Photo: Vysotsky from Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Nicht nur Bier kann äußerst bekömmlich sein. Auch das Studium älterer Denker kann unsere geistige Verdauung anregen und zu unserer intellektuellen Gesundheit beitragen. Dazu eignet sich hervorragend der Schweizer Historiker Jacob Burckhardt, der heute vor 200 Jahren geboren wurde.

Ein Erzskeptiker als Craft Beer

Arthur Schopenhauer, Alexis de Tocqueville, John Stuart Mill, George Eliot, Lord Acton, Friedrich Nietzsche – in die Reihe dieser unkonventionellen Querdenker des 19. Jahrhunderts gehört auch der Schweizer (Kunst-)Historiker Jacob Burckhardt, den der Journalist Dirk Schümer einst spöttisch, aber sehr zutreffend einen „Erzskeptiker“ nannte. Er lässt sich nicht einem politischen Lager zuordnen und eignet sich nicht als Leitfigur einer Denkschule wie etwa Hegel, Marx oder de Maistre. Würde man ihn – unbotmäßiger Weise – mit einem Bier vergleichen, wäre er das Gegenteil von einem Heineken, Becks oder gar Oettinger. Er ist eher wie ein Craft Beer oder ein Produkt der Privatbrauerei Härle im Allgäu, der kürzlich vom Bundesgerichtshof untersagt wurde, ihr Bier als bekömmlich anzubieten. Burckhardt ist individuell, geschmacksintensiv und unverwechselbar.

Seine große Forschungsleidenschaft galt der Renaissance. In seinem 1860 erschienenen Werk „Die Cultur der Renaissance in Italien“ legte er ausführlich dar, wie diese Epoche das Individuum befreite und ihm in Wissenschaft und Technik, Politik und vor allem Kunst ganz neue Entfaltungsmöglichkeiten eröffnete. Mag seine etwas einseitige und überenthusiastische Deutung heute auch längst relativiert worden sein, so sind doch die Werte, die er dieser Epoche zuschrieb auch heute noch für den freiheitlich gesonnenen Menschen von zentraler Bedeutung. Burckhardt, der ähnlich wie Friedrich August von Hayek dem rationalistischen Ansatz der französischen Aufklärung wenig abzugewinnen vermochte, zeichnete ein Bild der Renaissance, das sie als die wahre Aufklärung erscheinen lässt. Die Liberalität und Besonnenheit, die er dieser Zeit zuschrieb, erinnert an die großen schottischen Aufklärer wie Adam Ferguson, David Hume und Adam Smith. Dabei übersah er freilich, dass der Fanatismus eines Savonarola oder Calvin den radikalen französischen Aufklärern nähersteht als seiner bürgerlichen Toleranz; er übersah die Parallelen zwischen Luther und Rousseau, Machiavelli und Metternich, Heinrich VIII. von England und Bismarck.

Das „täglich wachsende Pflichtenheft“ des Staates

Das erst posthum erschienene Buch „Weltgeschichtliche Betrachtungen“, gegen seinen Willen veröffentlichte Vorlesungsmanuskripte, war über die Jahrzehnte erfolgreich und ist auch heute in seinen Beobachtungen noch bemerkenswert aktuell. Mit großer Hellsicht sah er die Gefahr, die für den Einzelnen wie für die Menschheit von dem Phänomen der Macht ausgeht – darin seinem Zeitgenossen und Kollegen Lord Acton sehr ähnlich. Wie die beiden anderen „Erzskeptiker“ Edmund Burke und Wilhelm von Humboldt stand er staatlicher Machtausweitung sehr misstrauisch gegenüber, insbesondere – ganz aktuell – auch der Schuldenmacherei. So schrieb er schon in den späten 1860er Jahren die ahnungsvollen Sätze:

„Die neuere Redaktion der Menschenrechte verlangt das Recht auf Arbeit und auf Subsistenz. Man will eben die größten Hauptsachen nicht mehr der Gesellschaft überlassen, weil man das Unmögliche will und meint, nur Staatszwang könne dieses garantieren. … man oktroyiert dem Staat in sein täglich wachsendes Pflichtenheft schlechtweg alles, wovon man weiß oder ahnt, dass es die Gesellschaft nicht tun werde. Überall steigen die Bedürfnisse und die dazu passenden Theorien. Zugleich aber auch die Schulden, das große, jammervolle Hauptridikule des 19. Jahrhunderts. Schon diese Art, das Vermögen der künftigen Generationen vorweg zu verschleudern, beweist einen herzlosen Hochmut als wesentlichen Charakterzug.“

