Photo: Hamed Al-Raisi from Flickr (CC BY 2.0)

Die Einschläge kommen immer näher und in kürzeren Abständen. Erst waren es nur Notenbanker und Wissenschaftler wie der Chef-Ökonom der Bank of England Andy Haldane und der Harvard-Professor Kenneth Rogoff, die die Abschaffung des Bargeldes forderten. Jetzt bescheinigte beim Treffen der Mächtigen in Davos Deutschbanker John Cryan Münzen und Scheinen keine gute Zukunft: Bargeld sei fürchterlich teuer und ineffizient. Bei der aktuellen Ertragssituation der größten deutschen Bank kann man da schon fast Verständnis oder sogar Mitleid haben.

Doch Mitleid ist ein schlechter Ratgeber. Denn immer dann, wenn der mediale Boden bereitet ist, springt auch die Politik auf das Thema auf. So will die SPD jetzt den 500-Euro-Schein abschaffen und Barzahlungen auf 5.000 Euro beschränken. Deren Sprecher Jens Zimmermann sagte dazu: „Der 500 Euro-Schein spielt in kriminellen und halbseidenen Milieus eine große Rolle“. Wer will sich schon mit kriminellen und halbseidenen Milieus identifizieren? Doch was ist mit 200 Euro-Scheinen, was ist mit den beliebten 100- und 50-Euro-Scheinen? Auch mit diesen werden Drogen gekauft, Menschenhandel finanziert und Beamte geschmiert.

Es gibt mächtige Interessen, die die Abschaffung des Bargeldes wollen. Alle diese Gruppen profitieren davon. Die Polizei kann Verbrecher, vom Schwarzarbeiter bis zum Terroristen, besser jagen, wenn alle Zahlungen über Konten abgewickelt werden müssen. Banken sparen Kosten, weil sie nicht ständig Bargeld sichern, herausgeben und verwalten müssen. Den Finanzminister freut es, weil er Einkommen leichter besteuern und kontrollieren kann. Und wenn die Überschuldung von Staaten und Banken offensichtlich wird und das Vertrauen in das staatliche Geldmonopol schwindet, dann kann man viel „effizienter“ mit Bankferien darauf reagieren. Argentinien, Griechenland und Zypern lassen grüßen.

Der Kollateralschaden ist erheblich: Ein wichtiges Stück Freiheit geht verloren. Denn Bargeld ist der in Münzen geschlagene Teil unserer Freiheit. Es geht zunächst einmal niemanden, keinen Finanzminister, keine Polizei, keinen Zentralbanker, keinen Deutschbanker und wen auch immer etwas an, was der Einzelne mit seinem Geld macht. Die Unschuldsvermutung ist ein Kernelement unseres Rechtssystems.

Das Bargeld hatte nicht immer so einen schlechten Ruf: Wer vor 40 Jahren einen neuen Fernseher gekauft hat, konnte diesen selbstverständlich mit einem 500 DM oder 1.000 DM-Schein bezahlen. Die Barzahlung war die Regel, die unbare Zahlungsweise die Ausnahme. Heute hat sich das Verhältnis umgedreht. Wer heute mit einem 500-Euro-Schein in einem Laden bezahlt, wird schräg angeschaut. Die psychologische Kriegsführung gegen das Bargeld hat das Unterbewusstsein erreicht. Das ist nicht gut für eine freie Gesellschaft. Daher muss all den Wissenschaftlern, Bankern und Politikern, die diese Entwicklung forcieren, Einhalt geboten werden. Ein freiheitlicher Rechtsstaat hat nicht das Recht der Überwachung jedes Einzelnen, weder unmittelbar noch mittelbar.

Die Antwort einer freien Gesellschaft muss eine Stärkung der Vertragsfreiheit sein. Sie ist Lebenselixier der Marktwirtschaft. Die Vertragsfreiheit sichert die Vielfalt. Sie bei der Wahl des jeweiligen Zahlungsmittels zu stärken, wäre die richtige Antwort auf den staatlichen Paternalismus. Schränken Regierung und Notenbank diese Vertragsfreiheit jedoch ein, dann ist ein weiterer Schritt in eine gelenkte Wirtschaft und den Überwachungsstaat bereitet.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

 

Photo: Sigfrid Lundberg from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Die Wirtschaftskrise im Euro-Club hält unvermindert an. Man muss kein Schwarzmaler sein, um zu erkennen: So wird das nix!

