Photo: JeanbaptisteM from Flickr (CC BY 2.0)

Es sind schon skurrile Debatten, die derzeit rund um das Geld geführt werden. Erst verlangt die EZB die Abschaffung des 500-Euro-Scheins und dann kommt der Vorstoß der Bundesregierung, Barzahlungen auf 5.000 Euro zu begrenzen. All dies wird mit der Verbrechensbekämpfung begründet. Das ist so zutreffend wie „nachts ist es kälter als draußen.“

Letztlich ist die Maßnahme Teil der Interventionsspirale der EZB. Sie muss immer unkonventionellere, andere würden sagen verrücktere, Maßnahmen einleiten, damit die Niedrigzinspolitik gerechtfertigt werden kann. Doch jede Intervention zieht Reaktionen des Marktes nach sich. Verrückte Angriffe der Notenbankklempner auf den Markt werden mit verrückten Verteidigungsmaßnahmen des Marktes beantwortet.

Die Sparkassen überlegen jetzt, ob sie Bargeld horten, anstatt es zu Negativzinsen bei der EZB einzulagern. Es sei billiger dieses Bargeld zu versichern, anstatt es zu 0,3 Prozent Strafzins der EZB zu geben. Inklusiv Versicherungssteuer würde dies nur 0,1785 Euro kosten. Also ein gutes Geschäft. Doch wenn das Schule machen würde, hätte dies ungeahnte Folgen.

Denn die Sparkassen rücken damit etwas in den Blick, was vielen nicht klar ist. Viele wissen gar nicht, was in unserer heutigen Zeit Geld ist, oder besser: was das gesetzliche Zahlungsmittel ist. Hier hilft ein Blick ins Gesetz. In Paragraph 14 Bundesbankgesetz heißt es in Satz 2: „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“

Unbeschränkt gesetzliches Zahlungsmittel ist also nicht das Buchgeld, das auf den Konten herumliegt, sondern nur die Euro-Banknote, das Bargeld. An der gesamten Euro-Geldmenge macht das Bargeld weniger als 10 Prozent aus. Wollte man die gesamte Geldmenge zu Bargeld machen, müsste die EZB 9 Billionen Euro drucken.

Vielleicht wird sie nicht 9 Billionen Euro drucken müssen, doch wenn der Plan der Sparkassen Nachahmer findet, dann steigt sehr schnell der Bargeldanteil an der gesamten Geldmenge. Denn wenn Sparkassen das Horten von Geldbeständen in den eigenen Tresoren als Geschäftsmodell erkennen, werden Commerzbank, Deutsche Bank und Volksbanken sehr schnell diesem Modell folgen. Und wenn die Banken insgesamt hohe Geldbestände auf ihren Konten ebenfalls mit Strafzinsen belasten, werden auch Unternehmen, Versicherungen, staatliche Institutionen wie die Renten- und Arbeitslosenversicherung, aber auch Bürger auf die Idee kommen, ihr Geld lieber im Schließfach, Tresor oder unter dem Kopfkissen aufzubewahren. Auch dies würde die Bargeldmenge massiv erhöhen. Die EZB und die Regierung haben daran kein Interesse. Je höher der Bargeldumlauf ist, desto weniger kann ein Negativzins allen Marktteilnehmern aufgedrückt werden. Gerade deshalb findet ja die derzeitige Einschränkung des Bargeldverkehres statt.

Natürlich könnte der Gesetzgeber dazu übergehen, das „gesetzliche Zahlungsmittel“ auch auf das Buchgeld auszuweiten. Doch so einfach ist es nicht. Heute ist das Bargeld gesetzliches Zahlungsmittel auch deshalb, weil die EZB bzw. die Bundesbank ihre Menge exakt festlegen kann. Dies ist beim Buchgeld nicht möglich. Hier versucht sie über ihre Geldpolitik die Menge zu steuern, was ihr offensichtlich nicht gelingen mag.

