Photo: Eden, Janine and Jim from Flickr (CC BY 2.0)

Von Hendrik Hilpert, Student von Economics and Finance an der Syracuse University, New York.

Der Wunsch nach Veränderung ist in den USA so spürbar wie seit Ronald Reagan nicht mehr. Das bringt die USA jedoch in eine Situation, vor der Friedrich August von Hayek bereits 1944 gewarnt hatte. Der Wahlkampf zur Präsidentschaft in den USA ist eine Suche nach einfachen Antworten auf komplexe Fragen. Besonders der klassisch liberale Beobachter sollte dabei mit Unbehagen auf den Wahltag am 8. November blicken. Weder Donald Trump noch Hillary Clinton bieten dem Wähler einen Weg zu mehr individueller Freiheit und Liberalität. Zwar duellieren sich die beiden heftig auf persönlicher Ebene, inhaltlich ist man sich aber näher, als man zugeben möchte. Ob Trump oder Clinton – lediglich die Facette, welche der autoritäre Staat und die damit einhergehende Misere annähme, würde sich unterscheiden.

Donald Trump stellt für seine Unterstützer eher ein Ventil für Wut und Enttäuschung als eine ersthafte programmatische Alternative dar. Ihn einer traditionellen Denkschule zuzuordnen ist unmöglich und wird von seinen Unterstützern auch nicht gefordert. Die Abneigung gegenüber der Politik vergangener Jahrzehnte ist stark genug, um eine ausreichende Basis für einen politischen Erdrutsch zu bilden.

Die politische Einordung von Hillary Clinton fällt leichter. Ihr Wahlprogramm sowie jüngste Aussagen machen deutlich, dass sie Teil der sogenannten progressiven Bewegung ist. Das ausgesprochene Ziel des Progressivismus ist die Modernisierung der Gesellschaft. Dabei verlässt man sich zunehmend auf die Macht des Staates. Die Freiheit des Individuums spielt eine zunehmend immer untergeordnetere Rolle.

Sowohl Trump als auch Clinton stimmen darüber hinaus in einer grundsätzlichen Ablehnung der Prinzipien liberaler Wirtschaftspolitik überein. Während Hillary Clinton beispielsweise den Bankrott der einheimischen Kohleindustrie aktiv fördern möchte, hat Donald Trump angedeutet, einzelne Jobs durch verschiedenste Subventionen erhalten zu wollen. Beide Kandidaten reagieren zudem auf den öffentlichen Protest gegen die Idee des Freihandels mit einer Art merkantilistischer America First Politik. Während Donald Trump Zölle auf die Einfuhr ausländischer Produkte erlassen möchte, um den einheimischen Produktionssektor zu schützen, will Clinton der nationalen Industrie mit enormen Steuervorteilen einen massiven Wettbewerbsvorsprung geben.

Als Friedrich August von Hayek sein Werk Der Weg zur Knechtschaft im Jahr 1944 zum ersten Mal veröffentlichte, warnte er vor politischen Bewegungen, die durch Ziele wie totale Gleichheit oder grenzenlose Sicherheit um jeden Preis auch in westlichen Ländern attraktiv werden könnten. Das, wovor Hayek einst gewarnt hatte, ist in den USA heute jedoch politische und gesellschaftliche Realität geworden. Der Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften hätte sowohl in Trump als auch in Clinton potentielle Navigatoren zur Knechtschaft – also zur Machtverlagerung vom Einzelnen hin zum Staat – gesehen.

Viele US-Amerikaner sind aufgrund ihrer wahrgenommenen Perspektivlosigkeit verzweifelt und haben das Gefühl, an dieser Situation selbst nichts ändern zu können. Hayek stellte früh die These auf, dass man „geistige Unabhängigkeit und Charakterstärke selten bei Menschen findet, die nicht damit rechnen können, aus eigener Kraft ihr Glück zu machen.“ In dieser Situation scheint der radikale Regimewechsel oft der letzte Ausweg zu sein. Donald Trump erweckt durch seinen unternehmerischen Erfolg den Eindruck, dass er auch als Präsident in Washington die Vereinigten Staaten wieder in die „Siegerspur“ bringen kann. Wie er das erreichen möchte bleibt unklar.

