Photo: Gage Skidmore from Flickr

Die Vorwahlen zur Bestimmung der Präsidentschaftskandidaten in den USA sorgen mal wieder auf dem ganzen Globus für Schlagzeilen. Neben den Damen und Herren, die oft in den Medien präsent sind, gibt es auch einen sehr spannenden Außenseiter: Wer ist dieser Gary Johnson?

Republikaner: Das Überleben der Rabauken

Insbesondere die Vorwahlen bei den Republikanern erregen große Aufmerksamkeit, weil das Kandidatenfeld nicht nur erheblich größer ist als bei den Demokraten, sondern auch ein ganzes Stück volatiler. Hinzu kommt noch der Unterhaltungsfaktor: Donald Trump sorgt weltweit für Erstaunen, Entsetzen, Kopfschütteln und ungläubige Heiterkeit, dass selbst ein Berlusconi neidisch werden muss. Eine Zeit lang sah es so aus, als ob der konsequent liberale Senator Rand Paul gute Chancen haben könne. Dieser Streiter für einen schlanken Staat, Ausgabendisziplin und Zurückhaltung bei staatlicher Überwachung und Militäreinsätzen hätte den USA sicher guttun können. In den letzten Monaten ist er inmitten eines zunehmend schrillen Wahlkampfs und vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise und der Bedrohungen durch den Terror leider zunehmend zwischen die Fronten geraten. Nach den ersten Vorwahlen in Iowa hat er seine Kandidatur zurückgezogen.

Diejenigen Republikaner, die übriggeblieben sind, stimmen nicht gerade hoffnungsfroh: Die meisten von ihnen sind geneigt, eine robuste Außenpolitik zu betreiben – dazu gehört dann in der Regel auch komplementär eine Neigung zum Überwachungsstaat. Überhaupt ist individuelle Freiheit für die meisten von ihnen kein Herzensanliegen. In rein ökonomischer Hinsicht finden sich bei ihnen in der Regel freiheitsfördernde Ideen, die in Richtung Steuersenkungen und Deregulierungen weisen. Allerdings sind die Spielräume der Präsidenten auf diesem Gebiet traditionell ohnehin eher eingeschränkt, weil sie von den Mehrheitsverhältnissen in den beiden Kammern des Kongresses abhängig sind. Entscheidend für die politischen Entscheidungen sind dann ohnehin mehr Image und Rhetorik eines Kandidaten als die im Wahlkampf vorgetragenen Standpunkte. Und da sind die drei derzeitigen Top-Favoriten Cruz, Trump und Rubio allesamt nicht auf der zurückhaltenden und mithin freiheitlichen Seite.

Ein Überzeugunstäter

Ein ehemaliger Republikaner, der sich auch um die Präsidentschaft bewerben will, hat freilich in vielerlei Hinsicht eine sehr eindrucksvolle Bilanz vorzuweisen: Gary Johnson. Als Student finanzierte er sich als Gelegenheitsarbeiter. Die Firma, die er mit 23 gründete, war keine 20 Jahre später eine der größten Baufirmen in seiner Heimat New Mexiko. Mit Anfang 40 wurde der Politikneuling 1995 mit dem Wahlkampfmotto „People before politics“ auf Anhieb zum Gouverneur von New Mexiko gewählt – und zwar mit sehr deutlicher Mehrheit in einem Staat, in dem die Demokraten traditionell sehr stark sind. In den ersten sechs Monaten im Amt hat er aus der festen Überzeugung heraus, dass man Probleme nur selten durch staatliche Intervention lösen kann, 200 von 424 Gesetzesinitiativen durch sein Veto blockiert. Am Ende hatte er 750 von Demokraten wie von Republikanern eingebrachte Gesetze abgewiesen, und damit mehr als all seine 49 Kollegen zusammen. Beständig und erfolgreich arbeitete er daran, Staatsausgaben und Staatsaufgaben zu reduzieren.

Nach seiner sehr klaren Wiederwahl 1999 versuchte er, ein System von Schulgutscheinen durchzubringen, um die Bildungsprobleme in seinem Staat in den Griff zu bekommen, der zu den ärmsten der USA zählt. Die demokratische Mehrheit in den beiden Kammern des Staates haben dieses Vorhaben jedoch verhindert. Schon damals, als das Thema noch bei weitem nicht so prominent war wie heute, sprach er sich klar für eine Legalisierung von Marihuana aus und dafür, den Krieg gegen die Drogen durch mehr Prävention und Betreuung Suchtkranker zu ersetzen. Parteiübergreifend wurde sein Krisenmanagement bei einem desaströsen Flächenbrand in den höchsten Tönen gelobt, der den Staat 2000 heimsuchte. Am Ende seiner Amtszeit war der Staat nicht nur substantiell verschlankt, sondern konnte im Haushalt einen Überschuss von 1 Milliarden Dollar vorweisen.