Ein Warner vor Sozialismus und Nationalismus

Ein besonderer Graus war Burckhardt die Idee, die Geschichte als einen notwendigen Ablauf zu verstehen. Als vorhersehbare Verwirklichung des „Weltgeistes“, den Hegel beschworen hatte, und den Burckhardts Jahrgangsgenosse Karl Marx schließlich zu einer Theorie ausarbeitete, die unbeschreibliches Elend, Tod und Vernichtung hervorbringen sollte. Auch die Tendenz, Geschichte anhand – vermeintlich – großer Männer und – ebenso vermeintlich – bedeutungsvoller Kollektive wie Nation oder Volk zu erzählen, bekämpfte er mit Vehemenz. Mit Schaudern stellte er fest: „Wer … einer Gesamtheit Größe, Macht, Glanz verschafft, dem wird das Verbrechen nachgesehen, namentlich der Bruch abgedrungener politischer Verträge, indem der Vorteil des Ganzen, des Staates oder Volkes, absolut unveräußerlich sei und durch nichts auf ewig beschädigt werden dürfe“.

Schon hundert Jahre vor James Buchanan und Gordon Tullock stellte Burckhardt das Problem der Public Choice dar, als er bemerkte: der Staat „soll über den Parteien stehen; freilich sucht jede Partei sich seiner zu bemächtigen, sich für das Allgemeine auszugeben.“ Und das gefährliche Prinzip, das im Hintergrund von Wohlfahrtsstaat und Paternalismus steht, beschrieb er mit messerscharfer Präzision: „Die allmähliche Gewöhnung an gänzliche Bevormundung aber tötet endlich jede Initiative; man erwartet alles vom Staat, woraus dann bei der ersten Verschiebung der Macht sich ergibt, dass man alles von ihm verlangt, ihm alles aufbürdet.“ Sozialismus und Nationalismus – die beiden großen Geißeln der Menschheit im 20. Jahrhundert, hatte Burckhardt schon weitsichtig beschrieben.

Prost, Professor Burckhardt!

Doch zurück zum bekömmlichen Bier. Burckhardt entstammte zwar einer Familie, die viele reformierte Pfarrer hervorgebracht hatte. Doch war ihm der Rigorismus und die Freudlosigkeit vieler Reformatoren im Laufe seiner Beschäftigung mit der Renaissance zunehmend sauer aufgestoßen. Seine Leidenschaft galt mehr und mehr der Liberalität und Lebensfreude der katholischen Renaissance Italiens. Was hätte dieser Mann, der sich seitenlang über die „ängstliche Moralität“ des Savonarola im Florenz des späten 15. Jahrhunderts echauffieren konnte, wohl zum Richterverbot der Bekömmlichkeit gesagt? Auch dazu stehen schon bemerkenswerte Zeilen in seinen „Weltgeschichtlichen Betrachtungen“:

„Es ist eine Ausartung und philosophisch-bürokratische Überhebung, wenn der Staat direkt das Sittliche verwirklichen will, was nur die Gesellschaft kann und darf. … Die ‚Verwirklichung des Sittlichen auf Erden‘ durch den Staat müsste tausendmal scheitern an der inneren Unzulänglichkeit der Menschennatur überhaupt und auch der der Besten insbesondere. Das Sittliche hat ein wesentlich anderes Forum als den Staat; es ist schon enorm viel, dass dieser das konventionelle Recht aufrechthält. Er wird am ehesten gesund bleiben, wenn er sich seiner Natur (vielleicht sogar seines wesentlichen Ursprungs) als Notinstitut bewusst bleibt.“

Photo: Marco from Flickr (CC BY 2.0)

Eigentlich ist die mögliche Regierungsbildung in Italien gar nicht so schlecht. Nicht, weil man die Rezepte der Lega und Fünf-Sterne-Bewegung gut finden muss. Sondern weil sie Klarheit schafft. Bislang waren die Fiskalpolitik einiger Mitgliedsstaaten und die EZB-Geldpolitik eine ziemlich verlogene Veranstaltung. Die Südschiene im Euro-Club kümmerte sich nicht um die Fiskalregeln und die EZB finanzierte diesen Schlendrian durch ein Anleihenkaufprogramm in Billionenhöhe. Auf Dauer konnte und kann das nicht gut gehen. Wer als Staat mehr Geld ausgibt als er einnimmt, während gleichzeitig im eigenen Land relative Wirtschaftskraft verloren geht, kann nicht erwarten, dass er dauerhaft keine Zinsen bezahlen muss. Das erhöhte Risiko eines Zahlungsausfalls muss sich in der Höhe des Zinses widerspiegeln.

