Photo: Polybert49 from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Im alten Rom waren es „Brot und Spiele“, um die Bevölkerung bei Laune zu halten. Bespaßte der römische Konsul seine Bevölkerung nicht ausreichend, verlor er schnell an Macht und Einfluss. Dazu verschuldete er sich zumeist über beide Ohren, um später durch die Zuteilung einer möglichst reichen römischen Provinz, sich dort schadlos zu halten.

Heutzutage ist das Modell ähnlich. Zwar verschulden sich die Herrschenden nicht mehr selbst, um das Volk ergeben zu stimmen, dennoch sind es Olympische Spiele oder die baldige Europameisterschaft im Fußball, die die Rolle der römischen Spiel übernehmen. Und auch das „Brot“ wird nicht mehr direkt verteilt, wenn man mal von Draghis baldigem „Helikoptergeld“ absieht. Als Italiener weiß er, wie man das macht.

Doch heimische Regierungsvertreter gehen mehr den konventionellen Weg. Rechtzeitig vor der Bundestagswahl kommt erneut eine Rentendiskussion auf die politische Tagesordnung. Begonnen hat sie Sigmar Gabriel, nachdem seine Partei in einer Umfrage unter die 20 Prozent-Marke rutschte. Das Rentenniveau dürfe nicht weiter sinken, forderte er und setzt damit in einem Satz die Demographie außer Kraft. Parallel startet seine Partei den Großangriff auf die Riester-Rente, die die SPD seinerzeit selbst eingeführt hat. Jetzt will sie sie wieder abschaffen. Schon im Koalitionsvertrag versprachen sich das Festspielkomitee aus Union und SPD in die Hand, geringe Renten aus Steuermittel zu einer Lebensleistungsrente aufzustocken.

Man könnte schon verzweifeln, wenn nicht wenigstens Wolfgang Schäuble den Eindruck vermitteln würde, er habe noch nicht den Verstand verloren, indem er vorschlägt den Rentenbeginn an die steigende Lebenserwartung anzupassen. Er spricht zumindest das aus, was unausweichlich ist, wenn nicht die öffentlichen Haushalte oder die Lohnnebenkosten explodieren sollen. Jede sozialpolitische Aufstockung der gesetzliche Rente, sei es die Mütterrente oder die Lebensleistungsrente, erschweren diesen Prozess.

Doch diese Debatte geht an der Mitte der Gesellschaft völlig vorbei. Selbst die Gabriels dieser Welt wissen, dass die gesetzliche Rente künftig nur eine minimale Mindestsicherung sein wird. Wer seinen Lebensstandard im Alter halten will, muss sparen. Doch Draghis unkonventionelle Geldpolitik vernichtet sämtliche Anreize dazu. Das ist der Preis der gemeinsamen Währung. Wer den Euro in Gänze zusammenhalten will, ohne dass ein Land insolvent gehen oder ausscheiden kann, muss akzeptieren, dass der Zins dauerhaft durch Mario Draghi beseitigt wird. Es wird faktisch keine Zinsen mehr auf Anleihen jeglicher Art geben. Und diejenigen, die in diese Anlagen investieren, seien es Versorgungswerke, Lebensversicherungen oder betriebliche Altersvorsorgeeinrichtungen, werden unweigerlich kollabieren.

Und die jungen Menschen mit normalem Einkommen werden ihrer Chance beraubt, ausreichend zu sparen. Ein Beispiel: Ein heute 30-Jähriger muss, wenn er nach heutiger Kaufkraft zusätzlich 1000 Euro Rente mit 67 bis zum 90. Lebensjahr erhalten will, einen Kapitalstock von rund 600.000 Euro aufbauen. Erzielt sein Sparvorgang in den nächsten 37 Jahren keine Zinsen muss er dafür monatlich 1400 Euro zur Seite legen. Wären es dagegen vier Prozent, würde seine monatliche Sparanstrengung bereits auf 580 Euro sinken. Letzteres ist für die Allermeisten schon sehr schwierig, Ersteres wohl unmöglich.