Deshalb werden Regierung, Bundesbank und EZB einen anderen Weg gehen: den Weg der Intervention. Auf die Intervention und die Reaktion des Marktes folgt die nächste Intervention, die von einer neuen Reaktion des Marktes begleitet wird. Die Spirale dreht sich immer schneller. Das zeigt: die EZB-Politik des billigen Geldes ist gescheitert. Mario Draghi ist gescheitert. Immer mehr billiges Geld führt nicht zu einer größeren Kreditvergabe an die lahmende Wirtschaft in Südeuropa, sondern die Banken horten dieses Geld. Sie wollen in ein fallendes Beil nicht die Hand halten. Wohin führen die Interventionen von Mario Draghi mittelfristig? Wahrscheinlich zu einer Verstaatlichung des Kredits. Denn, die EZB geht davon aus, zu wissen wo Geld und Kredit fehlt. Das eigentliche Problem sind in diesem Verständnis die Banken, die den Vorgaben der EZB partout nicht folgen wollen. Deshalb werden sie entweder gezwungen, Kredite an die Wirtschaft auszureichen oder aber die EZB vergibt Kredite selbst an die Wirtschaft.

Letztlich zielt diese Art der Politik auf eine Globalsteuerung der Wirtschaft ab. Es geht um die Frage „Markt oder Befehl?“. Mario Draghi hat sich bereits seit langem gegen den „Markt“ und für „Befehl“ entschieden. Damit folgt er einer Vorstellung, die der Ökonom Ludwig von Mises schon vor über 75 Jahren als „altes Vorurteil“ bezeichnete: „Man hält den Zins für ein Hindernis menschlicher Wohlfahrt, man glaubt, dass es Pflicht der Obrigkeit sei, auf Senkung der Zinshöhe hinzuarbeiten.“

 

Die Bundesregierung hat in dieser Woche ein „nationales Programm für nachhaltigen Konsum“ beschlossen. Jetzt ist Vorsicht geboten. Denn sie meint damit nicht, dass Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel oder Kanzleramtsminister Peter Altmaier mehr Maß halten und mehr vom täglichen Kalorienkuchen an Dritte abgeben sollen. Sondern es geht im vom Kabinett beschlossenen Programm um nicht mehr und nicht weniger als um den hehren Anspruch, „heute so zu konsumieren, dass die Bedürfnisbefriedigung heutiger und zukünftiger Generationen unter Beachtung der Belastbarkeitsgrenzen der Erde nicht gefährdet wird.“ Mehr Pathos geht nicht!

Es bedeutet „auch eine kritische Auseinandersetzung mit unseren Lebensstilen und unserem Wohlstandskonzept“. Nichts gegen Selbstreflexion, aber wen meint die Bundesregierung mit „unseren Lebensstilen“ und „unserem Wohlstandskonzept“? Den Lebensstil der Kanzlerin, die gerne wandert? Oder meint sie Heiko Maas, der uns gerne überwacht? Oder ist es doch der Lebensstil von Frank-Walter Steinmeier, der schon berufsbedingt permanent durch die Welt jetten muss? Mit welchem dieser Lebensstile sollen wir uns gründlich auseinandersetzen? Und was ist mit der Auseinandersetzung mit „unserem Wohlstandskonzept“ gemeint? Soll der Staat seinen Wohlstand zurückfahren – Schwimmbäder, Theater und Museen schließen? Oder geht es doch um etwas anderes? Geht es darum, dass die Regierung uns mehr an die Hand nehmen will. Vater Staat sagt, was die kleinen Bürger zu tun und zu lassen haben. Und wer nicht brav ist und folgt, darf abends nicht fernsehen.

Also geht es doch um all das, was die neuen Jakobiner uns aufs Auge drücken wollen: Weniger Fleisch essen, weniger Autofahren, die Hauswand begrünen und damit die Welt vor dem sonst sicheren Untergang retten? Eine freie Gesellschaft hat eine andere Philosophie: Dort hat kein Mensch, keine Gruppe, keine noch so demokratisch gewählte Mehrheit und kein Staat das Recht, Menschen zu zwingen, auf eine bestimmte Art und Weise glücklich zu sein.

