Photo: Adam Jones flickr

„End the Fed“ steht wieder im Raum, ein alter Anspruch der US-amerikanischen Libertären. Mit Elon Musk ist jemand im Herzen der künftigen US-Regierung, der ein lautstarker Befürworter von Meinungsfreiheit ist. Und für Subventions- und Bürokratieabbau ist die reichste Person der Welt auch noch zuständig. Steuersenkungen könnten kommen und natürlich Technologieoffenheit. Alles tutti im künftigen Freiheitsparadies.

Die Frage ist nur, ob das Narrativ stimmt. Und da finde ich es immer wieder überraschend, wie viel Hoffnung doch noch auf Politiker – oder politisierende Unternehmer – gesetzt wird. Mögen Begriffe wie Deregulierung, Meinungsfreiheit und Zentralbankabschaffung das ein oder andere liberale oder libertäre Herz auch höherschlagen lassen – meine Prognose ist: die Amerikaner werden kein liberaleres Land oder System bekommen, nachdem sich die Trump Administration ans Werk gemacht hat.

Denn diese Truppe kommt nicht aufgrund eines liberalen Welt- und Menschenbilds zu den Schlüssen, die manchem Freiheitsfreund attraktiv erscheinen. Und die Meinungsmacher und Bevölkerungsgruppen, denen sie gefallen wollen, haben kein Interesse an einer freiheitlicheren Republik. Trumps Wirtschaftsberater wollen die Fed nicht ausschalten, um weniger politischen Einfluss auf Geldpolitik zu haben, sondern mehr. Musk will nicht Meinungsfreiheit, weil er versteht, dass wir durch Vielfalt mehr voneinander lernen können, sondern weil er die modernen Gladiatorenkämpfe der Identitätspolitik amüsant findet. Und wirtschaftliche Freiheit soll natürlich für Großunternehmen gelten, aber nicht für Arbeitnehmer ohne amerikanischen Pass oder solche, die sie einstellen wollen. Die Demokraten haben es wirklich massiv vergeigt in den USA. Keine Frage. Aber noch freiheitsfeindlicher wird es unter den Trump-Republikanern werden.

Der November stand schon oft im Zeichen großer historischer Ereignisse. Auch in diesem Jahr wird er seinem Ruf gerecht. In den USA kehrt Donald Trump ins Weiße Haus zurück. Das Ergebnis steht schnell fest und fest bedeutend eindeutiger als die Umfragen uns noch kurz vor der Wahl glauben lassen wollten. Damit nicht genug. Noch am selben Tag erleben wir in Deutschland das jähe Ende der Ampel – das angesichts der Spannungen der letzten Wochen, Monate und eigentlich sogar Jahre, nicht wirklich überraschend kam, aber in seinem Timing und in seiner tatsächlichen Erscheinungsform dann doch sehr anders kam als gedacht.

Festzustehen scheint dieser Tage sowieso nichts mehr. Ob die Krise im Nahen Osten, der andauernde Krieg in der Ukraine, die wirtschaftliche Situation in Deutschland – es sind Entwicklungen, die das Gefühl vermitteln, dass die Welt in einer Zeit der Umbrüche steckt. Die Vielzahl an Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, kann manchmal überwältigend wirken. Gerade in solchen Momenten kann sich das Gefühl einstellen, die Kontrolle zu verlieren. Die stetige Flut an Nachrichten, die Schlagzeilen, die sich in ihrer Dringlichkeit und ihrem Verlangen, rezipiert zu werden, überbieten, und die Unsicherheit über das, was morgen kommt, lassen viele von uns mit einem Gefühl der Überforderung zurück. Es ist, als würde die Welt uns keinen Moment zum Durchatmen geben.

Der November hat aber auch ein anderes Gesicht. Er lässt die Tage kürzer und die Abende länger werden. Es scheint fast so, als würde er uns dazu einladen, langsamer zu werden und bewusst Momente der Stille zu zulassen. Die Stille kann uns helfen, die Vielzahl an Eindrücken zu verarbeiten und aus der Reflexion neue Lösungen zu finden. Innehalten bedeutet nicht, passiv zu sein – es ist vielmehr eine notwendige Voraussetzung, um gestärkt und klar in die Zukunft zu blicken. So paradox ist klingen mag – Jetzt ist es an der Zeit, Ruhe zu finden, um mit Bedacht und Mut die nächsten Schritte zu gehen. Denn der November erinnert uns auch daran, dass Geschichte immer wieder Wendepunkte bietet, und dass es auf uns ankommt, wie wir diese Momente gestalten.

Photo: Unsplash von Diana Picchiottino

Die EU erhebt Zölle auf E-Autos aus China. Der kommende US-Präsident Donald Trump kündigte im Wahlkampf Zölle auf europäische Autos an. Die EU erhebt Klimaschutzzölle für Waren aus dem Rest der Welt. China kündigt Zölle für französischen Weinbrand an. Kurz: die Welt befindet sich in einer neuen Interventionsspirale. Zölle werden mit Zöllen beantwortet. Das ist keine gute Entwicklung. Denn die Globalisierung konnte in den vergangenen Jahrzehnten nur durch den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen ihre große Wirkung für den Wohlstand überall auf der Welt entfalten. Die Datenlage ist erdrückend eindeutig. Die pro Kopf-Einkommen sind überall auf der Welt gestiegen, insbesondere in den so genannten Schwellenländern. Die Kindersterblichkeit, das Bildungsniveau, das Gesundheitsniveau und die Lebenserwartung haben sich ebenfalls verbessert. Alle Wohlstandsparameter zeigen nach oben.