Eine verantwortungsvolle Regierung würde sich um dieses Problem kümmern. Sie würde die Anlagevorschriften für die privaten Vorsorgeeinrichtungen lockern, so dass diese stärker in Aktien, Immobilien, Gold und Silber investieren könnten, um so dem Niedrigzinsdiktat auszuweichen. Und sie würde die Einhaltung europäischen Rechts einfordernd, das da besagt, dass kein Land für die Schulden eines anderen Landes haftet oder eintritt. Und es würde gegen die permanenten Rechtsbrüche der EZB vorgehen und damit der Herrschaft des Rechts neues Vertrauen einhauchen. Die Krise der Parteien ist nämlich nicht ein Mangel an „Brot und Spiel“, sondern ein Mangeln an Vertrauen in die Fähigkeit jedes Einzelnen, sein Leben so zu gestalten wie er oder sie es möchte.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Thomas Cloer from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Die Einschränkung des Bargeldes scheint gar kein Thema mehr zu sein. Nachdem Wolfgang Schäuble vor wenigen Wochen mit dem Vorschlag einer Bargeldobergrenze einen Testballon startete, um die Widerstände bei den Bürgern zu prüfen, geht man zum nächsten Thema über. Aber Vorsicht an der Bahnsteigkante. Wer genauer hinsieht, erkennt sehr schnell, dass es nie darum ging, das Bargeld per Gesetz sofort abzuschaffen, sondern seine Nutzung Schritt für Schritt einzuschränken, bis es irgendwann überflüssig erscheint. Erst dann wird es im Rahmen einer allgemeinen Akzeptanz abgeschafft. Das macht eine Übergangszeit notwendig.

Doch die verschiedenen staatlichen Ebenen sind längst tätig. Wer heute in Berlin die Gebühren seines neuen Reisepasses oder Personalausweises bezahlen will, kann dies nur noch mit der EC-Karte im Bürgerbüro erledigen. Wer seine Steuern bar bezahlen will, warum auch immer, hat dazu keine Möglichkeit mehr, auch wenn die Abgabenordnung etwas anderes regelt. Wer seinen Rundfunkbeitrag bar bezahlen will, dem schickt der „Beitragsservice“ von ARD und ZDF die Zwangsvollstrecker auf den Hals – im Zweifel bis zur Beugehaft. Der Staatsfunk hat die Barzahlung per Satzung bereits ausgeschlossen. Nun sind ARD und ZDF nicht irgendwer, mit dem man einen Vertrag schließen kann, sondern sie erheben Zwangsbeiträge, denen sich niemand entziehen kann. Und das ändert die Sachlage ungemein.

Denn was gesetzliches Zahlungsmittel ist, regelt der Staat eindeutig. In Paragraph 14 Bundesbankgesetz, einem Bundesgesetz, heißt es: „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“ Die Banknote ist das, was man an Euro-Geldscheinen in der Hand hält. Es ist also nicht das, was als sogenanntes Buch- oder Giralgeld auf den Konten liegt oder per Kreditkarte bezahlt wird. Behörden können daher nicht verlangen, dass unbar bezahlt wird. Als öffentlich-rechtliche Anstalten können ARD und ZDF auch nicht in ihrer Satzung ausschließen, dass bar bezahlt wird. Sie sind landesrechtlich legitimiert und daher dem Bundesrecht untergeordnet.

Letztlich sind die Bargeldeinschränkung und ein späteres Verbot viel fundamentaler, als das den ersten Anschein hat. Es trifft nicht nur die Drogenbosse und Geldwäscher, die im großen Stil tätig sind. Es trifft die Kellnerin und den Friseur ebenso wie die Putzfrau und den Rentner. Denn jedes Trinkgeld wird plötzlich dokumentiert. Das wird die Lust des Finanzministers, darauf zuzugreifen, sprunghaft erhöhen. Und jede Putzfrau, die sich derzeit noch bar bezahlen lässt, wird sich anmelden müssen oder ihren Job einstellen. Jeder Rentner, der beim Nachbarn den Rasen mäht, verliert sein Handgeld per Nachbarschaftshilfe. Das betrifft uns alle natürlich nicht, doch wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Es macht alle plötzlich verdächtig – und ermöglicht dem Staat, den Einzelnen viel detaillierter und permanenter zu überwachen.

Das mag der Arbeitsministerin gefallen, die hofft, dass daraus legale Beschäftigungsverhältnisse entstehen, doch die Lebenswirklichkeit wird sie damit nicht treffen. Das mag auch dem Finanzminister gefallen, der schon die Steuermehreinnahmen aus der Legalisierung dieser Arbeitsverhältnisse verplant. Den Bürgern kann das dennoch nicht gefallen. Sie werden unter Generalverdacht gestellt und bei jeder Kleinigkeit kriminalisiert. Das träfe eine freiheitliche Gesellschaft im Mark. Deshalb gilt: Wehret den Anfängen. Bargeld ist mehr als nur eine Münze oder ein Geldschein. Es ist da Symbol der individuellen Freiheit. Dieses Symbol zu beseitigen, hieße den Staat und seine Organe über den Bürger zu stellen. Doch nicht der Bürger ist zu Transparenz verpflichtet, sondern der Staat muss Rechenschaft über sein Handeln ablegen und im Zweifel die Hosen runterlassen. So herum wird ein Schuh daraus.