Doch diese Regierung geht einen anderen Weg. Sie will uns zwangsbeglücken. Schon bald werden Forschungsgelder verteilt, Personal eingestellt, Programme aufgelegt, Gesetze und Verordnungen erfunden oder einfach nur in die richtige Richtung „gestupst“ (neudeutsch: Nudging), um den „nachhaltigen Konsum“ schwarz-roter Prägung umzusetzen. Die Grundlage für all das, liegt jetzt auf dem Tisch. Man könnte zum Schluß kommen und meinen, das Land und seine Menschen hätten aktuell andere Probleme – Flüchtlinge, Euro und so weiter, doch weit gefehlt. So will die Regierung ein Projekt „Slow Fashion“ fördern, welches „auf eine freiwillige Entschleunigung und damit einhergehende Einschränkung des Bekleidungskonsums durch eine Verlängerung der Nutzungsphase von Kleidung abzielt“. Vielleicht kann man dann auch noch erreichen, dass der Waschzyklus dieser Bekleidung verlängert wird. Das riecht dann etwas strenger, aber spart Wasser. Und bei der Kleidersammlung will sich die Regierung künftig auch beteiligen. Sie will die „Erhöhung des Einsatzes von Recyclingfasern, zum Beispiel durch das öffentliche Beschaffungswesen“ verbessern. Konsequenterweise sollen auch „klimafreundliche Urlaubsreisen“ gefördert werden. Dazu passt dann auch die Forderung nach einer Intensivierung der „Unterstützung des Fußverkehrs“ „z.B. durch Entwicklung einer Fußverkehrsstrategie für Deutschland“. Was folgt daraus? Am Besten Sie stornieren Ihre Urlaubsreise nach Mallorca und bleiben im Sommer zu Hause, da ist es eh am Schönsten!

Photo: Petra B. Fritz from Flickr

Photo: Universität Salzburg from Flickr (CC BY 2.0)

Umverteilung findet oft nicht von Reich zu Arm statt. Meist sind die Umverteilungsströme undurchsichtig und kommen am Ende doch nicht den Bedürftigen zugute. Zum Beispiel beim Thema Bildungsfinanzierung. Da lässt sich noch einiges ändern.

Akademiker sind teuer

Etwa 2,75 Millionen junge Menschen studieren derzeit in Deutschland. 1,35 Millionen befinden sich in der Ausbildung. Die Zukunftsaussichten beider Gruppen sind natürlich so unterschiedlich wie die Individuen selbst. Dennoch kann man relativ sicher sagen, dass die Mehrheit der Studierenden nicht hinter dem Steuer eines Taxis landen werden. Genauso wie die Mehrzahl der Auszubildenden wohl nicht in 25 Jahren selbständige Unternehmer mit saftigen Renditen sein werden. Akademiker, so eine OECD-Studie aus dem Jahr 2014, verdienen in Deutschland im Schnitt 74 Prozent mehr als Berufstätige, die weder Uni noch Fachhochschule oder Meisterschule besucht haben.

Akademiker verdienen aber nicht nur oft sehr ordentlich – sie kosten auch erstmal eine Zeit lang ordentlich Geld. Am billigsten sind, ausweislich des Statistischen Bundesamtes, übrigens Juristen, BWLer, Volkswirte und Sozialwissenschaftler, die pro Jahr mit etwa 3.600 Euro zu Buche schlagen. Verhältnismäßig günstig sind auch noch Sprach- und Kulturwissenschaftler (5.000 €), Ingenieure (6.580 €) oder Naturwissenschaftler und Mathematiker (8.670 €). Spitzenreiter sind mit großem Abstand die Humanmediziner, die Jahr für Jahr rund 31.000 € kosten. Das sind jetzt freilich nur die Kosten für das laufende Studium. Noch nicht mit eingerechnet sind zusätzliche Förderungen, Zuschüsse, Stipendien und Steuererleichterungen. Kurzum: Wir lassen uns Bildung etwas kosten.