Konsequent freiheitliche Politik

Nach seiner Amtszeit widmete sich der begeisterte Sportler wieder intensiver seinem Ehrgeiz auf diesem Gebiet, nahm an Marathons, Triathlons und Fahrradrennen teil und bestieg die höchsten Berge der sieben Kontinente. Natürlich ließ ihn auch seine Unternehmerleidenschaft nicht los – jetzt in Verbindung mit seinen politischen Überzeugungen: 2009 gründete er die „Our America Initiative“, um seine Ideen weiter zu verbreiten. Zu den Grundanliegen dieser Denkfabrik gehören in seinen Worten „eine effiziente Regierung, Steuererleichterungen, ein Ende des Kriegs gegen die Drogen, der Schutz bürgerlicher Freiheiten und die Förderung von Unternehmertum“. Er engagierte sich auch bereits sehr früh bei der freiheitlichen Studentenorganisation „Students for Liberty“, die in den vergangenen Jahren zu einem großen weltweiten Netzwerk angewachsen ist.

2011 kündigte er an, sich um die Präsidentschaftskandidatur bei den Republikanern zu bewerben, zog die Kandidatur jedoch einige Monate später zurück und ließ sich stattdessen für die Libertarian Party aufstellen, die für eine konsequent freiheitliche Politik eintritt. Bei der Wahl stimmten schließlich 1,3 Millionen Amerikaner für ihn. Vor einem Monat hat er nun angekündigt, auch bei der diesjährigen Wahl wieder für die Libertarian Party antreten zu wollen. Einer seiner innovativsten Vorschläge betrifft das Steuerrecht: An die Stelle aller Einkommens-, Körperschafts- und Kapitalertragssteuern soll eine FairTax treten. Diese Steuer soll mit einem Satz von 23 % auf alle Güter erhoben werden, die nicht lebensnotwendig sind. Ein entscheidender Pfeiler seiner Überzeugungen ist auch die hohe Skepsis gegenüber der US-Notenbank Fed, die er einer strengen Kontrolle durch das Parlament unterwerfen möchte.

Der Wind der Freiheit

Viele der Programme, die heute von der Regierung in Washington finanziert und organisiert werden, möchte er zurück auf die Ebene der einzelnen Bundesstaaten verlagern und somit auch einen Wettbewerb um die am besten funktionierenden Lösungen ermöglichen. Überhaupt sollen die Staaten seiner Meinung nach wieder mehr Verantwortlichkeiten übernehmen, dafür aber zugleich auch die Haftung tragen. Johnson ist ein erklärter Gegner militärischer Interventionen und würde das Militärbudget der Vereinigten Staaten radikal um über 40 % kürzen wollen. Auch auf dem Gebiet staatlicher Überwachung tritt er für eine erheblich stärkere Zurückhaltung ein als sie derzeit in den USA geübt wird. Johnson ist ein Gegner der Todesstrafe, tritt für eine offene Migrationspolitik ein und ist der Überzeugung, dass es nicht Sache des Staates sein kann, zu definieren, was eine Ehe ist.

Selbst wenn die zwei extremsten Protagonisten der beiden großen Parteien, Donald Trump und Bernie Sanders, sich durchsetzen würden, hätte Gary Johnson wohl keine Chance auf das Amt. Dennoch ist sein Beitrag für die nächsten Jahrzehnte amerikanischer Politik von großer Bedeutung. Die Bewegung, für die er und Politiker wie die Senatoren Rand Paul und Jeff Flake und die Abgeordneten Justin Amash und Thomas Massie stehen, wächst beständig. Diese libertäre Bewegung, die für weniger Staat und mehr Eigenverantwortung steht, findet gerade unter jungen Menschen immer mehr Anklang. Ein Mann wie Gary Johnson gibt dieser Bewegung eine Stimme und ein Gesicht. Der weltweite Trend zu mehr Staat, befeuert von Linken wie von Rechten, wird eines nicht allzu fernen Tages einem Gegenwind ausgesetzt sein, dem er sich letztlich nicht wird widersetzen können. Denn dieser Wind der Freiheit hat schon zu allen Zeiten die Menschen stärker bewegen können als die Last, die aus den süßen Verlockungen der Linken und Rechten erwächst.