Wenige Zahlen verdeutlichen dies: In den letzten fünfzehn Jahren ist die Industrieproduktion in Griechenland um 28 Prozent, in Italien um 21 Prozent, in Spanien und Portugal um 18 Prozent und in Frankreich um 15 Prozent gesunken. Alle diese Länder sind meilenweit vom Peak in den Jahren 2007/2008 entfernt, ohne dass sich nennenswert etwas bei den Zahlen verbessert hat. Im Gegenteil: Italien ist auf dem Niveau von vor 30 Jahren. Damals hatte das Land eine vergleichbare Industrieproduktion wie heute (Quelle).

Zudem kommt hinzu, dass der italienische Bankensektor überschuldet ist. Die faulen Kredite in den Büchern der Banken erklimmen seit nunmehr sieben Jahren Monat für Monat ein neues Allzeithoch. Inzwischen liegt es bei 201 Milliarden Euro und entspricht 12,1 Prozent aller Kredite, die an private Haushalte und Unternehmen ausgereicht wurden. Die FAZ berichtete in dieser Woche sogar davon, dass „wackelige Kredite“ in einer Größenordnung von 150 bis 170 Milliarden Euro hinzugerechnet werden müssten. In der Spitze wären es dann über 22 Prozent aller Kredite an den Privatsektor, die problematisch sind. Normal wären 3 oder 4 Prozent. Italiens Banken und damit die gesamte Volkswirtschaft haben ein Riesenproblem. Von Griechenland will ich hier nicht ausführlicher sprechen. Dort ist Hopfen und Malz verloren. Nur so viel: Lediglich 3,6 Millionen der 11 Millionen Griechen sind erwerbstätig. Die Industrieproduktion ist in der Spitze seit November 2007 um 31,6 Prozent eingebrochen. Und auch im November letzten Jahres ist die Industrieproduktion im Vergleich zum Vorjahresmonat um 10,2 Prozent gesunken.

Umgekehrt ist in den letzten 15 Jahren die Industrieproduktion in Deutschland um 20 Prozent gestiegen. Deutschland hat das Vorkrisenniveau seiner Industrieproduktion wieder erreicht. Die deutsche Wirtschaft wächst und die Südländer des Euroclubs kommen nicht von der Stelle. Geht dies so weiter, werden die politischen Zentrifugalkräfte den Euro zerreißen.

Keiner konnte erwarten, dass die seit der ersten Griechenland-Hilfe 2010 getroffenen Maßnahmen sofort wirken. Schmerzhafte Reformen benötigen in der Regel zwei bis drei Jahre bis sie wirken. Das musste auch Gerhard Schröder bitter erfahren: die Erfolge von dessen radikalen Arbeitsmarktreformen konnte erst die Nachfolgeregierung ernten. Doch nunmehr sind sechs Jahre vergangen, ohne dass die getroffenen Maßnahmen in Griechenland Wirkung zeigen. Deshalb muss man schonungslos konstatieren, dass sie wirkungslos und daher falsch waren.

Das gleiche Schicksal droht den jüngsten Anstrengungen. Das Juncker-Programm der EU zur Investitionssteigerung in den Mitgliedsstaaten ist so ein Unsinn. Es funktioniert nach dem Motto: Wenn die Wirtschaft nicht saufen will, dann wird sie zur Tränke geführt. Es findet eine Art Investitions-„waterboarding“ statt.