Wir besuchen die Universität nicht, um der Gesellschaft zu nutzen

Bildung – so lassen uns Politiker und Meinungsmacher von Sonntagsrede zu Sonntagsrede immer wieder wissen –, Bildung ist eine Investition in die Zukunft. Stimmt ja auch irgendwie: der Ingenieur, der heute die Unibank drückt, wird morgen vielleicht den Automarkt revolutionieren. Die gut ausgebildete Juristin wird ihren Mitbürgern als Richterin oder Anwältin einen Dienst erweisen. Und der Kulturwissenschaftler wird als Literaturnobelpreisträger von morgen das deutschsprachige Kulturgut substantiell bereichern. Aber zunächst einmal investiert jeder Student nicht in die Zukunft eines Staatskollektivs, sondern in seine ganz eigene persönliche Zukunft.

Und es ist mitnichten verwerflich, dass er diese Investition nicht zuletzt auch im Blick auf bessere Verdienstmöglichkeiten tätigt (wobei Verdienst hier durchaus sehr viel mehr bedeuten kann als nur monetäres Einkommen – dazu gehören auch Reputation, Einfluss und persönliche Zufriedenheit). Der Student muss keineswegs beständig auch seinen möglichen gesellschaftlichen Nutzen im Auge haben. Der Haken an der Sache ist allerdings: er selbst investiert in der Regel wenig anderes als seine Zeit. Neben dem Semesterbeitrag entstehen meist keine finanziellen Kosten für ihn. Die werden nämlich umgelegt auf alle Steuerzahler.

Die Kindergärtnerin und die Patentanwältin

Das heißt konkret: Der Automechaniker-Azubi und dessen Mutter, die im Kindergarten arbeitet, finanzieren durch Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer, Energiesteuer und Co. das Studium für die künftige Patentanwältin oder den künftigen Chefarzt. Wenn man sich den Mechanismus einmal so bildlich vor Augen führt, wird besonders anschaulich, wie aberwitzig das derzeitige System eigentlich ist. Bei dieser Umverteilung (wie auch bei vielen anderen) handelt es sich mitnichten um eine Maßnahme, um die Härten des Lebens für schlechter Gestellte abzufedern. Vielmehr werden Menschen, die niemals das Verdienstniveau von Akademikern erreichen werden, dazu genötigt, deren Ausbildung mitzufinanzieren.

Eine kurze Zeit lang, zu Beginn der 2000er Jahre, gab es in einigen deutschen Bundesländern ja schon einmal Studiengebühren, wenn auch in einem erheblich harmloseren Umfang als das etwa in Großbritannien oder gar in den USA der Fall ist. Im Zuge der Debatten um deren baldige Abschaffung war ein häufig vorgebrachtes Argument, man halte mit Studiengebühren gerade diejenigen vom Studium ab, für die Hürden ohnehin schon ziemlich hoch sind. Vor allem Kinder aus Nicht-Akademiker-Familien, deren Eltern es sich nicht leisten können, diese Gebühren zu übernehmen oder vorzustrecken, seien somit benachteiligt. Der Einwand ist durchaus valide – der Schluss, das Studium wieder kostenlos zu machen, nicht.

Wer bestellt, sollte auch zahlen

Für einen Großteil der Studenten ist ihr Studium der Schlüssel zu einem späteren finanziellen Erfolg. Diesen Schlüssel sollten ihnen nicht andere zur Verfügung stellen müssen. Es gibt inzwischen zum Glück intelligentere Optionen zur Studienfinanzierung als einen Großkredit aufnehmen zu müssen. Die privaten Unis haben es vorgemacht: Seit 1995 hat die Universität Witten/Herdecke das Modell des „Umgekehrten Generationenvertrags“ – inzwischen wurde es auch von anderen privaten Universitäten und Hochschulen in Deutschland aufgegriffen. Studierende zahlen hier erst nach dem Studium, und zwar einen gewissen Prozentsatz ihres Einkommens.

In Großbritannien wurde auch zeitweise darüber debattiert, eine entsprechende Akademiker-Steuer einzuführen. Die nächste Steuer einzuführen, ist sicherlich keine gute Idee. Aber eine einkommensabhängige „Akademiker-Gebühr“, die auch ohne Umwege über den Steuersäckel direkt den Universitäten zufließt, wäre durchaus eine Erwägung wert. Mit der Kirchensteuer gibt es ja auch bereits ein bewährtes Verfahren, das man übernehmen könnte.

