Photo: Tom Thai from Flickr (CC BY 2.0)

Eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young hat gerade die beruflichen Pläne von Studenten abgefragt. 32 Prozent der befragten Studenten wollen nach ihrem Studium in den Öffentlichen Dienst wechseln. Lediglich 9,9 Prozent wollen sich selbstständig machen. Wahrscheinlich drückt nichts den aktuellen Gemütszustand junger Menschen in diesem Lande besser aus als diese beiden Zahlen. Der Staatsdienst ist sicher und auskömmlich, die Selbstständigkeit gilt als risikobehaftet und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weniger gut geeignet. Wenn man bedenkt, dass unter der Bedingung von Mehrfachnennungen auch noch 23 Prozent der Studenten gerne in Kultureinrichtungen arbeiten würden, die ja ebenfalls meist staatlich finanziert sind, und weitere 18 Prozent in die staatlich finanzierte Wissenschaft, dann wird einem angst und bange.

Denn für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft ist das ein Alarmsignal. Die Funktionsfähigkeit des Öffentliche Dienstes ist für das Vorankommen einer Gesellschaft und ihres Wohlstandes wahrscheinlich nicht völlig zu vernachlässigen. Man muss dazu nur nach Griechenland schauen, um das hiesige Funktionieren einer Bürokratie auch ein wenig schätzen zu lernen. Dennoch sollten sich in einer offenen Gesellschaft, die zwangsläufig auf einer marktwirtschaftlichen Ordnung beruht, die besten Kräfte selbstständig machen, ihre Ideen umsetzen und nicht nur ihre Energie im Verwalten des Staates vergeuden.

Zum Wohlstand des Einzelnen und einer Gesellschaft insgesamt bedarf es einer Wertschöpfung. Wohlstand entsteht nur, wenn Unternehmer Produkte oder Dienstleistungen besser machen als bisher. Das nennt man dann Wachstum. Es muss also etwas produziert und hergestellt werden, das am Markt Käufer findet. Der öffentliche Dienst ist natürlich auch Innovation. Doch diese Innovation konzentriert sich in der Regel auf neue Vorschriften, Verordnungen und Bürokratie. Sie lähmen den Fortschritt der echten Innovationen in einer freien Marktwirtschaft.

Wahrscheinlich ist das Kind erstmal in den Brunnen gefallen. Die Entwicklung und die Präferenzen der Studenten von heute sind das Ergebnis der falschen Bildungsanstrengungen von gestern. Woher sollen die Studenten die Faszination der Marktwirtschaft und des darin agierenden Unternehmers kennen, wenn in Erdkundebüchern lieber über „Fair Trade“ zur Armutsbekämpfung anstatt über Freihandel und seine wohlstandsfördernde Wirkung zu lesen ist. Dieser moderne Ablasshandel, der moralisierend jedem Käufer ein schlechtes Gewissen einredet, ist inzwischen in die obersten Etagen der Politik vorgedrungen. Wenn selbst der amtierende Wirtschaftsminister sich zum Beispiel für weniger Freihandel ausspricht, nichts Anderes ist seine Ablehnung von TTIP, dann ist er selbst das fleischgewordene Produkt des Bildungsversagens der 1970er Jahre. Er hat das verinnerlicht, was er damals im Erdkundeunterricht eingebläut bekam, dass die Wirtschaft ein Nullsummenspiel sei. So wie es ein Schulbuch für Gesellschaftslehre, Geschichte und Erdkunde an Haupt- und Gesamtschulen (Terra Band 9/10), wahrscheinlich auch schon zu seiner Schulzeit formuliert hat: „Dem Zuviel an Nahrungsmitteln in den Industriestaaten steht ein Mangel in vielen Entwicklungsländern, vor allem in Afrika, gegenüber.“ Ergo, man muss es nur besser verteilen.