 

Photo: shanmuga varadan asoka fro Flickr (CC BY 2.0)

Vor einem Jahr haben wir unser ehrgeiziges Projekt gestartet: Prometheus – Das Freiheitsinstitut ging am 2. Februar an den Start, im März konnten wir unser Büro in Berlin eröffnen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Welt und das Handelsblatt berichteten darüber. Unsere ersten Kampagnen „Zwangsbeitrag? Nein Danke“, zur Barzahlung des Rundfunkbeitrags und die für ein konföderales Europa fanden ebenfalls ein breites Echo in den überregionalen Medien und den sozialen Netzwerken. Auch unsere regelmäßigen Kommentare auf unserem eigenen Blog und Gastbeiträge in anderen Blogs tragen dazu bei, unsere Botschaft für ein entschiedenes Eintreten für Marktwirtschaft, Recht und Freiheit nach außen zu tragen. Wir sind mit Vorträgen und Podiumsteilnahmen fast wöchentlich unterwegs. Unser erfolgreicher Start ermutigt uns: auf diesem Fundament können wir weiterbauen.

Prometheus soll Veränderungen in unserer Gesellschaft einen Boden bereiten. Wie einst der Titan Prometheus in der griechischen Mythologie wollen wir das Feuer der Selbstbestimmung und der Freiheit bei den Menschen entfachen. Der Weg dahin ist weder kurz noch einfach. Deutschland ist geprägt von staatlicher Fürsorge: der Staat dringt vor in alle Bereiche unseres Lebens, unterstützt von einem erschreckend weit verbreiteten Glauben an die Allmacht der Politik. Doch wir sehen auch, dass eine wachsende Zahl von Bürgern diese Entwicklung mit großer Sorge beobachtet. Sie wollen sich nicht dauernd bevormunden lassen, wollen nicht ständig zu vermeintlich richtigem Verhalten angestupst werden und wollen nicht allenthalben mit Bürokratie, hohen Steuern und Abgaben konfrontiert werden. Sie wollen selbst über ihr Leben bestimmen.

In einem Land, wo der Bürger immer kleiner wird, braucht es eine Stimme, die diesen Prozess nicht nur aufhält, sondern eine Gegenbewegung einleitet. Das verstehen wir von Prometheus als unsere Aufgabe. Wir wollen in Deutschland an die große Tradition der angelsächsischen Think Tanks anknüpfen und orientieren uns an Vorbildern wie dem Cato Institute in den USA und dem Institute of Economic Affairs in Großbritannien.

Wir werden oft gefragt, wie man Prometheus unterstützen kann. Anlässlich unseres einjährigen Jubiläums haben wir uns etwas ausgedacht: Werden Sie Fackelträger! Als Fackelträger sind Sie unser Botschafter, der für unsere Ideen brennt und uns regelmäßig unterstützt. Als Fackelträger tragen Sie dazu bei, eine Gegenbewegung der Freiheit groß zu machen und das Feuer zu entfachen, das unser aller Zukunft erleuchten kann.

Wie können auch Sie Fackelträger werden? Ganz einfach: Fördern Sie uns monatlich mit 10, 25 oder 50 Euro, je nach Ihren Möglichkeiten. Die Förderbeiträge für unsere Arbeit sind steuerlich absetzbar. Wir bedanken uns dafür:

  • mit einem exklusiven Willkommenspaket: darin finden Sie einen Fackelträger-Pin, eine Fackelträger-Urkunde und ein handsigniertes Exemplar von „Nicht mit unserem Geld – Die Krise unseres Geldsystems und die Folgen für uns alle“,
  • mit exklusiven und regelmäßigen Informationen über unsere anstehenden Kampagnen,
  • mit exklusiven Einladungen zu unseren Events.

Melden Sie sich als Fackelträger an und unterstützen Sie uns, indem Sie einen Dauerauftrag einrichten.

Wir brauchen einander! Die Arbeit, die wir Tag für Tag im Sinne der Freiheit verrichten, lebt auch wesentlich von Ihrer Unterstützung: ideell wie materiell. Werden Sie Teil einer Bewegung, die für eine hellere Zukunft streitet. Zünden Sie eine Fackel an und werden Sie Fackelträger!