Hayek hat vor der Unterdrückung der Demokratie im frühen 20. Jahrhundert ein Stadium erkannt, welches „von dem allgemeinen Verlangen nach schnellem und entschlossenen Handeln der Regierung und von der Unzufriedenheit mit dem langsamen und schwerfälligen demokratischen Geschäftsgang“ gekennzeichnet sei. Das führe dazu, dass ein Handeln unter allen Umständen gefordert würde. „In einem solchen Augenblicke übt der Mann oder die Partei, welche stark und entschieden genug zu sein scheinen, um »durchzugreifen«, die größte Anziehungskraft aus. (…) Was sie suchen, ist eine Persönlichkeit, hinter der genug steht, damit man ihr die Durchführung jeder Aufgabe zutraut.“

So attraktiv ein politischer Paukenschlag auch sein mag, so wenig nachhaltig wird der von Trump jedoch sein. Anders als damals bei Ronald Reagan in den 1980er Jahren wird man ihn im Falle eines Wahlsieges nämlich nicht mit einem detaillierten ökonomischen Reformpaket vergleichen können, welches er vor der Wahl angeboten hatte. Gewinnt Trump die Wahl, hat er die notwendige Macht gewonnen, um seine Beliebigkeit in welcher Form auch immer politische Realität werden zu lassen.

Für Liberale ist die Entscheidung pro Individuum deswegen immer die bessere Alternative. Genau diese Feststellung widerstrebt aber auch den Idealen des Progressivismus und damit der Politik von Hillary Clinton. Man sieht den Staat als Heilsbringer, der die Menschen erziehen und ihr Leben durch zentrale Planung zu einem „besseren“ Leben machen kann. Hayek dazu: „Zur Rechtfertigung eines bestimmten Planes bedarf es aber nicht vernünftiger Überlegung, sondern des Bekenntnisses zu einem Glauben. Und tatsächlich erkannten all die Sozialisten sehr bald, dass die Aufgabe, die sie sich gestellt hatten, die allgemeine Annahme einer gemeinsamen Weltanschauung, eines bestimmten Systems von Werten erfordert.“ Progressive US Eliten versuchen deshalb, bis tief in die Gesellschaft hineinzudrängen.

Hayek wusste, dass wir eine solche allumfassende Werteskala nicht besitzen: „Es überstiege Menschenkraft, die unendliche Mannigfaltigkeit der verschiedenen Bedürfnisse der verschiedenen Menschen zu erfassen und jedem die ihm zukommende Bedeutung zuzuweisen.“ Hillary Clinton erweckt aber den Eindruck, genau zu wissen, wie ein Farmer in Texas leben sollte, um ein gutes Leben zu haben. Darüber hinaus steht sie nicht nur für autoritäre Planung im Inneren der Vereinigten Staaten, sondern auch für eine Fortsetzung der US Außenpolitik als Weltpolizei und Heilsbringer für Menschen in fremden Kulturkreisen.

Bei aufmerksamer Beobachtung des politischen Geschehens in den USA wird deutlich, dass nur noch diskutiert wird, wer von Trump und Clinton denn das kleinere Übel sein könnte. Ronald Reagan und Abraham Lincoln wären von dieser Entwicklung enttäuscht. Letzterer war der erste amtierende Präsident der damals neu gegründeten Republikanischen Partei. Danach folgte mit der schrittweisen Abschaffung der Sklaverei eine echte Revolution. Wenn die US Bürger fundamentalen Wandel möchten, sollte sie nach einer echten programmatischen und ideologischen Alternative suchen, die vielleicht nicht von Seiten der etablierten Parteien kommt. 2016 könnte ein großer Schritt zu dem werden, was Hayek als Knechtschaft bezeichnet hat. 2016 könnte aber auch das Jahr einer dritten Partei werden, die das politische Washington fundamental verändert.

Dieser Text basiert auf einem Vortrag beim Hayek Club Fulda am 30. Juni 2016.

Photo: Thomas Quine from Flickr (CC BY 2.0)

Die skandinavischen Länder üben auf viele Menschen in Deutschland eine Faszination aus. Die weite Landschaft, die Seen, der lange kalte Winter und der intensive kurze Sommer haben viele Bürger hierzulande zu Schweden-Fans gemacht. Auch politisch ist für viele Schweden ein Vorbild. Der schwedische Wohlfahrtsstaat galt in den 1970er und 1980er Jahren als Vorbild und als der gemäßigte „dritte Weg“ zwischen Kapitalismus angelsächsischer Prägung und dem Sozialismus der Sowjetunion. Der vor 30 Jahren ermordete Ministerpräsident Olaf Palme stand wie kein anderer für dieses Modell.