Sigmar Gabriel werden wir wohl nicht mehr bekehren können, da bleibt Hopfen und Malz verloren. Doch die Schüler von heute, könnten die Unternehmer von morgen sein. Sie könnten ein neuer Werner Siemens, ein Robert Bosch oder ein Ferdinand Porsche sein. Es ist schon etwas her, aber es gab auch Zeiten in diesem Land, wo Unternehmerpersönlichkeiten mit ihren Ideen Unternehmen mit Weltgeltung geschaffen haben. Es ist nicht selbstverständlich, dass diese Unternehmer heute aus Amerika kommen und Bill Gates, Marc Zuckerberg oder Elon Musk heißen.

Es sind lange Entwicklungsströme, die eine Gesellschaft zum Guten oder Schlechten verändern und es sind wenige, die diesen Prozess beeinflussen. In erster Linie hat dies natürlich mit dem Elternhaus zu tun, aber auch mit einer frühen schulischen Prägung. Wie wahrscheinlich ist es, wenn der größte Teil der heutigen Studenten den öffentlichen Dienst präferiert, dass diese dann als spätere Lehrer, Pädagogen oder Erzieher ihren Anvertrauten die Vorzüge der internationalen Arbeitsteilung, das Bild eines erfolgreichen Unternehmers oder des mündigen Konsumenten vermitteln? Wahrscheinlich werden sie eher die Unternehmer als vermeintliche Ausbeuter und Steuerhinterzieher darstellen und den einzelnen Bürger als willenlosen Konsumenten, der von Werbung und Verlockungen so vernebelt ist, dass er ohne staatliche Hilfe im Dschungel der Marktwirtschaft nicht mehr zurechtkommt.

Die Darstellung von Marktwirtschaft und Unternehmertum in Schulbüchern ist daher eine fundamentale Aufgabe, die nicht unterschätzt werden darf. Es gibt so eindrucksvolle Texte und Beispiel dafür, wie es gehen könnte. Einer dieser Texte ist der bereits 1958 von Leonard Read verfasste „Ich, der Bleistift“. Darin wird anhand der Produktion eines Bleistiftes anschaulich gezeigt, dass niemand das umfassende Wissen haben kann, wie ein Bleistift hergestellt wird. Dafür braucht es das Wissen ganz vieler. Die einen kennen sich mit dem Holz, seiner Be- und Verarbeitung aus. Die anderen kennen sich mit dem Abbau und der Verarbeitung von Graphit aus.

Wiederum andere wissen, wie der Radiergummi und die Metallfassung hergestellt werden und wieder andere haben das Know-how, wie dies alles zu einem Bleistift zusammengefügt wird. In jedem Teilbereich der Herstellung gibt es wieder unzählige Beteiligte, die ihr Wissen zur Verfügung stellen: vom Transportunternehmer über die Buchhalterin bis zum Kaffeebauern. Dies alles kann nur arbeitsteilig erfolgen, indem sich einzelne Unternehmer spezialisieren. Es kann umgekehrt nicht zentral geplant werden, weil keine Zentralbehörde das umfassende Wissen haben kann, wie ein Bleistift hergestellt, in welchen Mengen, an welchem Ort und zu welchem Preis er zur Verfügung stehen soll. Gerade hat das Berliner Prometheus-Institut dazu das Planspiel „Unsere Wirtschaft – Verständlich erklärt an einem Tag“ herausgebracht, das jungen Menschen dies spielerisch nahe bringt.

Wenn es die Beamten in den Kultusbürokratien nicht hinbekommen, müssen wir es eben selbst tun. Ganz im Sinne von Wilhelm von Humboldt: „Gleichförmige Ursachen haben gleichförmige Wirkungen: je mehr also der Staat mitwirkt, desto ähnlicher ist nicht bloß alles Wirkende, sondern auch alles Gewirkte.“

Erstmals veröffentlicht bei Tichys Einblick.

Photo: Michael Muecke from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Sebastian Körber, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Architekt.

Es ist der Traum vieler Menschen, in den eigenen vier Wänden ein individuelles Heim zu schaffen und sich selbstbestimmt zu verwirklichen: Mit der Traumküche, einem geräumigen Tageslicht-Bad oder der Aussicht ins Grüne vom Balkon in der Lieblingsgegend. Deutschland belegt innerhalb der Eigentumsquote ohnehin nur den vorletzten Platz in Europa mit ca. 46%. Gleichzeitig entscheiden sich auch immer mehr Personen, ihre eigene Altersvorsorge auf Immobilien aufzubauen und erwerben etwa eine Eigentumswohnung, um diese dann zu vermieten. Kapitalgedeckt und vollkommen transparent.