Zur Anmeldung: Fackelträger werden!Fackel_3D_transparent

 

Photo: Maria Morri from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Wer sich in diesem Land mit dem Verbraucherschutz und seinen Institutionen anlegt, hat meist schlechte Karten. Gelten er und seine Helfer doch als wichtig und objektiv. Die Marktwirtschaft und ihre Nebenwirkungen müssen daher kontrolliert und beobachtet werden. Inzwischen sind zahlreiche Institutionen geschaffen worden, die die vermeintliche Objektivität in die Kaufentscheidung jedes Einzelnen bringen soll. Die Verbraucherzentralen in Deutschland können pro Jahr über 100 Millionen Euro ausgeben und beschäftigen hauptamtlich über 1800 Mitarbeiter. Alleine die Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen beschäftigt 785 Mitarbeiter und hat einen Etat von über 40 Millionen Euro pro Jahr. Würden sie ihre Mittel selbst erwirtschaften, wären sie ein größeres mittelständisches Unternehmen. Jedoch finanzieren mindestens 90 Prozent der Ausgaben der Bund, die Länder und Kommunen in Deutschland.

Und auch die personellen Verflechtungen sprechen für eine sehr geringe Staatsferne. Der für Verbraucherschutz im Justizministerium in Berlin zuständige Staatssekretär ist der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Gerd Billen. Sein Nachfolger beim Bundesverband der Verbraucherzentralen ist der ehemalige Bundestagsabgeordnete und grüne Landesminister in Schleswig-Holstein, Klaus Müller.

Von der Energiesparberatung über gesundes Essen bis zur richtigen Geldanlage kümmern sich die staatlich finanzierten Verbraucherschützer um unser aller Wohl. Sie folgen dabei einem Leitbild, das der Wissenschaftliche Beirat „Verbraucher- und Ernährungspolitik“ beim Bundesjustizminister Heiko Maas formuliert hat. Die Verbraucher sollen „ökologisch nachhaltig und sozial verantwortungsvoll handeln“. Doch der Verbraucher sei dazu alleine nicht in der Lage. Das realistische Bild sei, so der Beirat, eher ein überlasteter, zeitknapper, wenig kompetenter, bedingt interessierter und nicht immer disziplinierter Verbraucher. Kurz: der Verbraucher ist ignorant, doof und bestenfalls überfordert. Jedoch nicht alle. Daher teilen die Verbraucherschützer die Bürger in „Idealtypen“ ein: in den „vertrauenden“, den „verletzlichen“ sowie den „verantwortungsvollen“ Verbraucher. Der „vertrauende“ Verbraucher ist mindestens naiv, wenn nicht beschränkt. Der „verletzliche“ Verbraucher ist Teil des wachsenden Prekariats in der Gesellschaft und muss daher von den gierigen Klauen des Kapitalismus beschützt werden. Nur der „verantwortungsvolle“ Verbraucher verhält sich im Sinne der Verbraucherschützer richtig. Er isst weniger Fleisch, greift zu Bio-Produkten, vermeidet Zucker und legt sein Geld in ethisch-ökologische Fonds an, die das Gute in der Welt unterstützen.

Man muss sich ernsthaft fragen, wie die Menschen in den letzten Jahrzehnten in diesem Land durchs Leben gekommen sind. Doch weitere Rettung naht. Die SPD in Bayern hat jetzt einen unabhängigen Verbraucherschutz-Beauftragten gefordert, und vor wenigen Tagen hat die Verbraucherzentrale Bundesverband eine Internet-Plattform „Marktwächter“ aus der Taufe gehoben. Damit wird eine alte Forderung aus dem schwarz-roten Koalitionsvertrag in Berlin umgesetzt. Es soll noch einer sagen, die Merkel-Regierung würde nicht liefern.

All das erinnert an George Orwells „Farm der Tiere“. Wie die Tiere der „Herren-Farm“ wollen die Verbraucherschützer das Joch der Unterdrückung abwerfen. Hinter jedem Finanzprodukt, hinter jedem Konzern und hinter jedem Suppenhuhn sehen sie den kapitalistischen Ausbeuter. Doch wenn dies die Regel wäre, dann würden wir keinen Wohlstand, keine Innovationen und Fortschritt kennen. Denn dieser beruht auf dem Prinzip von „Versuch und Irrtum“ des Einzelnen. Diese Alternative aber ist eine Technokratie, die eher an Platons Wächterstaat erinnert. Dort werden Entscheidungen in einer Gesellschaft aufgrund von Expertenwissen getroffen. Doch der entscheidende Nachteil dieser geschlossenen Gesellschaften, in denen der Staat, seine Regierung und deren Beauftragten die Bürger an die Hand nehmen, ihnen schwierige Entscheidungen abnehmen und Sicherheit und Geborgenheit versprechen, ist der Umstand, dass bei Nichterfüllung alle die Folgen tragen müssen. So war es auch bei Orwells Fabel. Dort übernehmen am Ende die Schweine die Macht und errichten eine Gewaltherrschaft neuen Ausmaßes.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 30. Januar 2016.

