Am 7. November lud der Bundespräsident ein zu einem Festakt zum 35. Jahrestag des Mauerfalls. Als einer der Festredner wurde der Schriftsteller Marko Martin eingeladen. In den 16 Minuten, die seine Ansprache dauerte, wurde der Gastgeber und Hausherr sichtlich immer ungehaltener und erboster. Denn in guter dissidentischer Tradition – Martin stammt aus einer Dissidentenfamilie hat sich der Autor nicht geschmeidig angepasst, sondern den Mächtigen in ihrem eigenen Schloss schonungslos seinen Blick auf die Dinge ins Gesicht gesagt. Nicht hinterm Rücken, nicht nur als Kommentar im Netz, nicht inmitten lauter Gleichgesinnter. Sondern direkt, anständig, aber knallhart ins Gesicht. (Der Bundespräsident zeigte sich deutlich weniger souverän in seiner Reaktion …) Die Rede ist es wirklich wert, gelesen (oder gehört) zu werden und sollte eigentlich von der Bundeszentrale für politische Bildung an alle Schulen geschickt werden. So geht republikanischer Geist.

Wir sind übrigens sehr stolz, dass Marko Martin erst vor wenigen Monaten als Gastredner bei unserer Taverne war …

Photo: Adam Jones flickr

„End the Fed“ steht wieder im Raum, ein alter Anspruch der US-amerikanischen Libertären. Mit Elon Musk ist jemand im Herzen der künftigen US-Regierung, der ein lautstarker Befürworter von Meinungsfreiheit ist. Und für Subventions- und Bürokratieabbau ist die reichste Person der Welt auch noch zuständig. Steuersenkungen könnten kommen und natürlich Technologieoffenheit. Alles tutti im künftigen Freiheitsparadies.

Die Frage ist nur, ob das Narrativ stimmt. Und da finde ich es immer wieder überraschend, wie viel Hoffnung doch noch auf Politiker – oder politisierende Unternehmer – gesetzt wird. Mögen Begriffe wie Deregulierung, Meinungsfreiheit und Zentralbankabschaffung das ein oder andere liberale oder libertäre Herz auch höherschlagen lassen – meine Prognose ist: die Amerikaner werden kein liberaleres Land oder System bekommen, nachdem sich die Trump Administration ans Werk gemacht hat.

Denn diese Truppe kommt nicht aufgrund eines liberalen Welt- und Menschenbilds zu den Schlüssen, die manchem Freiheitsfreund attraktiv erscheinen. Und die Meinungsmacher und Bevölkerungsgruppen, denen sie gefallen wollen, haben kein Interesse an einer freiheitlicheren Republik. Trumps Wirtschaftsberater wollen die Fed nicht ausschalten, um weniger politischen Einfluss auf Geldpolitik zu haben, sondern mehr. Musk will nicht Meinungsfreiheit, weil er versteht, dass wir durch Vielfalt mehr voneinander lernen können, sondern weil er die modernen Gladiatorenkämpfe der Identitätspolitik amüsant findet. Und wirtschaftliche Freiheit soll natürlich für Großunternehmen gelten, aber nicht für Arbeitnehmer ohne amerikanischen Pass oder solche, die sie einstellen wollen. Die Demokraten haben es wirklich massiv vergeigt in den USA. Keine Frage. Aber noch freiheitsfeindlicher wird es unter den Trump-Republikanern werden.

Das Zeitzeugenbüro hat eine beeindruckende Videoreihe zum Mauerfall am 9. November 1989 veröffentlicht, in der Zeitzeugen ihre persönlichen Geschichten teilen. Diese Videos geben authentische Einblicke in die Ereignisse rund um den Mauerfall und lassen die Emotionen und Hoffnungen jener Zeit lebendig werden.

Ob es um den Mut der Menschen geht, die für Freiheit und Einheit auf die Straße gingen, oder um den Moment, als die Mauer endlich fiel – die Berichte der Zeitzeugen vermitteln Geschichte aus erster Hand und machen sie besonders greifbar. Die Videos sind nicht nur eine wertvolle Quelle für die Bildungsarbeit, sondern auch eine Erinnerung an den Mut und die Kraft der Friedlichen Revolution.

2008 erschüttert die Finanzkrise die Welt. Banken wanken, Vertrauen bröckelt. Inmitten dieses Chaos veröffentlicht eine mysteriöse Figur namens Satoshi Nakamoto ein Whitepaper. Seine Vision: eine dezentrale Währung ohne zentrale Kontrolle, basierend auf Mathematik statt blindem Vertrauen. Satoshi selbst trat ins Dunkle zurück, suchte weder Anerkennung noch Ruhm. Dieses völlige Fehlen von Ego macht ihn zu einem faszinierenden Visionär.

Heute, im November 2024, erreicht Bitcoin neue Höchststände. Anleger, die frühzeitig investierten, konnten erhebliche Gewinne erzielen. Doch jenseits des finanziellen Erfolgs bleibt Satoshis wahre Errungenschaft die Erschaffung eines Systems, das Freiheit und Dezentralisierung fördert. In Lugano steht eine Statue zu seinen Ehren – ein Denkmal für den anonymen Visionär, der eine Blockchain-Revolution auslöste.

Der November stand schon oft im Zeichen großer historischer Ereignisse. Auch in diesem Jahr wird er seinem Ruf gerecht. In den USA kehrt Donald Trump ins Weiße Haus zurück. Das Ergebnis steht schnell fest und fest bedeutend eindeutiger als die Umfragen uns noch kurz vor der Wahl glauben lassen wollten. Damit nicht genug. Noch am selben Tag erleben wir in Deutschland das jähe Ende der Ampel – das angesichts der Spannungen der letzten Wochen, Monate und eigentlich sogar Jahre, nicht wirklich überraschend kam, aber in seinem Timing und in seiner tatsächlichen Erscheinungsform dann doch sehr anders kam als gedacht.

Festzustehen scheint dieser Tage sowieso nichts mehr. Ob die Krise im Nahen Osten, der andauernde Krieg in der Ukraine, die wirtschaftliche Situation in Deutschland – es sind Entwicklungen, die das Gefühl vermitteln, dass die Welt in einer Zeit der Umbrüche steckt. Die Vielzahl an Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, kann manchmal überwältigend wirken. Gerade in solchen Momenten kann sich das Gefühl einstellen, die Kontrolle zu verlieren. Die stetige Flut an Nachrichten, die Schlagzeilen, die sich in ihrer Dringlichkeit und ihrem Verlangen, rezipiert zu werden, überbieten, und die Unsicherheit über das, was morgen kommt, lassen viele von uns mit einem Gefühl der Überforderung zurück. Es ist, als würde die Welt uns keinen Moment zum Durchatmen geben.

Der November hat aber auch ein anderes Gesicht. Er lässt die Tage kürzer und die Abende länger werden. Es scheint fast so, als würde er uns dazu einladen, langsamer zu werden und bewusst Momente der Stille zu zulassen. Die Stille kann uns helfen, die Vielzahl an Eindrücken zu verarbeiten und aus der Reflexion neue Lösungen zu finden. Innehalten bedeutet nicht, passiv zu sein – es ist vielmehr eine notwendige Voraussetzung, um gestärkt und klar in die Zukunft zu blicken. So paradox ist klingen mag – Jetzt ist es an der Zeit, Ruhe zu finden, um mit Bedacht und Mut die nächsten Schritte zu gehen. Denn der November erinnert uns auch daran, dass Geschichte immer wieder Wendepunkte bietet, und dass es auf uns ankommt, wie wir diese Momente gestalten.