Mit der Bankenkrise Anfang der 1990er Jahre trat ein Umdenken ein. Schweden war eines der ersten Länder in Europa, das eine schwere Bankenkrise zu bewältigen hatte. Wie in anderen Ländern später auch, führte das Platzen einer Immobilienblase dazu, dass der schwedische Staat und seine Notenbank mit Garantien die betroffenen Banken und die Einleger schützen musste. Der Preis dafür war nicht nur ein Zurückschrauben des Wohlfahrtsstaates alter Prägung, sondern auch umfangreiche Fusionen im Bankensektor. Heute beherrschen nur vier große Banken den schwedischen Markt.

Schweden gilt auch als Vorreiter der Bargeldabschaffung. Dort kann man jeden Kaffee im Restaurant, jede Kugel Eis und sogar das Toilettenhäuschen mit seinem guten Namen bezahlen. Die Schweden seien viel fortschrittlicher und aufgeschlossener für moderne Entwicklungen, als die an antiquierten Münzen und Scheinen festhaltenden Deutschen, heißt es bei den lobbyierenden Kartenunternehmen.

Kürzlich berichtete der Deutschlandfunk in einer interessanten Reportage über die wachsende Kritik in Schweden am Zurückdrängen des Bargeldes. Darin wird ein anderes Bild über die Hintergründe und Widerstände gezeichnet. Die vier marktbeherrschenden Banken betreiben gemeinsam eine Politik, die das Bargeld diskriminiert. Für sie ist es billiger, ohne den hohen administrativen Aufwand, den der Bargeldverkehr für die Banken verursacht, zu arbeiten. Die Bürger können mangels Wettbewerb dieser Entwicklung nicht ausweichen. So betreiben die vier Banken gemeinsam eine Gesellschaft, die alle Bankautomaten in Schweden unterhält.

Häufig ist das maximale Abhebevolumen nur noch umgerechnet 100 Euro. Einige Banken nehmen gar kein Bargeld mehr an und Einzelhändler können ihr Bargeld nicht mehr am Bankautomaten oder in der Bankfiliale einzahlen. Einzelhändler werden dadurch gezwungen, auf unbare Zahlungsweise umzustellen. Gerade für ältere Menschen wird dies zum Problem, wenn sie keine Kreditkarte haben. Dann werden ihnen bei Überweisungen hohe Gebühren belastet. So kostet eine Überweisung schon mal umgerechnet 8 Euro.

Doch jetzt scheint sich der Widerstand zu formieren. Der größte schwedische Pensionärsverband hat vor einigen Wochen eine Protestnote „Bargeld wird gebraucht“ mit 140.000 Unterschriften an die Regierung überreicht. Auf Deutschland bezogen wären das immerhin 1,2 Millionen Unterschriften. Eine andere Initiative „Bargeld-Aufstand“ formiert sich ebenfalls zu Protest.

Die Schwedische Krone ist zwar alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel, dennoch wird sie im Alltag diskriminiert. Diese Tendenz ist auch in Deutschland vorherrschend. Am übernächsten Sonntag wird in Berlin gewählt. Die dortigen Bürgerämter sind überfordert, Meldedaten entgegenzunehmen. Wer dies freiwillig versucht, muss schon mal sechs Wochen auf einen Termin warten. Ob so überhaupt eine reguläre Wahl stattfinden kann, wenn die Meldedaten nicht aktuell sind? Hinzu kommt: will der Berliner die Gebühr für seinen neuen Personalausweis oder Reisepass bar bezahlen, ist dies nicht mehr möglich. Ein wenig freundliches Schild auf dem Tisch des Sachbearbeiters weist einen darauf hin: „Barzahlung nicht möglich“.

Auch wir steuern auf schwedische Verhältnisse zu. Der Staat und seine Institutionen diskriminieren das Bargeld im Alltag ebenfalls. Dabei ist die Rechtslage eindeutig. Das Bundesbankgesetz regelt in Paragraph 14, Satz 2 sehr klar: „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“ Doch Theorie und Praxis klaffen auch in Deutschland auseinander. Der n-tv-Journalist Raimund Brichta hat kürzlich versucht, seine Einkommensteuer beim Finanzamt bar zu bezahlen – ohne Erfolg. Jetzt strengt er dazu eine Klage an. Der Journalist Norbert Häring hat mit Unterstützung meines Prometheus-Instituts eine Klage erwirkt, die die Barzahlung des Rundfunkbeitrages erreichen will. Die Verpflichtung des Beitragszahlers auf unbare Zahlung in der jeweiligen Satzung des Senders beruht auf Landesrecht des einzelnen Bundeslandes. Das Bundesbankgesetz ist jedoch ein Bundesgesetz, das Vorrang hat und nicht durch Landesrecht gebrochen werden kann.