 

Zum Sommersemester beginnt der neue Masterstudiengang „Entreprenuerial Economics“ an der Business and Information Technology School in Berlin (BiTS), den Prof. Stefan Kooths maßgeblich konzipiert hat und verantwortet. Prof. Kooths ist außerdem Leiter des Prognosezentrums im Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel. Wir haben ihm ein paar Fragen zu dem Studiengang gestellt.

Herr Professor Kooths, das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn beobachtet seit Jahren einen Rückgang von Unternehmensgründungen. Seit 2012 ist das Saldo von neu gegründeten und liquidierten Unternehmen negativ. Eine Studie von Ernst & Young aus dem Jahr 2014 hat gezeigt, dass jeder dritte Student ausschließlich bei einem staatlichen oder öffentlichen Arbeitgeber arbeiten möchte. Wie sehr ist Unternehmertum im Land des Mittelstands in der Krise?

Unternehmertum stand in der Tat hierzulande schon einmal höher im Kurs. Der Wohlstand wird brüchig, sobald man versucht, nur noch am Erreichten festzuhalten und nichts Neues mehr wagt. Der allzu üppige Nanny-Staat ist als Bewahrer angetreten – er verspricht eine Sicherheit, dessen Voraussetzungen er nicht nur nicht schaffen kann, sondern sogar ernstlich bedroht. Wenn ein Drittel der heutigen Studierenden im Staatsdienst ihre Wunschbeschäftigung sehen, ist das leider Teil des Symptoms. Allerdings bleiben dann ja immer noch zwei Drittel, für die das nicht gilt. Und an die wenden wir uns. Das werden nicht alles wilde Start-up-Gründer werden – auch wenn Berlin hier eine lebhafte Szene bietet. Unternehmerische Fähigkeiten sind auch bei der Unternehmensfortführung essentiell – denken Sie nur an die vielen Familienunternehmen, bei denen jetzt die Generationennachfolge ansteht. Und selbst in Großorganisationen, die sich neu ausrichten müssen, um Bestand zu haben, braucht es Unternehmertum – „embedded entrepreneurial teams“ ist hier das Stichwort, wenn es um radikales Change Management geht. Manch einer wird mit dem Rüstzeug aus diesem Studiengang möglicherweise auch eine akademische Karriere einschlagen.

In der verbreiteten Wahrnehmung muss ein Unternehmer ordentlich mit Zahlen umgehen können, innovative Ideen haben und vielleicht auch noch gut mit Menschen umgehen können. Was lernt er in Ihrem Studiengang, das ihn zu einem besseren Unternehmer macht?

Management Know-how und einschlägige Soft Skills gehören natürlich dazu. Dem widmen wir jeweils einen eigenen Modulstrang. Hinzutreten muss noch eine weitere Kompetenzklasse und zwar ein umfassendes Systemverständnis für die Umgebung, in denen sich Unternehmer bewegen und bewähren müssen. Ein Unternehmer, egal ob selbständig oder in anderen Führungsfunktionen, muss die Gesetze des Marktes und das weitere Umfeld verstehen. Wenn er die Mechanismen kennt, die das System als Ganzes beherrschen, dann kann er sich darauf einstellen und sieht klarer. Hierzu gehört auch die Kenntnis um die Grenzen des Wissens. Es geht also um ökonomisches Tiefenverständnis. Nur so lässt sich echte strategische Kompetenz entwickeln. Der auf diese Weise ausgebildete Ökonom kann etwas, was andere nicht können. Und dann ist da noch etwas: Wer bei uns studiert, wird so viele unterschiedliche Ideen kennenlernen, dass man ganz automatisch beginnt, jenseits der eingefahrenen und von außen vorgegebenen Muster zu denken. Man wird anfangen, Fragen zu stellen. Und mit jeder neuen Frage kommen neue Ideen. Mit dem Masterprogramm „Entrepreneurial Economics“ sollen Studierende so wieder die Faszination erleben, die von lebendigem und handlungsorientiertem ökonomischem Denken ausgehen kann. Ob Sie das dann VWL oder BWL nennen, ist mir egal. Kästchendenken gehört nicht zu unserer Philosophie.