Mit einem Mindestvolumen von 21 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt und den Mitgliedsstaaten soll die Europäische Investitionsbank (EIB) weitere private Investoren finden, die dann ein Investitionsvolumen von 315 Milliarden Euro erzeugen sollen. Man erfährt nur selten etwas über geförderte Projekte der EIB. Doch sagt es schon vieles über die Sinnhaftigkeit der zurückliegenden Subventionen aus, wenn die EIB erklärt, sie überprüfe derzeit, ob die subventionierten Kredite der Bank an VW richtig waren. Nur zum Verständnis: Einer der größten Automobilkonzerne der Welt erhält subventionierte Kredite einer staatlichen Förderbank für Investitionen, die er sonst auch getätigt hätte. Seit 1990 seien 4,6 Milliarden Euro ausgegeben worden, um saubere Motoren zu erforschen! Na da kann man nur sagen: Das hat sich gelohnt!

Es gibt zwei Erkenntnisse aus der Krise. Erstens: die Krisenstaaten müssen selbst ihren Kopf aus der Schlinge ziehen. Sie – und kein anderer – müssen Staat und Gesellschaft reformieren. Dazu braucht es Reformen am Arbeitsmarkt, bei den Steuern, bei der Bürokratie und beim Schutz des Eigentums. Und zweitens: Geschieht ersteres nicht schnell und unmittelbar, wird der Euro-Club auseinander fallen wie jetzt der Schengen-Raum. Europa ginge dann schwersten Zeiten entgegen.

Photo: Robin Hood from Flickr (CC BY 2.0)

„62 Superreiche besitzen so viel wie die halbe Welt“, behauptet in dieser Woche die Lobbygruppe Oxfam und macht damit breite Schlagzeilen. Das Vermögen dieser 62 habe in den vergangenen fünf Jahren um eine halbe Billion zugenommen, wohingegen das Vermögen der ärmsten Hälfte der Weltbevölkerung um eine Billion US-Dollar geschrumpft sei. Das hört sich an wie „linke Tasche, rechte Tasche“, so eine Art Nullsummenspiel. Aber haben sich die Reichen wirklich auf Kosten der Armen gütlich getan?

Solche Vergleiche sind beliebt und dankbar, doch sie sind so richtig, wie wenn man sagt, das Aufkommen des Farbfernsehers Ende der 1960er Jahre sei ursächlich verantwortlich für den Rückgang der Geburtenrate in Deutschland. Es wird ein Ursachen-Wirkungs-Zusammenhang hergestellt, der mit der Realität herzlich wenig zu tun hat. Zufall und Notwendigkeit werden vertauscht. Oder anders ausgedrückt: Nicht jede Korrelation ist auch eine Kausalität.

Die Schlagzeile behauptet nicht nur eine wachsende Ungleichheit, sondern es wird auch unterschwellig die Botschaft mitgeschickt, dass Ungleichheit zu Armut führe. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Armut nimmt weltweit seit vielen Jahren ab. Wie die Weltbank mitteilt, lebten 1981 noch 44 Prozent der Weltbevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze. Inzwischen hat sich der Anteil auf 12,7 Prozent reduziert. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass 1981 noch fast 2 Milliarden Menschen auf dieser Welt weniger als das absolute Existenzminimum pro Tag zur Verfügung hatten. Eine Generation später zählen 1,1 Milliarden Menschen auf dieser Welt nicht mehr zu den absolut Armen, obwohl die Grenze inzwischen von 1,00 auf 1,90 US-Dollar angehoben wurde und die Weltbevölkerung erheblich zugenommen hat. Allein in China sind über 750 Millionen Menschen aus bitterster Armut aufgestiegen. Die Ursache dafür ist die Globalisierung und der durch die internationale Arbeitsteilung wachsende Welthandel. In den vergangenen 10 Jahren ist das Bruttoinlandsprodukt auf der Welt um 60 Prozent gestiegen.

Die Beseitigung von Armut und die Schaffung von Wohlstand sind nicht durch Umverteilung und die wachsende Besteuerung der „Reichen“ erreicht worden. Wenn das so wäre, dann könnten die Länder mit der größten Vermögensgleichheit, besondere Wohlstandserfolge feiern. Doch Nordkorea gehört unzweifelhaft zu den ärmsten Ländern der Welt. Und auch die DDR ist nicht an ihrer Ungleichheit zugrunde gegangen.