Als Liberaler freue ich mich darüber sehr, wenn eigenverantwortlich Altersvorsorge betrieben und gleichzeitig dem Risiko von Altersarmut durch eine selbstgenutzte Immobilie entgegengetreten wird, nimmt der Wohnkostenanteil im Alter doch teilweise von ca. 25% auf bis zu 40% zu. Der Staat und die öffentliche Hand können sich also darüber freuen, dass ihre Bürger fleißig in Immobilien investieren, schließlich sind unsere Immobilienmärkte weder überhitzt noch sind Immobilien in Deutschland riskant finanziert. Dennoch wird es immer schwieriger, eine Immobilie zu kaufen, das Bauen selbst immer teurer und damit steigen übrigens auch die Mieten immer stärker.

Aber was machen die regierenden Politiker? Bedauerlicherweise wird lediglich mit nachweislich unwirksamer Symbolpolitik wie etwa mit der sogenannten „Mietpreisbremse“ versucht, an den Symptomen herumzudoktern. Die Ursachen hingegen werden nicht wirksam bekämpft. Aber bleiben wir bei den Immobilieneigentümern und solchen die es werden wollen: Mit der Energieeinsparverordnung werden diese gezwungen, auch bei schönen alten Fassaden, die noch nicht unter Denkmalschutz stehen, teure Dämmung aufzubringen, die – im Falle von Styropor – einmal Sondermüll wird und sich über die Laufzeit über tatsächlich eingesparte Energie kaum amortisiert. Schlimmer ist aber noch die Einschränkung beim Lüften, steht doch bauphysikalisch das Öffnen der Fenster dann der Einsparung im Weg. Also muss teure Lüftungstechnik angeschafft werden, man lebt jetzt schließlich in einer dichten Hülle, quasi unter einer Plastiktüte.

Die Baukosten und der Eigentumserwerb werden damit kräftig verteuert und erschwert, das Weltklima retten wir dadurch gar nicht. Denken wir primärenergetisch, ist Styropor wohl sogar noch klimaschädlicher. Mehrkosten ca. 5-10%! Also weder ökologisch noch sozialpolitisch sinnvoll, denn wer zahlt’s? Der Mieter! Und wenn man eine Immobilie kauft, fallen alleine bei Notar und Grundbuch knapp 2% an. Für den Grunderwerb nochmal 3,5% in Bayern – ein Schnäppchen, zahlt man in anderen Bundesländern doch bereits teilweise 6,5%! Bei einem Reihenhaus in Schleswig-Holstein für 350.000 € also weitere knapp 30.000 €! Auch die Kommunen erhöhen gerne mal die Grundsteuer, die dann jährlich anfällt oder wenden die sogenannte Straßenausbaubeitragssatzung an, dann zahlt man als Haus- oder Wohnungseigentümer auch noch für die Straßen- und Kanalsanierung. Im Laufe eines Immobilienlebens übrigens mehrfach möglich, wenn es die Kommune klug anstellt.

Aber noch besser ist die still und heimlich verabschiedete EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie, die seit 2. Quartal 2016 nun Gesetz in Deutschland ist. Die Bank müssen nun insgesamt über mehrere dutzend Seiten Text dokumentieren, dass sich der Kreditnehmer, bei Betrachtung seiner Lebenserhaltungskosten, einen Kredit lebenslang leisten kann. Was macht aber das Rentnerehepaar, welches noch barrierefrei umbauen möchte? Oder die junge Familie, die noch keine großen Sicherheiten vorzuweisen hat und wo gerade nur einer von beiden arbeitet? Bürokratie und nächster Knüppel zwischen die Beine!