Die Studenten werden sich in ihrem Studium auch verhältnismäßig ausführlich mit Ideengeschichte auseinandersetzen. Sie lernen die Grundlagen der Österreichischen Schule und beschäftigen sich intensiv mit dem Buch „Human Action“ des Ökonomen Ludwig von Mises. Ist das ein entschleunigendes Element? So etwas wie ein Aufenthalt im Zen-Kloster für Manager?

Mit Klöstern kenne ich mich nicht so aus. Klar ist: In diesem Studiengang geht es nicht um Esoterik, sondern um ökonomisches Systemverständnis und Know-how zu dessen erfolgreicher Anwendung. Dieses Wissen reicht dann in der Tat weit über manche Modewelle und kurzatmige Paradigmen hinaus. Wenn Sie wollen, können Sie das Entschleunigung nennen. Ideengeschichte ist hierzu unverzichtbar. Für den wissenschaftlichen Fortschritt wird gerne das Bild gebraucht, dass die heutige Generation auf den Schultern ihrer Vorgänger sitzt und daher – angereichert durch eigene Forschung – mehr sieht als diese. Das ist ein schönes Bild. Vor allem lehrt es, dass man zunächst auf die Schultern der großen Denker hinaufklettern muss, bevor die größere Perspektive entstehen kann. Bei diesem Aufstieg wollen wir die Studierenden begleiten. Wer diesen Studiengang durchlaufen hat, hat alle relevanten Strömungen der Wirtschaftswissenschaften verstehen und kritisieren gelernt. Auf diese Weise entsteht Unabhängigkeit im Denken. So lässt sich dann fundierter einordnen, was Berater sagen oder was in der Zeitung steht. Und man lernt Fragen zu stellen, die andere so nicht stellen. Ein solches, übergeordnetes Verständnis hilft das ganze Leben, es ist sicher zwei Studienjahre wert.

Unter dem Stichwort „Plurale Ökonomik“ wurde in den letzten zwei Jahren weltweit Kritik geübt an einer Tendenz der VWL-Lehrenden, nur eine einzige ökonomische Theorie zu lehren und alternative Modelle gar nicht erst vorzustellen. Wie kann die Verbindung aus BWL und VWL, Management und Economics, die sie in Ihrem Studiengang herstellen, auch dazu beitragen, Einseitigkeit und Tunnelblick in den Wirtschaftswissenschaften zu überwinden?

Vor allem dadurch, dass wir nicht die Schmalspur des Mainstreams durch eine andere ersetzen. Hier segelt so manches unter der Flagge der pluralen Ökonomik, was eher Nische als Neuorientierung ist. Der Unternehmer steht bei uns nicht zufällig im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern deshalb, weil Wirtschaft ohne unternehmerische Aktivität im umfassendsten Sinne überhaupt nicht vorstellbar ist. „Man acts“ – so hat Ludwig von Mises den Ausgangspunkt ökonomischen Denkens in der wohl besten und zugleich knappsten Form in einem Axiom auf den Punkt gebracht. Es geht also um nichts Geringeres als die Wissenschaft vom menschlichen Handeln. Ausgehend von dieser Perspektive erkennt man sehr schnell die Grenzen der mathematischen Ökonomie. Denn jede Handlung findet außerhalb des Gleichgewichts statt, wenn sie mehr sein soll als eine monotone Wiederholung des ewig gleichen. Im Gleichgewicht herrschen die Gesetze der Mechanik, menschliches Handeln ist dann nicht mehr gefragt. Bevor man Mittel optimal einsetzen kann, müssen diese Mittel erst einmal bekannt sein und daher entdeckt werden. Wenn man sich dem Methodenzwang der Gleichgewichtsmodelle nicht unterwirft, sondern auf der Rolle des Unternehmers besteht, dann gelangt man automatisch zu einer Prozesssicht, das heißt man analysiert die Prozesse, die theoretisch zu einem Gleichgewicht führen könnten, wenn die Welt sich nicht verändern würde. Dies ist erstens interessant, weil man auf diese Weise vielen Theorien Raum bieten kann, die nicht in das mathematische Korsett des Mainstreams passen, und zweitens, weil die ökonomischen Prozesse den Bereich abbilden, in dem Führungskräfte agieren. Genau deshalb kann der angehende Unternehmer hier so viel lernen und umgekehrt wird eine Führungsfunktion stets Fragen aufwerfen, die letztlich nur innerhalb der Prozesssicht zu beantworten sind. Und auch eine Integration der Wirtschaftswissenschaften kann im Grunde nur auf diese Weise gelingen.