Wohlstand für alle wird also nicht durch eine größtmögliche Umverteilung erreicht, sondern durch eine marktwirtschaftliche Ordnung in einem freiheitlichen Rechtsstaat. Wenn rechtssicher Verträge geschlossen werden können, Eigentum rechtssicher erworben und veräußert werden kann, wenn die Steuern nicht prohibitiv sind und die staatliche Bürokratie moderat ist, dann wird investiert, werden Arbeitsplätze geschaffen, Einkommen erzielt und Wohlstand geschaffen. Dieser Zusammenhang gilt global und ist das Erfolgsrezept der Marktwirtschaft. Sie zu behindern, würde erneut zu Armut und Elend führen. Das ist die Denke vieler Linken. Sie wollen, dass es schlechter wird, damit es „besser“ werden kann. Max Weber hat dies als Gesinnungsethik gebrandmarkt und sein Konzept der Verantwortungsethik dagegengestellt. Dies erfordere jedoch ein „starkes, langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“. Das gilt auch für die Offenlegung vermeintlicher Kausalitäten.

Photo: European People’s Party from Flickr (CC BY 2.0)

Von Claus Vogt, Börsenbrief „Krisensicher investieren“

Wenn es um den Nutzen der deutschen EU-Mitgliedschaft geht, verweisen Politik und Medien gerne auf die vielen Fördergelder, die unser Land von der EU erhält. Aber wo kommen die Millionen der EU denn her, die mittels diverser Förderprogramme über die gesamte Gemeinschaft verteilt werden? Natürlich von den einzelnen Mitgliedsländern, die entsprechend ihrer Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft die EU Jahr für Jahr mit Milliardenbeträgen finanzieren. Wir deutschen Steuerzahler sind also mit unseren Steuergeldern bei allen Förderprojekten der EU europaweit mit dabei!

Die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung eines jeden EU-Mitgliedslandes wissen natürlich genau, ob sie Nettozahler sind, also mehr in die Kasse der EU einzahlen als sie aus den verschiedenen Fördertöpfen wieder zurückbekommen, oder ob sie Nettoempfänger sind, also mehr herausholen als sie in das System einzahlen. In Kenntnis dieser Zusammenhänge sind die Regierungen aller Mitgliedsländer bestrebt, möglichst stark von den Förderprogrammen der EU zu profitieren, ob dies im Ergebnis sinnvoll ist oder nicht.

Modethemen werden bevorzugt gefördert

Nun gibt es reine Umverteilungsprogramme, die praktisch nur den ärmeren Mitgliedsländern der EU zugänglich sind. Die meisten Programme sind allerdings so konzipiert, dass auch wohlhabende Mitgliedsländer Chancen auf eine Förderung haben. Bei solchen Programmen geht es beispielsweise um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Beschäftigung sowie um grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Als Unterziele spielen dabei auch die Verbesserung der Infrastruktur und die Stärkung der Forschung eine Rolle. Bei näherer Betrachtung solcher Programme wird allerdings deutlich, dass vielfach Bereiche bevorzugt gefördert werden, die politisch gerade in Mode sind, wie im Moment etwa Umweltschutz oder Energieeffizienz.

Mitnahmeeffekte sind häufig

Die potentiellen Empfänger solcher Subventionen – das können bei den genannten Programmen Unternehmen, Kommunen oder Hochschulen sein – stellen sich natürlich auf die Fördervoraussetzungen ein. Anträge werden auf das betreffende Förderprogramm zugeschnitten, um mitzunehmen, was man mitnehmen kann. Manche Antragsteller beschäftigen sogar spezialisiertes Personal, das die Brüsseler Bürokratie von innen kennt und – wie es so schön heißt – „die entsprechende Antragslyrik draufhat“. Häufig werden Kooperationen mit ausländischen Partnern nur deshalb eingegangen, weil dies durch Fördermittel der EU besonders honoriert wird. Gemacht wird also nicht unbedingt das, was man für sinnvoll hält, sondern das, wofür es Fördergelder gibt.