Und wenn man dann sein Heim umsetzen möchte, wird man in seiner Kreativität auch noch teilweise unnötig eingeschränkt, etwa beim vorgeschriebenen Sockel des Gartenzauns, der Dachform und im Blick auf die Tiere, die sich in einem Baum eingenistet haben, weshlab der erst im Oktober gefällt werden darf – so schreibt es die Bundesgesetzgebung im Umweltschutzbereich vor. Im Bauausschuss einer Gemeinde diskutieren dann auch Stadt- und Gemeinderäte, selbsternannte Ästhetikkenner und Baufachleute, wie das überhaupt nur genehmigt werden kann. Diese Liste wäre beliebig fortzuführen…

Wir benötigen dringend ein Umdenken, denn es geht um ein Stück Freiheit, Sicherheit und Selbstverwirklichung! Wir brauchen mehr Freiheit für Immobilieneigentümer, denn Eigentum schafft Freiheit und diese Freiheit muss unterstützt werden! Deshalb fünf klare Forderungen:

1. Abschaffung der Grunderwerbsteuer bei Wohnimmobilien

2. Mehr Freiheiten und Flexibilität in Bebauungsplänen

3. Reduktion der Werte der Energieeinsparverordnung

4. Aussetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie

5. Weg mit der Straßenausbaubeitragssatzung

Photo: Markus Tacker from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Es ist wie auf der Autobahn: Befindet sich voraus ein Stau, versuchen viele, noch schnell die nächste Ausfahrt zu nehmen, um längere Wartezeiten zu vermeiden. Bei der Bankenregulierung ist es ganz genauso. Dauern Abläufe durch eine überbordende Regulierung länger, überlegen sich die Banken etwas Neues. So auch aktuell die Großbanken UBS, Deutsche Bank, Santander und BNY Mellon. Dabei hilft es, wenn man den Zeitgeist aufnimmt und auf moderne Technologien setzt. Zwar sind viele Banken, Notenbanken und Regierungen skeptisch was die private Kryptowährung Bitcoin betrifft, aber deren technisches Prinzip, die Blockchain, finden sie dennoch faszinierend und überlegen dieses Prinzip auf ihre Welt zu übertragen. Das innovative Prinzip der Blockchain setzt darauf, dass nicht eine zentrale Behörde Transaktionen überwacht. Stattdessen gewährleistet das dezentrale öffentliche Protokoll eines Netzwerkes die Sicherheit.

Doch das Bankenkonsortium denkt nicht daran, auf das bestehende Modell der Bitcoins aufzubauen, sondern sie wollen für ihre Bankenwelt eine eigene Kryptowährung, den „Utility Settlement Coin“, nutzen, um die Abwicklung von Kapitalmarkttransaktionen zu beschleunigen. Die notwendigen Kosten für die Sicherheiten, die Banken derzeit für Transaktion hinterlegen müssen, beziffert das Beratungshaus Oliver Wyman auf weltweit 65 bis 80 Milliarden Dollar. Das ist wahrlich kein Pappenstiel. Dass die Banken diese Summe reduzieren wollen, ist daher sehr naheliegend.

In der derzeitigen Bankenwelt haben diese Sicherheiten jedoch ihren Grund. Es waren die Lehren der Finanzkrise 2008, die dazu führten, dass im Rahmen von Basel III Banken ihre Kapitalmarkttransaktionen nicht mehr an öffentlichen Börsen vorbei tätigen konnten, sondern nur noch über geregelte Marktplätze. Gleichzeitig mussten sie ihre Transaktionen mit Eigenkapital unterlegen. Die langjährige Praxis, über Zweckgesellschaften in Irland Milliardentransaktionen ohne Eigenkapitalunterlegung durchzuführen, brachte das Bankensystem nicht nur in Deutschland ins Schlingern. Noch heute wirken bei uns die Pleiten der HRE, einiger Landesbanken und der IKB nach. Der Preis dafür war, dass diese Regulierungen zeitaufwendiger und teurer für die Banken wurden.

Das Bankenkonsortium hat das Thema Bitcoin und Blockchain nicht wirklich verstanden. Die Blockchain funktioniert nur deshalb bislang störungsfrei, weil sie untrennbar mit der Kryptowährung Bitcoin verbunden ist. Nur die weltweite Akzeptanz von Bitcoins, das internationale Netzwerk von vielen Nutzern, sichert das System. Das ist ein Paradigmenwechsel vom bisherigen Geldsystem. Dort benötigte man immer eine Behörde, eine Zentralbank oder eine Verordnung, die das Handeln der Marktteilnehmer überwacht oder einschränkt. Genau das ist bei Bitcoin nicht nötig. Bitcoins und die Überwachung von Transaktionen sind ohne Zentralbank und ohne staatliche Regulierung möglich.