Zum Schluss noch eine praktische Frage: Die BiTS ist eine private Hochschule und muss sich infolgedessen auch selbst finanzieren. Das Studienentgelt für „Entrepreneurial Economics“ können die wenigsten Studenten wohl aus der Portokasse bezahlen. Können Sie interessierten jungen Menschen ein paar Tipps geben, wie sich diese Hürde überwinden lässt?

Die Vorlesungen der BiTS-Masterprogramme finden in der Zeit von Mittwochnachmittag bis Samstagmittag statt. Es gibt also grundsätzlich die Möglichkeit, nebenbei zu arbeiten. Eine solche Tätigkeit könnte man sich im Übrigen auch als Praktikum anrechnen lassen, welches man nach dem dritten Semester ohnehin zu absolvieren hätte. Des Weiteren bieten wir Beratungen in Bezug auf Fördermöglichkeiten oder Studienkredite und werben in unseren Netzwerken für Stipendien. Unsere Studenten sind auch Unternehmer in eigener Sache. Sie werden den Wert ihrer Berliner Zeit an der BiTS erkennen und Wege finden, die ihnen diese Zeit ermöglichen.

Photo: Mohammad Jangda from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Die 62 reichsten Menschen haben so viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der Welt. Mit dieser plakativen Behauptung wollte die Organisation Oxfam die Welt wachrütteln. Werfen wir doch einmal einen Blick auf diese 62 Mega-Reichen …

Verschiedene Arten von Reichen

Schon seit einigen Jahren steht ganz oben auf der vom Magazin Forbes erstellten Liste der reichsten Menschen der Welt Bill Gates. Knapp 80 Milliarden Dollar, also etwa 73 Milliarden Euro, soll sein Privatvermögen betragen. Das ist eine Menge Geld. Allerdings hat Gates dieses Geld nicht unrechtmäßig erworben: Heerscharen von Microsoft-Kunden haben ihm gerne und freiwillig etwas gezahlt für seine Produkte. Dass die Gewinnspanne bei einem so wenig materialintensiven Produkt wie Software ziemlich hoch ist, kann man ihm nun nicht zum Vorwurf machen. Und wo wir schon bei Zahlenspielchen sind: Die Gates-Stiftung, die sich weltweit in den Bereichen Entwicklung, Gesundheit und Bildung engagiert, gab im Jahr 2014 mehr als sechs Mal so viel für ihre Programme aus wie Oxfam.

An zweiter Stelle in der Forbes-Liste rangiert Carlos Slim Helú aus Mexiko. Slims Vater war ein Syrischer Christ, der 1902 aus dem Libanon geflohen war. Er baute sich mit viel Fleiß und Geschick ein Geschäft auf und investierte die Gewinne klug in Immobilien. Auf dieser Grundlage konnte sein Sohn aufbauen und schuf im Laufe der Jahre ein gigantisches Firmenimperium. Dabei ging und geht es jedoch nicht immer mit rechten Dingen zu. Die Telefongesellschaft, die ihn richtig reich machte, erwarb Slim Anfang der 90er Jahre zu einem sehr geringen Preis und profitiert nachhaltig von ihr, weil politische Unterstützung ihm eine Monopolstellung auf dem Kommunikationsmarkt sichert. Slims Vater verdient, soweit wir das überblicken können, unseren ungeteilten Respekt. Slim selber hingegen ist ambivalent zu beurteilen: Sein unternehmerisches Handeln schafft Arbeitsplätze und mithin Wohlstand. Aber seine monopolgestützte Preispolitik schadet den Verbrauchern, ist also tendenziell eher ein Armut als Wohlstand fördernder Faktor.