Doch das Gegenteil ist der Fall. 1989 hatte Italien eine Verschuldung von 500 Milliarden Euro und die Anleihen Italiens rentierten mit 14 Prozent. Seitdem steigt die Verschuldung  und die Rendite der Anleihen nimmt kontinuierlich ab. Inzwischen liegt die Verschuldung bei 2.300 Milliarden Euro und die Rendite liegt bei rund 2 Prozent. Die Situation Italiens ist wahrlich besorgniserregend. Die Industrieproduktion hat seit 2007 fast um ein Viertel abgenommen. Der Output der Automobilindustrie ist auf dem Niveau der frühen 1960er Jahre. 1989 wurden in Italien noch fast 2 Millionen Autos gefertigt. Heute sind es nicht einmal mehr 800.000. Daher steigen auch die Target-Verbindlichkeiten gegenüber anderen Notenbanken der Eurozone auf derzeit 442 Mrd. Euro. Italien lebt seit vielen Jahrzehnten auf Pump. Finanziert wurde dies bereits vor dem Euro durch die Notenpresse. Italien wertete die Lira früher alle Jahre einfach ab. Heute wird die Verschuldung des Landes weiter über die Notenpresse finanziert. Für 337 Milliarden Euro hat die italienische Notenbank Staatspapiere des eigenen Landes gekauft. Das ist ein Drittel der gesamten Notenbankbilanz.

Mit diesem Kurs wird es schwierig, Italien im Euro zu halten. Unabhängig davon, ob dies überhaupt wünschenswert ist, muss man sich die Frage stellen, wie ein geordnetes Ausstiegsszenario aussehen könnte. Hier haben die römischen Koalitionäre selbst eine Idee ins Spiel gebracht. So genannte Mini BOTs, also kurzfristige Kredit- oder Schuldscheine. Sie sollen an Gläubiger zur Begleichung ihrer Forderungen ausgegeben werden. Die Scheine sollen mit einem Nennwert von 1 bis 500 versehen werden und es sollen Verbindlichkeiten bis zu 25.000 Euro bezahlt werden können. Sie werden nicht verzinst und haben kein Verfallsdatum. Der Weg von den Mini-BOTs zu einer Parallelwährung ist dann nicht mehr weit.

Angenommen, der italienische Staat würde nicht nur Bleistifte für die Beamten damit bezahlen, sondern auch Renten und Sozialhilfe mit den Mini-BOTs auszahlen, dann würde sich automatisch ein Markt für Mini-BOTs entwickeln. Denn Rentner müssten weiterhin für Lebensmittel, Kleidung und Wohnung aufkommen. In diesem Fall hätte die Verkäufer wohl keine andere Möglichkeit als diese Schuldscheine zu akzeptieren. Daraus würde sich ein Marktpreis für Mini-BOTs entwickeln und die Mini-BOTs wären handelbar und damit eine Parallelwährung zum Euro. Sicherlich keine offizielle Währung nach den Statuten der EZB und der Europäischen Verträge, aber eine faktische. Wahrscheinlich würden die BOTs sogar den Euro im alltäglichen Geschäft verdrängen. Denn hier gilt das so genannte Greshamsche Gesetz, das vereinfacht ausgedrückt besagt, dass das schlechte Geld das gute Geld verdrängt. Wenn es die Erwartung der Geldhalter ist, dass das eine Geld weniger werthaltig ist als das andere, versucht man ersteres möglichst schnell wieder loszuwerden. Das werthaltige Geld behält man, hortet es oder bringt es ins Ausland. So werden sich wahrscheinlich in diesem Fall Mini-BOTs und Euro entwickeln. Denn es ist ja nicht zu erwarten, dass Italien plötzlich zur fiskalischen Disziplin übergeht, sondern im Gegenteil eine neue Verschuldungsspirale durch die Mini-BOTs einleitet. Mini-BOTs sind daher das schlechte Geld, das man schnell wieder loswerden will, und der Euro wird gehortet. Wer hätte das gedacht, dass der Euro jemals die Chance hat, zu gutem Geld zu werden?

Die Schwierigkeit dieses Prozesses ist der geordnete Übergang. Es gibt hier zahlreiche Schwierigkeiten zu überwinden. Rechtlich sehen die Europäischen Verträge keine Möglichkeit einer Parallelwährung vor. Über kurz oder lang müßte Italien wohl den Euro verlassen, oder den italienischen Banken müsste der Zugang zur EZB versperrt werden und die italienische Notenbank aus dem EZB-System ausscheiden. Dann stellt sich die Frage der Target-Verbindlichkeiten und der Schuldentragfähigkeit Italiens erneut. Die Schulden Italiens sind überwiegend in Euro, daher würde eine schwache neue Währung die Bedienung der Euro-Schulden relativ erhöhen. Das alles würde die Finanzmärkte nicht unbeeindruckt lassen und Griechenland, Zypern, Portugal und Spanien erneut in den Fokus rücken. Es gibt also keine einfachen Lösungen zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise. Doch eines ist klar: ein „Weiter so“ produziert noch viele Lega Nords und Fünf-Sterne-Bewegungen in Europa und das sichere Ende des europäischen Einigungsprozesses.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

