Photo: Marco from Flickr (CC BY 2.0)

Eigentlich ist die mögliche Regierungsbildung in Italien gar nicht so schlecht. Nicht, weil man die Rezepte der Lega und Fünf-Sterne-Bewegung gut finden muss. Sondern weil sie Klarheit schafft. Bislang waren die Fiskalpolitik einiger Mitgliedsstaaten und die EZB-Geldpolitik eine ziemlich verlogene Veranstaltung. Die Südschiene im Euro-Club kümmerte sich nicht um die Fiskalregeln und die EZB finanzierte diesen Schlendrian durch ein Anleihenkaufprogramm in Billionenhöhe. Auf Dauer konnte und kann das nicht gut gehen. Wer als Staat mehr Geld ausgibt als er einnimmt, während gleichzeitig im eigenen Land relative Wirtschaftskraft verloren geht, kann nicht erwarten, dass er dauerhaft keine Zinsen bezahlen muss. Das erhöhte Risiko eines Zahlungsausfalls muss sich in der Höhe des Zinses widerspiegeln.

Doch das Gegenteil ist der Fall. 1989 hatte Italien eine Verschuldung von 500 Milliarden Euro und die Anleihen Italiens rentierten mit 14 Prozent. Seitdem steigt die Verschuldung  und die Rendite der Anleihen nimmt kontinuierlich ab. Inzwischen liegt die Verschuldung bei 2.300 Milliarden Euro und die Rendite liegt bei rund 2 Prozent. Die Situation Italiens ist wahrlich besorgniserregend. Die Industrieproduktion hat seit 2007 fast um ein Viertel abgenommen. Der Output der Automobilindustrie ist auf dem Niveau der frühen 1960er Jahre. 1989 wurden in Italien noch fast 2 Millionen Autos gefertigt. Heute sind es nicht einmal mehr 800.000. Daher steigen auch die Target-Verbindlichkeiten gegenüber anderen Notenbanken der Eurozone auf derzeit 442 Mrd. Euro. Italien lebt seit vielen Jahrzehnten auf Pump. Finanziert wurde dies bereits vor dem Euro durch die Notenpresse. Italien wertete die Lira früher alle Jahre einfach ab. Heute wird die Verschuldung des Landes weiter über die Notenpresse finanziert. Für 337 Milliarden Euro hat die italienische Notenbank Staatspapiere des eigenen Landes gekauft. Das ist ein Drittel der gesamten Notenbankbilanz.

Mit diesem Kurs wird es schwierig, Italien im Euro zu halten. Unabhängig davon, ob dies überhaupt wünschenswert ist, muss man sich die Frage stellen, wie ein geordnetes Ausstiegsszenario aussehen könnte. Hier haben die römischen Koalitionäre selbst eine Idee ins Spiel gebracht. So genannte Mini BOTs, also kurzfristige Kredit- oder Schuldscheine. Sie sollen an Gläubiger zur Begleichung ihrer Forderungen ausgegeben werden. Die Scheine sollen mit einem Nennwert von 1 bis 500 versehen werden und es sollen Verbindlichkeiten bis zu 25.000 Euro bezahlt werden können. Sie werden nicht verzinst und haben kein Verfallsdatum. Der Weg von den Mini-BOTs zu einer Parallelwährung ist dann nicht mehr weit.

Angenommen, der italienische Staat würde nicht nur Bleistifte für die Beamten damit bezahlen, sondern auch Renten und Sozialhilfe mit den Mini-BOTs auszahlen, dann würde sich automatisch ein Markt für Mini-BOTs entwickeln. Denn Rentner müssten weiterhin für Lebensmittel, Kleidung und Wohnung aufkommen. In diesem Fall hätte die Verkäufer wohl keine andere Möglichkeit als diese Schuldscheine zu akzeptieren. Daraus würde sich ein Marktpreis für Mini-BOTs entwickeln und die Mini-BOTs wären handelbar und damit eine Parallelwährung zum Euro. Sicherlich keine offizielle Währung nach den Statuten der EZB und der Europäischen Verträge, aber eine faktische. Wahrscheinlich würden die BOTs sogar den Euro im alltäglichen Geschäft verdrängen. Denn hier gilt das so genannte Greshamsche Gesetz, das vereinfacht ausgedrückt besagt, dass das schlechte Geld das gute Geld verdrängt. Wenn es die Erwartung der Geldhalter ist, dass das eine Geld weniger werthaltig ist als das andere, versucht man ersteres möglichst schnell wieder loszuwerden. Das werthaltige Geld behält man, hortet es oder bringt es ins Ausland. So werden sich wahrscheinlich in diesem Fall Mini-BOTs und Euro entwickeln. Denn es ist ja nicht zu erwarten, dass Italien plötzlich zur fiskalischen Disziplin übergeht, sondern im Gegenteil eine neue Verschuldungsspirale durch die Mini-BOTs einleitet. Mini-BOTs sind daher das schlechte Geld, das man schnell wieder loswerden will, und der Euro wird gehortet. Wer hätte das gedacht, dass der Euro jemals die Chance hat, zu gutem Geld zu werden?