Gegen die Versuchungen von Geld, Macht und Einfluss ist keiner immun

An sechster Stelle der Liste stehen die Koch-Brüder, über die in den deutschen Medien immer wieder die wildesten Geschichten kursieren. Wie Slim haben auch sie ihren Reichtum auf der Grundlage aufgebaut, die ihr Vater gelegt hatte. Der verdiente sich sein erstes Geld Anfang des 20. Jahrhunderts als Wanderarbeiter in den Niederlanden und Deutschland. Die beiden Brüder sind überzeugt von dem Wert individueller Freiheit und den Vorzügen der Marktwirtschaft. Dafür geben sie große Summen von Geld aus. Zu ihren konkreten Anliegen und Überzeugungen gehören: Eine Ablehnung US-amerikanischer Militärinterventionen und staatlicher Überwachung wie des PATRIOT Act von Präsident Bush. Die Überzeugung, dass der Krieg gegen die Drogen beendet und die Ehe für alle geöffnet werden soll. Und im vergangenen Jahr haben sie wesentlich daran mitgewirkt, Präsident Obamas Justizreformen durchzubringen. Erst jüngst war von den traditionellen Republikaner-Unterstützern eine heftige Fundamentalkritik an Donald Trump und Ted Cruz zu hören. Von dem dämonischen Ausbeutertum, das ihnen deutsche Journalisten bisweilen unterstellen, keine Spur – dafür aber ein stark ausgeprägtes Gefühl der Verantwortlichkeit.

Auch die Vermögen der meisten anderen, die die Forbes-Liste anführen, ist entweder von ihnen selbst oder von ihren Eltern aufgebaut worden. Ob das die Familie Walton ist, denen Walmart gehört, Liliane Bettencourt, die Besitzerin von L’Oreal,, die Gründer von Amazon, Facebook und Google oder, ein paar Plätze, später die Familien der „Aldi-Brüder“. Diese Menschen haben ein bedeutsames Vermögen, weil sie Produkte anbieten, für die andere Menschen gerne und in den meisten Fällen freiwillig bezahlen. Keine Frage: es gibt da Grauzonen. Das lässt sich besonders anschaulich am Beispiel Carlos Slim sehen. Milliardäre sind eben weder Teufel noch Engel. Und den Versuchungen, die Geld, Macht und Einfluss auf uns Menschen immer wieder ausüben, ist weder Bill Gates gegenüber immun, noch der Geschäftsführer von Oxfam, weder der Verfasser dieser Zeilen noch der Slumbewohner aus der Dritten Welt. Letztlich kommt es immer auf die persönliche Integrität an, nicht auf die Summen, die sich auf dem Bankkonto befinden.

Der steinreiche Sechsjährige

Und deshalb täte Oxfam besser daran, sich auf diejenigen Reichen zu fokussieren, die ihren Reichtum nachweislich auf zumindest dubiose Weise erlangt haben, statt pauschale Reichenschelte zu betreiben. Problematisch können die Reichen sein, die, wie das wohl bei Slim der Fall ist, politische Entscheidungen beeinflussen, die zu ihren Gunsten den Wettbewerb verzerren oder aushebeln. Denn wer das tut, der nimmt wirklich den Armen etwas weg. Problematisch sind die Oligarchen, die sich mit den Mächtigen ihres Landes verbünden und somit dafür sorgen, dass die Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern keinen oder wenig Anteil haben können am Wirtschaftswachstum. Problematisch sind die Reichen, die mit ihrem Geld Terroristen und Diktatoren, korrupte Politiker und Bürokraten fördern und stützen und so einem Umfeld der Instabilität und Rechtlosigkeit den Boden bereiten. Vielleicht können sich die Leute von Oxfam (und Occupy und Campact …) mal mit den Kollegen von Amnesty International zusammensetzen. Die sind nämlich am tatsächlichen Unrecht viel näher dran. Das eigentliche Unrecht ist nicht das Profitstreben in einer Marktwirtschaft. Das eigentliche Unrecht geschieht dort, wo ein Wohlstand für alle verhindert wird durch Korruption, Repression und Rechtlosigkeit. Das ist der beste Nährboden für Armut und Elend.

Es ist schon vieles geschrieben worden zu der Studie von Oxfam: Darüber, dass der Reichtum der einen auch vielen anderen zugutekommt: über Arbeitsplätze, Konsumgüter, Innovation und natürlich auch Wohltätigkeit. Darüber, dass es in der Regel den Armen nicht besonders viel hilft, wenn die Reichen weniger reich sind. Und auch darüber, dass solche Zahlenspielereien Unsinn sind, wie kürzlich auf diesem Blog. Eine besonders schöne Anmerkung zu letzterer These von dem Blogger Pixelökonom sei zum Schluss noch angeführt:

„Mein sechsjähriger Sohn verwaltet in seiner privaten Sparkasse mehr Vermögen (ca. 30 Euro) als das gesamte Vermögen der untersten 30 Prozent der Welt beträgt, weil 30 Prozent aller Menschen kein positives Nettovermögen (Saldo aus Vermögen und Schulden) haben.“