Es sind eigentlich zwei Welten, die hier aufeinanderprallen. Die alte Welt der Regulierung durch den Staat und seine Zentralbanken, und die neue Welt, die Sicherheit ohne den Staat durch die Kontrolle der Vielen ermöglicht. Banken müssen sich daher entscheiden, was sie wollen. Es kann nicht funktionieren, wenn Banken die Blockchain-Welt übernehmen, aber nur wenige exklusiv daran teilnehmen sollen und dieses Abwicklungssystem dann von Zentralbanken überwacht wird. Wenn die Banken diesen Weg gehen, dann verfolgen sie eigentlich etwas Anderes. Sie schaffen lediglich eine neue Verrechnungseinheit, die möglicherweise auch global zur Anwendung kommt. Diese Verrechnungseinheit kann vielleicht auch Prozesse im Zusammenspiel mit einer Zentralbank vereinfachen, doch das ist etwas ganz Anderes als das, was mit der Blockchain-Technologie hinter dem Bitcoin gemeint ist.

Dass dieses Projekt der Banken überhaupt eine Chance hat, muss generell bezweifelt werden. Manche vermuten gar, dahinter stecke die Absicht, den Dollar als Weltleitwährung abzulösen. Doch aus welchem Grund sollte die amerikanische FED dies zulassen? Sie hat kein Interesse daran, dass der Dollar als Weltleitwährung infrage gestellt wird. Schon einmal hat die USA dies verhindert. Als John Maynard Keynes die Idee des Bancor, als neuer Weltleitwährung einer Nachkriegsgeldordnung bei der Konferenz in Bretton Woods vorschlug, setzte sich Amerika mit dem Dollar durch, der an Gold gebunden war. Am Ende bleibt also nur, das Regulierungsregime „Basel III“ und seine Folgeregulierungen durch ein neues, die Banken schonenderes Regime zu ersetzen. Hier gilt, wie bei jeder Stauumfahrung auf der Autobahn: häufig steht man dann wieder im Stau, weil der nächste Auffahrunfall gerade stattgefunden hat.

 

Foto: der LichtKlicker from flickr (CC BY-NC 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, und Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus.

Fast 90% der Deutschen halten die Demokratie für die beste Herrschaftsform, wenngleich die Zustimmungsrate in den letzten Jahren leicht gefallen ist. Den Kapitalismus hingegen hält nur ein gutes Viertel der Bevölkerung für segensreich, den Sozialismus dagegen fast die Hälfte. Den Geist dieser Einstellung bringt Linkspartei-Politikerin Sahra Wagenknecht auf den Punkt, wenn sie fordert: „Freiheit statt Kapitalismus!“ Tatsächlich ist Freiheit ohne Marktwirtschaft genauso wenig zu denken wie Reichtum ohne Demokratie. In Kombination bilden Marktwirtschaft und Demokratie die wirksamste Voraussetzung für wachsenden Reichtum und zunehmende Freiheit.

Reichtum und Freiheit kein Automatismus

Die Menschheit wird reicher. Spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts wächst der Wohlstand weltweit und der Anteil der absolut Armen nimmt ab. Die Menge der pro Kopf produzierten und zum Konsum bereitstehenden Güter und Dienstleistungen wächst von Jahr zu Jahr.

Die Menschheit wird auch immer freier. Immer mehr Menschen sind in der Lage, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen und an der Gestaltung ihrer Umwelt teilzuhaben, statt der Willkür weniger Mächtiger unterworfen zu sein.

Doch wachsender Wohlstand sowie zunehmende Freiheit sind keine Automatismen. Weiterhin sind Reichtum und Freiheit auf der Welt sehr ungleich verteilt. Dass einige Länder reich und frei sind, während andere Länder arm und unfrei sind, ist nicht Ergebnis des Schicksals oder Zufalls. Was macht Menschen in einigen Ländern reich und frei, während Menschen in anderen Ländern arm und unfrei bleiben?