Eigentlich spricht alles dafür die Liberalisierung des Welthandels nicht aufzuhalten oder zurückzudrehen, sondern auf diesem Weg weiterzugehen. Doch die Gegner des Freihandels kommen von links und rechts. Es geht ihnen nicht darum, dass jeder Mensch Zugang zu preiswerten Lebensmitteln, Autos oder Medikamenten bekommt, sondern es geht ihnen um Abschottung. Sie wollen ihre Industrie, ihre Landwirtschaft und ihre Arbeitsplätze schützen. Als wenn die Industrie, die Landwirtschaft und die Arbeitsplätze den Politikern gehören würde. Wer schützt eigentlich die Hungernden, die Geringverdiener, die auf preiswerte Autos angewiesen sind, um zur Arbeit zu kommen? Wer schützt eigentlich die 5-köpfige Familie, die im Sommer preiswert in den Urlaub fliegen will? All diejenigen schützt in der Welt der Abschottung und des Protektionismus niemand.

Photo: Robbie Sproule from Flickr (CC BY 2.0)

In Wolfsburg brennt die Hütte. VW steckt in einer sich verfestigenden Multikrise. Damit stehen nicht nur im Konzern selber schwere Verwerfungen an, sondern auch in der Zuliefererindustrie, bei all den Unternehmen, die um VW herum gebaut sind, und natürlich auch für das Land Niedersachsen. Es würde nicht überraschen, wenn die SPD noch stärker als schon bisher auf Industriepolitik im Wahlkampf setzen würde. Zumal die Partei ja inzwischen so sehr auf das VW-Bundesland fixiert ist wie die CSU auf Bayern. Nachdem die Wahl 2021 vor allem durch Rentenpopulismus geprägt war, darf man jetzt erwarten, dass sich die Sozialdemokratie dem weltweiten Trend zum Protektionismus „einheimischer“ Industrie anschließen werden, um die Stimmung zu ihren Gunsten zu drehen.

Dabei ist sehr viel an der VW-Krise das Ergebnis von Jahrzehnten staatlichen Interventionismus: Politische Vorgaben, welche Technologie wünschenswert wäre. Unrealistische Energiepreise durch einen Wust an Rabatten, Kompensationen, Rückerstattungen und Ausnahmen. Herumpfuschen in der Tarifautonomie. Abwrackprämien … Kurzum: Volkswagen und die darum liegende Industriestruktur hat über Jahrzehnte hinweg falsche Preissignale erhalten und gesendet. Dass diese Potemkinsche Industrie irgendwann ins Wanken gerät, ist vermutlich unausweichlich. Dass das in einer zähen Rezessionsphase geschieht, ist erwartbar.

Damit VW auch weiterhin ein erfolgreiches Unternehmen bleiben – oder wieder werden – kann, müsste es den gleichen Weg gehen, den auch ein Restaurant in Schorndorf, eine Zimmerei in Gera und eine IT-Beraterin aus Münster vor sich haben, wenn ihr Geschäft nicht mehr so läuft. Gerade aus der Sicht solcher Unternehmer muss es etwas grotesk wirken, dass man darauf hinweisen muss, aber Anpassung an die Realität ist auf die Dauer der einzige Weg zu Profitabilität. Leider zahlt sich für die Politik Realitätsverweigerung und -verzerrung so viel mehr aus. Man muss befürchten, dass VW zu einem noch unwirtschaftlicheren Zombie wird.

Photo:Wikimedia.org

Ich sitze mit einem Bekanntem am Sonntagnachmittag beim Kaffeetrinken, das Gespräch kommt auf die Nachrichten: Israel hat den Hamas-Anführer Yahya Sinwar getötet. Schon ist das Thema Krieg auf dem Tisch, gleich neben den Keksen.  

Ich sage, Israel müsse diesen Krieg führen und müsse siegen, das sei klar. Israel sei nicht schuld an diesem Krieg, auch das sei klar. Aber ich sage auch, dass mir die Menschen in Gaza und im Libanon leidtun würden, genau wie mir die Menschen in Israel leidtun. Mein Bekannter antwortet nur: Ja, aber Israel habe keine Wahl. Punkt. 

Gespräche über Krieg sind keine intellektuellen Debatten, die man gewinnt oder verliert, während man genüsslich Kaffee schlürft. Die Geschichte des aktuellen Krieges in Nahost ist lang und kompliziert, aber das darf nicht dazu führen, dass wir uns in den Gesprächen darüber nur noch darauf versteifen, wer recht und wer unrecht hat. Es gibt in diesem Krieg zwar zwei klare Fronten: islamistische Milizen, die ihre Heimatländer unterdrücken und Israel angreifen, und Israel, das sich seit dem 7. Oktober des letzten Jahres verteidigt. Aber das klingt mir zu kühl – so als säßen der israelische Premierminister Netanyahu und ein paar böse Terroristen vor einem Schachbrett und es ginge nur darum, wer besser spielt.  

Im Krieg geht es nicht nur um die Frage der Schuld, nicht nur um Strategie oder Propaganda – es geht immer um Menschenleben. Ich kann verstehen, wieso so viele Menschen wollen, dass die Zivilisten in Gaza und im Libanon wieder ohne die ständige Angst vor dem Tod leben können – das ist menschliche Empathie und es würde mir Sorge bereiten, wenn die ganze Welt aufhören würde, mit anderen Menschen mitzufühlen. Doch mit jemandem mitzufühlen ist kein Synonym für „seine Seite ergreifen“.  

Wir sollten wieder anfangen eine Ambiguitätstoleranz aufzubauen: Ich kann wissen, dass Israel sich rechtmäßig verteidigt und es nicht „einfach so“ Frieden geben kann und ich kann gleichzeitig mit all den Opfern des Krieges mitfühlen. Kannst Du das auch?