Das wäre übrigens auch eine gute Gelegenheit, um insgesamt darüber nachzudenken, wo man Steuern durch Beiträge ersetzen kann. Viel zu viele Bereiche in unserem Staat, gerade auf dem Gebiet der Infrastruktur im weiteren Sinne, werden unabhängig von ihrer Nutzung aus dem großen Steuertopf bezahlt. Das beste Mittel gegen eine Umverteilung, die beständig Ungerechtigkeiten produziert, ist es, denjenigen für eine Leistung zahlen zu lassen, der sie auch in Anspruch nimmt. Wer bestellt, sollte auch zahlen.

 

Photo: KylaBorg from Flickr (CC BY 2.0)

Liebe britische Freunde,

wenn Ihr im Sommer über den Brexit entscheidet, dann geschieht dies aus einer Stimmung der Verärgerung und Resignation über die Entwicklung der Europäischen Union heraus. Es stimmt: die EU ist in keiner guten Verfassung. Sie wird ihrem eigenen Anspruch, den sie im Jahr 2000 in der Lissabon-Strategie formuliert hat, nicht gerecht. Sie wollte „ein Vorbild für den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritt in der Welt sein“. 16 Jahre später ist die Bilanz niederschmetternd.

Die Gesamtverschuldung der Mitgliedsstaaten der EU war noch nie so hoch, das Wachstum lahmt und die Arbeitslosigkeit im Süden Europas ist besorgniserregend. Die Reaktion der Funktionäre auf diese Entwicklung ist noch mehr Zentralismus, noch mehr Planwirtschaft und noch mehr Gängelung des Einzelnen. Offensichtlich wird diese Entwicklung bei der Euro- und Flüchtlingskrise. Der Ursprung beider Krisen ist der gleiche. Die EU ist keine Rechtsgemeinschaft. Europäische Verträge sind Schönwetter-Recht. Bei Wind und Wetter werden sie gebrochen, geschleift und umgedeutet.

Zentralplanerische Projekte nahmen historisch sehr oft diese Entwicklung. Die Mitgliedsstaaten in Osteuropa können ein Lied davon singen, aber auch Großbritannien selbst ging diesen Weg vom Zweiten Weltkrieg bis Ende der 1970er Jahre. Erst die Eiserne Lady Thatcher beendete dieses sozialistische Experiment. Thatchers Weg war steinig und hart, aber erfolgreich.

Es ist sicherlich so, dass das, was Premierminister Cameron beim Europäischen Rat verhandelt hat, im Ergebnis sehr bescheiden ist. Ja, Ihr könnt in den nächsten Jahren EU-Ausländer von Sozialleistungen ausschließen. Okay, auch die Aufsicht über Eure Banken und Versicherungen könnt ihr behalten. Und ihr bekräftigt nochmals, dass Ihr NIE, NIE, NIE den Euro einführen werdet. Ja, Cameron ging in die Verhandlungen wie ein adrenalingeschwängerter Boxer und kam mit zwei blauen Augen aus dem nächtlichen Fight. Und als er nach Hause kam, verpasste ihm sein Parteifreund Boris Johnson noch einen Leberhaken obendrauf. Das tat weh.

Vielleicht hätte er den anderen Regierungschefs, wie einst Maggy Thatcher bei anderer Gelegenheit, Hayeks „Verfassung der Freiheit“ auf den Tisch knallen und sagen sollen: „This is what we believe“ und anschließend vorübergehend den Verhandlungstisch verlassen müssen. Vielleicht hätte er zuvor in der EU Allianzen für eine grundlegende Überarbeitung der Verträge schließen müssen. Vielleicht wären die osteuropäischen Staaten dafür Verbündete gewesen, vielleicht sogar auch Deutschland, die Niederlande oder die skandinavischen Staaten. Doch schon ein gewisser Peer Steinbrück sagte einmal: „Hätte, hätte, hätte Fahrradkette“.