Photo: Danny Huizinga from Flickr (CC BY 2.0)

Die bizarre bis erschreckende Situation, in der sich die USA derzeit befinden, ist auch das Ergebnis überzogener Versprechen der Politik. Wenn Weltenrettung der Mindeststandard geworden ist, darf man sich nicht über Kandidaten wie Trump oder Sanders wundern.

„Wenn Du mich wählst, sorge ich dafür, dass Du ein glücklicher Mensch wirst.“

George W. Bush versprach seiner Nation nach dem Trauma des 11. September einen harten, mühsamen, im Ende aber siegreichen Kampf gegen den Terrorismus. Mit dem Irak-Krieg wurde der Agenda auch noch die Demokratisierung des Nahen und Mittleren Ostens hinzugefügt. Nachdem diese beiden Vorhaben einen ganz anderen Verlauf genommen hatten, als ihn sich der Präsident vorgestellt hatte, punktete sein Nachfolger Barak Obama mit der Verheißung, einen Wandel herbeizuführen und die Vereinigten Staaten wieder zu versöhnen. Gemeinsam ist beiden in so vielen Punkten antagonistischen Präsidenten, dass sie gewaltige Versprechen abgegeben haben. Ihr Anspruch war nicht, das ein oder andere Problem zu lösen. Ihr Anspruch war die Rettung der Welt.

Damit haben sie nicht nur bei weitem die Grenzen dessen überschritten, was Politik in einer Demokratie überhaupt zu leisten befähigt ist. Sie haben vor allem auch ein Anspruchsdenken der Wähler an die Politiker befördert, dessen Früchte nun im Vorwahlkampf zu begutachten sind. Politik, so das implizite Versprechen von Bush und Obama, würde sich nicht mehr nur darauf beschränken, Art und Maß der Steuern zu bestimmen, die Umverteilung zu organisieren und Möglichkeiten der Gewährung von innerer und äußerer Sicherheit auszuloten. Politik würde die Welt fundamental verändern und das Leben der Menschen nachhaltig verbessern. Auch wenn das explizit nie so formuliert wurde – das was bei vielen Wählern ankam, war die Verheißung: „Wenn Du mich wählst, sorge ich dafür, dass Du ein glücklicher Mensch wirst.“

Das veränderte Politik-Verständnis

Natürlich wurden diese so geschürten Erwartungen auf voller Linie enttäuscht. Die beiden Präsidenten verloren sich auch im Klein-Klein der Alltagspolitik, machten technische Fehler, schätzten Situationen falsch ein, mussten äußeren Zwängen gehorchen und wurden von der Öffentlichkeit und vom Parlament vor sich hergetrieben. Die Bilanz nach acht Jahren Bush war viel erfolgloses Militärengagement, ein exzessiver Überwachungsstaat und eine enorme Steigerung der Staatsverschuldung. Die Bilanz nach acht Jahren Obama wird, von einigen Ausnahmen abgesehen, auch nicht viel besser ausfallen. Zudem hat sich die Spaltung des Landes eher noch verschlimmert.

Die Enttäuschung über die nicht eingehaltenen Versprechen hat allerdings nicht dazu geführt, dass sich die amerikanischen Wähler jetzt wieder den Pragmatikern zugewandt hätten, also etwa grundsoliden, wenn auch etwas langweiligen Leuten wie dem Republikaner John Kasich oder dem Demokraten Martin O’Malley. Und das liegt daran, dass Politiker wie Bush und Obama mit ihren völlig überzogenen Weltrettungs-Plänen das Politik-Verständnis der Mehrheit verändert haben. Dass noch keine paradiesischen Zustände eingetreten sind, liegt dann im Verständnis vieler an der Person Bush oder an der Person Obama, nicht an der Unerfüllbarkeit von deren Versprechen. Ein anderer, so die Erwartung, werde das dann aber schon hinbekommen.

Streben nach Glück statt Glücksversprechen

Das Ergebnis ist, dass extreme Exponenten wie Trump und Sanders einen erschreckenden Zulauf haben. Die beiden sind in gewisser Weise groteske und überzeichnete Karikaturen der letzten Präsidenten: Trump in seiner Hemdsärmeligkeit als vulgäre Variante von Bush und Sanders in seiner Intellektuellen-Manier als kompromisslose Variante von Obama. Anstatt die Erwartungshaltung an die Politik wieder zurückzuschrauben, wurde sie noch einmal um etliche Windungen weitergeschraubt. Das ist der Fluch unerfüllbarer Versprechen. Der Fluch der Verheißung, die Welt retten zu können.