Photo: Roberto Latxaga from Flickr (CC BY 2.0)

Dieser Aufruf wurde initiiert von unserem Kuratoriumsvorsitzenden Prof. Dr. Thomas Mayer (Flossbach von Storch Research Institut), Prof. Dr. Dirk Meyer (Helmut-Schmidt-Universität), Prof. Dr. Gunther Schnabl (Universität Leipzig) und Prof. Dr. Roland Vaubel (Universität Mannheim). Unterzeichnet haben ihn inzwischen 156 Wirtschafts-Professoren.

Wir – 156 Wirtschaftsprofessoren – warnen davor, die europäische Währungs- und Bankenunion noch weiter zu einer Haftungsunion auszubauen. Die in der Berliner Koalitionsvereinbarung erwähnten Vorschläge des französischen Präsidenten Macron und des EU-Kommissionschefs Juncker bergen hohe Risiken für die europäischen Bürger.

  1. Wenn der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) wie geplant als Rückversicherung für die Sanierung von Banken (Backstop) eingesetzt wird, sinkt für Banken und Aufsichtsbehörden der Anreiz, faule Kredite zu bereinigen. Das geht zu Lasten des Wachstums und der Finanzstabilität.
  2. Wenn der ESM wie geplant als „Europäischer Währungsfonds“ (EWF) in EU-Recht überführt wird, gerät er unter den Einfluss von Ländern, die der Eurozone nicht angehören. Da einzelne Länder bei dringlichen Entscheidungen des EWF das Vetorecht verlieren sollen, könnten Gläubigerländer überstimmt werden. So würde zum Beispiel der Deutsche Bundestag sein Kontrollrecht verlieren.
  3. Wenn die Einlagensicherung für Bankguthaben wie geplant vergemeinschaftet wird, werden auch die Kosten der Fehler sozialisiert, die Banken und Regierungen in der Vergangenheit begangen haben.
  4. Der geplante europäische Investitionsfonds zur gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung und der geplante Fonds zur Unterstützung struktureller Reformen dürften zu weiteren Transfers und Krediten an Euroländer führen, die es in der Vergangenheit versäumt haben, die notwendigen Reformmaßnahmen zu ergreifen. Es wäre falsch, Fehlverhalten zu belohnen. Über das Interbankzahlungssystem TARGET2 hat Deutschland bereits Verbindlichkeiten der EZB in Höhe von mehr als 900 Milliarden Euro akzeptiert, die nicht verzinst werden und nicht zurückgezahlt werden müssen.
  5. Ein Europäischer Finanzminister mit Fiskalkapazität würde als Gesprächspartner der EZB dazu beitragen, dass die Geldpolitik noch stärker politisiert wird. Die sehr umfangreichen Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (2550 Milliarden Euro bis September 2018) kommen schon jetzt einer Staatsfinanzierung über die Zentralbank gleich.

Das Haftungsprinzip ist ein Grundpfeiler der Sozialen Marktwirtschaft. Die Haftungsunion unterminiert das Wachstum und gefährdet den Wohlstand in ganz Europa. Dies zeigt sich bereits jetzt in einem sinkenden Lohnniveau für immer mehr, meist junge Menschen. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, sich auf die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft zurückzubesinnen.

Es gilt, Strukturreformen voranzubringen, statt neue Kreditlinien und Anreize für wirtschaftliches Fehlverhalten zu schaffen. Die Privilegierung der Staatsanleihen in der Risikovorsorge der Banken ist abzuschaffen. Die Eurozone braucht ein geordnetes Insolvenzverfahren für Staaten und ein geordnetes Austrittsverfahren. Die Kapitalmarktunion sollte vollendet werden – auch weil internationale Kapitalbewegungen asymmetrische Schocks kompensieren. Bei der EZB sollten Haftung und Stimmrechte miteinander verbunden werden. Die TARGET-Salden sind regelmäßig zu begleichen.  Die Ankäufe von Staatsanleihen sollten ein schnelles Ende finden.