Klar ist: entscheidet Ihr Euch für den Brexit, dann überlasst Ihr weite Teile Europas dem Zentralismus, der Planwirtschaft und dem Paternalismus. Bei aller Distanz zum Festland ist die Tradition Großbritanniens eine andere. Großbritannien hat über Jahrhunderte den Rest Europas immer wieder befruchtet und inspiriert.

Großbritannien steht nicht nur für die große Rechtstradition der Magna Charta und der Bill of Rights, die die Herrschaft des Rechts über die der Herrschenden stellte. Aus Großbritannien stammen bedeutende Vordenker der Freiheit wie John Locke, David Hume oder Adam Ferguson. Wahrscheinlich gibt es wenig so eindrucksvolle literarische Monumente über die Freiheit wie John Stuart Mills „On Liberty“. Und in Großbritannien wurde Bahnbrechendes über Marktwirtschaft und Freihandel formuliert. Männern wie Adam Smith und David Ricardo stehen für diese große Tradition.

Als Adam Smith sein Buch „Der Wohlstand der Nationen“ 1776 veröffentlichte und energisch für den Freihandel eintrat, hat keiner, nicht einmal Smith selbst, daran geglaubt, dass die Zeit des Merkantilismus in absehbarer Zeit zu Ende gehen würde. Und dennoch verbreite sich rund 70 Jahre später, aus England kommend, eine Freihandelsbewegung in Europa und in der Welt, die heute noch Grundlage für unser aller Wohlstand ist. Richard Cobden und John Bright haben den ganzen Kontinent inspiriert.

Liebe britische Freude,

lassen Sie den Rest in Europa nicht im Stich. Inspirieren Sie, provozieren Sie und verändern Sie Europa weiterhin. Der Rückzug wäre ein falsches Signal und würde die Europäische Union noch stärker den Zentralstaatlern und Geldausgebern überlassen. Das würde letztlich auch Großbritannien schaden. Denn ein Rest-Europa, das noch weiter zurückfällt, weil es nicht auf Marktwirtschaft, Recht und Freiheit setzt, schadet mittelbar auch Großbritannien. Es würde innerhalb der EU zu einer Achsenverschiebung in Richtung Südeuropa führen. Länder mit einer noch einigermaßen ausgeprägten marktwirtschaftlichen Ausrichtung wie die baltischen Staaten, die Niederlande und abgeschwächt auch Deutschland, würden weiter an den Rand gedrängt. Länder mit einer zentralistischen Tradition wie Frankreich und Netto-Profiteure wie Italien und Spanien würden in Verbindung mit der Bürokratie in Brüssel noch stärker den Kurs bestimmen. Einen Kurs, dem Sie mittelbar auch auf ökonomischer wie regulatorischer Ebene ausgeliefert wären – und zwar ohne, dass Sie noch echten Einfluss ausübern könnten. Das wäre fatal.

Liebe britische Freunde,

stimmen Sie für den Verbleib in der EU. Überlassen Sie den Rest Europas nicht den Planern und Technokraten, sondern sorgen Sie mit anderen Freunden der Freiheit für Veränderungen. Um es mit dem Deutsch-Briten Lord Dahrendorf zu sagen: „Europa muss Rechtsstaat und Demokratie verkörpern, pflegen und garantieren: sonst ist es der Mühe nicht wert.“

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

 

Photo: David J from Flickr (CC BY 2.0)

Die Banken wackeln wieder. In Italien werden Milliarden-Risiken aus faulen Krediten in eine staatlich gestützte Bad Bank ausgelagert. In Deutschland bricht der Kurs der Deutschen Bank besorgniserregend ein. Und schon werden Erinnerungen an die Jahre 2007/2008 und an 2010 wach. Dabei sollte doch alles besser werden. Mit dem ESM und der Bankenunion sollten doch die richtigen Schlüsse aus der Krise gefunden werden. Die Bankenunion sieht nicht nur eine Zentralisierung der Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank vor, sondern umfasst auch einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus für marode Banken und vielleicht bald auch eine einheitliche Einlagensicherung im Euro-Raum. Die Bankenunion soll so die Erpressbarkeit der Sparer und Steuerzahler durch die Banken künftig ausschließen. Bei Lichte betrachtet sind an dieser Architektur mehrere Konstruktionsfehler festzustellen.