Die Schwierigkeit dieses Prozesses ist der geordnete Übergang. Es gibt hier zahlreiche Schwierigkeiten zu überwinden. Rechtlich sehen die Europäischen Verträge keine Möglichkeit einer Parallelwährung vor. Über kurz oder lang müßte Italien wohl den Euro verlassen, oder den italienischen Banken müsste der Zugang zur EZB versperrt werden und die italienische Notenbank aus dem EZB-System ausscheiden. Dann stellt sich die Frage der Target-Verbindlichkeiten und der Schuldentragfähigkeit Italiens erneut. Die Schulden Italiens sind überwiegend in Euro, daher würde eine schwache neue Währung die Bedienung der Euro-Schulden relativ erhöhen. Das alles würde die Finanzmärkte nicht unbeeindruckt lassen und Griechenland, Zypern, Portugal und Spanien erneut in den Fokus rücken. Es gibt also keine einfachen Lösungen zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise. Doch eines ist klar: ein „Weiter so“ produziert noch viele Lega Nords und Fünf-Sterne-Bewegungen in Europa und das sichere Ende des europäischen Einigungsprozesses.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

2 Kommentare
  1. Cooper8
    Cooper8 sagte:

    In Deutschland werden gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge immer noch nicht verstanden.
    Deshalb wird es nun zu einer vehementen Konfrontation zwischen der Bundesregierung und der neuen italienischen Regierung kommen, weil dort sehr kompetenten Personen dazu gehören werden, die gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge verstehen.
    Italien befindet sich seit über zehn Jahren in der Rezession.
    In einer Rezession sparen/ entschulden sich immer gleichzeitig die privaten Haushalte und die Unternehmen, weshalb ein Staat dann nicht auch noch sparen kann.
    Es gibt in einer Marktwirtschaft auch kein Wachstum ohne neue Schulden.
    Um das zu verstehen, braucht man keine ökonomische Theorie, sondern man muss nur die Logik der gesamtwirtschaftliche Buchhaltung begreifen.
    Der so genannte Stabiltäts- und Wachstumspakt der EU ist willkürlich und ergibt keinen ökonomischen Sinn.
    In Wahrheit verhindert oder begrenzt dieser Pakt das Wachstum.
    Eine Währungsgemeinschaft kann sich auch nur dann stabil entwickeln, wenn den Arbeitnehmern regelmäßig der nationale Fortschritt in der Produktivität (Entwicklung BIP) ausbezahlt wird.
    Diese Regel hat Deutschland seit der Einführung des Euros nicht eingehalten, da die realen Löhne viel zu wenig gestiegen sind.
    Die Wirkung entspricht einer Abwertung innerhalb des Euros.
    Dadurch sind die deutschen Lohnstückkosten viel zu niedrig. Deutsche Unternehmen haben gegenüber ihren italienischen Konkurrenten einen unfairen Vorteil bei den Lohnstückkosten von rund 25%, weshalb diese permanent Marktanteile verlieren und die Arbeitslosigkeit ansteigt.
    Der Staat erzielt weniger Steuereinnahmen und muss höhere Transferzahlungen an seine Bürger leisten.
    Durch die zu niedrigen deutschen Lohnstückkosten wachsen die Exportüberschüsse immer weiter an. Spiegelbildlich zu den Exportüberschüssen verschuldet sich das Ausland (insbesondere Mitgliedsländer der Eurozone) permanent immer weiter gegenüber Deutschland.
    Deutschland betreibt einen primitiven Merkantilismus und lebt auf Kosten anderer Länder.
    Das deutsche Geschäftsmodell kann auf Dauer nicht fortgesetzt werden und muss sich fundamental ändern.
    In dem heutigen institutionellen Rahmen der EU/Eurozone ist eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung von Italien unmöglich.
    Die üblichen Handlungsempfehlungen der neoklassischen Ökonomen in Form von Lohnsenkungen, Arbeitsmarktreformen und das Sparen des Staates können das Problem nicht lösen.
    Die Eurozone und insbesondere Italien können sich nur dann wirtschaftlich erholen, wenn in Deutschland eine grundlegend andere und vor allem rationale Wirtschafts- und Finanzpolitik betrieben wird.
    Wie eine solche Politik funktioniert, versteht kein Regierungsmitglied von Frau Merkel.
    Es ist nun die Aufgabe der neuen italienischen Regierung diese notwendige Politik der deutschen Regierung klar zu machen.

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