Gerade weil viele Trends aus den USA oft mit ein paar Jahren Verspätung in Europa ankommen, kann man nur inständig hoffen, dass der derzeitige Alptraum eine vorübergehende kurze Episode bleiben wird. Hoffentlich wacht die Mehrheit der Amerikaner bald erschrocken auf und wendet sich wieder jenem Verständnis von Politik zu, das ihre Gründerväter formuliert hatten und das sie zu ihrer jetzigen Größe geführt hat. Denn das „Streben nach Glück“, das als unveräußerliches Recht in der Unabhängigkeitserklärung festgeschrieben wurde, ist eben nicht ein Glücksversprechen, das von außen kommt. Es wird nicht versprochen, dass die Bürger glücklich gemacht werden, sondern dass sie die Möglichkeit haben, ihr eigenes Glück zu verfolgen. Weder Grenzzäune noch ein massiver Ausbau der sozialen Sicherungssysteme werden Amerika wieder zu alter Größe führen. Einzig der Einsatz, der Fleiß, der Unternehmergeist und der Optimismus jedes einzelnen Bürgers kann ein Land nach vorne bringen – ob in den USA oder in unserem Land.

Photo: Francesco Gasparetti from Flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Titus Gebel, Unternehmer, Mitgründer der Deutschen Rohstoff AG.

Warum sollte eine kleine Gruppe von Menschen darüber entscheiden, wie Sie Ihr Leben zu führen haben? Insbesondere, wenn Sie diese Menschen weder beauftragt haben noch diese dazu besonders befähigt sind. Vielleicht geht es Ihnen wie mir und sind Sie stattdessen der Auffassung, dass Sie das Recht haben, Ihr Leben so zu gestalten, wie Sie dies selbst für richtig halten? Sie begehren nicht Mitbestimmung, sondern Selbstbestimmung? Dann gibt es eine Alternative: die Private City.

Sie beruht auf zwei Prinzipien: Erstens, dass jener, der anderen kein Leid zugefügt und für sich selbst sorgen kann, Anrecht darauf hat, in Ruhe gelassen zu werden. Auch von der Regierung oder der Mehrheit. Zweitens, dass die menschliche Interaktion, auch innerhalb grosser Gruppen, auf freiwilliger Basis und nicht auf der Basis von Zwang stattfindet. Heutige Staaten, Demokratien eingeschlossen, können keines der beiden Prinzipien garantieren. Sie basieren vielmehr auf der Verletzung derselben. Als Staatsbürger müssen Sie militärische Auslandseinsätze mitfinanzieren, Lehrstühle für Genderstudien, Subventionen für unwirtschaftliche Technologien, staatliche Fernsehsender – selbst wenn sie all dies ablehnen. Sie werden weiter gezwungen, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen abzuschliessen, egal ob Sie das wollen oder nicht. Sie dürfen keine Glühbirnen, leistungsstarken Staubsauger, Plastiktüten oder Zigaretten ohne Warnhinweise erwerben. Die Verbotsliste wird jedes Jahr länger. Mit anderen Worten: sie sind kein Kunde, sondern Untertan.

Praktisch alle Staaten dieser Welt funktionieren nach dem gleichen, seit Jahrtausenden unveränderten System: Eine durch Erbfolge, Putsch oder Wahl an die Macht gelangte Gruppe von Auserwählten bestimmt die Geschicke aller. Im Laufe der Zeit bildet sich um diese Gruppe herum eine wachsende Menge von Zuarbeitern und Günstlingen. Diese wollen sich dem Risiko des freien Marktes entziehen und Leistungen ohne adäquate Gegenleistung erhalten (sogenanntes Rent-Seeking). Daneben finden Interessengruppen und Einzelpersonen nach und nach heraus, dass sie über die Politik ihre Wünsche der Allgemeinheit in Rechnung stellen können. Dadurch steigen unvermeidlich die Zahl der Gesetze, die Steuerbelastung und die Staatsschulden immer weiter an. Produktivitätshemmnisse und Freiheitseinschränkungen vermehren sich.