Erstens: In der schwersten Schuldenkrise von Staaten und Banken in Europa setzt man die Bankenaufsicht nicht völlig neu auf. Wenn von ursprünglich 19 Aufsichten nur noch eine Aufsicht zuständig ist, dann ist dies nicht nur in Schönwetterzeiten bereits organisatorisch eine Herkulesaufgabe. Bei Sturm ist es ein Kamikazeabenteuer. Es wird aber noch zusätzlich verschärft, wenn eine Behörde wie die EZB plötzlich damit betraut wird. Deren Mitarbeiter haben davon nur sehr wenig Ahnung, weil sie bislang aus gutem Grund nichts damit zu tun hatten. Denn wer für die Geldpolitik Verantwortung trägt, kann eigentlich nicht gleichzeitig Banken beaufsichtigen oder im Extremfall sogar schließen. Das beißt sich.

Zweitens: Der beschlossene Abwicklungsmechanismus wird nicht angewandt. In Italien werden die Gläubiger und Eigentümer der Banken nicht beteiligt, sondern die Risiken mit der Bildung einer Bad Bank auf den Steuerzahler verlagert. Schon beim ersten Anwendungsfall versagt das System.

Drittens: Die EU-Kommission will aus 19 unterschiedlichen, nicht-funktionierenden oder schlecht funktionierenden Einlagensicherungssystemen ein neues einheitliches machen. Jede Einlage bei einer Bank in einem Euro-Staat soll dadurch gleich sicher sein, dass alle Sparer für diese Einlage im Zweifel eintreten. Größere Schieflagen kann derzeit schon kein Einlagensicherungssystem im Euroraum bewältigen – nicht einmal das deutsche. Wenn daraus ein zentrales Sicherungssystem entstehen soll, dann wird es dadurch nicht besser. Es wird ein Einlagen-Verunsicherungssystem geschaffen, das im Zweifel den Bankrun nicht verhindert.

Die wachsende Verzweiflung der Handelnden in der Kommission, der EZB und den Regierungen ist auch der Grund für die finanzielle Repression beim Bargeld. Wenn der Finanzminister heute sagt, niemand habe vor, das Bargeld abzuschaffen, dann erinnert das an Jean-Claude Junckers Aussage: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Der Markt glaubt nicht an den Erfolg dieses zentralistischen Konstruktivismus, weil er sich immer weiter vom eigentlichen Problem entfernt. Die Entkoppelung von Risiko, Haftung und Verantwortung ist die Ursache der Krise. Banken gehen Risiken ein, die ihre Eigentümer und Gläubiger nur dann tragen wollen, wenn es gut geht. Geht es schief, rufen sie nach der Regierung und erpressen sie damit, dass sie behaupten: Wenn wir ein Problem haben, dann hat die Regierung auch eins.

Dieses Erpressungspotential muss durchbrochen werden. Jede Bank oder Bankengruppe muss selbst Vorsorge für den Fall der Schieflage treffen. Wenn das konsequent durchgeführt würde, entstünden sehr wahrscheinlich ganz andere Banken. Sie würden nicht ihre Bilanzsumme in schwindelerregende Höhen treiben, sondern würden das Geld ihrer Kunden verwahren. Die Einleger würden dann von ihrer Bank gefragt, ob sie die Einlage des Kunden weiterverleihen darf und wie lange. Wahrscheinlich würde das System, dass Banken Geld aus dem Nichts durch Kreditvergabe schaffen können, dann nicht mehr so einfach funktionieren. Eine solche dezentral verantwortete Wirtschaftsordnung ist uns nicht fremd. Sie existiert außerhalb des Bankgewerbes überall. Es käme ja auch keiner auf die Idee, bei der Insolvenz einer Großbäckerei die Versorgung mit Brötchen durch eine gesetzliche Einstands- und Versorgungspflicht aller Bäckereien zu sichern. Oder vielleicht doch, Herr Juncker?