Warum das alles? Bargeld sichert die Privatautonomie jedes Einzelnen und schützt den Bürger vor den Negativzinsen, die EZB-Chef Mario Draghi braucht, um die Sparer kalt und klammheimlich zu enteignen. Wehret den Anfängen!

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

Photo: James Vaughan from Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Die Werbung steht mal wieder im Fokus der Kritik. Die Alternative zu vermeintlich oder tatsächlich manipulativer Werbung ist jedoch nicht „Mutter Staat“, die ihre Kinder von allen Bedrohungen und Verlockungen abschirmt. Die Alternative ist der selbstbestimmte Bürger.

Wutbürger auf allen Seiten des politischen Spektrums

Im April dachte der Justizminister laut über ein Verbot sexistischer Werbung nach. In den vergangenen Tagen beschäftigt eine schlüpfrige Werbekampagne der Firma „true fruits Smoothies“ nicht mehr nur den Werberat und die Mitglieder der Wirtschaftsredaktionen, sondern inzwischen auch massenweise Feuilletonisten und Wortwitzkünstler. Und in der letzten Woche ließ sich das „Forum Rauchfrei“ eine Anzeige in der FAZ sportliche 33.000 € kosten, um ein „umgehendes Verbot der Außenwerbung für Tabakprodukte“ zu fordern. Hand in Hand, so könnte die Erzählung lauten, kämpfen Zivilgesellschaft und Politik gegen die übermächtige Interessenmacht der Industrie und ihrer Vermarkter. Die Realität sieht wohl anders aus.

Wutbürger finden sich mitnichten nur auf Pegida-Demonstrationen oder in den Wahlkabinen in Pforzheim und Greifswald. Es gibt sie in den verschiedensten Färbungen und Variationen. Den Wutbürger macht wesentlich aus, dass er sich einer Macht gegenübersieht, die ihn verkauft und verraten hat. Er kann sich kaum gegen sie wehren, weil sie größer und mächtiger ist als er. Aber er will es sich nicht mehr länger gefallen lassen. Darum erhebt er seine Stimme und wirft sich dem Gegner entgegen wie einst David dem Goliath. Im Falle der politisch nach rechts tendierenden Wutbürger sind die Gegner dann „die Eliten“ oder „die Meinungsmacher“. Der auf die linke Seite neigende Wutbürger sieht sich im Kampf gegen Großkonzerne und neoliberale Ausbeuter. Mehr Unterschied ist nicht.

Man muss sexistische Werbung nicht gut finden

Im Wut-Weltbild der Gegner des Neoliberalismus sind die „Gewinnmaximierer“ der Feind Nummer eins. Menschen, die nur nach ihrem eigenen Vorteil streben und das Wohl ihrer Mitmenschen auf dem Altar des Profits opfern. Die Begeisterung über die eigene moralische Erhabenheit in Verbindung mit fanatischem Eifer führt freilich oft dazu, dass Zusammenhänge falsch dargestellt, Ursache-Wirkungs-Ketten verkehrt und Verantwortlichkeiten durcheinandergenbracht werden. Wer das intensiv genug betreibt, wird im Laufe der Zeit immun gegen Argumente.

Nehmen wir sexistische Werbung. Es muss kein Ausweis von Spießigkeit sein, wenn man es als unangemessen empfindet, dass gewisse Zeitschriften auf jedem dritten Cover nackte Menschen abbilden, egal ob es beim Heft-Thema um Altersvorsorge, den Brexit oder das Dritte Reich geht. Man muss nicht prüde und verklemmt sein, um der Meinung zu sein, dass 10jährige Kinder nicht am laufenden Band mit unbekleideten Damen und Herren auf XXL-Plakaten konfrontiert werden müssen. Und man kann sogar der Organisation „Pinkstinks“, die Minister Maas bei seinem Vorschlag beraten hat, zustimmen, wenn sie beklagt, dass „Produkte, Werbe- und Medieninhalte … Kindern eine limitierende Geschlechterrolle zuweisen“.