Am Ende steht der Ruin bzw. der Zusammenbruch des jeweiligen Gemeinwesens – und das Spiel beginnt von neuem. Obgleich viele meinen, die westlichen Demokratien seien zu stabil, um diesem Mechanismus erliegen zu können, stellten gar das Ende der Geschichte dar, ist dem nicht so. Der aufgezeigte Prozess findet augenblicklich statt, und zwar genau so wie beschrieben. Leider unterliegen auch Gesetze und Verfassungen, welche die Rechte des einzelnen schützen, faktisch dem Willen der Mehrheit. Sie können von dieser jederzeit geändert oder «zeitgemäss» ausgelegt werden. Entsprechend ist in den westlichen Demokratien während der letzten hundert Jahre der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (Staatsquote) von durchschnittlich 12 Prozent auf 50 Prozent gestiegen. Von 1979 bis heute wuchsen allein die deutschen Staatsschulden von 64 Milliarden auf 2000 Milliarden Euro.

Die zehn Grundregeln

Es gibt einen Ausweg. Staaten existieren, weil offenbar eine Nachfrage nach ihnen besteht. Eine staatliche Ordnung schafft einen Rahmen, innerhalb dessen der Mensch sozial interagieren und friedlich Leistungen und Güter tauschen kann. Das Bestehen von Sicherheit und festen Regeln macht es möglich, dass Menschen in grosser Zahl mit- und nebeneinander leben können. Ein derartiges Zusammenleben ist so attraktiv, dass dafür auch erhebliche Freiheitseinschränkungen akzeptiert werden. Vermutlich würden selbst die meisten Nordkoreaner das Verbleiben in ihrem Land dem freien, aber einsamen Robinson-Dasein vorziehen.

Wenn man nun die Leistungen des Staates bieten und gleichzeitig dessen Nachteile vermeiden könnte, hätte man ein besseres Produkt geschaffen. Nach über 30 Jahren politischer Aktivität bin ich zum Schluss gekommen, dass echte Freiheit im Sinne von Freiwilligkeit und Selbstbestimmung auf demokratischem Wege nicht zu erreichen ist. Diese Werte werden schlicht nicht ausreichend nachgefragt. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr gelangte ich zu der Überzeugung, dass Staatsdienstleistungen rein privatwirtschaftlich von Unternehmen angeboten werden können und dass ich ein solches Unternehmen gründen möchte. Alles, was wir vom Markt her kennen, lässt sich auf unser Zusammenleben übertragen: die enorme Vielfalt des Produktangebotes, das Recht, etwas nicht zu kaufen, was uns nicht gefällt, und schliesslich der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Produkten, der dafür sorgt, dass diese immer billiger und immer besser werden. Der «Staatsdienstleister» bietet auf einem abgegrenzten Territorium ein bestimmtes Modell an und nur derjenige, dem dies zusagt, siedelt sich dort an. Solche Konzepte müssen attraktiv sein, sonst kommt niemand bzw. wandert man wieder ab in andere Systeme.

In einer solchen Private City erhalten Interessenten vom Betreiber ein Vertragsangebot. In diesem Vertrag ist klar niedergelegt, welche Leistungen er erbringt. Dies umfasst eine Basisinfrastruktur, Polizei, Feuerwehr, Notfallrettung, einen rechtlichen Rahmen sowie eine unabhängige (Schieds-)Gerichtsbarkeit, damit Bewohner ihre berechtigten Ansprüche auch in einem geregelten Verfahren durchsetzen können. Diese Basisleistungen sind nicht abdingbar, die dafür jährlich anfallenden Kosten jedoch klar beziffert. Man bezahlt mithin nur, was man mit Vertragsschluss auch bestellt hat. Jeder Bewohner hat einen Rechtsanspruch darauf, dass der Vertrag eingehalten wird, und einen Schadensersatzanspruch bei Schlechterfüllung. Um alles andere kümmern sich die Bewohner selbst, können aber auch machen, was sie wollen.

Zusammenfassend gelten in einer Private City folgende Grundregeln:

  • Jeder Bewohner hat das Recht, ein selbstbestimmtes Leben ohne Einmischung anderer zu führen.
  • Die Interaktion zwischen den Bewohnern erfolgt auf freiwilliger Basis, nicht auf der Basis von Zwang. Auch die Teilnahme an und der Verbleib in der Private City sind freiwillig.
  • Die entsprechenden Rechte Dritter sind strikt zu achten, auch wenn einem deren Lebensweise oder Einstellung nicht gefällt.
  • Es besteht uneingeschränkte Meinungsfreiheit, mit einer Ausnahme: Wer Gewalt gegen andere oder deren Enteignung propagiert, muss die Private City verlassen. Das Kritisieren von anderen Personen, Weltanschauungen, Religionen usw. ist hinzunehmen und stellt keine Rechtsverletzung von Bewohnern dar, die sich dadurch empört fühlen.
  • Der Betreiber der Private City gewährleistet einen stabilen Rechts- und Ordnungsrahmen, um das friedliche Zusammenleben und Interagieren einer grossen Zahl von Menschen zu ermöglichen.
  • Dieser Rahmen wird zwischen dem Bewohner der Private City und dem Betreiber in einem Vertrag niedergelegt, der sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten festhält. Dazu zählt auch die Höhe der Gegenleistung durch jeden Bewohner. Dieser Vertrag kann später nicht einseitig geändert werden.
  • Alle erwachsenen und geschäftsfähigen Bewohner sind für die Konsequenzen ihres Tuns selbst verantwortlich, nicht «die Gesellschaft» oder der Betreiber. Es besteht kein wie auch immer geartetes Recht, auf Kosten Dritter zu leben.
  • Interessenkonflikte zwischen den Bewohnern oder zwischen Bewohnern und dem Betreiber werden von unabhängigen Gerichten bzw. Schiedsgerichten verhandelt. Deren Entscheidungen sind zu respektieren, auch vom Betreiber.
  • Der Betreiber kann Bewerber nach eigenem Ermessen ablehnen. Es besteht kein Rechtsanspruch auf Aufnahme in die Private City.
  • Jeder Bewohner kann den Vertrag jederzeit kündigen und die Private City wieder verlassen, der Betreiber kann – nach Ablauf einer Probezeit – jedoch nur aus wichtigem Grund kündigen, etwa wegen Verstosses gegen die Grundregeln.

Private Cities sind kein Refugium für Reiche. So sind etwa Regelungen denkbar, nach denen für arbeitssuchende, aber mittellose Neubewohner in den ersten Jahren die Zahlungen gestundet werden, interessierte Unternehmer für ihre Mitarbeiter die Beitragszahlungen übernehmen usw. Trotzdem kann der Betreiber als Privatunternehmen dabei etwas verdienen. Wenn er den Deckungsbeitrag der Bewohner auf 100 000 Einwohner berechnet hat und es kommen 200 000, macht er Gewinn, weil er Polizei, Justiz, Infrastruktur usw. nicht ebenso verdoppeln muss, um das gleiche Dienstleistungsniveau zu bieten. Der Betreiber muss vermutlich die ersten Jahre vorfinanzieren, aber das ist bei anderen Geschäftsmodellen genauso. Ergänzend wäre es möglich, indirekte Steuern zu erheben, etwa Mehrwertsteuern oder Grunderwerbssteuern.

Grundsätzlich mischt sich der Betreiber nicht in private Entscheidungen der Bewohner ein. Im Hinblick auf Verkehrsregeln, Baurecht, Emissionen und dergleichen wird er freilich im Sinne einer geordneten und zügigen Stadtentwicklung Vorgaben machen. Auch wird er für den öffentlichen Teil der Infrastruktur gewisse Verhaltensregeln festlegen, z.B. das Verbot zu betteln oder nackt herumzulaufen. In Fragen der Neuaufnahme von Bewohnern entscheidet der Betreiber allein. Es ist schliesslich seine Hauptdienstleistung, für die bereits ansässigen Bewohner sicherzustellen, dass die freiheitliche Ordnung nicht gestört oder gar Leib und Leben bedroht werden. Das vermag er nur, wenn er die Zuwanderung entsprechend kontrollieren bzw. Störer auch wieder hinauswerfen kann.

Für alles andere gibt es private Unternehmer, die vom Krankenhaus über Schulen und Kindergärten bis hin zur Müllabfuhr abdecken, was nachgefragt wird. Gegen sämtliche Eventualitäten des Lebens versichern sich die Bewohner auf Wunsch privat oder gründen Selbsthilfegruppen, sei es zum Schutz vor Krankheit, Tod, Pflegebedürftigkeit oder Unfällen. Strassen, Hochhäuser, Häfen, Flugplätze und Einkaufszentren werden von Investoren erstellt und betrieben. Jeder kann zollfrei importieren und exportieren, was immer er will. Jeder kann neue Produkte und Dienstleistungen ohne Genehmigung oder Lizenz anbieten und sich in jeder gewünschten Währung bezahlen lassen. Das Korrektiv ist allein der Wettbewerbsdruck mit anderen Modellen des Zusammenlebens.

Dazu ein Beispiel: Das Fürstentum Monaco ist eine konstitutionelle Monarchie, die für Nichtmonegassen, welche immerhin 80 Prozent der Bevölkerung stellen, keinerlei Mitbestimmungsrechte vorsieht. Trotzdem gibt es mehr Interessenten, als der Wohnungsmarkt fassen kann, auch ich selbst bin dorthin übergesiedelt. Warum? Ich habe eine kleine Umfrage im Bekanntenkreis gemacht: weil man uns hier in Ruhe lässt. An dem Tag, an dem in Monaco alle EU-Regulierungen einschliesslich Einkommenssteuern eingeführt werden, ziehen die meisten einfach weg. Das weiss der Fürst und deshalb wird es nicht geschehen. Trotz dessen formal grosser Machtposition ist es somit ausschliesslich der Wettbewerb (mit anderen Gebietskörperschaften), der den Einwohnern die Freiheit sichert, nicht Gewaltenteilung, Parlament, Verfassung oder das Recht zu Volksabstimmungen.