 

Alle Unterzeichner

Hanjo Allinger, Rainer Alt, Peter Altmiks, Niels Angermüller, Gerhard Arminger, Philipp Bagus, Hartwig Bartling, Christian Bauer, Alexander Baumeister, Dirk Baur, Hanno Beck, Peter Bernholz, Norbert Berthold, Dirk Bethmann, Ulrich Blum, Christoph Braunschweig, Gerrit Brösel, Martin-Peter Büch, Walter Buhr, Rolf Caesar, Ronald Clapham, Erich Dauenhauer, Frank Daumann, Dietrich Dickertmann, Leef Dierks, Gerd Diethelm, Alexander Dilger, Juergen B. Donges, Norbert Eickhof, Alexander Eisenkopf, Mathias Erlei, Rolf Eschenburg, Stefan Felder, Robert Fenge, Cay Folkers, Siegfried Franke, Jan Franke-Viebach, Michael Frenkel, Andreas Freytag, Wilfried Fuhrmann, Werner Gaab, Gerhard Gehrig, Thomas Glauben, Frank Gogoll, Robert Göötz, Christiane Goodfellow, Rüdiger Grascht, Alfred Greiner, Heinz Grossekettler, Andrea Gubitz, Gerd Habermann, Hendrik Hagedorn, Gerd Hansen, Rolf Hasse, Klaus-Dirk Henke, Henner Hentze, Thomas Hering, Bernhard Herz, Stefan Hoderlein, Stephan Hornig, Guido Hülsmann, Jost Jacoby, Hans-Joachim Jarchow, Thomas Jost, Markus C. Kerber, Henning Klodt, Michael Knittel, Leonard Knoll, Andreas Knorr, Manfred Königstein, Ulrich Koester, Stefan Kooths, Walter Krämer, Dietmar Krafft, Rainer Künzel, Britta Kuhn, Werner Lachmann, Enno Langfeldt, Andreas Löhr, Tim Lohse, Helga Luckenbach, Reinar Lüdeke, Dominik Maltritz, Gerald Mann, Thomas Mayer, Dirk Meyer, Joachim Mitschke, Renate Ohr, Michael Olbrich, Werner Pascha, Hans-Georg Petersen, Wolfgang Pfaffenberger, Ingo Pies, Werner Plumpe, Mattias Polborn, Thorsten Polleit, Niklas Potrafke, Bernd Raffelhüschen, Bernd-Thomas Ramb, Richard Reichel, Hayo Reimers, Stefan Reitz, Rudolf Richter, Wolfram F. Richter, Gerhard Rösl, Roland Rollberg, Alexander Ruddies, Gerhard Rübel, Dirk Sauerland, Karlhans Sauernheimer, Andreas Schäfer, Stefan Schäfer, Wolf Schäfer, Malcolm Schauf, Bernd Scherer, Jörg Schimmelpfennig, Ingo Schmidt, Dieter Schmidtchen, Michael Schmitz, Gunther Schnabl, Jan Schnellenbach, Bruno Schönfelder, Siegfried Schoppe, Jürgen Schröder, Christian Schubert, Alfred Schüller, Peter M. Schulze, Thomas Schuster, Christian Seidl, Hans-Werner Sinn, Fritz Söllner, Peter Spahn, Jürgen Stark, Wolfgang Ströbele, Stefan Tangermann, H. Jörg Thieme, Stefan Traub, Dieter Tscheulin, Ulrich van Suntum, Roland Vaubel, Stefan Voigt, Hermann von Laer, Hans-Jürgen Vosgerau, Adolf Wagner, Heike Walterscheid, Gerhard Wegner, Rafael Weißbach, Heinz-Dieter Wenzel, Max Wewel, Hans Wielens, Otto Wiese, Rainer Willeke, Manfred Willms, Dietrich Winterhager, Michael Wohlgemuth, Hans-Werner Wohltmann, Achim Zink.

Photo: Dilma Rousseff from Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Wirtschaftliche Sanktionen gehören auf die Müllhalde der internationalen Politik. Sie zwingen nicht nur Millionen Menschen in die Armut, sondern stützen auch noch die autoritären Regime, gegen die sie gerichtet sein sollen.

Iran, Nordkorea, Venezuela, Kuba und Russland: All diese Länder haben etwas gemein. Sie werden geführt von skrupellosen Autokraten, die ihre jeweilige Bevölkerung lediglich als Spielball betrachten, und Millionen Menschen zu Armut und Unfreiheit verdammen. Der Kampf gegen solche Regime ist ein prägendes Element des 20. Jahrhunderts und wird es wohl auch im 21. Jahrhundert bleiben. Ein „Regime Change“ hin zu einer demokratisch legitimierten und rechtsstaatlich organisierten offenen Gesellschaft ist unbestreitbar das Ziel der gemeinhin als „Westliche Welt“ bezeichneten Wertegemeinschaft. Und diese Transformation sollte auch das Ziel freiheitlicher Politik sein.