Das Erfolgsrezept ist die marktwirtschaftlich organisierte Demokratie – eine Gesellschaftsordnung, in der die Allokation von Gütern und privater Eigentumsrechte an ihnen über Märkte erfolgt und der Zugang zu politischer Macht wettbewerblich und für alle offen ist. In marktwirtschaftlich organisierten Demokratien genießen Menschen sichere private Eigentums- und andere Persönlichkeitsrechte, die die Grundlage für Wohlstand und Freiheit bilden.

Wie gut es Menschen in reichen und freien Ländern gelingen wird, ihr Glück zu bewahren und wie gut es Menschen in armen und unfreien Ländern gelingen wird, ihr Leben in Zukunft lebenswerter zu gestalten, hängt entscheidend davon ab, dass wir diese Voraussetzungen einer freien und reichen Gesellschaft verstehen.

Voraussetzung für Wohlstand: wachsender Kapitalstock

Vor Beginn der industriellen Revolution lebten fast alle Menschen in Armut. Ihr Lebensstandard verbesserte sich nur langsam. Reichtum war auf kleine Gruppen konzentriert. Spätestens mit der industriellen Revolution ist es einigen Ländern gelungen, der Armut zu entfliehen – zunächst Großbritannien, den Niederlanden und Italien, dann anderen Ländern Europas, den USA, Japan und Teilen des Commonwealths. Seitdem werden die in diesen Ländern lebenden Menschen von Generation zu Generation reicher.
Die Grundlage für diese Entwicklung sind Produktivitätsgewinne. Der wachsende Kapitalstock dieser Länder ― dazu gehören beispielsweise Fabriken, Humankapital und die Infrastruktur ― macht menschliche Arbeitskraft produktiver, lässt sie also unter Einsatz derselben Arbeitskraft mehr Güter und Dienstleistungen produzieren.
Auch nachdem die industrielle Revolution einen Teil der Welt längst aus der Armut gerissen hatte, haben es manche Länder geschafft, auf den Wohlstandspfad zu gelangen. Prominente Beispiele sind die ostasiatischen Tigerstaaten Südkorea, Taiwan, Singapur und Hongkong, deren Reichtum seit den 1980er Jahren schnell wächst. In anderen Ländern ist es Menschen nicht gelungen, den Kapitalstock massiv auszubauen, etwa in weiten Teilen Afrikas südlich der Sahara.
Wie kommt es, dass der Kapitalstock in manchen Ländern schnell wächst, während er in anderen Ländern nur langsam wächst, stagniert oder gar schrumpft?

Kapitalstock kann wachsen, wenn Privateigentum sicher ist

Der Kapitalstock wächst, wenn Menschen ihr Einkommen nicht vollständig konsumieren, sondern in Teilen sparen und für Investitionen bereitstellen. Konsumverzicht heute ist also die Grundlage für einen größeren Kapitalstock morgen. Da ein größerer Kapitalstock zukünftig mehr Konsum erlaubt, ist es für Menschen grundsätzlich lohnenswert, einen Teil ihres Einkommens zu investieren. Wie viel sie sparen, hängt unter anderem davon ab, wie sehr sie zukünftigen Konsum wertschätzen. Es hängt aber auch davon ab, wie sicher Menschen sein können, dass sie in Zukunft nicht durch Diebstahl oder Enteignungen um die Früchte ihres heutigen Verzichts gebracht werden.

BIP
Damit Menschen sich freiwillig dazu entschließen, Konsumverzicht zu üben, müssen Institutionen vorherrschen, die private Eigentumsrechte gegen Übergriffe durch Private oder den Staat schützen und dezentralisierte Entscheidungen über Konsum und Sparen ermöglichen. Es braucht eine Marktwirtschaft, basierend auf privaten Eigentumsrechten. Alternative Methoden den Kapitalstock aufzubauen – über Sklaverei, Planwirtschaft oder Raubzüge – erwiesen sich historisch und erweisen sich aktuell nicht nur als ungeeignet, sondern katastrophal für die unfreiwillig Beteiligten.