Gesetz erlassen – Problem beseitigt

Aber man sollte genauer hinsehen. Der Slogan „sex sells“ beruht eben auch auf sehr deutlicher empirischer Evidenz. Das liegt nicht nur an den Verkäufern, sondern auch an den Käufern. Offenbar ist der Einsatz von erotischer Bebilderung ein erfolgreiches Mittel, um Käufer anzulocken. Die sehr niedrige Hemmschwelle beim Gebrauch von nackter Haut hat zudem auch damit zu tun, dass die Käufer geprägt sind von einer Gesellschaft, in der es nur noch wenige Tabus auf dem Gebiet der Sexualität gibt. In den Marketing- und Werbe-Agenturen sitzen mitnichten lauter Machos, die konsequent den Masterplan verfolgen, die komplette Verdinglichung von Frauen zu erreichen. Es sitzen dort vielmehr Kinder ihrer tabulosen Zeit, die versuchen, einen möglichst breiten Geschmack zu treffen und sich deshalb an den Wünschen unserer Mitbürger orientieren. Und so platt das auch klingen mag: Wenn sie es nicht machen würden, würden es andere machen.

Werbung zu verbieten, die mit Nacktheit, Sexualität oder festgeschriebenen Rollenbildern operiert, löst keine Probleme. Ja, es kann sogar den Effekt haben, dass man die Augen vor tatsächlichen Problemen und vor allem vor deren Ursachen verschließt. Die Logik „Gesetz erlassen – Problem beseitigt“ gleicht der Vorstellung kleiner Kinder, dass sie nicht gesehen werden, wenn sie sich die Hände vor die Augen halten. Einem herablassenden Frauenbild kann man nur mit langfristiger Bewusstseinsveränderung entgegenwirken. Eine solche Veränderung kann Jahrzehnte dauern – da „wirkt“ ein Gesetz natürlich schneller. Aber es bleibt bei einer rein äußerlichen Veränderung. Jenseits der Frage, ob ein Gesetz ein wirksames Mittel sein kann, ist natürlich vor allem auch die Frage bedeutsam, ob es ein legitimes Mittel sein kann. Dürfen wir Gesetze nutzen, um unserem mitunter durchaus berechtigen Unmut über Sexismus Luft zu machen?

Aus der Herrschaft des Rechts in eine Herrschaft der Gesetze?

In unserer und anderen Gesellschaften hat es tiefgreifende Veränderungen gegeben in den letzten Jahrzehnten: von der Frauenemanzipation bis zur bewussteren Ernährung, von einer Verbesserung der Aufstiegschancen bis zum friedlichen Miteinander von Menschen unterschiedlichster Herkunft. Dass es zu diesen Veränderungen gekommen ist, liegt an Frauen und Männern, die dafür geworben haben; die ihre Ideale hochgehalten haben, zum Teil gegen massiven Widerstand; die Beharrungsvermögen und ein dickes Fell mitgebracht haben. Wenn in diesen Bereichen mit Gesetzen gearbeitet wurde (z. B. Frauenquote, Nichtraucherschutz, Antidiskriminierung), dann kamen diese oft lange nachdem die Veränderung bereits stattgefunden hatte und hatten kaum noch Einfluss auf das Verhalten, geschweige denn die Einstellung der Menschen.

Die Wutbürger, die heute für Werbeverbote kämpfen, sollten dringend abrüsten. Eine freie und offene Gesellschaft muss auf anderem Wege verändert werden. Aufklärung, öffentlicher Diskurs, Überzeugungsarbeit – das sind die einzigen Mittel, deren man sich in einer freiheitlichen Demokratie bedienen darf, wenn man dem Grundgedanken des selbstbestimmten, mündigen Bürgers treu bleiben möchte. Andernfalls drohen wir, aus der Herrschaft des Rechts in eine Herrschaft der Gesetze zu rutschen – aus der Gerechtigkeit in die Willkür. Und es kann übrigens auch sehr gut sein, dass die meisten Menschen in unserem Land nicht so einfältig, willenlos und manipulierbar sind, wie die Werbeverbots-Wutbürger meinen …

Photo: Tom Thai from Flickr (CC BY 2.0)

Eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young hat gerade die beruflichen Pläne von Studenten abgefragt. 32 Prozent der befragten Studenten wollen nach ihrem Studium in den Öffentlichen Dienst wechseln. Lediglich 9,9 Prozent wollen sich selbstständig machen. Wahrscheinlich drückt nichts den aktuellen Gemütszustand junger Menschen in diesem Lande besser aus als diese beiden Zahlen. Der Staatsdienst ist sicher und auskömmlich, die Selbstständigkeit gilt als risikobehaftet und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weniger gut geeignet. Wenn man bedenkt, dass unter der Bedingung von Mehrfachnennungen auch noch 23 Prozent der Studenten gerne in Kultureinrichtungen arbeiten würden, die ja ebenfalls meist staatlich finanziert sind, und weitere 18 Prozent in die staatlich finanzierte Wissenschaft, dann wird einem angst und bange.

Denn für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft ist das ein Alarmsignal. Die Funktionsfähigkeit des Öffentliche Dienstes ist für das Vorankommen einer Gesellschaft und ihres Wohlstandes wahrscheinlich nicht völlig zu vernachlässigen. Man muss dazu nur nach Griechenland schauen, um das hiesige Funktionieren einer Bürokratie auch ein wenig schätzen zu lernen. Dennoch sollten sich in einer offenen Gesellschaft, die zwangsläufig auf einer marktwirtschaftlichen Ordnung beruht, die besten Kräfte selbstständig machen, ihre Ideen umsetzen und nicht nur ihre Energie im Verwalten des Staates vergeuden.

Zum Wohlstand des Einzelnen und einer Gesellschaft insgesamt bedarf es einer Wertschöpfung. Wohlstand entsteht nur, wenn Unternehmer Produkte oder Dienstleistungen besser machen als bisher. Das nennt man dann Wachstum. Es muss also etwas produziert und hergestellt werden, das am Markt Käufer findet. Der öffentliche Dienst ist natürlich auch Innovation. Doch diese Innovation konzentriert sich in der Regel auf neue Vorschriften, Verordnungen und Bürokratie. Sie lähmen den Fortschritt der echten Innovationen in einer freien Marktwirtschaft.

Wahrscheinlich ist das Kind erstmal in den Brunnen gefallen. Die Entwicklung und die Präferenzen der Studenten von heute sind das Ergebnis der falschen Bildungsanstrengungen von gestern. Woher sollen die Studenten die Faszination der Marktwirtschaft und des darin agierenden Unternehmers kennen, wenn in Erdkundebüchern lieber über „Fair Trade“ zur Armutsbekämpfung anstatt über Freihandel und seine wohlstandsfördernde Wirkung zu lesen ist. Dieser moderne Ablasshandel, der moralisierend jedem Käufer ein schlechtes Gewissen einredet, ist inzwischen in die obersten Etagen der Politik vorgedrungen. Wenn selbst der amtierende Wirtschaftsminister sich zum Beispiel für weniger Freihandel ausspricht, nichts Anderes ist seine Ablehnung von TTIP, dann ist er selbst das fleischgewordene Produkt des Bildungsversagens der 1970er Jahre. Er hat das verinnerlicht, was er damals im Erdkundeunterricht eingebläut bekam, dass die Wirtschaft ein Nullsummenspiel sei. So wie es ein Schulbuch für Gesellschaftslehre, Geschichte und Erdkunde an Haupt- und Gesamtschulen (Terra Band 9/10), wahrscheinlich auch schon zu seiner Schulzeit formuliert hat: „Dem Zuviel an Nahrungsmitteln in den Industriestaaten steht ein Mangel in vielen Entwicklungsländern, vor allem in Afrika, gegenüber.“ Ergo, man muss es nur besser verteilen.

Sigmar Gabriel werden wir wohl nicht mehr bekehren können, da bleibt Hopfen und Malz verloren. Doch die Schüler von heute, könnten die Unternehmer von morgen sein. Sie könnten ein neuer Werner Siemens, ein Robert Bosch oder ein Ferdinand Porsche sein. Es ist schon etwas her, aber es gab auch Zeiten in diesem Land, wo Unternehmerpersönlichkeiten mit ihren Ideen Unternehmen mit Weltgeltung geschaffen haben. Es ist nicht selbstverständlich, dass diese Unternehmer heute aus Amerika kommen und Bill Gates, Marc Zuckerberg oder Elon Musk heißen.