Die Gretchenfrage ist jedoch, wie dieses Ziel erreichet werden kann. Für einige Zeit galten Deutschland und Japan nach dem zweiten Weltkrieg als die gelungenen Vorbilder. Massive militärische Intervention gefolgt von umfassend gestütztem Wiederaufbau. Doch die Erfahrungen in anderen Teilen der Welt zeigten schnell die Grenzen militärischer Interventionen auf. Insbesondere Kuba, Haiti, Somalia und Vietnam sind traurige Paradebeispiele für dauerhaft fehlgeschlagene Interventionspolitik. Mittlerweile sind wirtschaftliche Sanktionen das Mittel der Wahl und erleben nicht zuletzt seit dem Einzug Donald Trumps ins Oval Office eine Renaissance. Zwar werden die Sanktionen häufig – und natürlich vorhersehbar – von den Unterstützern oder Sympathisanten der betroffenen Regime kritisiert, doch kaum jemand stellt die Frage, ob Sanktionen überhaupt Sinn ergeben. Ein Fehler.

Sanktionen sind Lebenselixier für autokratische Regime

Handelsströme und Zahlungsverkehr sind weltweit vernetzt. Kaum ein Land könnte heute noch autark wirtschaften und gleichzeitig den erlangten Wohlstand erhalten. Schließt man eine Volkswirtschaft vom Zugang zu den internationalen Finanz- und Gütermärkten aus, so hat das gravierende Konsequenzen für die örtliche Bevölkerung. Importgüter wie Öl oder PKW werden unbezahlbar teuer, Arbeitsplätze in den Export-Industrien gehen verloren. Gleichzeitig verlieren auch Unternehmen in den sanktionierenden Staaten Handelspartner und damit Umsätze. Einem Land, das keinen Zugang zu den internationalen Märkten hat, droht sozusagen die globalisierte Steinzeit. Diese drastischen Folgen im Hinterkopf, müssen Wirtschaftssanktionen als Instrument der internationalen Politik also sehr gut begründet sein.

Die Empirie zeigt jedoch, dass wirtschaftliche Sanktionen gegen unliebsame Regime und deren Volkswirtschaften im 20. Jahrhundert zum überwiegenden Teil nicht erfolgreich waren. Einer Studie des Peter­son Insti­tute for Inter­na­tio­nal Eco­no­mics zufolge führten gerade einmal ein Drittel der durchgesetzten Embargos zu einem Regime-Wechsel im jeweiligen Land. Insbesondere bei großen Volkswirtschaften ist kaum eine positive Wirkung von Sanktionen zu erkennen. Häufig scheinen sanktionierte Regime wie jene in Havanna und Pjöngjang sogar länger zu leben als alle anderen. Und tatsächlich wirken Sanktionen häufig wie ein Lebenselixier für autokratische Regierungen. Statt deren Unterstützung erodieren zu lassen, statten Sanktionen Diktatoren mit ganz neuen Möglichkeiten aus.

So kontrollieren Autokraten und deren Oligarchen-Freunde in einem sanktionierten Land häufig den illegalen Handel mit Gütern und Waren. Sie können nach Belieben Preisaufschläge auf Schmuggelware verlangen, und dem Regime wohlgesonne Unternehmen bei der Verteilung von rationierten Gütern bevorzugen. Die Diktatoren Saddam Hussein und Slobodan Milosevic konnten auf diese Weise ungeahnte Reichtümer anhäufen und ihre Regime am Leben halten. In Russland deckt in den letzten Jahren der Oppositionelle Alexey Nawalny das dortige System auf. Dieser von außen aufgezwungene Protektionismus schadet dabei vor allem der großen Masse der Bevölkerung und den Oppositionskräften, die kaum mehr Zugriff auf Kapital und Güter haben. Die Regierungsmacht ist derweil die einzig verbliebene Institution, die Geld und Einfluss verteilen kann, und erhöht dadurch noch ihre Anziehungskraft für Unternehmen und Politiker im eigenen Land. Ganz zu Schweigen von der guten Ausrede, die Sanktionen Autokraten bieten, um das Versagen der eigenen misslungenen Wirtschaftspolitik zu begründen.

„Smart Sanctions“ gegen Individuen als Ausweg?

Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnten sogenannte „Smart Sanctions“ darstellen. Dort werden lediglich bestimmte Individuen aus dem direkten Umfeld des Regimes sanktioniert. So werden beispielsweise die Londoner und New Yorker Konten zahlreicher russischer Oligarchen eingefroren und Einreiseverbote für westliche Staaten erteilt. Auf den ersten Blick erscheint es sehr sinnvoll, auf diese Weise den Unmut der mächtigsten Unterstützer eines Regimes zu erregen. Mehr ihrem Geld verpflichtet als einem Staatslenker könnten sie selbst einen Umsturz herbeiführen.