Keine Utopie, sondern ein Geschäftsmodell

Eine Private City ist keine Utopie, sondern eine Geschäftsidee, deren Elemente bereits bekannt sind und die lediglich auf einen anderen Sektor übertragen werden, nämlich den des Zusammenlebens. Im Grunde stellt der Betreiber als Dienstleister nur den Rahmen, innerhalb dessen sich die Gesellschaft ergebnisoffen entwickeln kann. Die einzige Veränderungssperre zugunsten von Freiheit und Selbstbestimmung ist der Vertrag mit dem Betreiber. Nur er konstituiert Rechte und Pflichten. So können sich zwar die Bewohner darauf einigen, einen Gemeinderat zu etablieren. Aber auch wenn 99 Prozent der Bewohner dort mitmachen, hat dieses Gremium kein Recht, den übrigen 1 Prozent, die damit nichts zu tun haben wollen, seine Ideen aufzuzwingen; z.B. eine Kinderbetreuung, ein Schwimmbad, eine Städtepartnerschaft einzurichten und jeden dafür einen Pflichtbeitrag zahlen zu lassen. Das ist der entscheidende Punkt, an dem bisherige Systeme regelmässig gescheitert sind: die dauerhafte Gewährleistung der individuellen Freiheit.

Um ein derartiges Konzept umzusetzen, ist eine (Teil-)Autonomie im Sinne territorialer Souveränität unumgänglich. Diese muss das Recht umfassen, die eigenen Angelegenheiten selbständig zu regeln. Zur Etablierung einer Private City bedarf es daher einer vertraglichen Vereinbarung mit einem bestehenden Staat. In diesem Vertrag räumt der Mutterstaat dem Betreiber das Recht ein, auf einem genau umrissenen Territorium die Private City nach eigenen Regeln zu etablieren. Bestehende Staaten können für ein solches Konzept gewonnen werden, wenn sie sich Vorteile davon versprechen. Um die Stadtstaaten Hongkong, Singapur oder auch Monaco herum hat sich ein Gürtel von dicht besiedelten und wohlhabenden Gegenden gebildet. Dessen Einwohner zahlen ihre Steuern im Mutterstaat. Wenn nun in einem vormals strukturschwachen Gebiet derartige Gebilde entstehen, dann ist dies auch für den Mutterstaat ein gutes Geschäft. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb Hongkong nach 1997 nicht von China einverleibt wurde. Freilich könnte später im Mutterstaat ein Demagoge ins Amt gelangen, der die Auffassung vertritt, man sei beim Vertragsschluss betrogen worden, und der die Rückgabe verlangt. Hier gibt es kein Patentrezept, man wird versuchen müssen, durch eine Kombination verschiedener Massnahmen den Aggressor von militärischen Schritten abzuhalten, etwa mittels Öffentlichkeitsarbeit, diplomatischer Kontakte zu anderen Staaten und gegebenenfalls auch durch ein Defensivkonzept, welches die Einnahme der Private City mit einem gewissen Preis verbindet.

Private Cities sind weit mehr als nur ein Gedankenspiel. Sie haben das Potenzial, eine echte Alternative zur bestehenden Ordnung zu werden bzw. diese im Sinne schöpferischer Zerstörung zu überwinden. Sind verschiedene Private Cities erst einmal weltweit verbreitet, wird das die bestehenden Staaten unter erheblichen Druck setzen, ihre Systeme in Richtung auf mehr Freiheit zu verändern, wollen sie nicht ihre Leistungsträger verlieren. Und das ist genau die positive Wirkung von Wettbewerb, die im Staatsmarkt bisher gefehlt hat.