Hochbürokratische Verfahren schrecken ab

Um an die Gelder der EU heranzukommen, ist jedoch regelmäßig eine Vielzahl von bürokratischen Hürden zu überwinden. Weil es in früheren Jahren Korruptionsvorwürfe gab, hat sich die EU-Kommission für die genannten Programme ein überaus kompliziertes Verfahren ausgedacht. Die Empfängerländer müssen aufwendige Verwaltungs- und Kontrollsysteme einrichten, um den Vorgaben der EU gerecht zu werden. Eine Fülle verschiedener Behörden zahlt aus, bescheinigt und kontrolliert in einem hochbürokratischen Verfahren. Zum Teil bescheinigen und kontrollieren auch Wirtschaftsprüfer und Staatsbanken, die sich ihre Tätigkeiten in den Förderverfahren teuer bezahlen lassen. In manchen Programmen fressen die Kosten der Bürokratie einen erheblichen Prozentsatz der gesamten Förderung auf.

Die Subventionsempfänger sitzen bei der ganzen Angelegenheit am kürzeren Hebel. Sie müssen häufig vorfinanzieren und dann sehen, dass sie von der EU-Kommission bzw. den zuständigen nationalen Behörden ihr Geld wiederbekommen. Manchmal ziehen sich die Abrechnungen wegen kleinlicher Beanstandungen über Jahre hin. Viele Unternehmen, Kommunen und Hochschulen resignieren irgendwann und lehnen es unter Hinweis auf den enormen Aufwand ab, sich in Zukunft noch einmal um Fördergelder der EU zu bewerben.

Subventionen sollten zurückgefahren werden

Lässt man die Kosten der Förderung, die Fehlleitung von Ressourcen und die daraus resultierenden Marktverzerrungen auf sich wirken, spricht alles dafür, den Subventionswahnsinn der EU ganz stark zurückzufahren. Sollte nicht vernünftigerweise der Markt entscheiden, welches Unternehmen sich mit welchem Produkt durchsetzt? Wissen die einzelnen Kommunen nicht selber am besten, wo sie ansetzen müssen, um ihre Infrastruktur zu verbessern? Sollten die Hochschulen nicht autonom ihre Forschungsschwerpunkte setzen? Haben denn die Bürokraten in der EU-Kommission etwa den besseren Durchblick? Ist es wirklich sinnvoll, Brüssel enorme Beträge zu überlassen, um sich dann den nationalen Anteil im Rahmen aufwendiger Verfahren wieder zurückzuholen? Fragen über Fragen.

Aber solche ketzerische Gedanken finden in dieser Republik immer weniger Resonanz, am wenigsten bei unseren Regierenden.

Photo: DALIBRI from Wikimedia (CC BY-SA 3.0)

Die hessischen Minister Grüttner und Schäfer von der CDU und Al-Wazir von den Grünen haben kurz vor Weihnachten eine Vorschlag für die Verbesserung der Altersvorsorge in Deutschland präsentiert. Ein Deutschland-Fonds, in den alle einzahlen, soll die drohende Altersarmut in Deutschland beseitigen.

Größere Sparanstrengungen des Einzelnen sind tatsächlich notwendig. Der Grund ist, dass EZB-Präsident Mario Draghi den Zins vernichtet hat. Sparen in klassische Zinspapiere, in die überwiegend Lebensversicherungen investieren, sind nicht mehr lohnend. Die zehnjährige Staatsanleihe des Bundes rentiert seit Wochen unter 0,5 Prozent. Das ist besorgniserregend, weil es jungen Menschen die Lebensperspektive im Alter nimmt. Ein heute 30-Jähriger muss, wenn er zusätzlich 1000 Euro Rente mit 67 bis zum 90. Lebensjahr erhalten will, einen Kapitalstock von 600.000 Euro aufbauen. Erzielt sein Sparvorgang in den nächsten 37 Jahren keine Zinsen, muss er dafür monatlich 1400 Euro zur Seite legen. Wären es dagegen vier Prozent, würde seine monatliche Sparanstrengung bereits auf 580 Euro sinken. Letzteres ist für die Allermeisten schon sehr schwierig, Ersteres wohl unmöglich.