Tatsächlich ist jedoch das Gegenteil wahrscheinlich. Durch die Sanktionen werden die Eliten einer Autokratie in die Enge getrieben. Wo vorher UBS, Barclays, Deutsche Bank und die Bank of America die Finanzierung von Vorhaben ermöglichten, bleibt jetzt nur noch der Autokrat und die Staatsbank. Individualsanktionen treiben Eliten noch weiter in der Arme der regierenden Autokraten statt sie zum Umdenken anzuregen.

Autokratische Regime wie die Mafia behandeln

Das bedeutet nicht, dass sich die internationale Gemeinschaft mit autokratischen Regimen einfach so abfinden sollte. Stattdessen sollte sie sich dessen bewusstwerden, dass umfangreiche staatliche Eingriffe allzu häufig unabsehbare externe Effekte nach sich ziehen. Der Schweizer Ökonom Reiner Eichenberger schlägt stattdessen vor, autokratische Regime wie die Mafia zu behandeln. Anstatt zu versuchen, das Regime durch smart sanctions errodieren zu lassen, sollten den Eliten eines Landes Alternativen angeboten werden. Dieser Vergleich liegt nicht so fern, wie auf den ersten Blick vermutet. So stellt der italienische Sozialwissenschaftler Diego Gambetta fest, dass Mafiaorganisationen und Staaten in ihrer Aufgabe grundsätzlich ähnlich sind: sie verwalten und überwachen die Aktivitäten in einem bestimmten Gebiet.

Eine solche Alternative könnte eine Kronzeugen-Regelung sein, die Eliten, die beim Aufbau einer neuen Ordnung helfen, den Erhalt ihres Vermögens garantieren. Häufig bedarf es eben nur eines mächtigen Funktionärs (oder Mafia-Bosses), um das gesamte Gebilde zum Einsturz zu bringen. Das haben die sogenannten Maxi-Prozesse der 1980er Jahre gegen die sizilianische Cosa Nostra eindrucksvoll bewiesen. Auch wenn die positive Wirkung von Eichenbergers Vorschlag erst noch zu beweisen ist, gilt in diesem Fall: Schlimmer als mit Sanktionen gehts nimmer.

Von IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues

Der europäische Agrarprotektionismus ist teuer und schädlich. Mit 55,7 Mrd. € machen die Subventionen mehr als ein Drittel des EU-Haushaltes aus. Durch die toxische Kombination aus Protektionismus und Finanzhilfen kommt es zu Marktverzerrungen, die die Preise in der EU überhöhen und den Landwirten in Entwicklungsländern massiv schaden.

Nur wenige Politikbereiche der Europäischen Union werden stärker diskutiert und kritisiert als die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP), insbesondere hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Weltmarkt für landwirtschaftliche Erzeugnisse. In der EU produzierende Landwirte erhalten jedes Jahr Subventionen im Wert von etwa 55 Milliarden Euro. Erklärtes Ziel der Subventionspolitik ist es, die landwirtschaftliche Produktion auf einem stabilen Niveau zu halten, den Bauern ein angemessenes Einkommen zu sichern und für eine nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft in allen Mitgliedsstaaten zu sorgen.

Tatsächlich führen die kostspieligen Subventionen – die 38 % des EU-Budgets ausmachen – zu einem Überangebot europäischer Landwirtschaftsprodukte und schaden darüber hinaus Bauern in Entwicklungsländern. Ein klarer Nutzen für die europäischen Volkswirtschaften ist nicht ersichtlich, doch die subventionsbedingten Marktverzerrungen verursachen erhebliche Kosten. Die Gemeinsame Agrarpolitik gehört schon seit langem aufs Abstellgleis.

Doppelter Protektionismus zum Schaden der Verbraucher

Die GAP wirkt doppelt protektionistisch – einmal aufgrund der Einfuhrzölle für Nicht-EU-Erzeugnisse und zum anderen verursachen die Subventionen negative Externalitäten auf Märkten außerhalb der EU. Einfuhrzölle verschaffen den in der EU ansässigen Produzenten einen Vorteil gegenüber effizienteren, günstigeren Produzenten aus der restlichen Welt. Die Subventionierung europäischer Landwirte führt zu einem Überangebot, das anschließend außerhalb der EU abgesetzt wird und dort die Preise unter das Marktgleichgewicht drückt. Offensichtlich verzerrt die GAP nicht nur den europäischen Agrarmarkt zulasten der Konsumenten und Steuerzahler, sondern schadet darüber hinaus ausländischen Landwirten.