In Ländern, die Institutionen zum Schutz privaten Eigentums früh ausgebildet haben, wurden Menschen früher reich. Es ist unklar, weshalb diese Institutionen zuerst in Westeuropa entstanden sind – das mag beispielsweise an kulturellen Besonderheiten oder der Rolle des Außenhandels liegen. Entscheidend ist, dass die Voraussetzungen für einen wachsenden Kapitalstock und Reichtum bekannt sind: Marktwirtschaft auf Grundlage sicherer privater Eigentumsrechte.

Demokratie sichert Persönlichkeitsrechte

Eigentums- und andere Persönlichkeitsrechte werden in Demokratien am besten gesichert. Rechtsstaatlichkeit und Wettbewerb um politische Ämter schränken Machtmissbrauch ein und erlauben die Partizipation an politischen Entscheidungen. In Demokratien müssen die Wünsche der Bürger berücksichtigt werden, wenn Machthaber ihr Mandat nicht verlieren wollen.

Marktwirtschaft und Demokratie ergänzen sich deshalb nicht nur, sie bestärken sich gegenseitig. Der in Demokratien stattfindende Wettbewerb um politische Machtpositionen schränkt den Einflussbereich dieser Machtpositionen zugleich ein und trägt so zu sicheren privaten Eigentumsrechten bei. Marktwirtschaftliche Institutionen und sichere private Eigentumsrechte beschränken ihrerseits die Anwendung demokratischer Entscheidungsfindung auf jene Bereiche, in denen sie angemessen ist.


Demokratische Gesellschaften sind nicht frei von Problemen. Sie müssen Mechanismen entwickeln, um zu verhindern, dass organisierte Interessengruppen auf Kosten der restlichen Gesellschaft von Sonderrechten profitieren, dass Politiker ihre eigenen Interessen allzu sehr in den Vordergrund stellen und dass Mehrheiten die Freiheit von Minderheiten einschränken. Ein wirksames Mittel gegen diese Gefahren ist die Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen.

Demokratie und Marktwirtschaft sind Zwillinge

Im Zusammenspiel sind Marktwirtschaft und Demokratie das wirksamste Rezept für Reichtum und Freiheit, das der Menschheit bekannt ist. In einzelnen Fällen haben auch Autokraten die Freiheit ihrer Untertanen bewahrt und ausgebaut, doch das sind historische Ausnahmen. Nur marktwirtschaftlich organisierte Demokratien geben Menschen die Möglichkeit, ihr Leben und ihre Umwelt in freiwilliger Kooperation zu gestalten – in wirtschaftlicher, wie in politischer Hinsicht.

Es ist eine gute Nachricht, dass die meisten Menschen in freien Ländern die Demokratie als etwas Wertvolles wahrnehmen und sich gegen den Abbau demokratischer Institutionen aussprechen. Es ist ebenfalls eine gute Nachricht, dass die meisten Menschen in unfreien Ländern die Schaffung demokratischer Institutionen wünschen. Es ist jedoch wünschenswert und für zukünftige Wohlfahrtsteigerungen maßgebend, dass der Segen der Marktwirtschaft, basierend auf privaten Eigentumsrechten, in ähnlicher Weise anerkannt wird.

Erstmals veröffentlicht bei IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues.

Foto: Traveller_40 from flickr (CC BY-NC-ND 2.0)

Was haben Mikronesien, die Seychellen, Antigua und Deutschland gemeinsam? Das Sommerwetter sicherlich nicht. Auch wenn wir gerade ein heißes Spätsommerwochenende erleben, ist der Sommer 2016 doch eher ins Wasser gefallen. Was diese Länder mit Deutschland eint, ist, dass sie ebenfalls einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben des Staates erzielen. Es sind nicht viele Staaten auf dieser Welt, denen das aktuell gelingt, umso erfreulicher ist es für Deutschland. Deutschland erzielte im ersten halben Jahr 2016 einen Überschuss von 18,5 Milliarden Euro oder 1,2 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Schon wird die Frage gestellt: wohin damit? Drei Möglichkeiten bieten sich an: Erstens kann der Staat seine Ausgaben erhöhen und sie einfach verfrühstücken. Zweitens kann er seine Verschuldung abbauen und Kredite tilgen. Drittens könnte er seine Einnahmen kurzfristig dadurch reduzieren, dass er den Bürgern weniger an Steuern wegnimmt.