Es sind lange Entwicklungsströme, die eine Gesellschaft zum Guten oder Schlechten verändern und es sind wenige, die diesen Prozess beeinflussen. In erster Linie hat dies natürlich mit dem Elternhaus zu tun, aber auch mit einer frühen schulischen Prägung. Wie wahrscheinlich ist es, wenn der größte Teil der heutigen Studenten den öffentlichen Dienst präferiert, dass diese dann als spätere Lehrer, Pädagogen oder Erzieher ihren Anvertrauten die Vorzüge der internationalen Arbeitsteilung, das Bild eines erfolgreichen Unternehmers oder des mündigen Konsumenten vermitteln? Wahrscheinlich werden sie eher die Unternehmer als vermeintliche Ausbeuter und Steuerhinterzieher darstellen und den einzelnen Bürger als willenlosen Konsumenten, der von Werbung und Verlockungen so vernebelt ist, dass er ohne staatliche Hilfe im Dschungel der Marktwirtschaft nicht mehr zurechtkommt.

Die Darstellung von Marktwirtschaft und Unternehmertum in Schulbüchern ist daher eine fundamentale Aufgabe, die nicht unterschätzt werden darf. Es gibt so eindrucksvolle Texte und Beispiel dafür, wie es gehen könnte. Einer dieser Texte ist der bereits 1958 von Leonard Read verfasste „Ich, der Bleistift“. Darin wird anhand der Produktion eines Bleistiftes anschaulich gezeigt, dass niemand das umfassende Wissen haben kann, wie ein Bleistift hergestellt wird. Dafür braucht es das Wissen ganz vieler. Die einen kennen sich mit dem Holz, seiner Be- und Verarbeitung aus. Die anderen kennen sich mit dem Abbau und der Verarbeitung von Graphit aus.

Wiederum andere wissen, wie der Radiergummi und die Metallfassung hergestellt werden und wieder andere haben das Know-how, wie dies alles zu einem Bleistift zusammengefügt wird. In jedem Teilbereich der Herstellung gibt es wieder unzählige Beteiligte, die ihr Wissen zur Verfügung stellen: vom Transportunternehmer über die Buchhalterin bis zum Kaffeebauern. Dies alles kann nur arbeitsteilig erfolgen, indem sich einzelne Unternehmer spezialisieren. Es kann umgekehrt nicht zentral geplant werden, weil keine Zentralbehörde das umfassende Wissen haben kann, wie ein Bleistift hergestellt, in welchen Mengen, an welchem Ort und zu welchem Preis er zur Verfügung stehen soll. Gerade hat das Berliner Prometheus-Institut dazu das Planspiel „Unsere Wirtschaft – Verständlich erklärt an einem Tag“ herausgebracht, das jungen Menschen dies spielerisch nahe bringt.

Wenn es die Beamten in den Kultusbürokratien nicht hinbekommen, müssen wir es eben selbst tun. Ganz im Sinne von Wilhelm von Humboldt: „Gleichförmige Ursachen haben gleichförmige Wirkungen: je mehr also der Staat mitwirkt, desto ähnlicher ist nicht bloß alles Wirkende, sondern auch alles Gewirkte.“

Erstmals veröffentlicht bei Tichys Einblick.

Photo: Michael Muecke from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Sebastian Körber, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Architekt.

Es ist der Traum vieler Menschen, in den eigenen vier Wänden ein individuelles Heim zu schaffen und sich selbstbestimmt zu verwirklichen: Mit der Traumküche, einem geräumigen Tageslicht-Bad oder der Aussicht ins Grüne vom Balkon in der Lieblingsgegend. Deutschland belegt innerhalb der Eigentumsquote ohnehin nur den vorletzten Platz in Europa mit ca. 46%. Gleichzeitig entscheiden sich auch immer mehr Personen, ihre eigene Altersvorsorge auf Immobilien aufzubauen und erwerben etwa eine Eigentumswohnung, um diese dann zu vermieten. Kapitalgedeckt und vollkommen transparent.

Als Liberaler freue ich mich darüber sehr, wenn eigenverantwortlich Altersvorsorge betrieben und gleichzeitig dem Risiko von Altersarmut durch eine selbstgenutzte Immobilie entgegengetreten wird, nimmt der Wohnkostenanteil im Alter doch teilweise von ca. 25% auf bis zu 40% zu. Der Staat und die öffentliche Hand können sich also darüber freuen, dass ihre Bürger fleißig in Immobilien investieren, schließlich sind unsere Immobilienmärkte weder überhitzt noch sind Immobilien in Deutschland riskant finanziert. Dennoch wird es immer schwieriger, eine Immobilie zu kaufen, das Bauen selbst immer teurer und damit steigen übrigens auch die Mieten immer stärker.