Das gilt auch für die soziale Absicherung. Gerade weil diese Frage für viele Menschen so wichtig ist, wird es Angebote geben, die dies abbilden. Es gibt aus Vergangenheit und Gegenwart zahlreiche Beispiele, wie soziale Sicherung ohne Zwang erfolgreich funktioniert, z.B. kollektive Selbsthilfeeinrichtungen. Ebenso denkbar ist, dass sich im Laufe der Zeit spezialisierte Private Cities bilden, die gezielt religiöse, ethnische oder weltanschauliche Gruppen ansprechen. Der Mensch ist nun mal gern unter seinesgleichen. Für diese gelten dann ganz andere Grundregeln. Alles, wofür Nachfrage besteht, ist zulässig, solange die Freiwilligkeit der Teilnahme gegeben ist. Es steht keinem zu, darüber zu richten, wie seine Mitmenschen ihr Zusammenleben gestalten möchten. Private Cities sind eine friedliche, freiwillige Alternative, die ohne Revolution und Gewalt entstehen kann und für die nicht erst die Mehrheit überzeugt werden muss. Die ersten dürften innerhalb der nächsten zehn Jahre entstehen.

Erstmals veröffentlicht im Schweizer Monat.

Tagung des Prometheus-Instituts im Würth Haus Berlin

Über das Thema „Europa zwischen Zentralität und Pluralität“ diskutierten auf Einladung des Prometheus-Instituts am gestrigen Abend Karl von Habsburg und Prof. Thomas Mayer in der Repräsentanz der Würth-Gruppe in Berlin. Von Habsburg ist Präsident der Paneuropa-Bewegung Österreich. Die Paneuropa-Bewegung wurde nach dem ersten Weltkrieg 1922 von Richard von Coudenhove-Kalergie gegründet und gilt als älteste Europabewegung. Von Habsburg warb für einen europäischen Föderalismus und betonte, dass Europa größer sei als die Europäische Union. Dieser Unterschied werde in Brüssel immer wieder negiert.
Der ehemalige Europaabgeordnete betonte, dass die EU, trotz ihrer Schwächen, in anderen Teilen der Welt als moderne Errungenschaft verstanden werde. Insbesondere in Afrika sehe man dies so. Für die westafrikanischen Staaten, die sogenannten ECOWAS-Staaten, sei die EU mit dem Schengen-Raum und der gemeinsamen Währung ein Vorbild, das diese nachbilden würden. Er forderte ein stärkeres außenpolitisches Engagement der EU. Auf die USA könne man derzeit nicht setzen, da bis in das Frühjahr des nächsten Jahres hinein, wegen des Präsidentschaftswahlkampfes und der dann folgenden Neusortierung der US-Regierung, keine Initiativen zu erwarten seien. Dies sehe er in Hinblick auf die Rolle Russlands mit Sorge.
In der Flüchtlingspolitik forderte er eine europäische Lösung. Es gebe keinen deutschen oder österreichischen Weg. Bis 2025 sei mit rund 12 Millionen Migranten zu rechnen, die sich unabhängig von der Schließung der Balkanroute ihren Weg nach Europa suchen würden. Es müsse daher eine Angleichung der Behandlung von Flüchtlingen geben. Solange dies nicht existiere, seien Kontingente wirkungslos.
Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute und Kuratoriumsvorsitzender von Prometheus, zog den Schluss, dass die Gründung des Euro zwangsläufig zu mehr Zentralismus in der EU führe. Die Gründerväter des Euro wollten die immer engere Union damit erzwingen. Er warb jedoch für die Idee eines konföderalen Europas. Hierzu hat er bereits im November gemeinsam mit Prof. Stefan Kooths, Prof. Justus Haucap und Frank Schäffler ein Manifest veröffentlicht. Darin sprechen sich die Autoren für die Idee eines Staatenverbundes aus. Am Beispiel der Asyl- und Flüchtlingspolitik zeige sich, dass sich Konsens in der EU nicht durch Gemeinschaftsinstitutionen ersetzen lasse, sondern dass sich das, was gemeinschaftlich koordiniert geschehen soll, am Konsens orientieren müsse. Deutschland dürfe seine Vorstellungen nicht zum Maßstab erklären, um dann von den Partnern zur Bewältigung der damit verbundenen Lasten Solidarität einzufordern.
Im Hinblick auf die Euro-Schuldenkrise ist die Spaltung Europas nur durch eine Entpolitisierung des Euros möglich. Der Euro-Raum müsse zu einer offenen Hartwährungsunion entwickelt werden, die den Austritt ermöglicht und andere Währungen parallel zulässt.
Prometheus-Geschäftsführer Frank Schäffler betonte, dass in Europa die Tradition eines Primates von Recht und Freiheit herrschen müsse. Das seien die Wurzeln der europäischen Idee. Sie zu hegen und zu pflegen, sei Auftrag einer offenen Gesellschaft. Manfred Kurz, Repräsentant der Würth-Gruppe, unterstrich die Wichtigkeit freiheitlicher Ideen, die in Deutschland vom Prometheus-Institut und Frank Schäffler vertreten würden.