene Patronen funktionieren dann nicht mehr. Deren Nutzung lässt sich technisch unterbinden, dank der Chips in den Patronen. Und um auch die Auto-Liberalen abzuholen: Wer heute einen neuen BMW kauft, besitzt längst nicht mehr alle technischen Funktionen des Fahrzeugs. Die Sitzheizung muss für 17 Euro im Monat dazugebucht werden, der Fernlichtassistent kostet ab 8 Euro, der Fahrassistent ab 40 Euro monatlich. Bezahlt man das Abo nicht mehr, verliert das eigene Auto schnell viele der schönen Fähigkeiten. Doch nicht nur physische Produkte entziehen sich immer mehr dem klassischen Eigentum. Auch die digitalen Medien, die man meinte, gekauft zu haben, sind gar nicht privates Eigentum geworden. Wer seine Filme bei Amazon Prime oder seine Musik, wie vor Spotify kurz üblich, bei iTunes gekauft hat, dem kann es passieren, dass sie einfach so aus der Mediathek verschwinden. Dann ist etwa die Lizenz, die Amazon oder Apple erworben haben, abgelaufen – und der neue Film nicht mehr zu sehen. Rechtlich gehört uns nichts davon. Statt Eigentum erwerben wir Nutzungsrechte, im Rahmen der jeweiligen Nutzungsbedingungen. Das bedeutet auch: Wird der eigene Account vom Anbieter gesperrt – etwa, weil man mithilfe von VPN die Werbung umgehen wollte – kann man nicht mehr auf gekaufte Filme zugreifen. Wer bei alldem die liberale Furcht vor dem Totalitarismus erinnert, dem werden auch Kindle E-Books unheimlich. Wenn nämlich erst einmal genügend Menschen Bücher digital erwerben, können diese über Nacht von allen Geräten verschwinden – weil sie etwa dem Unternehmen unbequem geworden sind. Und dank des Druckers mit Chips braucht man auch nicht mehr darüber nachdenken, kritische Flugblätter dagegen zu verteilen. Hätten DDR-Dissidenten in einer solchen Welt — digital und digitalisiert — gegen den Unrechtsstaat kämpfen müssen, dann hätte es die befreiende Revolution wohl deutlich schwerer gehabt.