Aber was machen die regierenden Politiker? Bedauerlicherweise wird lediglich mit nachweislich unwirksamer Symbolpolitik wie etwa mit der sogenannten „Mietpreisbremse“ versucht, an den Symptomen herumzudoktern. Die Ursachen hingegen werden nicht wirksam bekämpft. Aber bleiben wir bei den Immobilieneigentümern und solchen die es werden wollen: Mit der Energieeinsparverordnung werden diese gezwungen, auch bei schönen alten Fassaden, die noch nicht unter Denkmalschutz stehen, teure Dämmung aufzubringen, die – im Falle von Styropor – einmal Sondermüll wird und sich über die Laufzeit über tatsächlich eingesparte Energie kaum amortisiert. Schlimmer ist aber noch die Einschränkung beim Lüften, steht doch bauphysikalisch das Öffnen der Fenster dann der Einsparung im Weg. Also muss teure Lüftungstechnik angeschafft werden, man lebt jetzt schließlich in einer dichten Hülle, quasi unter einer Plastiktüte.

Die Baukosten und der Eigentumserwerb werden damit kräftig verteuert und erschwert, das Weltklima retten wir dadurch gar nicht. Denken wir primärenergetisch, ist Styropor wohl sogar noch klimaschädlicher. Mehrkosten ca. 5-10%! Also weder ökologisch noch sozialpolitisch sinnvoll, denn wer zahlt’s? Der Mieter! Und wenn man eine Immobilie kauft, fallen alleine bei Notar und Grundbuch knapp 2% an. Für den Grunderwerb nochmal 3,5% in Bayern – ein Schnäppchen, zahlt man in anderen Bundesländern doch bereits teilweise 6,5%! Bei einem Reihenhaus in Schleswig-Holstein für 350.000 € also weitere knapp 30.000 €! Auch die Kommunen erhöhen gerne mal die Grundsteuer, die dann jährlich anfällt oder wenden die sogenannte Straßenausbaubeitragssatzung an, dann zahlt man als Haus- oder Wohnungseigentümer auch noch für die Straßen- und Kanalsanierung. Im Laufe eines Immobilienlebens übrigens mehrfach möglich, wenn es die Kommune klug anstellt.

Aber noch besser ist die still und heimlich verabschiedete EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie, die seit 2. Quartal 2016 nun Gesetz in Deutschland ist. Die Bank müssen nun insgesamt über mehrere dutzend Seiten Text dokumentieren, dass sich der Kreditnehmer, bei Betrachtung seiner Lebenserhaltungskosten, einen Kredit lebenslang leisten kann. Was macht aber das Rentnerehepaar, welches noch barrierefrei umbauen möchte? Oder die junge Familie, die noch keine großen Sicherheiten vorzuweisen hat und wo gerade nur einer von beiden arbeitet? Bürokratie und nächster Knüppel zwischen die Beine!

Und wenn man dann sein Heim umsetzen möchte, wird man in seiner Kreativität auch noch teilweise unnötig eingeschränkt, etwa beim vorgeschriebenen Sockel des Gartenzauns, der Dachform und im Blick auf die Tiere, die sich in einem Baum eingenistet haben, weshlab der erst im Oktober gefällt werden darf – so schreibt es die Bundesgesetzgebung im Umweltschutzbereich vor. Im Bauausschuss einer Gemeinde diskutieren dann auch Stadt- und Gemeinderäte, selbsternannte Ästhetikkenner und Baufachleute, wie das überhaupt nur genehmigt werden kann. Diese Liste wäre beliebig fortzuführen…

Wir benötigen dringend ein Umdenken, denn es geht um ein Stück Freiheit, Sicherheit und Selbstverwirklichung! Wir brauchen mehr Freiheit für Immobilieneigentümer, denn Eigentum schafft Freiheit und diese Freiheit muss unterstützt werden! Deshalb fünf klare Forderungen:

1. Abschaffung der Grunderwerbsteuer bei Wohnimmobilien

2. Mehr Freiheiten und Flexibilität in Bebauungsplänen

3. Reduktion der Werte der Energieeinsparverordnung

4. Aussetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie

5. Weg mit der Straßenausbaubeitragssatzung