Die erste Möglichkeit ist das Konzept der siebziger Jahre. Während der damaligen Ölkrise schwächelte die heimische Wirtschaft, die Arbeitslosigkeit stieg und Helmut Schmidt begründete die höhere Neuverschuldung mit den Worten: „Lieber fünf Prozent Inflation als fünf Prozent Arbeitslosigkeit.“ Bekanntlich hatte er dann 1980 beide Marken übertroffen und wurde auch deshalb wenige Jahre später abgewählt. Die zweite Möglichkeit sieht den Schuldenabbau vor. Allein der Bund schiebt derzeit 1050 Milliarden Euro Schulden vor sich her. Finanzminister Schäuble will davon nichts tilgen, sondern setzt darauf, dass das Wirtschaftswachstum die Schuldenquote im Jahr 2020 unter die 60 Prozent-Norm des Maastricht-Vertrages drückt.

Dabei hat er es derzeit sehr einfach. Mario Draghis Zinsvernichtungspolitik hilft Schäuble enorm. Noch vor wenigen Jahren musste Schäuble trotz 117 Milliarden Euro höherer Schulden weniger Zinsen bezahlen. In der Hochzeit waren es über 40 Milliarden pro Jahr, im nächsten Jahr sind es nur noch 19 Milliarden Euro. Historische Vorbilder großer Volkswirtschaften für einen radikalen Schuldenabbau gibt es nicht viele. Die Schweiz ist eines. Hatte die Schweiz zum Ende des Zweiten Weltkrieges noch eine Verschuldung von 60 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung, waren es in den 1970er Jahren nur noch unter 10 Prozent. Ein relativ konstanter Schuldenberg sank prozentual im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung durch ein starkes ökonomisches Wachstum. Die Schweizer Wirtschaft wuchs in dieser Zeit um über 3 Prozent pro Jahr.

Die dritte Variante wäre es, die Einnahmen des Staates kurzfristig zu reduzieren und die Bürger steuerlich zu entlasten, damit dadurch eine neue wirtschaftliche Dynamik entsteht, die dann mittel- und langfristig die Einnahmen des Staates wieder steigen lässt. Es wäre die Variante, die Ronald Reagan in den 1980er Jahren gewählt hat und die den wirtschaftlichen Aufstieg Amerikas in dieser Zeit begründete.

Historische Betrachtungen hinken meist, auch hier.

Schmidt konnte zu Beginn der 1970er Jahre nicht auf Überschüsse zurückgreifen. Der Staat gab damals schon mehr aus, als er einnahm. Deutschland ist nicht die Schweiz. Wir sind Mitglied des Euro-Währungsraumes, der inzwischen leider die Schulden des einen Landes zu Schulden des anderen Landes gemacht hat. Die Nichtbeistandsklausel in den Europäischen Verträgen gilt nur noch auf dem Papier. Das bankrotte Griechenland demonstriert uns jeden Tag diesen Umstand. Und auch die dritte Variante hinkt ein wenig. Die Steuereinnahmen steigen in dieser Legislaturperiode um über 100 Milliarden Euro vor allem deshalb, weil die Wirtschaft wächst. Deutschland hat im Vergleich zu vielen anderen EU-Ländern sehr solide Wachstumsraten.

Deutschland sollte daher lieber einen Dreiklang der Maßnahmen favorisieren. Erstens müssen die Ausgaben viel stärker in den Ausbau der Infrastruktur, sei es in die Bildung, den Straßenverkehr oder die digitale Infrastruktur umgeschichtet werden. Zweitens sollten die Ausgaben geringer steigen als die Einnahmen, um so den Schuldenstand im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung zu reduzieren. Und drittens muss ein kluger Finanzminister die Bürger berechenbar entlasten. Das heißt: Mindestens die Hälfte der Steuermehreinnahmen müssen künftig an die arbeitenden Bürger zurück.