Aufgrund des EU-Agrarprotektionismus wird der heimische Markt durch europäische Produzenten dominiert. Kristian Niemitz vom britischen Institute of Economic Affairs hat berechnet, dass die Preise von Agrarerzeugnissen für die europäischen Verbraucher 17 % über dem Weltmarktpreis liegen. Da einkommensschwache Haushalte durchschnittlich einen größeren Anteil ihres Einkommens für Agrarerzeugnisse ausgeben als wohlhabende Haushalte, trifft sie die durch die EU Agrarpolitik verursachten höheren Preise besonders hart.

Überangebot schadet Entwicklungsländern

Insbesondere für Länder der Dritten Welt hat der europäische Agrarprotektionismus negative Folgen. Europäische Produzenten stoßen ihr Überangebot in der Dritten Welt ab und treiben so dort die Preise in den Keller. Die EU-Agrarsubventionen nehmen Bauern aus der Dritten Welt somit die Geschäftsgrundlage.

Dass Agrarsubventionen ein Überangebot hervorrufen, überrascht nicht. Da ein großer Teil des Einkommens europäischer Landwirte aus EU-Töpfen kommt, können diese weitaus mehr produzieren, als Konsumenten ihnen zum Marktpreis abkaufen würden. Zwar sind die in den 80ern berüchtigten „Weinseen und Butterberge“ heute weitgehend abgeschmolzen. Aber das liegt nicht an einer verbrauchergerechteren Produktionsweise. Stattdessen wird das Überangebot entweder an öffentliche Institutionen verteilt, etwa als kostenlos bereitgestellte Milch in öffentlichen Schulen, schlicht vernichtet, oder in Drittländern zu „Dumpingpreisen“ – ermöglicht erst durch die Subventionen – verkauft.

Einfuhrzölle schotten europäischen Markt ab

Zudem verhindern Einfuhrzölle, dass Erzeuger aus Entwicklungsländern den europäischen Markt erreichen und verschärfen deren Probleme weiter. Während die EU-Mitgliedsstaaten im gemeinsamen Binnenmarkt freien Handel praktizieren, können Erzeugnisse aus allen anderen Staaten Einfuhrzöllen unterworfen werden. Bauern aus der Dritten Welt leiden also nicht nur im eigenen Markt unter der subventionierten europäischen Konkurrenz, sondern erfahren auch im europäischen Markt erhebliche Nachteile. Die GAP behindert die Entwicklung des Landwirtschaftssektors in der Dritten Welt und hemmt so deren wirtschaftliche Entwicklung insgesamt.

Neuseeland zeigt: Protektionismus ist nicht nötig

Subventionen und Einfuhrzölle sind nicht alternativlos. Ein Beispiel für einen gut funktionierenden, marktwirtschaftlichen Agrarsektor ist Neuseeland. Neuseeländische Landwirte haben ein gutes Auskommen, ohne dass der Staat ihnen mit Subventionen und Zöllen unter die Arme greifen muss. Neuseelands Landwirtschaft ist effizient, diversifiziert und profitabel und die Produktivität des Agrarsektors wächst dort sogar schneller als die allgemeine Wirtschaftsleistung. Die Abschaffung von Agrarsubventionen hat nicht nur Produktivitätssteigerungen hervorgerufen, sondern dortige Landwirte zu ganz neuen Aktivitäten angeregt – die nun florierende neuseeländische Weinindustrie gab es zu Subventionszeiten kaum.

Freier Markt statt Subventionen und Zölle

Die Agrarpolitik der EU schadet europäischen Konsumenten und Steuerzahlern sowie ausländischen Produzenten und behindert die wirtschaftliche Entwicklung in ärmeren Regionen. Kurzfristig profitieren in der EU ansässige Produzenten vom künstlich geschaffenen Wettbewerbsvorteil auf europäischen und ausländischen Märkten. Das neuseeländische Beispiel lässt jedoch vermuten, dass selbst die Profiteure des Status Quo, die europäischen Landwirte, nach einer Deregulierung des Agrarsektors langfristig nicht schlechter gestellt würden.

Es spricht wenig dafür, dass die GAP durch Reformen marktgerechter ausgestaltet werden kann. Alteingesessene Interessengruppen, etwa Bauernverbände, haben erheblichen Einfluss auf derartige Reformvorhaben. Frühere Reformbemühungen haben kaum Besserung herbeigeführt. Es ist daher an der Zeit, den Agrarprotektionismus grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen. Schafft die Gemeinsame Agrarpolitik ab – lasst Menschen frei auf offenen Markt für Agrarprodukte wirken!

Zuerst erschienen bei IREF (deutsch/englisch).