Der Vorschlag der drei Minister greift daher ein wichtiges Problem auf. Die Lösung ist jedoch viel zu staatsgläubig. So sollen die Arbeitgeber die Beiträge an die Deutsche Rentenversicherung abführen und diese soll die Beiträge breit, auch in Aktien, anlegen. Schon daran muss man Zweifel hegen. Bislang war die Expertise der Deutschen Rentenversicherung in erfolgreicher Anlagepolitik überschaubar, hat sie doch im Umlagesystem das Geld, das sie eingenommen hat, gleich wieder ausgegeben.

Das Grundproblem der Altersvorsorge in Deutschland ist ihre Komplexität. Zahlreiche Durchführungswege in der betrieblichen Altersvorsorge hemmen Unternehmen, sich damit zu beschäftigen. Riester-Rente und Rürup-Rente sind für den Einzelnen ebenfalls komplizierte Produkte. Sie müssen verrentet, eine Garantie der Beiträge versprochen und in der Steuererklärung bürokratisch veranlagt werden. Eigentlich geht es immer nur um eine Frage: Wie viel darf der Sparer von seinem Ertrag behalten und wie viel muss er an den Staat an Steuern abführen? Das Grundproblem hat mit dem Steuerrecht zu tun und hier mit dessen Jährlichkeitsprinzip. Der Steuerbürger lebt immer nur vom 1. Januar bis zum 31. Dezember eines Jahres. Danach beginnt sein Leben neu, unabhängig davon, ob er sein Einkommen ausgibt – also konsumiert – oder ob er den Konsum in die Zukunft verschiebt – also spart. Das kennen wir zeitlebens nicht anders. Aber es ist dennoch falsch, weil es ungerecht ist. Es behandelt einen gleichen Sachverhalt, das Einkommen, ungleich und verzerrt damit Konsum- und Sparentscheidungen der Bürger. Es darf eigentlich keinen Unterschied machen, ob Einkommen am 31. Dezember eines Jahres erzielt wird oder erst am 1. Januar des Folgejahres. Entscheidend sollte sein, was damit gemacht wird. Es am Konsum festzumachen, wäre daher konsequent.

Besonders deutlich wird dieser Sachverhalt bei langfristigen Sparvorgängen. Ein vereinfachtes Beispiel: Wer heute ein zu versteuerndes Einkommen von 40.000 Euro im Jahr hat und einmalig 1000 Euro zur Seite legt, hat diesen Betrag bereits mit seiner Lohnsteuer versteuert (angenommen wird ein Steuersatz von insgesamt 25 Prozent). Hätte er es nicht versteuern müssen, weil er es nicht heute, sondern erst zu Beginn seines Ruhestandes in 40 Jahren konsumieren will, hätte er 1333 Euro anlegen können. Wir unterstellen, er legt diese 1333 Euro in langlaufende Staatsanleihen an und würde eine Verzinsung von drei Prozent pro Jahr erwarten.

In einer Welt ohne Steuern könnte er zu Beginn seines Lebensabends 4349 Euro erwarten. Investiert er aus versteuertem Einkommen 1000 Euro (1333 Euro – 25 Prozent) und seine jährlichen Zinserträge von drei Prozent werden mit der Kapitalertragsteuer von 25 Prozent pro Jahr (3 – 25 Prozent = 2,25 Prozent) besteuert, dann hat er in 40 Jahren lediglich 2435 Euro angespart. Die Differenz von 1914 Euro sind seine gezahlten Steuern über 40 Jahre. Das entspricht einer steuerlichen Belastung von 44 Prozent. Hätte er heute konsumiert und nicht erst in 40 Jahren, so wäre seine steuerliche Belastung 25 Prozent gewesen. Der Staat fördert den heutigen Konsum und diskriminiert das Sparen.

Die Gerechtigkeitsdebatte fängt beim Steuerrecht an. Wie gespart wird, wann das Geld entnommen wird und wofür, sollte dem Einzelnen überlassen bleiben. Der Steuersatz sollte zu jedem Zeitpunkt gleich sein. Das wäre gerecht. Wer das bezweifelt, leistet Beihilfe zum heimlichen Diebstahl.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 16.1.2016.